Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300969/3/WEI/Ba

Linz, 15.03.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, X, X, vertreten durch Dr. X X, Rechtsanwalt in X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 22. Oktober 2010, Zl. Pol96-52-2010/WIM, betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 7. September 2010 wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung vom 5. Juli 2007 betreffend Übertretungen des Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag anstelle der erstbehördlichen Abweisung als unzulässig zurückgewiesen wird.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 iVm § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Oktober 2010 hat die belangte Behörde den Antrag des Bw auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 7. September 2010 wegen Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen die Strafverfügung vom 5. Juli 2010, Zl. Pol96-52-2010/WIM, betreffend vier Übertretungen des Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetzes, abgewiesen. Die begehrte aufschiebende Wirkung wurde dem Antrag nicht zuerkannt.

 

Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass die Strafverfügung am 8. Juli 2010 durch Hinterlegung zugestellt worden und der am 23. Juli 2010 eingelangte Einspruch dagegen verspätet war. Der Bw habe am 7. September 2010 durch seinen Rechtsvertreter binnen offener Frist einen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht.

 

Im Wiedereinsetzungsantrag sei vorgebracht worden, der Bw habe den Tag der Hinterlegung datumsmäßig mitgeteilt. Auf den übergebenen Unterlagen wäre er aber nicht aufgeschienen. Der Rechtsvertreter hätte gleich seine langjährige, verlässliche und erfahrene Kanzleiangestellte ersucht, die Einspruchfrist im Kanzleikalender einzutragen. Auf Grund eines Irrtum hätte sie aber den letzten Tag der Frist am 23. Juli 2010 eingetragen und dem Rechtsvertreter die ordnungsgemäße Kalendierung bestätigt. Die irrtümliche Fehleintragung durch eine erfahrene und verlässliche Kanzleikraft stelle nur einen minderen Grad des Versehens dar. Der Rechtsvertreter behauptete auch, der ihm zumutbaren Überwachungspflicht genügt zu haben, weil er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ersuchen um Termineintragung die Bestätigung von seiner üblicherweise äußerst verlässlichen Kanzleikraft erhalten habe.

 

Die belangte Behörde führt im Wesentlichen begründend aus, das der Rechtanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten müsse, dass die richtige Vormerkung von Terminen und die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei sei durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen seien. Die Organisation des Kanzleibetriebes zur richtigen Vormerkung von Terminen sei Sache des Rechtsvertreters, den auch die gebotene Überwachungspflicht treffe. Die Fehleintragung sei kein Ereignis iSd § 71 AVG gewesen.

 

2. Gegen diesen abweisenden Bescheid der belangten Behörde, der dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 28. Oktober 2010 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig per Telefax am 10. November 2010 gesendete Berufung, mit der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angestrebt und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird.

 

Zum Sachverhalt wird vorgebracht, dass gegen die Strafverfügung vom 5. Juli 2010 um einen Tag verspätet Einspruch erhoben worden wäre. Nach Zurückweisung sei der Antrag auf Wiedereinsetzung im Kern damit begründet worden, dass die vom Bw richtig mitgeteilte Einspruchsfrist von einer verlässlichen Kanzleikraft des Rechtsvertreters irrtümlich auf einen Tag nach Ablauf der Frist kalendiert worden sei und sie auf Nachfrage die richtige Kalendierung bestätigt habe.

 

Die Berufung bringt unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vor, dass keine unrichtige Mitteilung durch den Bw oder falsche Berechnung durch den Rechtsvertreter vorgelegen sei. Eine Nachfrage oder Akteneinsicht bei der Behörde hätte keinen Unterschied gemacht. Die hineichende Organisation des Kanzleibetriebs und eine entsprechende Kontrolle habe der Rechtsvertreter dargelegt. Es liege daher sehr wohl ein unabwendbares Ereignis vor, welches nur durch einen minderen Grad des Versehens verursacht worden sei.

 

Als Verfahrensmangel wird gerügt, dass die belangte Behörde die beantragten Beweise nicht aufgenommen und keine Klärung allenfalls noch offener Fragen versucht habe. Auch sei nicht dargelegt worden, warum die vorgelegte eidesstättige Erklärung nicht eine entsprechende Glaubhaftmachung darstelle.

 

3. Aus der Aktenlage ergib sich für den unabhängigen Verwaltungssenat folgender S a c h v e r h a l t :

 

3.1. Mit Strafverfügung vom 5. Juli 2010, Zl. Pol96-52-2010, hat die belangte Behörde den Bw wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben es als Verantwortlicher der vom Betriebsverein X in der Nacht vom 15. Mai 2010 zum 16. Mai 2010 in X, X durchgeführten Veranstaltung 'Open Air X' und somit als Veranstalter zu verantworten, dass

 

1)     laut Angaben in der Veranstaltungsanzeige bzw. – meldung beim Magistrat Wels vom 24.06.2010 als Ende der Veranstaltung 03:Uhr angezeigt, die Veranstaltung jedoch darüber hinaus abweichend von den Angaben in der Anzeige fortgesetzt wurde, wobei um 04:30 Uhr von Organen der Polizeiinspektion X festgestellt wurde, dass die Veranstaltung noch nicht beendet worden war und noch ca. 150 Besucher teilnahmen;

2)     die Bescheidauflagen der Veranstaltungsstättenbewilligung des Magistrates Wels vom 27.10.2009, BZ-Pol21009-2008 in folgenden Punkten missachtet d.h. nicht eingehalten wurden:

a)     Punkt 16: Nach 22:00 Uhr sind die Türen, Tore und Fenster zu schließen und die Lautstärke zu drosseln. Sollte eine Belüftung durch Öffnen der Türen, Tore und Fenster notwendig sein, sind die musikalischen Darbietungen einzustellen.

     Die östliche Tür zum Veranstaltungssaal war bei der Kontrolle durch die einschreitenden Polizeiorgane um 04:30 Uhr vollständig geöffnet und die musikalische Darbietung nicht eingestellt;

b)     Punkt 24: Eine halbe Stunde vor Beendigung der Veranstaltung sind sämtliche Musikdarbietungen einzustellen, der Ausschank zu beenden und die Saalbeleuchtung zur Gänze einzuschalten.

     Dieser Punkt wurde zur Gänze missachtet;

c)       Punkt 25: Veranstaltungen dürfen mit generellem Veranstaltungsende höchstens bis 04:00 Uhr durchgeführt werden.

     Die Veranstaltung wurde von Ihnen als Verantwortlicher laut Eigenangabe bis 06:00 Uhr fortgesetzt."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu 1) den § 17 Abs 1 Z 4 Oö. Veranstaltungssicherheitsgesetz (LGBl Nr. 78/2007) und zu 2a) bis 2c) jeweils den § 17 Abs 1 Z 6 leg.cit. als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von je 350 Euro und Ersatzfreiheitsstrafen von je 36 Stunden.

 

Nach dem aktenkundigen Zustellnachweis wurde die Strafverfügung nach einem vergeblichen Zustellversuch am 8. Juli 2010 beim Postamt 4609 hinterlegt, wobei der Beginn der Abholfrist vom Zusteller mit 9. Juli 2010 vermerkt wurde.

 

Laut Aktenvermerk der belangten Behörde vom 20. Juli 2010 hatte der Bw an diesem Tag Akteneinsicht genommen und erklärt, Einspruch einbringen zu wollen.

 

3.2. Mit Eingabe vom 22. Juli 2010, die am 23. Juli 2010 per E-Mail und per Telefax um 08:29 Uhr (Kennung) an die belangte Behörde gesendet wurde, brachte der Bw durch seinen Rechtsvertreter einen Einspruch mit näherer Begründung gegen die Strafverfügung vom 5. Juli 2010 ein.

 

Mit Bescheid vom 24. August 2010, dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters zugestellt am 26. August 2010, hat die belangte Behörde den Einspruch gegen die Strafverfügung gemäß § 49 Abs 1 und 3 VStG als verspätet zurückgewiesen. Begründend wird auf die Zustellung durch Hinterlegung am 8. Juli 2010 laut ausgewiesenem Rückschein hingewiesen, womit die Einspruchsfrist zu laufen begonnen und mit Ablauf des 22. Juli 2010 geendet hätte. Das Rechtsmittel sei trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung in der Strafverfügung erst am 23. Juli 2010 per E-Mail bei der belangten Behörde eingebracht worden. Es wäre verspätet eingebracht worden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.

 

Am 7. September 2010 um 13:40 Uhr (Kennung) per Telefax und zusätzlich per E-Mail brachte der Rechtsvertreter des Bw bei der belangten Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung vom 5. Juli 2010 ein und beantragte gleichzeitig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ferner wurde der schon früher ausgeführte Einspruch wiederholt.

 

Begründend wird ausgeführt, der Rechtsvertreter habe seine langjährig in der Kanzlei angestellte, mit Fristvormerkung erfahrene und äußerst verlässliche Kanzleiangestellte Frau X X ersucht, die Einspruchsfrist im Kanzleikalender einzutragen. Auf Grund eines Irrtums habe jedoch Frau X den letzten Tag der Frist nicht auf den 22. Juli 2010, sondern am 23. Juli 2010 eingetragen und dem Rechtsvertreter in der Folge die ordnungsgemäße Kalendierung der Frist bestätigt. Der unterlaufene Irrtum sei erst mit Zurückweisung des Einspruchs bekannt geworden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, zu bewilligen, wenn:

 

1.  die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.  die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Nach § 71 Abs 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 71 Abs 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Gemäß § 71 Abs 6 AVG kann die Behörde dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Ein unabhängiger Verwaltungssenat hat durch Einzelmitglied zu entscheiden.

 

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl u.a. VwGH 26.8.1998, 96/09/0093; VwGH 1.7.1998, 98/09/0026, 0027; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 18b und E 21 zu § 71 Abs 1 AVG).

 

Der Wiedereinsetzungswerber hat alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2004] E 8b u 8d zu § 71 Abs 1 und E 2 zu § 71 Abs 2 AVG).

 

4.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem unbedenklichen aktenkundigen Postrückschein zur Strafverfügung, dass der Zustellvorgang laut Poststempel (X Zustellbasis) zwar schon am 8. Juli 2010 erfasst wurde, der Zusteller aber zum Punkt Hinterlegung "beim Postamt X" und den Beginn der Abholfrist mit "9.7.2010" handschriftlich vermerkte.

 

Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz beginnt der Fristenlauf bei hinterlegten Sendungen mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten nach dem § 17 Abs 3 Satz 3 Zustellgesetz mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.

 

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Einspruchfrist gemäß § 49 Abs 1 VStG von zwei Wochen ab Zustellung der Strafverfügung vom 5. Juli 2010 richtig mit dem Beginn der Abholfrist am 9. Juli 2010, einem Freitag, und nicht bereits am Vortag zu laufen begann. Letzter Tag der Frist nach der vorgeschriebenen Berechnung gemäß § 32 AVG war daher Freitag, der 23. Juli 2010. Da der gegenständliche Einspruch am 23. Juli 2010 bei der belangten Behörde auf elektronischem Wege einlangte, war er als rechtzeitig eingebracht anzusehen. Ein Fristversäumnis liegt daher in Wahrheit nicht vor und die Zurückweisung des Einspruchs durch die belangte Behörde wegen Verspätung erfolgte zu Unrecht.

 

Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 71 Abs 1 Satz 1 AVG ("Gegen die Versäumung einer Frist ..") ergibt, setzt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass eine Frist versäumt wurde. Ist dies nicht der Fall, liegt kein Wiedereinsetzungsgrund vor. Nur wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begrifflich überhaupt möglich (vgl dazu die Judikaturnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch6, 1069, E 9a bis E 9g zu § 71 Abs 1 AVG).

 

Da im vorliegenden Fall die Einspruchsfrist offensichtlich gar nicht versäumt wurde, kann diesbezüglich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden, weshalb die darauf abzielende Antragstellung von vornherein nicht zulässig war. Bei diesem Ergebnis war auf die inhaltlichen Argumente des Bw nicht mehr einzugehen.

 

Die Behörde hatte dem Wiedereinsetzungsantrag keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und zuvor schon den Einspruch als verspätet zurückgewiesen. Eine aufschiebende Wirkung bzw ein Aufschub der Vollstreckung der Strafverfügung war schon im Grunde der rechtskräftigen Zurückweisung nicht mehr zulässig.

 

5. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass schon eine begriffliche Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlag. Es war daher die Berufung gegen den abweisenden Bescheid der belangten Behörde schon insofern unbegründet, als der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen hätte werden müssen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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