Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720284/5/WEI/Sic/Ba

Linz, 08.03.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X, X, geb. X, deutscher Staatsangehöriger, derzeit X, X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. November 2010, Zl. 1067096/FRB, betreffend die Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als das Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) auf die Gültigkeitsdauer von fünf Jahren befristet wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid insofern bestätigt.

 

II.  Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung (Spruchpunkt II.) wird aus Anlass der Berufung für rechtswidrig erklärt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm §§ 9 Abs 1 Z 1, 60 ff und 86 Abs 1 Fremden­polizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit Art 2 des BGBl I Nr. 135/2009)

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid vom 16. November 2010, Zl. 1067096/FRB, hat die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf der Grundlage der §§ 86 Abs 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) im Spruchpunkt I. ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet sowie im Spruchpunkt II. gemäß § 64 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Im Spruchpunkt III. wird festgehalten, dass von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub gemäß § 86 Abs 3 FPG erteilt werde.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde, der dem Bw am 18. November 2010 in der Justizanstalt X eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die zwar rechtzeitige, aber ohne persönliche Unterschrift eingebrachte Berufung vom 25. November 2010. Dem Verbesserungsauftrag vom 4. Jänner 2011 ist der Berufungswerber rechtzeitig mit Schreiben vom 12. Jänner 2011, eingelangt am 14. Jänner 2011, nachgekommen.

 

Die als "Einspruch" gegen den Erstbescheid bezeichnete Berufung lautet inhaltlich:

 

"Aufgrund meiner häufigen Aufenthalte in Österreich und der damit verbundenen privaten wie auch beruflichen Beziehungen würde mich ein Aufenthaltsverbot in Österreich schwer treffen, da ich beabsichtige nach meiner Haftentlassung eine, aufgrund meiner besonderen Ausbildung und Kenntnisse bereits zugesagte Arbeitsstelle in Österreich anzutreten.

 

Die im Bescheid erwähnte persönliche Bekanntschaft zu Frau X X pflege ich bereits seit meiner Inhaftierung nicht mehr, da sie mir, wie ich bereits aussagte, einen Teil der Beute gestohlen hat. Diesbezüglich behalte ich mir weitere rechtliche Schritte gegen Frau X vor.

 

Die von Ihnen gestellte, negative Prognose kann ich nicht teilen, da ich in Österreich bis zu seiner Tat keinerlei strafbare Handlungen verübt habe. Ich bin gerne bereit, gegebenenfalls erforderliche Weisungen zu befolgen. Ich stehe selbstverständlich auch einer Bewährungshilfe positiv gegenüber."

 

Mit diesem Vorbringen strebt der unvertretene Bw erkennbar die Aufhebung des Bescheides wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung an.

 

2. Zur Begründung des Aufenthaltsverbots führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 22. April 2010, Zl. X, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 143 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 5 Jahren verurteilt worden sei. Vom Oberlandesgericht Linz sei der eingebrachten Berufung dahingehend Folge geben worden, als die verhängte Freiheitsstrafe auf 3 Jahre herabgesetzt worden sei. Anschließend wurde der Tathergang geschildert sowie auf die näheren Ausführungen der schriftlichen Urteilsausfertigung verwiesen.

 

Nach Schilderung des Verfahrensverlaufs sowie der maßgeblichen Rechtslage führt die belangte Behörde aus, dass der Tatbestand des § 60 Abs 2 Z 1 FPG zweifellos erfüllt sei, da der Bw zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren rechtskräftig verurteilt wurde. Nach der geltenden Rechtslage müsse jedoch das persönliche Verhalten des EWR-Bürgers über die Gefährdung der öffentlichen Ordnung hinaus eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Maßgeblich sei nicht primär die strafgerichtliche Verurteilung, sondern sei im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen. Es sei daher zu prüfen, ob davon ausgegangen werden kann, dass der Bw sich künftig rechtskonform verhalten werde. Dabei seien die Umstände der begangenen Tat zu beleuchten.

 

Das vom Bw gesetzte Fehlverhalten sei schwer zu gewichten. Der Tathergang und die vom erkennenden Gericht gewürdigten Umstände sowie ein weiteres offenes Gerichtsverfahren in Deutschland wegen eines Kennzeichendiebstahls vom Oktober 2009 würden die Ansicht der belangten Behörde rechtfertigen, das Verhalten des Bw auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bzw zukünftig als eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von Straftaten sowie des Schutzes des Eigentums und der Rechte Dritter in einem nicht unbedeutenden Maß anzusehen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erscheine daher auch nach den Bestimmungen des § 86 Abs 1 FPG zulässig.

 

Darüber hinaus sei die Maßnahme unter den Gesichtpunkten der Verhältnismäßigkeit sowie des gemäß Art 8 Abs 1 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens zu beurteilen. Aufgrund des lediglich wenige Wochen dauernden Aufenthalts vor der Festnahme des Bw und seiner nur kurzfristigen Beschäftigung in Österreich sei davon auszugehen, dass er keinen wesentlichen Bezug zu Österreich zu haben scheine. Daran können auch das Vorbringen des Bw, dass er unmittelbar nach Enthaftung wieder eine Arbeitsstelle in Aussicht hätte sowie von zwei Bekannten in Österreich unterstützt werde, nichts ändern. Den Angaben des Bw können keine familiären Bindungen in Österreich entnommen werden, zumal die Eltern und Geschwister in Deutschland leben und die Beziehung zu X X lediglich freundschaftlich sei.

 

Zusammenfassend müsse davon ausgegangen werden, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens des Bw und der negativen Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw.

 

Das gegenständliche Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK unter besonderer Berücksichtigung des § 66 Abs 2 und 3 FPG erforderlich, um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes von 10 Jahren sei aufgrund des fehlenden Bezugs zu Österreich und der verhängten Freiheitsstrafe von 3 Jahren angemessen, da erst nach Ablauf dieses Zeitraums erwartet werden könne, dass sich der Bw wieder an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

 

Zur Aberkennung er aufschiebenden Wirkung der Berufung wird ausgeführt, dass dies möglich sei, wenn die sofortige Ausreise des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich ist. Die sofortige Durchsetzbarkeit des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes nach der Entlassung aus der gerichtlichen Strafhaft sei in diesem Sinne erforderlich, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Bw sein kriminelles Verhalten nach der Haftentlassung fortsetzt bzw. wiederholt.

 

Auch die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs im Sinne des § 86 Abs 3 FPG wäre daher folgerichtig auszuschließen. Zweck dieser beiden zuletzt genannten Entscheidungen der belangten Behörde sei es, weitere massive Angriffe gegen fremdes Eigentum durch den Bw in Österreich zu verhindern.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstbehördlich vorgelegten Verwaltungsakt samt die darin enthaltenen Teile des Gerichtsaktes betreffend das gegen den Bw geführte Strafverfahren.

 

Auf Grund der Aktenlage geht das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenats vom folgenden wesentlichen  S a c h v e r h a l t  aus:

 

3.1. Der Bw, ein deutscher Staatsangehöriger, reiste Anfang November 2009 in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein, um bei verschiedenen Unternehmen als Maurer zu arbeiten. Vom letzten Arbeitgeber hatte er keine Bezahlung erhalten, weshalb er im Jänner 2010 selbst kündigte. Auch die Miete für das vermittelte Zimmer hatte der Arbeitgeber entgegen der Vereinbarung nicht bezahlt, sodass der Bw selbst die Miete in Höhe von 250 Euro bis Ende Februar beglich. Anfang Februar 2010 waren die Bargeldreserven des ansonsten vermögenslosen Bw aufgebraucht. Da sein Vater im Sterben lag, wollte er nach Deutschland zurückreisen und überlegte, wie er das dafür nötige Geld auftreiben könnte. Am 3. Februar 2010 packte er seine Reisetasche und kam am Weg zum  Bahnhof an einer Bankfiliale vorbei. Er entschloss sich die Bank zu überfallen und nahm dazu das in der Reisetasche mitgeführte Küchenmesser mit einer Klingenlänge von rund 10 cm. Er trug eine blaue Strickhaube und setzte seine dunkle Sonnenbrille auf. Er betrat die Bank und ging zum Kassenschalter, reichte der Angestellten ein Plastiksackerl mit den Worten: "Sackerl vollmachen, Überfall, aber schnell." wobei er das Messer in der Hand hielt. Die Angestellte packte rund 18.000 Euro aus der Kassenlade sowie aus einem Handsafe in den Plastiksack und übergab diesen an den Bw. Dieser flüchtete zunächst zu Fuß und dann mit dem Taxi nach X, wo er den Großteil des Geldes seiner Internetbekannten X X übergab und dieser den Banküberfall gestand. Von X aus fuhr der Bw mit dem Zug über Linz nach Deutschland, wo er sich tags darauf der Polizei stellte.

 

Der Bw wurde im strafgerichtlichen Instanzenzug wegen schweren Raubes mit einer Waffe (§ 142 Abs 1 iVm § 143 2. Fall StGB) letztlich zu 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Mildernd wertete das Erstgericht das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit, die teilweise (objektive) Schadensgutmachung und die Umstände, dass er sich selbst bei der Polizei in Nordrhein Westfalen stellte und dass er das Geld unter anderem deswegen benötigte, um seinen sterbenden Vater in Deutschland noch besuchen zu können. Erschwerend wog dabei kein Umstand. Eine außerordentliche Strafmilderung verweigerte das Erstgericht, weil es die Schuld des Bw als nicht so gering ansah.

 

Das Berufungsgericht ergänzte die Ausführungen zu den Milderungsgründen dahingehend, dass die wirtschaftlich prekäre Situation zwar im Rahmen des § 32 StGB zu berücksichtigen war, der Bw aber auch selbst eingeräumt habe, dass er das Geld für die Fahrt nach Deutschland auch z.B. von seiner Mutter erbitten hätte können. Die im Ersturteil angenommene Kaltblütigkeit oder (besondere) Zielsicherheit wäre durch die Aussage der Bankangestellten relativiert worden. Auch die von der Erstinstanz festgestellte massive Einschüchterung des Opfers konnte von Oberlandesgericht Linz nicht festgestellt werden. Zuletzt sei auch die Maskierung mit Mütze und Sonnenbrille sowie das Mitführen der Tatwaffe zu relativieren und weise noch nicht auf einen spezifischen Planungsgrad hin. Da ausschließlich Milderungsgründe vorgelegen wären und wegen der besonderen Motivlage im Zusammenhalt mit dem außergewöhnlichen Nachtatverhalten würde daher die günstige Täterprognose die Unterschreitung des Mindeststrafe und die Herabsetzung auf drei Jahre gebieten. Eine teilweise bedingte Strafnachsicht (§ 43a Abs 3 StGB) komme angesichts der hohen Zahl von Raubtaten aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht.

 

3.2. Nach dem aktenkundigen Strafvollzugsbericht der Justizanstalt Linz befand sich der Bw seit 11. März 2010 in der Justizanstalt. Seit 29. Juni 2010 wurde er dort aufgrund der erfolgten Verurteilung angehalten und am 5. Oktober 2010 in die Justizanstalt X überstellt. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 wurde der Bw vom fremdenpolizeilichen Referat der belangten Behörde zur Stellungnahme im Aufenthaltsverbotsverfahren aufgefordert. In seinem Antwortschreiben führt der Bw aus, dass er seine weitere Zukunft in Österreich plane und dafür auch bereits eine Einstellungszusage für die Zeit nach seiner Entlassung bzw. auch als Freigänger hätte. Neben dem potentiellen Arbeitgeber würden ihn auch zwei Bekannte, einer in Linz und einer in Velden, in Österreich weiterhin unterstützen. Auch seine Mutter und Geschwister würden ihn in diesem Entschluss bestärken. Er ersuche daher um Nachsicht und eine Chance, weiterhin in Österreich bleiben zu können.

 

Der Bw war laut vorliegendem Sozialversicherungsauszug im Zeitraum 18. November bis 18. Dezember 2009 sowie vom 11. bis 20. Jänner 2010 aufgrund der oben angeführten Arbeitsverhältnisse sozialversichert und von 21. Dezember 2009 bis 12. Februar 2010 in Linz polizeilich gemeldet.

 

In Deutschland ist gegen den Bw ein Strafverfahren wegen Kennzeichendiebstahls anhängig. Diesen hatte er nach eigenen Angaben deshalb verübt, weil er aus beruflichen Gründen nach Österreich fahren wollte, obwohl sein Auto zwecks Verkaufs bereits abgemeldet war.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 60 Abs 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsver­bot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Nach § 60 Abs 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 zu gelten, wenn ein Fremder

 

1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Mona­ten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ...

 

Gemäß § 63 Abs 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unter Anderem im Fall des § 60 Abs 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jah­ren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer ist auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen (§ 63 Abs 2 FPG). Die Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung oder eines Durchsetzungsaufschubes aufgeschoben (§ 67 Abs 1 FPG).

 

4.2. Gemäß § 86 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Dritt­staatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffent­liche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei können strafrechtliche Ver­urteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzel­fall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Das Fremdenpolizeigesetz legt bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So setzt § 60 Abs 1 FPG (Z 1: "die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet" oder Z 2: "anderen im Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft") in Relation zu § 56 Abs 1 FPG ("schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") ein geringeres Maß der Gefährlichkeitsprognose voraus. Hingegen verlangt § 86 Abs 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 56 Abs 1 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem im fünften Satz des § 86 Abs 1 FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit") noch weiter steigert (vgl dazu VwGH 20.11.2008, Zl. 2008/21/0603; VwGH 03.04.2009, Zl. 2008/22/0913; VwGH 27.05.2010, Zl. 2007/21/0297).

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen rechtfertigt, kann auf die demonstrative Aufzählung des § 60 Abs 2 FPG nur als "Orientierungshilfe" zurückgegriffen werden. Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben sind dabei jedenfalls zu beachten. Gemäß § 56 Abs 2 Z 1 FPG gilt zudem als schwere Gefahr insbesondere, "wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens, ...rechtkräftig verurteilt worden ist".

 

4.3. Im gegenständlichen Fall liegt durch das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 22. April 2010, Zl. X wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 143 2. Fall StGB, in der Fassung des Berufungsurteils vom 29. Juni 2010 (3 Jahre unbedingte Freiheitsstrafe) eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs 2 Z 1 Fall 1 FPG (Verurteilung zu mehr als drei Monaten Freiheitsstrafe) vor, die gemäß dem § 63 Abs 1 FPG grundsätzlich auch zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes ermächtigt.

 

Weiters liegt durch diese Verurteilung wegen eines Gewalt- und Eigentumsdeliktes, die den § 60 Abs 2 Z 1 FPG um ein Mehrfaches übererfüllt, grundsätzlich auch eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vor. Bei dem vom Bw verwirklichten qualifizierten Delikt handelt es sich nämlich um ein schweres Verbrechen, welches mit der Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren, der zweithöchsten zeitlichen Strafdrohung des StGB (neben 10 bis 20 Jahre), bedroht ist. Gegenüber "minderen" Verbrechen, die gemäß § 17 StGB bei Delikten mit einer Strafdrohung von mehr als 3jähriger Freiheitsstrafe beginnen, bedeutet dies jedenfalls eine erhebliche Steigerung des Tatunwertes. Gemessen an der erfolgten Verurteilung liegt somit im Sinne der Bestimmungen des FPG eine erhebliche Gefahr im Sinne des § 86 Abs 1 FPG vor. Zu prüfen ist jedoch weiters, ob vom Bw konkret auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, wobei vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig sind.

 

Wie schon von den Strafgerichten ausgeführt, waren dem Bw die näheren Umstände der verübten Tat, insbesondere seine wirtschaftliche und familiäre Zwangslage und das Nachtatverhalten zu Gute zu halten. Andererseits wollte der Bw von X X zunächst, dass sie ihm die Beute nach Deutschland nachschickt und keinesfalls, dass sie sich bei der Polizei meldet. Diese verständigte aber die Polizei, um sich nicht der Hehlerei schuldig zu machen, wodurch ein Teil der Beute von 12.720 Euro sicher gestellt werden konnte. Darin lag die objektive Schadensgutmachung lag (vgl Urteil des LG Linz, Seite 3). Es darf nicht übersehen werden, dass es für den Bw auch andere gangbare, legale Wege gegeben hätte, das benötigte Geld für die Reise nach Deutschland kurzfristig zu beschaffen, und dass er sich dennoch zur Tatbegehung entschlossen hatte. Weiters ist – trotz der vorgebrachten Arbeitszusage – auch für die Zukunft nicht auszuschließen, dass der Bw wiederum in eine wirtschaftliche Notsituation gerät. Selbst eine Einstellungszusage sagt nämlich noch nichts über eine Weiterbeschäftigung zB nach Ablauf des Probemonats aus. Des Weiteren wird es für den vorbestraften Bw nach der Haftentlassung künftig nicht leichter werden, eine neue Arbeitsstelle zu finden.

 

Auch die vom Bw selbst geschilderten näheren Umstände des von ihm in Deutschland verübten Kennzeichendiebstahls zeigen, dass der Bw in einer (vermeintlichen) Zwangslage dazu neigt, zur Verfolgung seiner Ziele auch vor kriminellen Handlungen nicht zurückzuschrecken. Dies lässt eine persönliche Haltung erkennen, die den Grundregeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft fundamental zuwiderläuft. Das Gesamtverhalten des Bw lässt demnach eine deutliche Missachtung der Rechtsordnung und eine mangelnde Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten erkennen. Es bedarf daher eines geraumen Zeitraumes der Beobachtung eines Wohlverhaltens des Bw, um sicherzustellen, dass er nicht neuerlich das von ihm gezeigte Verhalten im Bundesgebiet setzen wird und um zu gewährleisten, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich mehr sein wird. Grundsätzlich sind Zeiten einer Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen (vgl mwN VwGH 16.10.2007, Zl. 2006/18/0081).

 

Im Ergebnis ist daher bei der gegebenen Sachlage davon auszugehen, dass das der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegende persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität berührt. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Eigentumskriminalität (vgl VwGH 03.07.2007, Zl. 2007/18/0324).

 

Der erkennende Verwaltungssenat ist daher mit der belangten Behörde der Auffassung, dass der weitere Aufenthalt des Bw in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit maßgeblich gefährden würde. Zur Verhinderung von weiteren einschlägigen strafbaren Handlungen durch den Bw ist es erforderlich, ihm den Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich zu verwehren. Entgegen der Berufung kann sich an dieser Einschätzung durch eine allfällige Bewährungshilfe nichts ändern. Dies gilt auch für die Bereitschaft des Bw zur Befolgung von Weisungen, deren Erteilung durch die Fremdenpolizeibehörde gar nicht vorgesehen und damit unmöglich ist.

 

4.4. Gemäß § 60 Abs 6 iVm § 66 FPG ist zum Schutz des Privat- und Familienlebens des Fremden eine Interessenabwägung vorzunehmen und von der fremdenpolizeilichen Maßnahme abzusehen, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der fremdenpolizeilichen Maßnahme für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

 

Da der Bw in das Bundesgebiet nur wenige Monate vor der Tat eingereist ist und sich in Österreich vorwiegend aus beruflichen Zwecken aufhalten wollte, hat er in Österreich keine tieferen sozialen Bindungen. Der Bw führt selbst an, dass er lediglich zwei nähere Bekannte in Österreich habe, welche in Linz bzw. in Velden ansässig seien. Darüber hinaus steht er in Österreich offenbar sonst nur mit dem angeblich künftigen Arbeitgeber in Kontakt. Die persönliche Beziehung zu seiner Internetbekannten hat er nach eigenen Angaben abgebrochen. Die Familie des Bw, nämlich seine Mutter und seine Geschwister, befinden sich weiterhin in Deutschland. Das Aufenthaltsverbot würde ihn nach seiner Berufung nur insofern besonders treffen, als er nach der Haftentlassung eine bereits zugesagte Arbeitsstelle in Österreich antreten wollte.

 

Insgesamt betrachtet, sind die privaten Bindungen des Bw in Österreich somit nicht intensiv. Sie beschränken sich auf Bekanntschaften und berufliche Kontakte. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als die allfälligen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw.

 

4.5. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist nach dem § 63 Abs 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

Es bedarf eines geraumen Zeitraumes der Beobachtung des Wohlverhaltens des Bw, um sicherzustellen, dass er nicht neuerlich das von ihm gezeigte Verhalten im Bundesgebiet setzen wird und um zu gewährleisten, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich mehr sein wird. Grundsätzlich sind Zeiten einer Haft bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen (vgl mwN VwGH 30.11.2005, Zl. 2005/18/0591; VwGH 16.10.2007, Zl. 2006/18/0081).

 

Die belangte Behörde hat ohne nähere Begründung einen Zeitraum von 10 Jahren angenommen, innerhalb dessen mit einem allfälligen positiven Gesinnungswandel des Bw gerechnet werden könne. Dabei vernachlässigt sie, dass der Bw noch überhaupt nicht vorbestraft war und auch keinerlei straferschwerende Umstände vorlagen. Im Gegenteil wurde dem Bw vom Oberlandesgericht Linz wegen der besonderen Motivlage und dem außergewöhnlichen Nachtatverhalten eine ziemlich günstige Täterprognose attestiert. Vor diesem Hintergrund scheint die lange Bewährungsdauer von zehn Jahren beim Bw nicht plausibel.

 

Unter Berücksichtigung sämtlicher zugunsten des Bw sprechenden Umstände hält es das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenats nach Lage des Falles für angemessen, die Gültigkeitsdauer des verhängten Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre herabzusetzen. Diese Frist müsste aller Voraussicht nach ausreichen, um den Bw, dessen kriminelle Energie deutlich unterhalb der typischen Deliktsverwirklichung der §§ 142 Abs 1, 143 2. Fall StGB einzuordnen ist, zu läutern und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentlichen Interessen zu beseitigen. Soweit sich der Bw in dieser Zeit in seinem Heimatland bewährt, soll er auch die Aussicht zur Rückkehr nach Ablauf dieser Zeit haben. Sollte er sich weiterhin kriminell verhalten, könnte dann ein weiteres Aufenthaltsverbot verhängt werden, weil bekanntlich gemäß § 60 Abs 3 FPG auch ausländische Verurteilungen verwertbar sind, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entsprechen, was bei Urteilen deutscher Strafgerichte unproblematisch erscheint.

 

4.6. In der vorliegenden Berufung wird der Bescheid der belangten Behörde schlechthin angefochten und vor allem die negative Prognose der belangten Behörde ausdrücklich bekämpft. Der erkennende Verwaltungssenat geht im Zweifel davon aus, dass der Bw mit seinem Vorbringen sinngemäß auch die erstbehördliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung bekämpfen wollte.

 

4.6.1. Gemäß § 64 FPG darf bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot ausgeschlossen werden, wenn die sofortige Ausreise des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich ist.

 

Die Vorläuferbestimmungen des § 45 Abs 4 Fremdengesetz 1997 und des § 27 Abs 4 Fremdengesetz 1993 enthielten bis auf die Ergänzung der Wendung "oder die sofortige Durchsetzbarkeit" eine gleichlautende Ermächtigung der Behörde.

 

In der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP) wird zu § 64 auf Seite 101 erläuternd ausgeführt:

 

"§ 64 gibt Art I Z 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK für den Bereich des Aufenthaltsverbotes wieder. In den Fällen, in denen sich der Fremde jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat er keinen Anspruch darauf, während des Berufungsverfahrens im Inland zu verbleiben, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung genommen wird. In diesen Fällen kann die aufschiebende Wirkung einer Berufung unter den Voraussetzungen des § 64 AVG ausgeschlossen werden."

 

Im Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0092, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zum vergleichbaren Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 99/18/0179, ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers daran bejaht, dass sich der unabhängige Verwaltungssenat mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung auseinandersetzt. Einer Berufung gegen einen Ausspruch nach § 64 Abs 2 AVG kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Dies verbietet der Sinn des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Ein Rechtsmittel gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung soll lediglich die Überprüfung der dafür bestehenden Voraussetzungen durch die Berufungsbehörde ermöglichen. Bei der Berufungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen und sind die Voraussetzungen für diesen Zeitpunkt zu beurteilen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 13a, 13b und 13c zum insoweit vergleichbaren § 64 Abs 2 AVG).

Im Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 97/18/0564, das zur vergleichbaren Vorläuferbestimmung des § 27 Abs 4 Fremdengesetz 1993 ergangenen und deshalb auch heute noch einschlägig ist, hat sich der Verwaltungsgerichthofs mit der Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auseinandergesetzt und ausgeführt, dass bereits aus dem Wortlaut deutlich werde, dass ein strenger Maßstab anzulegen sei. Der Ausschluss sei nur gerechtfertigt, wenn die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit, nicht aber zur Erreichung anderer im Art 8 Abs 2 EMRK genannter Gründe, erforderlich ist. Daraus sei ersichtlich, dass als Grundlage für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung – anders als für die Beurteilung des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbotes – nur eine vom Fremden ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt, der ein annähernd gleichwertiges Gewicht wie der Gefährdung der nationalen Sicherheit zukommt.

 

4.6.2. Die belangte Behörde hat zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach dem § 64 FPG (Spruchpunkt II.) ohne nähere Begründung behauptet, dass auf Grund des erläuterten Fehlverhaltens (und gemeint wohl auch die damit verbundene negative Zukunftsprognose) die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes nach Haftentlassung dringend erforderlich wäre, da nicht auszuschließen wäre, dass der Bw sein kriminelles Verhalten nach der Haftentlassung wieder fortsetzen bzw wiederholen könnte.

 

Diese pauschale Behauptung der belangten Behörde ist schon deshalb bedenklich und abzulehnen, weil man ein rückfälliges Verhalten eines früheren Straftäters wohl nie ganz ausschließen wird können. Es darf bei Beurteilung der Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise nicht der absolute Maßstab des "Ausschließenkönnens" angelegt werden, weil dieser nicht dem Gesetzeswortlaut entspricht und praktisch nie erfüllbar wäre. Vielmehr ist umgekehrt nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als positive Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein strenger Maßstab zu Grunde zu legen, der nur bei einer so schwerwiegenden Gefährdung durch den Fremden erfüllt ist, die annähernd einer Gefährdung der nationalen Sicherheit gleichkommt.

 

Diese schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Bw, der annähernd ein Gewicht wie der Gefährdung der nationalen Sicherheit zukommt, kann nach der Aktenlage keinesfalls angenommen werden. Das Oberlandesgericht Linz hat trotz der schwerwiegenden Straftat nach § 143 StGB die außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB) durch Unterschreitung der Mindeststrafe um zwei Jahre für begründet erachtet. Die dafür notwendige günstige Täterprognose wurde auf das ausschließliche Vorliegen von Milderungsgründen, die besonderen Motivlage und das außergewöhnlichen Nachtatverhaltens des Bw gestützt. In einem solchen Fall erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat die Ansicht, dass die sofortige Ausreise des Fremden nach Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich wäre, als nicht begründbar und daher auch nicht vertretbar.

 

Aus diesen Gründen war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid als rechtswidrig festzustellen. Eine Aufhebung dieses Ausspruchs kommt nicht in Betracht, weil er sachlogisch mit der Berufungsentscheidung ohnehin wegfällt.

 

4.7. Der Vollständigkeit halber ist zur Feststellung im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, wonach "von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub erteilt" wird, auf § 86 Abs 3 FPG hinzuweisen, der grundsätzlich für EWR-Bürger einen amtswegigen Durchsetzungsaufschub von einem Monat vorsieht, es sei denn die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass die ausnahmsweise Nichtgewährung des einem Fremden nach § 86 Abs 3 FPG zustehenden Durchsetzungsaufschubes einer besonderen, über die schon für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Erwägungen hinausgehenden Begründung bedarf (vgl etwa VwGH 21.11.2006, Zl. 2006/21/0171, unter Hinweis auf VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0088 und VwGH 26.09.2007, Zl. 2007/21/0149), verlangt doch die Versagung des Durchsetzungsaufschubes die nachvollziehbare Prognose, bereits der Aufenthalt des Fremden für ein (weiteres) Monat nach Durchsetzbarkeit gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

 

Die belangte Behörde bleibt begründete Ausführungen schuldig, weshalb der Bw schon während des ersten Monats nach seiner Haftentlassung wieder einschlägig rückfällig werden sollte. Es wird lediglich auf die Begründung hinsichtlich der Voraussetzungen zur Erteilung des Aufenthaltsverbotes verwiesen. Wie bereits oben unter Punkt 4.6. dargelegt, sind besondere, über die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes hinausgehende Gründe nach der Aktenlage nicht ersichtlich. Dies bedeutet jedoch, dass eine Versagung des Durchsetzungsaufschubes nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

 

Wie die belangte Behörde wohl selbst angenommen hat, setzt die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes sachlogisch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung voraus. Auch wenn formal gemäß § 9 Abs 2 FPG eine Berufung gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes nicht zulässig ist und der Oö. Verwaltungssenat daher den Spruchpunkt III. nicht aufheben kann, ändert dies nichts daran, dass materiellrechtlich die Voraussetzungen der Versagung mit der Rechtswidrigkeitserklärung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung weggefallen sind.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung teilweise Folge zu geben, der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes abzuändern und diese mit fünf Jahren festzusetzen. Weiters war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen das Aufenthaltsverbot für rechtswidrig zu erklären.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 30,00 Euro für die Berufung angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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