Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300966/2/SR/Sta

Linz, 14.03.2011

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, vertreten durch Rechtsanwalt x., x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Steyr vom 19. Oktober 2010, GZ.: S 6332/ST/10, wegen einer Übertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 5 Abs 1, 24, 44a, 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Polizeidirektors von Steyr vom 19. Oktober 2010, GZ.: S 6332/ST/10, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 3.9.2010 in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 21.25 Uhr in x, Stock 9, Tür 31, es als Verantwortlicher dieser Räumlichkeit unterlassen dafür zu sorgen, dass durch Spielen von überlauter Musik durch ein Tonwiedergabegerät ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 3 Abs. 4 lit 3 Pol.StG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 10 Abs. 1a OÖ PolStG eine Geldstrafe von € 40,00, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden gem. § 16 Abs.2 VStG verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

 

         € 4,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe                           (je ein Tag Arrest wird gleich € angerechnet)

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

 

€ 44,--

 

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG)."

 

2. Gegen das dem Rechtsvertreter des Bw am 27. Oktober 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 10. November 2010 per Fax - und damit rechtzeitig -  bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung. In der Berufung bekämpft der Bw das Straferkenntnis in vollem Umfang.

 

Begründend führt der Bw aus, dass der von der Behörde festgestellte Sachverhalt teilweise unrichtig sei, der Bescheid eine mangelhafte Begründung aufweise und dem Ermittlungsverfahren wesentliche Verfahrensfehler zugrunde liegen würden.

 

Konkret würde er weder Eigentümer noch Mieter der inkriminierten Räumlichkeiten und daher nicht verantwortlich für diese sein. Das angefochtene Straferkenntnis sei schon aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig und ersatzlos zu beheben.

 

Der Bw bekämpft weiters die Feststellungen der Behörde, dass der von ihm nicht unterbundene Lärm in Form überlauter Musik durch ein Tonwiedergabegerät geeignet gewesen wäre, gegenüber Dritten als wahrnehmbar und störend empfunden zu werden und dies auch faktisch der Fall gewesen sei. Der behauptete Lärm sei in keiner Weise (insbesondere nicht durch eine Schallmessung) objektiviert. Es liege lediglich die Behauptung der "übersensiblen" Anzeigerin vor. Das Vorliegen eines rechtlich relevanten Lärms zum behaupteten Tatzeitpunkt werde bestritten. Es liege kein ausreichendes Beweissubstrat vor.

 

Zu berücksichtigen sei weiters, dass es sich beim gegenständlich Gebäude primär um ein Bürohaus handle. Diese Widmung sei im Wohnungseigentumsvertrag festgelegt und daher von vornherein mit höherem Lärmaufkommen zu rechnen. Dies hätte die Anzeigerin bei Bezug der Wohnung bewusst in Kauf genommen. Die Tonwiedergaben wären im Rahmen des Makler- und Verkaufsbürobetriebes des Beschuldigten erfolgt, der auf keine bestimmte Öffnungszeit beschränkt sei. Es handle sich bei der Tatörtlichkeit nicht wie im Straferkenntnis angeführt um eine Wohnung.

 

Darüber hinaus befinde sich die Wohnung der Anzeigerin quasi im Rohbau und wären ihrerseits keine geeigneten Schallschutzmaßnahmen ergriffen worden. Mit einer Boden- und Deckenkonstruktion normalen Standards würden vermutlich auch keine Geräusche von oben zu hören sein. Da lediglich nackte Betonwände vorhanden seien, liege das Primärverschulden an der Wahrnehmbarkeit von Geräuschen in der Wohnung im achten Stock aufgrund der sogenannten "Fehlkonstruktion der Wohnung" bei der Anzeigerin selbst.

 

Schließlich seien die Wahrnehmungen der einschreitenden Beamten keine tauglichen Beweismittel, da diesen in Bezug auf Schall bzw. Lärm der notwendige Sachverstand fehle. Die Beamten seien hierfür nicht ausgebildet. Alle Geräuschquellen im Büro des Beschuldigten bewegten sich innerhalb des ortsüblichen und zulässigen dB-Rahmen. Ohne Messung könne keine Verletzung des § 3 Abs 4 lit 3 OÖ. PolStG festgestellt werden. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Intensität von Geräuschen von verschiedenen Personen unterschiedlich wahrgenommen werde und sei daher objektiv alleinig der Grenzwert in dB maßgeblich. Die Beamten konnten jedoch in der Anzeige nicht angeben, wie viele dB die Geräuschquelle verursacht haben soll.

 

Abschließend beantragt der Bw, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weiters eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sowie einen Lokalaugenschein durchzuführen.

 

2.1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat die Berufung – ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 11. November 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung.

 

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

2.3.  Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

 

2.3.1. Aufgrund einer Anzeige der Polizeiinspektion Steyr Stadtplatz vom 3. September 2010 wegen Lärmerregung wurde gegen den Bw am 15. September 2010 eine Strafverfügung erlassen, in der ihm vorgeworfen wurde, am 3. September 2010 in der Zeit zw. 21.00 Uhr und 21.25 Uhr in x, als Verantwortlicher dieser Räumlichkeit nicht dafür gesorgt zu haben, dass durch Spielen von überlauter Musik durch ein Tonbandgerät nicht ungebührlicherweise störenden Lärm erregt wird. Der erregte Lärm war störend, weil dieser aufgrund seiner Lautstärke und Dauer von Anrainern wahrgenommen werden konnte, und er war ungebührlich, weil die Erregung dieses Lärms gegen ein Verhalten verstoßen habe, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden müsse und jede Rücksichtnahme vermissen lasse, die die Umwelt verlangen könne.

 

Dagegen hat der Bw am 24. September 2010 per Fax Einspruch erhoben und die Einleitung des ordentlichen Verfahrens beantragt.

 

2.3.2. In der Folge wurde der Beschuldigte und nunmehrige Bw von der belangten Behörde zur Rechtfertigung aufgefordert.

 

Der Bw gab am 21. Oktober 2010 nach Ablauf der ihm gesetzten Frist eine Stellungnahme ab, in der er im Wesentlichen die später in der Berufung wiederholten Argumente vorbrachte.

 

Im Straferkenntnis vom 19. Oktober 2010 konnte daher seitens der belangten Behörde auf dieses Vorbringen nicht mehr eingegangen werden.

 

2.3.3. Ohne weitere Ermittlungen hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis erlassen und ist davon ausgegangen, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die Anzeige als erwiesen anzusehen sei. 

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. PolStG lauten wie folgt:

 

"§ 3 (1) Wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

(2) Unter störendem Lärm sind alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen.

(3) Störender Lärm ist dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann.

(4) Soweit dadurch ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird, ist als Verwaltungsübertretung im Sinne des Abs. 1 insbesondere anzusehen:

         1.      auf Verkehrsflächen, die nicht Straßen mit öffentlichem Verkehr im           Sinne des § 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr.            159, sind,

                   a) das Laufenlassen von Kraftfahrzeugmotoren bei stehendem                               Fahrzeug,

                   b) die Abgabe von Schallzeichen mittels Hupe;

         2.      das Befahren von Toreinfahrten, Hausvorplätzen, Höfen von Wohn-­          häusern, Parkplätzen und sonstigen Grundflächen - soweit es sich                 hiebei nicht um Straßen mit öffentlichem Verkehr handelt - mit                       Kraftfahrzeugen bei laufenden Motoren;

         3.      die Benützung von Rundfunk- und Fernsehgeräten, Lautsprechern           und sonstigen Tonwiedergabegeräten."

 

§ 44a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (WV) lautet:

 

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."

 

3.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Bw angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 verst. Sen.; 11.894 A/1985 verst. Sen.).

 

Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben. Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht, ebenso wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes, nicht aus (vgl. VwGH 13.1.1982, 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, 81/11/0122; vgl auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2).

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a. im Spruch des Straferkenntnisse dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b. der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).

 

3.4. Das im Spruch des Straferkenntnisses fehlende Wort "nicht" stellt einen offenkundigen, und daher jederzeit zu berichtigenden Mangel im Sinne des § 24 VStG iVm § 62 Abs 4 AVG dar, da ansonsten der Wortsinn ein offenkundig nicht strafbares Verhalten vorwerfen würde. Dies gilt umsomehr, als der Tatvorwurf in der Strafverfügung vom 9. September 2010 diesbezüglich noch richtig erfolgt ist.

 

Gegenstand des vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren war somit die unterlassene Sorge, das nicht ungebührlicher Lärm erregt wird. Das Versehen im Spruch des Straferkenntnisses betraf daher erkennbar einen unrichtigen Tatvorwurf (vgl. VwGH 24.01.1990, 89/02/0217). Der Spruch wäre diesbezüglich zu berichtigen.

 

3.5. Der Spruch des hier angefochtenen Straferkenntnisses wird jedoch aus anderen Gründen den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht:

 

Mit der Formulierung des Spruches, der Bw habe es "als Verantwortlicher dieser Räumlichkeit unterlassen dafür zu Sorgen, dass durch Spielen von überlauter Musik durch ein Tonwiedergabegerät (offenkundig gemeint: nicht) ungebührlicherweise störender Lärm erregt wird" liegt nach der Rechtsprechung des VwGH zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung im EGVG der Vorwurf eines Begehungsdelikts durch Unterlassung vor (Kommissivdelikt per omissionem, vgl. u.a. VwGH 20.02.1984, 83/10/0268).

 

Gem. § 3 Abs 3 Oö. PolStG ist störender Lärm dann als ungebührlicherweise erregt anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann. Strafbar ist also nicht jedes Unterlassen, durch das eine Lärmerregung nicht verhindert wird, sondern nur jenes, das gegen ein "im Zusammenleben mit anderen" gebotenes Tun verstößt. Zu diesem gebotenen Tun gehört es z.B. für den Inhaber öffentlicher, allgemein zugänglicher Gast- und Kaffeehauslokalitäten, von sich aus alle Vorkehrungen zu treffen, um die Ruhe und Ordnung in seinem Betrieb zu sichern und eine allfällige Erregung ungebührlichen Lärms durch Gäste abzustellen. Unterlässt er dies, ist er für den durch seine Gäste erregten Lärm in gleicher Weise verantwortlich, als wenn er selbst der Erreger des Lärms gewesen wäre (VwGH 14. Dezember 1951, Slg. Nr. 2375/A). Dieser Grundsatz kann aber nicht schlechtwegs auf jeden Wohnungsinhaber, gleichsam wie die Haftung für Schäden, die durch aus der Wohnung herabfallende Gegenstände entstanden sind, ausgedehnt werden. Hat der Wohnungsinhaber selbst keinen ungebührlich störenden Lärm erregt, so kann er wegen einer ungebührlichen Lärmerregung nur dann schuldig erkannt werden, wenn er, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, es unterlassen hat, den in seiner Wohnung entstandenen ungebührlichen Lärm abzustellen (vgl. u.a. VwGH 20.02.1984, 83/10/0268; 13. September 1977, 693/77).

 

Die Strafbarkeit der Unterlassung hängt somit von der konkreten Möglichkeit der Verhinderung ab (VwGH 13.03.1978, 2790/76). Diese stellt ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 3 Oö. PolStG in der Begehungsform des Unterlassungsdelikts dar und ist daher auch in den Tatvorwurf aufzunehmen, um dem Beschuldigten eine effektive Verteidigung zu ermöglichen.

 

Eine entsprechende Verfolgungshandlung wurde dem Bw gegenüber innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG nicht gesetzt. Zudem blieb die konkrete Möglichkeit des Bw zur Verhinderung der Lärmerregung von der Erstbehörde gänzlich ungeprüft, weshalb schon aus diesem Grund der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

 

Im Hinblick auf die bereits verstrichene Verfolgungsverjährungsfrist war diesbezüglich auch die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG zu verfügen.

 

3.6. Zudem fehlt im Spruch des Straferkenntnisses bzw. der zuvor erfolgten Verfolgungshandlungen ein Hinweis, worauf konkret sich die Verantwortlichkeit des Bw für die gegenständliche Wohnung ergibt. Für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung ist es in diesem Stadium des Verfahrens nicht erforderlich, dem Beschuldigten auch vorzuwerfen, die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 VStG verantworten zu müssen (VwGH 18.1.1989, 88/02/0141). Aber zu den Elementen einer entsprechenden Tatbezeichnung im Sinne des § 44a lit a VStG 1950 im Spruch des Straferkenntnisses gehört auch der Umstand, dass ein Beschuldigter nicht als unmittelbarer Täter sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft wird, worunter - im Geltungsbereich des § 370 Abs 2 GewO 1973 - auch die eindeutige Anführung der Art der Organfunktion verstanden werden muss. Hiezu reicht z.B. die bloße Anführung "... als Geschäftsführer ..." ohne nähere Konkretisierung (z.B. "handelsrechtlicher") nicht aus (VwGH 15.04.1986, 85/04/0228). Der Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, wenn im Spruch der Bestrafte nur mit VERANTWORTLICHER GEMÄSS § 9 VStG gekennzeichnet ist, weil dadurch die Stellung des Bestraften zur Gesellschaft, aus der sich die Verantwortlichkeit ergibt, nicht zum Ausdruck kommt (VwGH 09.02.1987, 86/10/0176).

 

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Spruch des Straferkenntnis hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Bw etwa für eine die Räumlichkeiten allenfalls innehabende Gesellschaft oder allenfalls selbst als Mieter bzw. Inhaber der Räumlichkeiten ebenfalls zu konkretisieren wäre. Diesbezügliche nähere Erhebungen konnte der Unabhängigen Verwaltungssenat unterlassen, da bereits aus in Punkt 3.5. angeführten Gründen das Verfahren einzustellen war.

 

3.7. Darüber hinaus ist der Berufung auch deshalb stattzugeben und das Straferkenntnis aufzuheben, da die belangte Behörde das Verschulden des Bw nicht hinreichend nachgewiesen hat.

 

Da es sich bei der Übertretung des § 3 Abs 1 Oö. PolStG um ein Erfolgsdelikt handelt (Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht – Praxiskommentar [2009] 205 mwN), ist § 5 Abs 1 2. Satz VStG nicht anwendbar, womit Fahrlässigkeit nicht ohne weiters angenommen werden kann. § 5 Abs 1 2. Satz VStG ist nur auf sogenannte Ungehorsamsdelikte, also Delikte, deren Tatbestand sich in der Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder in der Nichtbefolgung eines Gebotes erschöpft, anwendbar. Bei einem Erfolgsdelikt hat die Behörde dem Bw das Verschulden vielmehr nachzuweisen (VwGH vom 26. September 1990, 89/10/0224), auch wenn wie hier gemäß § 5 Abs 1 1. Satz VStG Fahrlässigkeit zur Verwirklichung des Verschuldens genügt. Die Behörde ist jedoch in Ihrer Begründung in keiner Weise auf das Verschulden eingegangen. Da die zumindest fahrlässige Deliktsbegehung auch nicht im Sinne des § 5 Abs 1 2. Satz VStG ohne weiteres angenommen werden konnte hat dies den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

4. Vor diesem Hintergrund war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

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