Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252715/2/Kl/Pe

Linz, 10.03.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, p.A. x GmbH, Straße x, D-x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 4.2.2011, SV96-185-2010/La, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 2, 27, 45 Abs.1 Z1 und Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 4.2.2011, SV96-185-2010/La, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) Geldstrafen zu 150 Euro in zwei Fällen, Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 33 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 7b Abs.9 iVm 7b Abs.5 AVRAG idgF verhängt, weil er als Arbeitgeber und somit als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten hat, dass entgegen den Bestimmungen des § 7b Abs.3 AVRAG die Beschäftigung der zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung zumindest am 6.7.2010 um 9.50 Uhr in x, x Straße x, Höhe ehemalige x-Tankstelle, nach Österreich entsandte Arbeitnehmer:

a) x, geb. x

b) x, geb. x

nicht spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertrags-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen, A-1030 Wien, Erdbergstraße 192-196, gemeldet wurden und entgegen den Bestimmungen des § 7b Abs.9 AVRAG zum Zeitpunkt der Kontrolle (am 22.3.2010 um 14.00 Uhr) am Arbeits(Einsatz)ort in Österreich keine Unterlagen über die Anmeldung der beiden o.a. entsandten – in Österreich nicht sozialversicherungspflichtigen – Arbeitnehmer zur Sozialversicherung im Sitzstaat ihres Dienstgebers (SV Dokument E101 nach der VO [EWG] Nr. 1408/71) bereitgehalten wurden. Der angeführte Sachverhalt wurde bei der Kontrolle gemäß § 7b Abs.6 AVRAG durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels, Team KIAB am 6.7.2010 um 9.50 Uhr in x, x Straße, festgestellt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und begründend ausgeführt, dass der Arbeiter x weder bekannt noch jemals beim Bw beschäftigt gewesen sei. Er sei daher in Bezug auf diesen Arbeiter nicht sozialversicherungspflichtig. Herr x ist Mitarbeiter der Firma und war zum Kontrollzeitpunkt sozialversichert und es lag das Dokument E101 vor. Sein SV-Ausweis lag vor. Es wurde die Aufhebung bzw. ein Absehen von der strafrechtlichen Verfolgung beantragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des „Ortes der Begehung“ die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen. Für den Bereich des VStG kommt in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen – dies wird auch für in Filialen gegliederte Unternehmen angenommen –, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht, zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat. Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien (z.B. ASchG, AuslBG, AZG, LMKV 1993, ÖffungszeitenG) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein. Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so ist im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften zu treffen gewesen wären (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1723 ff mit Judikaturnachweisen).

 

5.2. Im Verwaltungsstrafakt liegt auf, dass der Bw handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in Straße x, D-x ist. Es hätte der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer und nach außen vertretungsbefugtes Organ der x GmbH vom Unternehmenssitz in x aus entsprechende Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verwaltungsübertretungen setzen müssen und er ist daher durch Unterlassen der gesetzlich geforderten Vorsorgehandlungen am Unternehmenssitz in Deutschland strafbar geworden. Es ist daher der Unternehmenssitz als Tatort gemäß § 2 VStG anzusehen, wobei dieser Tatort im Ausland gelegen ist. Da es im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG einer speziellen Bestimmung dahingehend fehlt, dass auch Verwaltungsübertretungen, welche im Ausland begangen werden, als im Inland begangen anzusehen und strafbar sind, liegt gemäß der allgemein geltenden Bestimmung nach § 2 VStG keine Strafbarkeit vor, weil die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht im Inland begangen wurden. Es war daher schon aus diesem Grund das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

Hingegen ist die Anführung des Ortes der Anhaltung in x, x Straße x nicht der Tatort, sondern handelt es sich dabei nur um eine nähere Sachverhaltsumschreibung.

 

5.3. Das angefochtene Straferkenntnis ist aber auch aus weiteren Gründen aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Entgegen dieser Judikatur ist aber ein entsprechend konkretisierter Tatvorwurf hinsichtlich der im Straferkenntnis angeführten Verwaltungsübertretungen in der innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 VStG ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung nicht zu entnehmen. Dieser Aufforderung zur Rechtfertigung kann nicht entnommen werden, welcher konkreten Taten der Bw beschuldigt wird. Die reine Anführung der gesetzlichen Bestimmungen reicht hingegen nicht aus. Die erstmals im Straferkenntnis erfolgte Tatumschreibung, die dem § 7b Abs.9 Z1 und Z2 AVRAG entspricht, erfolgte hingegen erst nach Verstreichen der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, welche am 6.1.2011 endete. Das angefochtene Straferkenntnis vom 4.2.2011 erging daher erst nach Verstreichen der Verfolgungsverjährungsfrist. Es wurde daher keine die Verfolgungsverjährung hemmende Verfolgungshandlung rechtzeitig gesetzt. Es war daher auch Verfolgungsverjährung eingetreten, weshalb auch aus diesem Grunde das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen war. Auch in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass das AVRAG keine speziellen Vorschriften hinsichtlich einer geänderten Verfolgungsverjährung aufweist, sodass die allgemeine Regel nach § 31 VStG zum Tragen kommt.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Tatort im Ausland, keine Strafbarkeit, Tatkonkretisierung, Verjährung

 

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