Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231210/2/BMa/Mu/Th

Linz, 28.02.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, geb. X, türkische Staatsangehörige, X, vertreten durch Mag. Dr. X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. Dezember 2010, S-40.065/10-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.               Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – AVG iVm. §§ 24, 45 Abs.1 Z 2, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – VStG

Zu II.:  §§ 65 und 66 Abs.1 VStG


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde die Berufungsweberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 22.07.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 22.06.2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31 Abs. 1 Z. 2-4 u. 6 FPG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in Euro          falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß §

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.000,--                      4 Tage                                       120 Abs. 1 FPG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

100,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.100,-- Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die dem Bw angelastete Tat durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referates der BPD Linz sowie auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der relevanten Rechtsgrundlagen wird im Wesentlichen weiters vorgebracht, es stehe fest, dass sich die Bw unrechtmäßig in Österreich aufhalte.

 

Mildernd wurde bei der Strafbemessung die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Der Strafbemessung wurde zugrunde gelegt, dass der Bw kein relevantes Vermögen besitze und weder Sorgenpflichten habe noch Einkommen beziehe.

 

1.3. Gegen dieses ihrem Rechtsvertreter am 16. Dezember 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 28. Dezember 2010 – und damit rechtzeitig – per E-Mail eingebrachte Berufung vom selben Tag.

 

Darin stellt die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter zunächst den Antrag auf Aufhebung des gegenständlichen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde.

In weiterer Folge wird nicht bestritten, dass ihr Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Es treffe auch zu, dass derzeit ihr Aufenthalt in Österreich illegal sei. Über die gegen sie erlassene Ausweisung habe aber bis dato die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich noch nicht rechtskräftig entschieden. Hingegen habe sie auf Grund ihres langjährigen Aufenthalts und auf Grund des gemeinsamen Lebens im Familienverband in Österreich einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz gestellt. Das diesbezügliche Verfahren sei ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Zudem gebe es weder im Niederlassungsbewilligungsverfahren eine Stellungnahme in der beurteilt werde, ob ihre Ausweisung rechtmäßig sein könnte, noch eine rechtskräftige Entscheidung, aus der hervorgehe, dass sie das Bundesgebiet zu verlassen habe. Sie könne daher nicht bestraft werden, solange der Gesetzgeber und seine Vollzugsbehörden nicht in der Lage seien, überhaupt eine Entscheidung dahingehend abzugeben, ob ihr Aufenthalt legalisiert werde. 

Zudem werde ihr Verfahren zur Erlangung einer humanitären Niederlassungsbewilligung präjudiziert, da durch diese verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung die Erlangung einer humanitären Niederlassungsbewilligung unmöglich werde. Durch die Vorgehensweise der belangten Behörde werde sie in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

Schließlich wird angeregt, der Oö. Verwaltungssenat möge dem Verfassungsgerichtshof die Frage der Verfassungskonformität der Bestimmung des § 120 Abs.1 FPG im Rahmen eines Gesetzesprüfungsverfahrens zur Vorlage bringen.

 

2.1. Mit Schreiben vom 10. Jänner 2011 hat die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu S-40.065/10-2. Weil im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.3 VStG von einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

 

Die Bw ist türkische Staatsangehörige. Sie hält sich seit August 2004 in Österreich auf. Ihr Asylverfahren wurde rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Daraufhin stellte die Bw am 21. Juli 2010 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs.4 NAG beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz.

Das fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion Linz erstattete am 22. Juli 2010, Zl. 1060021/FRB, Anzeige gegen die Bw, weil sie sich seit der rechtskräftigen negativen Abweisung des Asylantrages rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Die Bundespolizeidirektion Linz forderte die Bw mit Schriftstück vom 29. September 2010 zur Rechtfertigung auf und legte ihr damit die im Spruch zugrundeliegende Verwaltungsübertretung zur Last. In der Folge stellte die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 einen Antrag um Fristverlängerung zur Einbringung einer Stellungnahme bis zum 30. Oktober 2010.

Da bis zur gesetzten Fristverlängerung keine Stellungnahme abgegeben wurde, erließ die belangte Behörde schließlich das angefochtene Straferkenntnis vom 13. Dezember 2010.

Die Bundespolizeidirektion Linz ordnete mit Bescheid vom 22. Juli 2010, Zl. 1-106-oo21/FRB/10, die Ausweisung der Bw aus dem Bundesgebiet an. Dieses Ausweisungsverfahren wurde von der Bw bekämpft und ist derzeit noch bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich anhängig.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1. Gemäß § 120 Abs.1 Z2 FPG, in der zur Tatzeit geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder

1. nicht rechtmäßig in das  Bundesgebiet einreist oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthalts; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Nach § 31 Abs.1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (An.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs.5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs.3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist (wie im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen) – auch von der Bw - völlig unbestritten, dass sie keinen der  Tatbestände des § 31 Abs.1 FPG erfüllt, und dass somit der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts grundsätzlich gegeben ist.

 

Die Einwendung, eine Bestrafung sei nicht zulässig, da der Bw - wegen ihres am 21. Juli 2010 gemäß § 44 Abs.4 NAG gestellten Antrages auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung aufgrund erfolgter Integration – die Tat subjektiv nicht vorwerfbar sei, bedarf aber einer näheren Erörterung.

 

Gemäß § 44 Abs. 4 kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

 

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

Gemäß § 11 Abs.1 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG besteht;

2. gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs.1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs.1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs.6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Nach § 11 Abs.3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs.1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs.2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

4.3. Das Asylverfahren der Bw wurde mit Bescheid des Asylgerichtshofes am 21. Juni 2010 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Am 21. Juli 2010 hat die Bw einen auf § 44 Abs.4 NAG gestützten Antrag beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz gestellt. Über den Antrag wurde bis dato nicht abgesprochen. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Antragstellung der Bw von vorneherein unzulässig oder unbegründet gewesen wäre.  

 

Das FPG enthält keine Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs.1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Die Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung eines Antrags gemäß § 44 Abs.4 NAG (wie oben dargestellt) auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ vor.

 

Im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der VwGH dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs.4 NAG nicht in Betracht kommt. Dabei führte der Verwaltungs­gerichtshof begründend aus:

 

"§ 44 Abs.4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs.4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' – auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs.3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann."

 

In der Folge hat der VwGH im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, explizit ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs.2, 44 Abs.3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten ist, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen (vgl. auch Erkenntnis vom 25. Februar 2010, 2009/21/2009).

 

4.4. Daraus folgt im Ergebnis, dass der Bw ab Antragsstellung am 21. Juli 2010 ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden kann:

 

Für die Bw liegt gemäß der zitierten Judikatur eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn sie einerseits zur Ausreise verpflichtet ist, und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit ihr Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat (vgl. VwSen-231150/BP/Ga vom 11. Oktober 2010).

 

Da die Bw im vorliegenden Fall zumindest ab dem 21. Juli 2010 berechtigt war, die Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abzuwarten, kann ihr ab dem Zeitpunkt der Antragstellung kein schuldhaftes Verhalten mehr vorgeworfen werden.

 

Von der Bw kann nicht verlangt werden, dass sie am Tag nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes sofort die Ausreise vornimmt. Da sie nicht einmal einen Monat nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes den Antrag gemäß § 44 Abs.4 NAG eingebracht hat, trifft sie für den gesamten ihr vorgeworfenen Tatzeitraum kein Verschulden. Aus diesem Grund war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z 2 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Ergebnis war der Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 


 

Rechtssatz zu VwSen-231210/2/BMa/Mu/Th vom 28. Februar 2011:

 

ständige Rechtssprechung

 

 

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