Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165580/11/Zo/Jo

Linz, 15.02.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vertreten durch X vom 02.11.2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 18.10.2010, Zl. VerkR96-5290-2008, wegen zwei Übertretungen des KFG zu Recht erkannt:

 

 

I.          Der Berufung wird stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 31 Abs.3 und 45 Abs.1 Z2 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis zusammengefasst zwei Übertretungen des KFG vorgeworfen, weil er in der Zeit vom 13.01.2008 bis 03.02.2008 als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges in insgesamt fünf Fällen die Ruhezeit unterschritten sowie in zwei Fällen die erlaubte Tageslenkzeit überschritten hatte. Die Übertretung wurde am 07.02.2008 um 09.08 Uhr auf der A8 bei km 24,950 festgestellt.

 

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass ihm die Strafverfügung vom Mai 2008 erst im August 2010 zugestellt worden sei. Der Grund für diese späte Zustellung sei offenbar gewesen, dass in der Strafverfügung sein Geburtsdatum und seine Wohnadresse falsch angegeben waren. Sein damaliger Arbeitgeber sei mittlerweile in Konkurs, weshalb er auch keine Nachforschungen zum Vorfall mehr anstellen könne. Seiner Erinnerung nach sei er zu der ihm vorgeworfenen Zeit gar nicht in der Gemeinde Kematen gewesen (dabei handelt es sich um den Kontrollort).

 

Bei seinem damaligen Arbeitgeber sei es häufig vorgekommen, dass fremde Fahrerkarten verwendet worden seien. Er vermute daher, dass einer seiner Kollegen sich bei der Kontrolle mit seiner Fahrerkarte ausgewiesen habe. Das würde auch das falsche Geburtsdatum erklären. Er habe nie eingeräumt, tatsächlich der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges bei der gegenständlichen Kontrolle gewesen zu sein.

 

Unabhängig davon sei zu berücksichtigen, dass er als Fernfahrer bei seinem damaligen Arbeitgeber ständigem Zeitdruck ausgesetzt gewesen sei. Es sei ihm aufgrund der Vorgaben seines Arbeitgebers nicht möglich gewesen, die Vorschriften betreffend Lenkzeiten und Ruhezeiten einzuhalten, weil er sonst die Liefertermine nicht hätte einhalten können. Dadurch hätte ihm der Verlust seines Arbeitsplatzes gedroht.

 

Er sei derzeit arbeitslos und beziehe einen sogenannten Existenzgründerzuschuss in Höhe von ca. 1.200 Euro, habe Unterhaltszahlungen in Höhe von ca. 160 Euro zu bezahlen und Schulden.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Grieskirchen hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 31.01.2011.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber wurde am 07.02.2008 in Kematen am Innbach als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges zu einer Verkehrskontrolle angehalten. Dabei wurden verschiedene Übertretungen betreffend die Lenkzeiten und Ruhezeiten festgestellt. In der Anzeige wurde vom Polizeibeamten sein Geburtsdatum falsch (1957 anstelle von 1967) und als Wohnadresse die Anschrift seines Arbeitgebers angeführt. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen erstellte am 20.05.2008 zu Zl. VerkR96-5290-2008 eine Strafverfügung und versuchte, diese mit internationalem Rückschein zuzustellen. Dieser Zustellversuch war jedoch erfolglos. In weiterer Folge wurde versucht, die Zustellung im Wege der Amtshilfe über die Regierung der Oberpfalz durchzuführen, wobei jedoch entsprechend den damals bekannten Daten nach wie vor das Geburtsdatum und die Wohnadresse falsch angegeben waren. Diese Zustellung wurde von der Rechtshilfebehörde nicht durchgeführt, weil am Arbeitsplatz die Zustellung nicht möglich sei.

 

Erst im November 2009 wurde das richtige Geburtsdatum und die Anschrift des Berufungswerbers bei der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen bekannt. In weiterer Folge wurde – offenbar in der irrtümlichen Annahme, dass die Strafverfügung rechtskräftig sei – ein Vollstreckungsersuchen an das zuständige Finanzamt gerichtet. Im Juli 2010 stellte die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen schließlich fest, dass die Strafverfügung noch gar nicht zugestellt worden war. Die Zustellung der Strafverfügung erfolgte letztlich erst am 07.08.2010.

 

Daraufhin hat der Berufungswerber einen Einspruch eingebracht und es wurde von der Erstinstanz das Ermittlungsverfahren durchgeführt und das Straferkenntnis am 21.10.2010 zugestellt. Die rechtzeitig eingebrachte Berufung langte am 06.12.2010, also fast genau zwei Monate vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung, beim UVS ein.

 

Aufgrund des vom Berufungswerber bestrittenen Sachverhaltes und eines entsprechenden Antrages wurde eine öffentliche mündlichen Berufungsverhandlung für den 17.01.2011 anberaumt. Wegen einer – ärztlich bestätigten – Erkrankung des Berufungswerbers musste die Verhandlung auf 31.01.2011 verschoben werden. Sie wurde an diesem Tag in Abwesenheit des Berufungswerbers durchgeführt, weil dieser noch immer krank war. Sein Rechtsvertreter erklärte jedoch, dass der Berufungswerber darauf bestehe, persönlich an der Verhandlung teilzunehmen. Es wurde daraufhin die Verhandlung auf den 07.02.2011 vertagt und dem Berufungswerber aufgetragen, eine ärztliche Bestätigung betreffend seine Reiseunfähigkeit sowohl am 31.01. als auch 07.02.2011 vorzulegen.

 

 

 

Mit Schreiben vom 03.02.2011 legte der Berufungswerber eine entsprechende Bestätigung des X vor, wonach es ihm sowohl am 31.01. als auch am 07.02.2011 nicht möglich sei, zur Berufungsverhandlung nach Österreich zu fahren, da er starke Beschwerden im HWS-Bereich habe.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 51e Abs.1 VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

Gemäß § 51e Abs.6 VStG sind die Parteien so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladungen mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.

 

§ 51f Abs. 2 VStG lautet:

Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dann hindert dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses.

 

Gemäß § 51g Abs.2 VStG sind außer dem Verhandlungsleiter die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor einer Kammer auch die übrigen Mitglieder berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen. Der Verhandlungsleiter erteilt ihnen hiezu das Wort. Er kann Fragen, die nicht der Aufklärung des Sachverhaltes dienen, zurückweisen.

 

§ 19 Abs.3 AVG lautet:

Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

 

5.2. Aufgrund des vom Berufungswerbers bestritten Sachverhaltes und des ausdrücklichen Antrages musste im gegenständlichen Fall eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt werden. Der Berufungswerber hat das Recht, an dieser persönlich teilzunehmen, den Sachverhalt aus seiner Sicht zu schildern und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen. Dieses Recht ergibt sich aus § 51g VStG sowie aus Artikel 6 Abs.3 der EMRK.

 

Wenn ein Beschuldigter jedoch trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne ausreichende Entschuldigung nicht zur Berufungsverhandlung erscheint, so hindert dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung der Entscheidung ohne seine Anhörung. Im gegenständlichen Fall war der Berufungswerber jedoch aufgrund seiner Krankheit nicht reisefähig, weshalb er nicht in der Lage war, an der Verhandlung teilzunehmen. Sein Fernbleiben von der Verhandlung ist daher iSd § 19 Abs.3 AVG entschuldigt und es konnte die Verhandlung ohne die persönliche Einvernahme des Berufungswerbers bis zum 07.02.2011 nicht abgeschlossen werden.

 

Der Umstand, dass am 08.02.2011 die Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist, ändert nichts daran, dass der Berufungswerber wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage war, an der Verhandlung teilzunehmen. Die Grundsätze eines fairen Verfahrens iSd Artikel 6 EMRK dürfen nicht wegen drohender Strafbarkeitsverjährung außer Kraft gesetzt werden. Dies muss umso mehr im vorliegenden Fall gelten, in dem der Berufungswerber die Verfahrensverzögerungen zum weit überwiegenden Teil nicht selbst zu verantworten hat.

 

Da die Übertretungen am 07.02.2008 begangen wurden, ist die Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs.3 VStG mit Ablauf des 07.02.2011 eingetreten, weshalb das Strafverfahren einzustellen war.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

VwSen-165580/11/Zo/Jo vom 15. Februar 2011

 

Erkenntnis

 

EMRK Art6 Abs3;

AVG §19 Abs3;

VStG §31;

VStG §51g

 

 

Artikel 6 EMRK sowie § 51g VStG räumen dem Bw das Recht ein, persönlich an der Berufungsverhandlung teilzunehmen und Fragen an die Belastungszeugen zu stellen. Das unentschuldigte Fernbleiben des Bw hindert zwar nicht die Durchführung der Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses, wenn der Bw jedoch aufgrund einer nachgewiesenen Erkrankung nicht in der Lage ist, an der Verhandlung teilzunehmen, kann diese – soweit nicht sein Vertreter zustimmen sollte – nicht ohne seine Befragung abgeschlossen werden.

 

Im gegenständlichen Fall ist während der Erkrankung des Bw die Strafbarkeitsverjährung eingetreten, wobei der Bw die lange Verfahrensdauer nicht selbst zu vertreten hatte. Der drohende Eintritt der Strafbarkeitsverjährung darf in einem solchen Fall nicht zu einer Einschränkung der Beschuldigtenrechte führen, weshalb wegen der nachgewiesenen Unmöglichkeit des Bw, an der Verhandlung teilzunehmen, Verjährung eingetreten ist.

 

 

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