Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165496/8/Sch/Th

Linz, 17.03.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn Mag. X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 5. Oktober 2010, Zl. VerR96-7333-2008, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11. März 2011, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 30 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 Stunden herabgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

 

II.               Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 3 Euro. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit Straferkenntnis vom 5. Oktober 2010, Zl. VerR96-7333-2008, über Herrn Mag. X, geb. X, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden, verhängt, weil er am 19.08.2008 um 10.50 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X in der Gemeinde Peterskirchen auf der A8 Innkreisautobahn bei Strkm. 50,220 in Richtung Suben lenkte und die auf österreichischen Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 21 km/h überschritten habe.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 5 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Laut vorgelegtem Verwaltungsstrafakt ist die Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges des Berufungswerbers mittels eines Messgerätes der Type VKS 3.0 gemessen worden. Es lag also eine absolut taugliche Geschwindigkeitsfeststellung vor.

 

Die Tatortbehörde hat vorerst eine mit 14. Oktober 2008 datierte Strafverfügung erlassen. Diese wurde vom nunmehrigen Berufungswerber rechtzeitig beeinsprucht. Die Formulierung des Einspruches lautet wörtlich wie folgt:

 

"Ich erhebe Einspruch gegen die Strafverfügung v. 14.10.08, VerkR96-7333-2008.

 

Unsere kleine Tochter hatte während der Fahrt einen Wein- und Schreikrampf bekommen. Wir haben sofort bei der Ausfahrt Ried die Autobahn verlassen und an der nächst möglichen Stelle angehalten, um das Kind zu beruhigen. Aufgrund dieser Notstandsituation habe ich daher nicht mehr auf die Geschwindigkeit geachtet. Ich ersuche höflichst auch in Anbetracht der geringfügigen Überschreitung um eine Ermahnung.

 

X"

 

Die Erstbehörde hat diesen Einspruch so verstanden, dass er sich bloß gegen das Strafausmaß richte. In diesem Sinne wurde ein Straferkenntnis, datiert mit 19. Mai 2010, erlassen. Dieses wiederum ist vom Rechtsmittelwerber in Berufung gezogen worden, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat mit Erkenntnis vom 7. Juli 2010, VwSen-165195/2/Sch/Th, der Berufung Folge gegeben und das Straferkenntnis – ohne die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen – behoben. Nach Ansicht der Berufungsbehörde lag kein auf die Straffrage eingeschränkter Einspruch vor, sodass die erwähnte Strafverfügung gemäß § 49 Abs.2 vorletzter Satz VStG ex lege außer Kraft getreten ist.

 

Im Sinne dieser Rechtsansicht der Berufungsbehörde hat die Erstbehörde das nunmehr verfahrensgegenständliche Straferkenntnis erlassen.

 

4. Wie dem oben wiedergegebenen Text des Einspruches zu entnehmen ist, verweist der Berufungswerber dort mit keinem Wort darauf, dass er nicht der Lenker des Fahrzeuges zum Vorfallszeitpunkt gewesen sei. Die Formulierung "aufgrund dieser Notstandsituation habe ich daher nicht mehr auf die Geschwindigkeit geachtet" deutet ganz im Gegenteil darauf hin, dass er der Lenker des Fahrzeuges gewesen ist. Jedenfalls braucht bei einer solchen Formulierung keine Verwaltungsstrafbehörde Zweifel an der Lenkeigenschaft des Betreffenden zu hegen. Dem Berufungswerber ist zwar zuzugestehen, dass dieser Einspruch bei weitem die Formalerfordernisse an eine solche Eingabe erfüllt, diese Tatsache darf aber nicht vermengt werden damit, dass im Rahmen der freien Beweiswürdigung es im Einzelfall sehr wohl darauf ankommen kann, wann jemand von der Möglichkeit Gebrauch macht, seine Lenkereigenschaft in Abrede zu stellen. Immerhin ist dieser Einwand ja der wesentlichste, wenn man der Meinung ist, die Übertretung nicht begangen zu haben. Mit einem derartig gravierenden Einwand wird man im Regelfall also sogleich die Behörde konfrontiert.

 

Es entspricht der Erfahrung, dass in zeitlich geringerem Abstand zur Tat gemachte Sachverhaltsangaben des Beschuldigten eine höhere Glaubwürdigkeit aufweisen als spätere, sollten auch erstere belastend, letztere hingegen entlastend sein (VwGH 16.11.1988, 88/02/0145 ua).

 

Die Erstbehörde ist laut Aktenlage nach dem vom Berufungswerber eingebrachten Einspruch an diesen mit Schreiben vom 6. November 2008 herangetreten, um seine persönlichen Verhältnisse zu ermitteln. Das Ansinnen der Behörde war zweifelsfrei bloß auf diese Umstände gerichtet und war keine Aufforderung zur Rechtfertigung. Der Berufungswerber hat hierauf nicht reagiert, also weder seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere im Hinblick auf das Einkommen, bekannt gegeben, noch zumindest zu diesem Zeitpunkt auf die angeblich nicht vorgelegene Lenkereigenschaft verwiesen; immerhin musste er aufgrund dieses Behördenschreibens davon ausgehen, dass er einen weiteren Strafbescheid erhalten würden.

 

Erstmals in der Berufungsschrift gegen das Straferkenntnis vom 19. Mai 2010 findet sich der kurze Satz:

 

"Im übrigen steht nicht fest, wer das Fahrzeug gelenkt hat."

 

Auch hier präsentiert der Berufungswerber auch nicht einmal ansatzweise einen Hinweis auf einen allfälligen anderen Lenker. Er tut bloß seine Meinung kund, es stehe nicht fest, wer das Fahrzeug gelenkt habe.

 

Erst in der Berufung vom 12. Oktober 2010 (Vorfallszeitpunkt 19. August 2008) gegen das nunmehr gegenständliche Straferkenntnis wird der Berufungswerber etwas konkreter. Dort heißt es:

 

"Im übrigen habe ich das Fahrzeug nicht gelenkt. Dies wurde bereits bei der ersten Berufung bekannt gegeben. Bei einer Nachschau in meinen persönlichen Unterlagen habe ich festgestellt, dass zum Tatzeitpunkt meine Lebensgefährtin das Fahrzeug gelenkt hat."

 

Nach § 45 Abs.2 AVG ist eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen, wenn sie mit absoluter Sicherheit erweislich ist. Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber aller anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.04.1995, 94/07/0033).

 

Der Umstand, dass der Berufungswerber bei der Bekanntgabe eines angeblichen anderen Lenkers in Form seiner Lebensgefährtin derartig schrittweise und zurückhaltend vorgegangen ist, obwohl es sich doch um den wesentlichsten Einwand gegen den Tatvorwurf gehandelt hätte, lässt im Sinne dieser Aussage des Verwaltungsgerichtshofes den begründbaren Schluss zu, dass er eben doch selbst der Lenker war. Nach der gegebenen Sachlage muss demnach die Möglichkeit eines anderen Lenkers als den Berufungswerber selbst in den Bereich größter Unwahrscheinlichkeit gereiht werden.

 

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers kann die Lenkereigenschaft eines Beschuldigten nicht nur im Wege einer Aufforderung nach 103 Abs.2 KFG 1967 ermittelt werden, vielmehr handelt es sich bei der Feststellung, wer ein KFZ gelenkt hat, um einen Akt der Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs.2 AVG (VwGH 29.03.1989, 88/03/0116, 0117 ua).

 

Diese Aussage beinhaltet im übrigen auch das vom Berufungswerber zur vermeintlichen Stützung seiner Rechtsansicht zitierte Erkenntnis des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1996, 96/02/0394.

 

Inwieweit der Sachverhalt des vom Berufungswerber auch zitierten Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates vom 12. Jänner 1999, VwSen-106021/2, mit jenem im gegenständlichen Verfahren vergleichbar ist, kann dahingestellt bleiben. Aus der Begründung des Erkenntnisses geht jedenfalls nicht hervor, dass ein gleichgelagerter Sachverhalt vorlag, insbesondere nicht, wann der damalige Berufungswerber mit dem Hinweis auf die angeblich mangelnde Lenkeigenschaft im Verfahren hervorgetreten ist.

 

Wenn der Berufungswerber Verfahrensfehler der Erstbehörde rügt, so ist ihm entgegenzuhalten, dass solche, sollten sie vorgelegen sein, durch die Berufungsbehörde saniert wurden. Insbesondere ist dem Berufungswerber die Möglichkeit zur Akteneinsicht eingeräumt worden, auch kam er im Rahmen der eingangs angeführten Berufungsverhandlung zu Wort. In einem Punkt ist ihm allerdings zuzustimmen, wenn er es nämlich als nicht nachvollziehbar ansieht, dass eine Behörde für die Erlassung eines Straferkenntnisses einen relativ einfachen Sachverhalt beinhaltend einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren benötigt.

 

5. Zur Strafbemessung:

 

Die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro wäre in Anbetracht des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung an sich angemessen. Dem Berufungswerber muss aber zugute gehalten werden, dass ihm neben dem sehr wesentlichen Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit auch noch zugute kommt, dass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eine bei weitem überlange Dauer genommen hat. Diese Tatsache muss dem Berufungswerber ebenfalls als mildernd angerechnet werden (vgl. § 34 Abs.2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG).

 

Einer Anwendung des § 21 Abs.1 VStG stand allerdings der Umstand entgegen, dass gegenständlich das tatbildmäßige Verhalten des Berufungswerbers hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt nicht erheblich zurückgeblieben ist (vgl. VwGH 10.12.2001, 2001/10/0049ua).

Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung (21 km/h) ist zwar nicht sehr beträchtlich im Hinblick auf die erlaubten 130 km/h, allerdings auch nicht so geringfügig, dass man die Übertretung als leichtes Versehen abtun könnte.

 

Eine derartige Überschreitung der erlaubten Fahrgeschwindigkeit dürfte einem Fahrzeuglenker auch dann nicht unterlaufen, wenn er mit einer gewissen Stresssituation konfrontiert ist, etwa in Form eines weinenden oder schreienden Kleinkindes im Fahrzeug.

 

Auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers war nicht weiter einzugehen, da von jedermann, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt, erwartet werden kann, dass er in der Lage ist, geringfügige Verwaltungsstrafen ohne weiteres zu begleichen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

S c h ö n

 

 

 

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