Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110985/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 15.03.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des x, vertreten durch Rechtsanwalt x, xstraße x, D‑x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 24. November 2010, VerkGe96-203-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 80 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 20 Stunden herabgesetzt werden. Der Verfallsausspruch wird aufgehoben.

 

II.   Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 8 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafe. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beru­fungs­verfahren.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 19, 37 Abs.5 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 Abs.1 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 24. November 2010, VerkGe96-203-2010, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 100 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden, wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 23 Abs.2 Z4 GütbefG iVm Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92, verhängt, weil er am 28.6.2010 als Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) und Lenker des Sattelzugfahrzeuges mit dem rumänischen Kennzeichen x und dem Sattelanhänger mit dem rumänischen Kennzeichen x (Zulassungsbe­sitzer des Zugfahrzeuges: x, x, x) eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Backöfen) von der Türkei zum Grenzübergang Suben, mit einem Zielort in Deutschland durchgeführt hat, ohne dass er bei diesem grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr am 28.6.2010 gegen 14.30 Uhr auf der Innkreisautobahn A8, Amtsplatz der Zollstelle Suben, Gemeindegebiet Suben, den Kontrollorganen auf Verlangen eine gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung vorgezeigt hat.

Weiters wurde verfügt, dass gemäß § 37 Abs.5 VStG die am 28.6.2010 von den Aufsichtsorganen der Zollverwaltung, Zollamt Wels, Zollstelle Suben, einge­hobene vorläufige Sicherheit nach § 37a Abs.1 und Abs.2 Z2 VStG im Betrag von 100 Euro für verfallen erklärt und auf die Strafe angerechnet wird. 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Mit der Berufung wurde gleichzeitig eine rumänische Fahrerlaubnis für den Berufungswerber (x), ein Zertifikat, das den Fahrer berechtigt, Fahrzeuge über 3,5 t im Güterkraftverkehr zu lenken (Certificat), sowie eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige (x) vorgelegt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.3 Z1 VStG abgesehen werden, zumal in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde. Im Übrigen erscheint der Sachverhalt hinreichend geklärt und wurde überdies von keiner Partei des Verfahrens die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

 

4. Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde:

Anlässlich der Amtshandlung wurde den Kontrollbeamten durch den Berufungs­werber eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz mit der Nr. x, ausgestellt auf x, x, RO-x, (gültig vom 7.8.2009 bis zum 6.8.2010), ein Frachtbrief, zwei Carnet Tir, welche die x, als Frachtführer ausweisen, zwei Fahrzeugscheine sowie zwei Reisedokumente aus denen hervorgeht, dass es sich beim Berufungswerber um einen türkischen Staatsbürger mit Wohnsitz in x (RO) handelt, vorge­wiesen. Eine auf den Berufungswerber ausgestellte Fahrerbescheinigung konnte trotz Verlangen der Kontrollorgane vom Berufungswerber nicht vorgezeigt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß § 23 Abs.2 Z4 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu ahnden ist, wer als Lenker eine gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Gemeinschaftslizenz und Fahrerbescheinigung nicht mitführt oder auf Verlangen den Kontrollorganen nicht vorweist.

 

5.2. Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes steht fest, dass der Berufungs­werber als Lenker am 28. Juni 2010 gegen 14.30 Uhr mit dem im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses näher angeführten Sattelkraftfahrzeuges eine gewerbsmäßige Güterbeförderung für die Firma x, mit dem Sitz in x (RO), unter Verwendung einer Gemeinschaftslizenz, ausgestellt auf die Firma x, durchgeführt hat. Beim Berufungswerber handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen – sohin um einen Drittstaatsan­gehörigen –, und hätte daher eine Fahrerbescheinigung mitgeführt und auf Verlangen den Kontrollbeamten ausgehändigt werden müssen. Der Berufungs­werber konnte jedoch eine Fahrerbescheinigung anlässlich der Anhaltung trotz Verlangen der Kontrollorgane nicht vorweisen. Dies geht zum einen aus der Anzeige hervor bzw wurde dies zum anderen vom Berufungswerber auch nicht bestritten. Es hat somit der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu verantworten.

 

Diese Übertretung hat der Berufungswerber aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten:

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung gehört zu den Ungehorsams­delikten und reicht daher fahrlässige Tatbegehung, die vermutet wird, für eine Strafbarkeit aus. Eine Entlastung ist dem Berufungswerber hingegen nicht gelungen; ein entsprechendes entlastendes Vorbringen hat der Berufungswerber nicht gemacht.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaft­machung" nicht aus.

 

5.3. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers nimmt - anlässlich des Verbesse­rungs­auftrages zum Verfahren VwSen-110982 (betreffend den Unternehmer) – auch Bezug auf das gegenständliche Verfahren und bringt hiezu vor, dass auch der Fahrer davon ausgegangen sei, dass er über alle erforderlichen Papiere verfüge.

 

Diesbezüglich ist der Berufungswerber darauf zu verweisen, dass die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden kann, wenn jemand die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhält­nissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (VwGH vom 12.3.1969, Slg. 7528 A, 22.2.1979, 2435/76 uva) und dass selbst guter Glaube den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht herstellt, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen (VwGH vom 31.1.1961, Slg. 5486A, 16.5.1973, 1131/72, 16.12.1986, 86/04/0133 uva).

 

Es ist Sache des Lenkers eines Lastkraftwagens, sich – etwa bei gesetzlich dazu berufenen Einrichtungen – über die Rechtslage hinsichtlich der Durchführung einer durch österreichisches Hoheitsgebiet führenden Fahrt zu informieren. Dass sich der Berufungswerber bei den zuständigen Behörden Informationen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Fahrerbescheinigung eingeholt hätte, wurden von ihm nicht einmal behauptet.

 

Zu den der Berufung angeschlossenen Kopien ist ua auszuführen, dass eine Fahrererlaubnis nicht mit einer Fahrerbescheinigung gleichzusetzen ist. Bei einer Fahrererlaubnis handelt es sich ein Dokument, welches bestätigt, dass der Lenker nach Ablegung einer entsprechenden Prüfung berechtigt ist, Kraftfahr­zeuge (über 3,5 t) zu führen. Hingegen handelt es sich bei einer Fahrerbe­scheinigung um ein Dokument gemäß Art.4 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92, welches bescheinigt, dass der die Beförderung durchführende Fahrer, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer seinen Firmensitz hat, gemäß den Rechts- und Verwaltungsvor­schriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats, gemäß den Tarifverträgen über die Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern rechtmäßig beschäftigt ist, um dort Beförderungen auf der Straße vorzunehmen bzw dem Unternehmer rechtmäßig zur Verfügung gestellt wurde. Die Fahrerbescheinigung ist somit ein Instrument zur jederzeitigen Ermöglichung einer arbeitsrechtlichen Kontrolle, weshalb auch die übrigen vorgelegten personenbezogenen Dokumente des Berufungswerbers nicht geeignet sind, eine Fahrerbescheinigung zu "ersetzen".

 

Unbeschadet dessen könnten auch im Nachhinein vorgelegte Dokumente nicht strafbefreiend wirken, zumal diese zum Tatzeitpunkt (Anhaltung) – und nur dieser ist ausschlaggebend – nicht vorgelegt werden konnten.

 

Es hat daher der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsüber­tretung auch subjektiv zu verantworten.

 

6. Zur Strafbemessung ist auszuführen:

 

6.1. Gemäß  § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß  der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß  anzuwenden.

Die  Einkommens-,  Vermögens-  und  Familienverhältnisse  des Beschuldigten  sind  bei  der Bemessung  von  Geldstrafen  zu berücksichtigen.

 

6.2. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe von 100 Euro bei einem Strafrahmen bis zu 726 Euro verhängt. Die belangte Behörde ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen.

 

Grundsätzlich erscheint die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe durchaus tat- und schuldangemessen und geeignet, den Berufungswerber künftighin von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

Angesichts des doch sehr eingeschränkten Nettoeinkommens und des Umstandes, dass dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungs­straf­rechtlichen Unbescholtenheit zugutezuhalten war, erscheint die nunmehr verhängte Geldstrafe noch geeignet, den Berufungswerber künftighin zur Einhaltung der Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes zu veranlassen.

 

Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt mangels der Voraussetzungen nicht in Betracht. Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungs­werbers nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt, weshalb auch von der Anwendung des § 21 Abs.1 VStG Abstand zu nehmen war.

 

7. Zum Verfallsausspruch:

 

Gemäß § 37 Abs.5 VStG kann die Sicherheit für verfallen erklärt werden, sobald sich die Strafverfolgung des Beschuldigten oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist.

 

Der Berufungswerber hat seinen Wohnsitz in Rumänien und besteht kein Vertrag über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Rumänien. Der Berufungswerber ist im gegenständlichen Verfahren durch einen Rechtsvertreter vertreten und hat – auch ohne Bestehen eines Rechtshilfeabkommens - im gesamten Verfahren entsprechend mitgewirkt (vgl. hiezu VwGH vom 17.4.2009, 2006/03/0129-6). Es wurde ein Strafverfahren durchgeführt und abgeschlossen. Demnach ist eine Strafverfolgung gegenständ­lich nicht unmöglich und daher diese Voraussetzung nicht erfüllt.

 

Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.4.2009, Zl. 2007/03/0714, klar, dass im Hinblick auf die Garantien des Art.6 EMRK "ein Verfall nicht schon unter Berufung auf die Unmöglichkeit des Vollzugs einer allfällig zu verhängenden Strafe ausgesprochen werden darf", wenn die Durchführung eines Strafverfahrens möglich ist. Dies war gegenständlich der Fall. Allerdings ist Rumänien mit dem Beitritt zur Europäischen Union dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (BGBl. III Nr. 11/2009) beigetreten und wurde der Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen umgesetzt. Der Umstand, dass der Betretene seinen Wohnsitz in Rumänien hat, rechtfertigt also für sich allein nicht (mehr) die Anwendung des § 37a Abs.2 Z2 VStG bzw den Verfall nach § 37 VStG.

 

Es war daher der Verfallsausspruch aufzuheben.

 

8. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte, entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren und ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren auf 8 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafe.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Fahrerbescheinigung, Verfall, Rechtshilfeübereinkommen

 

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