Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231136/10/Gf/Mu

Linz, 22.03.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass des Antrages des x vom 3. März 2011, auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht erkannt:

I. Dem Antrag wird stattgegeben; unter einem werden das
h. Erkenntnis vom 6. Oktober 2010, Zl. VwSen-231136/2/Gf/Gru, und das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 13. September 2010, Zl. 2-S-12748/10/S, aufgehoben. 

II. Der Antragsteller hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 13. September 2010, Zl. 2-S-12748/10/S, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) verhängt, weil er sich seit dem 18. Juni 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes (im Folgenden: FPG), i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG begangen, weshalb er nach § 120 Abs. 1 Zi. 2 FPG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 6. Oktober 2010, Zl. VwSen-231136/2/Gf/Gru, als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall der Rechtsmittelwerber selbst zugestanden hatte, über keine Aufenthaltberechtigung zu verfügen – insbesondere deshalb, weil seiner Beschwerde seitens des Asylgerichtshofes weder eine aufschiebende Wirkung zuerkannt noch dieser in der Sache stattgegeben worden wäre.

Außerdem hatte er auch selbst gar nicht vorgebracht, einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung i.S.d. §§ 43 oder 44 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: NAG; sog. "humanitäres Bleibeberecht"), gestellt zu haben. Davon abgesehen folgt aus § 44 Abs. 4 und § 44b Abs. 3 NAG ohnehin explizit, dass Anträge gemäß § 43 Abs. 2 und/oder § 44 Abs. 3 und/oder Abs. 4  NAG grundsätzlich kein Aufenthaltsrecht begründen. Gleiches gilt auch für Asylanträge dann, wenn das Verfahren – wie hier – rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde.

1.3. Mit dem vorliegenden, am 4. März 2011 zur Post gegebenen und unmittelbar an den Oö. Verwaltungssenat gerichteten Antrag begehrt der Einschreiter die Wiederaufnahme dieses Strafverfahrens.

1.4. Nach § 69 Abs. 2 AVG ist ein Wiederaufnahmeantrag unmittelbar bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat – im gegenständlichen Fall also die Bundespolizeidirektion Wels – einzubringen. Die fehlerhafte Einbringung beim gemäß § 69 Abs. 4 AVG für die Sachentscheidung zuständigen Oö. Verwaltungssenat schadet jedoch vorliegendenfalls deshalb nicht, weil es hier nämlich – wie später darzulegen sein wird – zur Beurteilung der Begründetheit des Wiederaufnahmeantrages der Vorlage des erstbehördlichen Verwaltungsaktes von vornherein nicht bedurfte; daher und auch deshalb, weil gegenständlich keine Bedenken hinsichtlich einer allfälligen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist des § 69 Abs. 2 AVG entstanden sind, konnte eine Weiterleitung des Antrages gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die Bundespolizeidirektion Wels unterbleiben.

2.1. Begründend führt der Rechtsmittelwerber in seinem Schriftsatz aus, dass er am 27. März 2010 beim Bundesasylamt einen Asylantrag, Zl. 1002685, einbracht gehabt habe. Dieser Antrag sei vom Bundesasylamt jedoch als bloßer sog. "Folgeantrag" eingestuft und daher ohne Sachprüfung zurückgewiesen worden. Seiner gegen diese erstinstanzliche Entscheidung vom 14. Mai 2010 eingebrachten Beschwerde sei zwar vom Asylgerichtshof keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden; allerdings habe dieser in der Folge mit Erkenntnis vom 17. Februar 2011, Zl. C14306550-3/2010/2E, der Beschwerde stattgegeben. Damit sei sein Asylverfahren zugelassen und ihm auch unverzüglich eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgefolgt worden. Nach dieser Entscheidung des Asylgerichtshofes wäre daher sein Asylantrag von Anfang an zulässig und damit sein Aufenthalt in der Zeit zwischen der Zurückweisung durch das Bundesasylamt vom 3. Mai 2010 bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes am 17. Februar 2011 auch rechtmäßig gewesen. Daraus folge, dass auch eine Strafbarkeit seines Verhaltens nicht gegeben gewesen sei.

Sohin wird der Antrag gestellt, im gegenständlichen Fall die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu bewilligen und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über den gegenständlichen Antrag hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG, der nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens dann zu bewilligen, wenn der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

4.2. Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Urteil des Asylgerichtshofes vom 17. Februar 2011, Zl. C14306550-3/2010/2E, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Mai 2010, mit dem der als bloßer "Folgeantrag" qualifizierte Asylantrag zurückgewiesen wurde, aufgehoben wurde.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das Asylverfahren gemäß § 41 Abs. 1 AsylG als zugelassen gilt, wenn einer Beschwerde gegen eine Entscheidung im Zulassungsverfahren stattgegeben wird. Dabei ist einer Beschwerde gegen eine Entscheidung im Zulassungsverfahren dann stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Da das Bundesasylamt im vorliegenden Fall keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung erlassen habe, sei der Asylgerichtshof sohin nicht mehr in der Lage gewesen, innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfrist eine inhaltliche Entscheidung zu treffen, weshalb der Beschwerde stattzugeben gewesen sei.

Unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG ist die Zurückweisung des Asylantrages somit ex post aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, womit der Rechtsmittelwerber rückblickend für den im angelasteten Tatzeitraum zum (vorläufigen) Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war.

Somit fällt im Nachhinein die Tatbestandsmäßigkeit und damit die Voraussetzung für die bereits erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes weg.

4.3. Im Ergebnis war daher dem vorliegenden Wiederaufnahmeantrag gemäß § 24 VStG i.V.m. § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG zwingend deshalb stattzugeben, weil die hierfür zuständige Behörde über eine Vorfrage in einem wesentlichen Punkt anders entschieden hatte.

Davon ausgehend waren sowohl die h. Entscheidung vom 6. Oktober 2010, Zl. VwSen-231136/2/Gf/Gru, als auch das dieser zugrunde liegende Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 13. September 2010, Zl. 2-S-12748/10/S, wegen einer ex post bekannt gewordenen, schon ursprünglich nicht bestanden habenden Tatbestandsmäßigkeit des angelasteten Verhaltens aufzuheben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Antragsteller gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben; falls solche Kosten schon vom Beschwerdeführer gezahlt worden sein sollten, sind diese dem Rechtsmittelwerber zurück zu erstatten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  G r o f

 

 

VwSen-231236/2/Gf/Mu vom 8. April 2011

Erkenntnis

 

VStG §1 Abs2;

FPG 2005 §120 Abs1;

B-VG Art140 Abs7

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 ua, einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" in §120 Abs1 FPG 2005 als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art140 Abs7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art140 Abs5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Davon ausgehend, dass der vorzitierte Ausspruch des VfGH im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG 2005 nach Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass die generelle Anordnung des §1 Abs2 VStG insoweit verfassungskonform, dh im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in §120 Abs1 FPG 2005 für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 4. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des §120 Abs1 FPG 2005 zu Grunde zu legen.

 

 

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