Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231143/3/WEI/Sic/Ba

Linz, 18.02.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der X X, geb. X, türkische Staatsangehörige, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. September 2010, Zl. S-18.963/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizei­gesetz zu Recht erkannt:

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtenen Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt. 

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

zu II: § 66 Abs 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. September 2010 wurde die Berufungswerberin (in der Folge: Bwin) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 24.03.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 16.02.2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z 2-4 u. 6 FPG" als verletzt und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über die Bw gemäß § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

 

1.2. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass die Bwin mangels österreichischer Staatsbürgerschaft eine Fremde iSd Fremden­polizeigesetzes 2005 (FPG) sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfüge. Weiters sei die Bwin nicht Inhaberin eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihr kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für sie auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgestellt worden sei, erfülle sie keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG. Sie halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz sei daher mit Bescheid vom 12. Februar 2010 die Ausweisung angeordnet worden.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich die Bwin tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516).

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen das Straferkenntnis, das der Bwin am 9. September 2010 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 20. November 2010 nach Ende der Amtstunden per E-Mail übermittelte und damit am 21. September 2010 rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bwin beantragt darin, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstraf­verfahren einzustellen.

Begründend macht die Bwin die Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Sie habe entgegen den Feststellungen sehr wohl eine Stellungnahme abgegeben, in der sie ihre Ausreisewilligkeit kund getan und in Aussicht gestellt habe, sämtliche Vorkehrungen zu treffen. Mittlerweile würde Sie über Reisepapiere verfügen, sei aber aus gesundheitlichen Gründen im Zuge ihrer Schwangerschaft nicht reisefähig.

Weiters liege ein entschuldigender und rechtfertigender Notstand vor, da die Bwin ihre mj. und in Österreich geborene Tochter, geb. X, nicht zurücklassen aber auch nicht mitnehmen könne, da diese nur im Reisepass des Kindesvaters eingetragen sei. Dies sei der Erstbehörde aufgrund regelmäßiger Vorsprachen bekannt.

3.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, Zl. S-18.963/10-2, samt Berufungsschrift - ohne vom Instrumentarium der Berufungs­vor­entscheidung Gebrauch zu machen - dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 27. September 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Im Schreiben vom 8. Februar 2011 gab die fremdenpolizeiliche Behörde bekannt, dass es der Bwin laut Auskunft ihres Ehegatten in der Schwangerschaft nicht gut gehe. Die tägliche Meldepflicht wurde aufgrund des errechneten Geburtstermins aufgehoben. Die Abschiebung wäre bis dato nicht möglich gewesen, da das zweijährige Kind lediglich im Reisepass des Vaters eingetragen ist. Seitens des Magistrats Linz sei mittlerweile einer Inlandantragstellung zugestimmt worden.

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

Die Bwin, eine Staatsangehörige der Türkei, reiste im Jahr 2007 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit 25. Februar 2010 rechtskräftig abgewiesen wurde, wobei vom Asylgerichtshof auch die Ausweisung verfügt wurde.

Das Fremdenpolizeiliche Referat der BPD Linz erstattete am 24. März 2010 Anzeige gegen die Bw, weil sie sich seit der rechtskräftigen negativen Abweisung des Asylantrags rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Die Bundespolizeidirektion Linz forderte die Bwin mit Schreiben vom 1. Juni 2010 zur Rechtfertigung auf, wobei ihr vorgeworfen wurde, sich seit 16. Februar 2010 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten. In ihrer nach Ablauf der gesetzten Frist eingelangten Stellungnahme vom 30. Juni 2010 rechtfertigte sich die Bwin im Wesentlichen damit, dass sie ausreisewillig sei und sämtliche Vorkehrungen getroffen habe, weshalb die Einstellung des Verfahrens beantragt wurde.

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis, mit dem die Bwin für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Unstrittig verfügt die Bwin über keinen Aufenthaltstitel für Österreich. Aus den Feststellungen der Fremdenpolizeibehörde ergeben sich gesundheitliche Probleme der Bwin aufgrund deren Schwangerschaft. Weiters stellte das Fremdenpolizeiliche Referat der BPD Linz fest, dass eine Abschiebung aufgrund des rund zweieinhalb Jahre alten Kindes der Bwin, welches über kein eigenes Reisedokument verfügt, nicht möglich ist.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen

wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.     wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.     wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.     wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;

4.     solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.     soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischen­staatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6.     wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbe­schäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.     soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

Nach § 120 Abs 5 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung jedoch gemäß Abs 1 Z 2 nicht vor,

1.     wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§ 50) ist;

2.    solange der Fremde geduldet ist (§ 46a),

3.     im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum oder

4.     solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist.

Der Aufenthalt von Fremden ist gemäß § 46a FPG geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

1.     §§ 50 und 51 FPG oder

2.     §§ 8 Abs. 3a und 09 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist oder

3.    aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint,

es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt.

4.2. Bis zur rechtskräftigen negativen Abweisung ihres Asylantrags am 15. Februar 2010, war die Bwin aufgrund des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der Aufenthalt der Bwin seit dem 16. Februar 2010 lässt sich jedoch auf keine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen.

Dennoch kann der Bwin nicht der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf gemacht werden.

Wie dem Vorlageakt und dem ergänzenden Schreiben der belangten Behörde bzw. des Fremdenpolizeilichen Referats zu entnehmen ist, konnte die Bwin im Beurteilungszeitraum aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden: Das zweieinhalbjährige Kind konnte einerseits nicht von der Mutter getrennt werden und dieses konnte andererseits mangels eigener Reisepapiere nicht mit der Bwin das Bundesgebiet verlassen.

Von der belangten Behörde wird nicht bestritten, dass die Abschiebung der Bwin im Beurteilungszeitraum tatsächlich nicht möglich war, die Bwin im Ermittlungsverfahren ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und sie somit die Gründe, die einer Abschiebung tatsächlich entgegen stehen, auch nicht zu vertreten hat.

Im Hinblick darauf ist im Beurteilungszeitraum davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Bwin im Bundesgebiet geduldet war.

Entgegen der ursprünglichen Ansicht der belangten Behörde liegt gemäß § 120 Abs. 5 Z. 2 FPG keine Verwaltungsübertretung vor.

4.3. Da die der Bwin zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis war der Bwin gemäß 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

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