Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522613/16/Sch/Th

Linz, 18.02.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. Juni 2010, Zl. VerkR21-97-2010-GG, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1. Dezember 2010, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Bescheid vom 17. Juni 2010, Zl. VerkR21-97-2010-GG, die Herrn X von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt am 13. Juli 1998 unter Zl. VerkR20-1804-1998/FR für die Klassen AV, A und B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß § 24 Abs.1 Führerscheingesetz (FSG) für die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen.

Außerdem wurde ihm gemäß § 32 Abs.1 FSG für dieselbe Dauer das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges ausdrücklich verboten.

 

Zudem wurde die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme hinsichtlich seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung – spätestens bis zum Ablauf der Dauer der Entziehung – angeordnet.

Weiters wurde gemäß § 30 Abs.1 FSG für die Dauer der Entziehung das Recht, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt.

Der Führerschein (auch ein allfälliger ausländischer) wäre der Behörde abzuliefern.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Unbestritten ist, dass der Berufungswerber als Lenker eines PKW am 8. März 2010 im Gemeindegebiet von Kefermarkt auf der Mühlviertler Straße B310 etwa bei Strkm. 30,150 in Fahrtrichtung Linz fahrend einen Verkehrsunfall verursacht hatte. Im Zuge des Überholvorganges von zwei Sattelkraftfahrzeugen geriet er mit dem Gegenverkehr, ebenfalls mit einem Lastkraftfahrzeug, in Berührung und überschlug sich in der Folge mit seinem Fahrzeug.

 

Dabei kam es neben beträchtlichem Sachschaden auch zu einer Eigenverletzung des Berufungswerbers, andere involvierte Fahrzeuglenker wurden nicht verletzt.

 

Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Linz vom 11. Oktober 2010 über entsprechende Nachfrage des Oö. Verwaltungssenates hin, sei gegen den Berufungswerber von der Autobahnpolizeiinspektion Neumarkt im Mühlkreis bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen § 88 Abs.1 StGB eingebracht worden. Das Verfahren wurde in der Folge gemäß § 190 Z2 StPO eingestellt.

 

Anlässlich der eingangs angeführten Berufungsverhandlung – Gegenstand der Verhandlung war neben dem vorliegenden Entziehungsbescheid auch das in der Angelegenheit erlassene Straferkenntnis der Erstbehörde vom 2. September 2010, GZ VerkR96-1026-2010 – ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt unter Beiziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingehend erörtert worden.

 

Hierauf wurde im Verwaltungsstrafverfahren seitens des Oö. Verwaltungssenates eine Berufungsentscheidung, datiert mit 7. Februar 2011, GZ VwSen-165408/15/Sch/Th, erlassen. Hiebei wurde die Berufung abgewiesen, allerdings von der bei der Verhandlung hervorgekommenen Sachverhaltslage, dass die seitens der Erstbehörde im bekämpften Straferkenntnis vom 2. September 2010 enthaltene strafsatzändernde Qualifizierung der Übertretungen als mit besonderer Rücksichtslosigkeit begangen nicht aufrecht erhalten wurde.

 

Der nunmehr verfahrensgegenständliche Entziehungsbescheid stützt sich auf die Annahme, dass beim Berufungswerber besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern zu konstatieren gewesen sei.

 

Dieser Ansicht vermochte sich die Berufungsbehörde bereits im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuschließen. Dazu wird, um hier unnötige Wiederholungen zu vermeiden, auf die Ausführungen in der bereits oben erwähnten Berufungsentscheidung verwiesen.

 

4. Dazu kommt gegenständlich noch, dass sich der zugrunde liegende Vorfall bereits vor nahezu einem Jahr (8. März 2010) ereignet hat. Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 FSG ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von 3 Monaten eintreten (VwGH 14.09.2004, ZVR 2005/76 ua).

 

Die Erstbehörde hat gegenständlich – entgegen der sonst üblichen Behördenpraxis – die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung nicht ausgeschlossen. Laut Bescheidspruch sollte die Lenkberechtigung für die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Zustellung des Entziehungsbescheides, laut Aktenlage war dies der 18. Juni 2010, entzogen werden. Würde – theoretisch – dieser Bescheid von der Berufungsbehörde bestätigt werden, hätte dies keinerlei konkrete Auswirkungen für den Berufungswerber. Er hatte ja durchgehend am Straßenverkehr als Kraftfahrzeuglenker teilnehmen dürfen, obwohl er von der Behörde offenkundig als besonders rücksichtsloser und auch als dahingehend verdächtiger Fahrzeuglenker angesehen wurde, dem es an Bereitschaft zur Verkehrsanpassung mangelt. Die Festsetzung der Entziehungsdauer beginnend erst mit Zustellung der Berufungsentscheidung wäre andererseits eine völlig unangemessene Maßnahme. Man käme dann in Summe auf eine prognostizierte Zeit der Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers, gerechnet ab dem Tag des Verkehrsunfalls, von weit über einem Jahr. Davon ist nicht einmal die Erstbehörde ausgegangen, hat sie doch die Entziehungsdauer mit 3 Monaten festgesetzt.

 

5. Im angefochtenen Bescheid ist der Berufungswerber weiters aufgefordert worden, sich innerhalb der Entziehungsdauer vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 untersuchen zu lassen.

 

Über Nachfrage durch die Berufungsbehörde hat die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Freistadt mit Stellungnahme vom 16. Dezember 2010 mitgeteilt, dass sich der Berufungswerber am 10. August 2010 amtsärztlich untersuchen habe lassen. Die ihm dabei aufgetragenen Befunde (Augenarztbefund und internistische Stellungnahme) hat der Berufungswerber in kürzester Zeit beigebracht.

 

Damit ist der Berufungswerber im Ergebnis der entsprechenden behördlichen Aufforderung nachgekommen. Dieser Spruchteil des Bescheides ist daher durch die Realität überholt worden.

 

Zu der gleichfalls im Bescheid vorgeschriebenen Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme zur Bereitschaft des Berufungswerbers zur Verkehrsanpassung ist zu bemerken, dass in der erwähnten amtsärztlichen Stellungnahme sich der Passus findet, dass eine verkehrspsychologische Überprüfung des Berufungswerbers dann geboten wäre, wenn von etwaigen eingeholten Sachverständigengutachten Hinweise auf ein auffälliges Fehlverhalten des Berufungswerbers sich ergäben. Im Gespräch mit der Amtsärztin hätten sich keinerlei Hinweise auf auffällige kognitive Defizite ergeben.

 

Bei der bescheidmäßigen Vorschreibung einer verkehrspsychologischen Untersuchung wie im gegenständlichen Fall zur Klärung der Frage, ob bei jemandem ein Mangel an Bereitschaft zur Verkehrsanpassung im Sinne des § 17 Abs.1 Z2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung anzunehmen wäre, bedarf es einer entsprechenden Verdachtslage. Anlässlich der Berufungsverhandlung sind Hinweise in diese Richtung nicht zu Tage getreten, der Berufungswerber hat vielmehr auf seine langjährige unfallfreie Lenkervergangenheit verwiesen, die bei mangelnder Verkehrsanpassung wohl nicht zustande gekommen wäre. Auch der persönliche Eindruck seiner Person ließ keine Anhaltspunkte erkennen, dass hier Zweifel berechtigt wären. Dem Berufungswerber ist zwar ein gravierender Fahrfehler – den er bei der Verhandlung ausdrücklich bedauert hat – unterlaufen, der nicht folgenlos geblieben ist. Der Begriff einer allfälligen mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung setzt als zusätzliches Merkmal im Sinne des § 17 Abs.1 FSG-GV noch voraus, dass neben der Verursachung von Verkehrsunfällen oder die Begehung von Verkehrsverstößen eben eine entsprechende Verdachtslage in Richtung mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung hinzukommen muss.

Eine verkehrspsychologische Untersuchung ist keinesfalls stets die zwingende Folge eines (schweren) Verkehrsunfalls.

Nach der hier gegebenen Sachlage kann dem Berufungswerber derzeit eine verkehrspsychologische Untersuchung nicht abverlangt werden, weshalb das amtsärztliche Gutachten ohne eine solche Stellungnahme zu erstatten sein wird.

 

Zu den weiteren bescheidmäßigen Vorschreibungen (Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines, Ausdehnung der Bescheidwirkung auf eine allfällige zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung, Aberkennung des Rechtes, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, sowie das Lenkverbot für führerscheinfreie Kraftfahrzeuge) ist zu bemerken, dass diese als begleitende Verfügungen bei der Entziehung der Lenkberechtigung zu verstehen sind. In diesem Sinne fallen diese auch weg, wenn keine Entziehung der Lenkberechtigung stattzufinden hat.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

S c h ö n

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum