Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231176/3/WEI/Sic/Ba

Linz, 23.02.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. Oktober 2010, Zl. S-19.065/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizei­gesetz zu Recht erkannt:

I.  Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 35 Stunden herabgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in dessen Spruch nach dem Zitat "FPG" jeweils die Wendung "i.d.F. BGBl. I Nr. 4/2008" einzufügen ist.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 15 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

zu II: § 64 Abs 1 und 2 und § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. Oktober 2010 wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 12.03.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 20.03.2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z 2-4 u. 6 FPG" als verletzt und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über den Bw gemäß § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

 

1.2. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw mangels österreichischer Staatsbürgerschaft ein Fremder iSd Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG. Er halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Vom fremdenpolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Linz sei daher mit Bescheid vom 11. Februar 2010 (richtig: 2008) gegen den Bw die Ausweisung angeordnet worden. Durch die Erhebung der Berufung gegen den Ausweisungsbescheid habe er keinen Aufenthaltstitel erworben. Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Verwaltungsstrafverfahrens sei festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits eindeutig entschieden habe, dass der Aufenthalt eines Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig sei. Insbesondere würde auch ein Antrag auf Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs.3 Z 2 NAG kein Aufenthalts- und Bleiberecht schaffen.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Hinweis auf VwGH vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516).

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Bw am 25. Oktober 2010 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 4. November 2010 - und damit rechtzeitig – zur Post gegebene und bei der belangten Behörde am 8. November 2010 eingelangte Berufung. Der Bw beantragt darin das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu von der Strafverhängung abzusehen, in eventu die Strafe herabzusetzen.

Begründend stellt der Bw zunächst fest, dass er zwar tatsächlich unrechtmäßig in Österreich aufhältig sei, er aber seit 2005 mit einer Österreicherin verheiratet sei und über seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger bis dato nicht entschieden worden sei. Er könne berechtigterweise davon ausgehen, dass er diesen Titel erhalten und aufgrund seines Familienlebens und seiner Integration auch seiner Berufung gegen die Ausweisungsentscheidung stattgegeben werde. Dies würde sein Verschulden vermindern. Des Weiteren macht er geltend, der Spruch des Straferkenntnisses enthalte nicht sämtliche Voraussetzungen eines unrechtmäßigen Aufenthalts. Zuletzt macht er die Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Strafhöhe während des inkriminierten Tatzeitraums geltend  und sei durch Verhängung der höheren Strafe das Günstigkeitsprinzip verletzt.

3.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, Zl. S-19.065/10-2, samt Berufungsschrift - ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 12. November 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Da sich bereits daraus der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, der Bw lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde behauptet, konnte gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

Der Bw, ein Staatsangehöriger von Ghana, reiste im Jahr 2003 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit 1. September 2007 rechtskräftig abgewiesen wurde. Am 11. Februar 2008 erließ die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Bw einen Ausweisungsbescheid. Die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich bestätigte mit Bescheid vom 13. März 2008 (erlassen und  damit rechtskräftig mit 19.03.2008) die Ausweisung. Die Beschwerde gegen den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 23. Februar 2009 abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, welcher das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 27. Mai 2009 einstellte.

Das fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion Linz erstattete am 12. März 2010 Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit der rechtskräftigen negativen Abweisung des Asylantrags rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Die Bundespolizeidirektion Linz forderte den Bw mit Schreiben vom 1. Juni 2010 zur Rechtfertigung auf, wobei ihm vorgeworfen wurde, sich seit 20. März 2008 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten. In seiner Stellungnahme vom 7. Juni 2010 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen damit, dass er einen Antrag auf Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs 3 Z 2 NAG gestellt habe und sich daraus in Zusammenschau mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ein Aufenthaltsrecht ergebe. Über die Ausweisung sei noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden.

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis, mit dem der Bw für schuldig befunden wurde, § 120 Abs. 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Der Bw hat laut vorliegendem Auszug aus dem Fremdeninformationsregister am 2. Juli 2009 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger gestellt, welcher am 13. Juli 2009 abgelehnt wurde.

Seitens der Fremdenpolizeibehörde wird berichtet, dass der Bw freiwillig ausreisen möchte und wurde ihm dafür Anfang Jänner 2011 eine Frist von 2 Monaten gewährt. Das gelindere Mittel der täglichen Meldepflicht wurde bisher von ihm eingehalten.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z 2 FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen

wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.     wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.     wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.     wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;

4.     solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.     soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischen­staatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6.     wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbe­schäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.     soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

4.2. Bis zur rechtskräftigen negativen Abweisung seines Asylantrags am 1. September 2007, war der Bw aufgrund des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der Aufenthalt des Bw seit dem 2. September 2007 lässt sich jedoch auf keine Bestimmung des § 31 Abs. 1 FPG stützen. Auch begründet nach § 21 Abs. 6 NAG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009) der Antrag auf Inlandsantragstellung kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Gleiches gilt für den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung (vgl dazu § 44 Abs. 5 und § 44b Abs. 3 NAG). Damit hat der Bw grundsätzlich objektiv tatbestandsmäßig gehandelt.

4.3. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere unbelegt die Stellung eines Antrags auf Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG vor. Voraussetzung einer Zulassung zur Inlandsantragstellung nach § 21 Abs. 3 NAG ist – soweit es sich nicht um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt – dass die Ausreise zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Im Ausweisungsverfahren waren seitens der Fremdenpolizeibehörden die Voraussetzungen des Art 8. EMRK gemäß § 66 Abs. 1 FPG ebenfalls zu prüfen und wurde dabei rechtskräftig festgestellt, dass eine Ausweisung (und somit auch der damit verbundene Zwang zur Ausreise) zulässig ist. Das heißt unter anderem auch, dass dadurch das Recht des Bw auf das Privat- und Familienleben nicht verletzt wird. Auch der diesbezüglichen Beschwerde an die Höchstgerichte war kein Erfolg beschieden. Hat der Bw tatsächlich einen Antrag auf Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG gestellt, so wird dieser mangels Vorliegens der Voraussetzungen abzuweisen sein. Ein mangelndes Verschulden am weiteren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich vermag der Bw damit nicht darzutun.

Auch sonst sind keine Umstände erkennbar, die auf ein mangelndes Verschulden des Bw hinweisen würden. Insbesondere ist für ihn nach rechtskräftiger Entscheidung über seine Ausweisung auch keine Situation gegeben, die ein weiteres Abwarten einer fremdenrechtlichen Entscheidung im Inland bei sonstiger Einstellung des Verfahrens erforderlich machen würde.

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

4.4.1. Hinsichtlich der Strafbemessung ist jedoch zu beachten, dass als Tatzeitraum deshalb, weil im Spruch lediglich der Beginn des strafbaren Verhaltens explizit angeführt ist (20. März 2008), aufgrund der sogenannten Erfassungswirkung (vgl die Rechtsprechungsnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1530 f) das gesamte rechtswidrige Verhalten bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses am 21. Oktober 2010 anzusehen ist.

4.4.2. Während dieses Zeitraumes wurde die maßgebliche Rechtsgrundlage, nämlich die Strafbestimmung des § 120 Abs. 1 FPG, durch die Novelle BGBl I Nr. 122/2009 insoweit geändert, als der früher "bis zu 2.180 Euro" reichende Strafrahmen auf einen solchen "von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro" ausgedehnt worden ist; seit dieser gemäß § 126 Abs. 7 FPG am 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen Novelle ist daher nunmehr eine Mindeststrafe von 1.000 Euro vorgesehen.

Nach § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, soweit das zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses geltende Recht für den Beschuldigten nicht günstiger ist.

Im gegenständlichen Fall war die Rechtslage in Bezug auf den zwischen dem 20. März 2008 und dem 31. Dezember 2009 liegenden Teilbereich des Tatzeitraumes für den Bw offenbar insofern günstiger, als § 120 Abs. 1 FPG idF vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 einerseits keine Mindeststrafe und andererseits eine deutlich geringere Höchststrafe vorgesehen hatte. Indem die belangte Behörde insoweit das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs. 2 VStG nicht beachtet hat, hat sie das angefochtene Straferkenntnis möglicherweise mit Rechtswidrigkeit belastet.

4.4.3. Nach Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl 2007/C 303/01, im Folgenden: Grundrechte-Charta) darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war; es darf auch keine schwerere Strafe als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden; wird nach der Begehung einer Straftat durch Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so ist (nur) diese zu verhängen. Nach den Erläuterungen zur Grundrechte-Charta (ABl 2007/C 303/02) positiviert der letzte Satz dieser Bestimmung - über den Art 7 EMRK hinaus - die in zahlreichen Mitgliedstaaten der EU geltende "Regel der Rückwirkung von milderen Strafvorschriften".

Mit Blick auf den Wortlaut des Art 49 Abs. 1 dritter Satz Grundrechte-Charta soll dieses spezifische Rückwirkungsverbot aber offenbar nur Zustands-, nicht jedoch auch Dauerdelikte erfassen. Denn insbesondere jener Fall, dass sich die Strafdrohung während eines Dauerdeliktes in der Richtung ändert, dass die Strafdrohung pro futuro nicht herabgesetzt, sondern erhöht wird, ist zum einen nicht explizit geregelt, andererseits ergeben sich auch aus den Erläuterungen zur Grundrechte-Charta keine Hinweise darauf, dass mit dieser Regelung eine über die Rückwirkung von milderen Strafvorschriften hinausreichende, insbesondere eine zukünftige Strafverschärfung generell verhindernde Wirkung beabsichtigt gewesen wäre.

Unabhängig von der Problematik, inwieweit die Grundrechte-Charta dem Einzelnen überhaupt unmittelbar subjektive Rechte gewährleistet, stellt sich somit auch inhaltlich betrachtet die Frage, ob Art 49 Abs. 1 dritter Satz Grundrechte-Charta allenfalls als unmittelbar anwendbares Primärrecht dem § 1 Abs. 2 VStG vorgeht, hier schon von vornherein nicht.  

4.4.4. In seinem Urteil vom 17. September 2009, Beschw Nr. 10249/03, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unter ausdrücklichem Abgehen von seiner früheren Judikatur festgestellt, dass Art 7 Abs. 1 EMRK nicht nur das Verbot der Rückwirkung strengerer Strafgesetze, sondern auch das Gebot der Rückwirkung milderer Strafgesetze statuiert: Wenn Unterschiede zwischen dem zur Zeit der Tatbegehung bestanden habendem und einem nachfolgend - noch vor der endgültigen Entscheidung - erlassenen Gesetz bestehen, dann muss das Gericht jenes Gesetz anwenden, dessen Strafsätze den Beschuldigten am meisten begünstigen.

Auch aus diesem Urteil lässt sich aber weder ableiten, dass durch Art 7 Abs. 1 EMRK eine Erhöhung des Strafsatzes pro futuro grundsätzlich gehindert wäre, noch, dass der Beschuldigte dann, wenn ein Teilbereich des Tatzeitraumes noch unter das Regime der früheren, günstigeren Regel fällt, einen Anspruch darauf hätte, dass damit die gesamte Tat nach dem für ihn günstigeren Recht zu beurteilen wäre.

Hinsichtlich Art 7 Abs. 1 EMRK erscheint daher die Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG in Bezug auf Dauerdelikte weder unter dem Aspekt des Art 49 Abs. 1 dritter Satz der Grundrechte-Charta, noch aus dem Blickwinkel des Urteiles des EGMR vom 17. September 2009, Beschw Nr. 10249/03, als verfassungsrechtlich bedenklich.

4.4.5. Davon ausgehend sind aber Art 49 Abs. 1 der Europäischen Grundrechte-Charta und das vorerwähnte Urteil des EGMR auch nicht dazu geeignet, nunmehr die bisherige ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 2 VStG, wonach bei Dauerdelikten das Tatende bzw. der letzte Teilakt entscheidend ist, in Zweifel zu ziehen: Danach ist nämlich dann, wenn dieser letzte Teilakt nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes gesetzt wurde, die Tat - und zwar selbst dann, wenn die neue Regelung vergleichsweise strenger ist - deshalb ausschließlich nach dem neuen Recht zu beurteilen, weil das strafbare Verhalten in der Zeit der strengeren Regelung noch fortgesetzt wurde (vgl zBsp VwGH 02.05.2005, Zl. 2001/10/0183, mwN).

Diese Judikatur zu Grunde legend ist daher als Zwischenergebnis festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall die dem Bw angelastete Tat grundsätzlich in vollem Umfang nach § 120 Abs. 1 FPG idF der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 zu beurteilen ist.

4.4.6. Zu prüfen bleibt allerdings noch, ob die Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 12 FPG letztlich nicht zu einem anderen Endergebnis führen muss.

Danach gelten die "§§ 114 bis 121 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 ..... für strafbare Handlungen, die vor dem 1. Jänner 2010 begangen wurden, weiter".

Im Lichte der zuvor angeführten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Dauerdelikten könnte diese Anordnung in Verbindung mit der Inkrafttretensbestimmung des § 126 Abs 7 FPG (1. Jänner 2010) entweder bedeuten, dass damit die Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG im Ergebnis lediglich wiederholt wird; oder, dass dadurch bestimmt wird, dass die gesamte - vor dem 1. Jänner 2010 begonnene und erst danach abgeschlossene - Tat nach der früheren, hinsichtlich ihrer Strafdrohung milderen Sanktionsnorm zu beurteilen ist; oder, dass hinsichtlich des vor dem 1. Jänner 2010 liegenden Teilbereiches des Tatzeitraumes die frühere und in Bezug auf den nach diesem Zeitpunkt liegenden Teilbereich die spätere Rechtslage anzuwenden ist.

Den Gesetzesmaterialien ist zur Lösung dieser Problematik unmittelbar nichts zu entnehmen, weil sich die Regierungsvorlage insoweit bloß auf die Wiederholung des Gesetzestextes beschränkt (vgl 330 BlgNR 24. GP, 38) und der Ausschussbericht hierzu überhaupt schweigt (vgl 387 BlgNR 24. GP).

Gerade aus dem Umstand, dass zu der zuvor dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Dauerdelikten überhaupt nicht Stellung bezogen wird, lässt sich jedoch nach h. Auffassung ableiten, dass diese dem Gesetzgeber wohl nicht aktuell bewusst war. Und in Verbindung damit, dass ohne entsprechenden konkreten Hinweis auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Normsetzer mit einer Novelle Überflüssiges anordnet (Derartiges läge aber vor, wenn man in § 125 Abs. 12 FPG in dem bereits zuvor aufgezeigten Sinn lediglich eine Wiederholung der ohnehin bereits mit § 1 Abs. 2 VStG getroffenen Anordnung erblickt), kommt man insgesamt zu dem Ergebnis, dass der eigenständige Sinn der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 12 FPG letztlich darin liegt, dass eine bereits vor dem 1. Jänner 2010 begonnene Übertretung des § 120 Abs. 1 FPG in vollem Umfang nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 zu beurteilen ist. Dies deshalb, weil auch die dritte zuvor aufgezeigte Alternative - nämlich: Trennung des Tatzeitraumes in einen vor und einen nach diesem Zeitpunkt liegenden Teilbereich (wie dies der Verwaltungsgerichtshof bei Dauerdelikten ansonsten nur hinsichtlich Übertretungs- und Sanktionsnorm kennt; vgl zBsp VwGH 08.10.1990, Zl. 90/19/0319) - zu dem insgesamt unbilligen Ergebnis führen würde, dass die Gesamtstrafe damit zwangsläufig stets über der mit der Novelle BGBl I Nr. 122/2009 eingeführten Mindeststrafe liegen müsste.

4.4.7. Davon ausgehend hätte daher die belangte Behörde im gegenständlichen Fall für den gesamten Tatzeitraum als Sanktionsnorm die Bestimmung des § 120 Abs. 1 FPG idF vor der Novelle BGBl I Nr. 122/2009, bzw (weil durch die Novelle BGBl I Nr. 29/2009 keine Änderung der hier relevanten Bestimmungen erfolgte) idF BGBl I Nr. 4/2008 anzuwenden gehabt. In dieser Fassung war aber lediglich eine Geldstrafe "bis zu 2.180 Euro" vorgesehen.

Dem entsprechend findet es der Oö. Verwaltungssenat unter den Aspekten des konkret vorliegenden Falles (tatbestandsmäßiges Verhalten von zwei Jahren und sieben Monaten als erschwerend und damit eine Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 VStG ausschließend, davon der deutlich überwiegende Teil in einem Zeitraum, als die Tat noch nicht mit der Mindeststrafe von 1.000 Euro bedroht war) in gleicher Weise als tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe mit 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation mit 35 Stunden festzusetzen.

4.5. Insoweit war der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass in dessen Spruch nach dem Zitat "FPG" jeweils die Wendung "i.d.F. BGBl. I Nr. 4/2008" einzufügen ist.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 15 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Bw gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabengebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

 

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