Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550566/4/Kü/Rd/Ba

Linz, 18.03.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Werner Reichenberger) über den Antrag der X X-X X & X GesmbH, X AG, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. X & Partner, X, X, vom 14. März 2011 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der FH Immobilien GmbH betreffend das Vorhaben "FH Research Center Hagenberg/Errichtung des Hochschulgebäudes FH III; GU-Ausschreibung Rohbau, Ausbau, E-Technik mit Lift, HKLS mit MSR und Außenanlagen", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin FH Immobilien GmbH die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 14. Mai 2011, untersagt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 14. März 2011 hat die X X-X X & X GesmbH, X AG (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf  Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung und der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 7.500 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass es sich gegenständlich um einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich handle. Die Auftraggeberin  sei eine 100%ige Tochter der FH Management GmbH und sind die Stadt Wels, die Stadt Steyr, die Marktgemeinde Hagenberg, die Stadt Linz sowie die Landesholding GmbH, welche wiederum im 100%igen Eigentum des Landes Oberösterreich steht, Gesellschafter der Muttergesellschaft. Es handle sich bei der Auftraggeberin um einen öffentlichen Auftraggeber iSd § 3 Abs.1 BVergG. Die Ausschreibungsunterlage habe keinen Hinweis auf die zuständige Vergabenachprüfungsbehörde beinhaltet.

 

Mit E-Mail vom 04. März 2011 sei der Antragstellerin zum einen mitgeteilt worden, dass ihr Angebot gemäß § 129 Abs.1 Z3 BVergG ausgeschieden werde und zum anderen, dass beabsichtigt sei, der X X/X den Auftrag mit einer Angebotssumme von 4,315.013,63 Euro exkl. MWSt, zu erteilen. Das Ende der Stillhaltefrist für beide gesondert anfechtbaren Entscheidungen wurde mit 14. März 2011, 24.00 Uhr, bekannt gegeben.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihren Rechten auf Durchführung eines den Grundsätzen des § 19 BVergG entsprechenden Vergabeverfahrens, auf Unter­bleiben des Ausscheidens ihres Angebotes, auf Beendigung des Vergabever­fahrens im Wege eines Widerrufs, in eventu auf Mitteilung einer dem § 131 BVergG entsprechenden Zuschlagsentscheidung sowie auf Zuschlagser­teilung auf einen bei der Angebotsöffnung verlesenen Angebotspreis, verletzt.

 

Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass die Antragstellerin fristgerecht ein formgültiges und mangelfreies Angebot gelegt habe. Bei der Angebotsöffnung wurde das Angebot der Antragstellerin mit 4,310.540,37 Euro sowie das Angebot der X/X mit 4,315.013,63 Euro verlesen. Demnach sei die Antragstellerin Billigstbieterin und sei explizit darauf hingewiesen worden, dass die verlesenen Preise die für die Vergabesumme maßgeblichen wären.

 

Der Antragstellerin sei per E-Mail vom 16. Februar 2011 von der ausschreiben­den Stelle nachträglich eine Tabelle übermittelt worden, welche als Ergänzung zur Angebotsöffnung, zusätzlich zu den bereits verlesenen Summen, die für das Zuschlagskriterium relevanten (und nicht verlesenen) Angebotssummen unter Berücksichtigung der Eventual- und Wahlpositionen beinhalten solle. Es seien folgende Summen mitgeteilt worden, und zwar 4,528.303,28 Euro (X/X) und 4,480.948,09 Euro (X/X). Es entziehe sich der Kenntnis der Antragstellerin, ob die mitgeteilten Preise tatsächlich bei Angebots­öffnung in den Angeboten der Mitbieter enthalten gewesen seien.

 

In weiterer Folge seien diverse Aufklärungen gefordert und fristgerecht über­mittelt worden, ua auch eine Erklärung vom 4. März 2011 zu den angebotenen Regiepreisen. Hiebei sei darauf hingewiesen worden, dass betreffend der angefragten Positionen kein Kalkulationsirrtum vorliege und die angebotenen Preise selbstverständlich Gültigkeit hätten.

 

Am 4. März 2011 sei das Ausscheiden mit der Begründung, dass die Regieleistungen der Ausbaugewerke weit unter dem marktüblichen Preis und den kollektivvertraglichen Stundenlöhnen liegen würden, bekannt gegeben worden. Darüber hinaus sei mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, der X X/X – ohne nähere Unternehmensdaten – den Zuschlag zu erteilen. In dieser Mitteilung sei keine Vergabesumme, sondern eine "Angebotssumme" von 4,315.013,63 Euro, exkl. MWSt, genannt worden. Es handle sich dabei um den Angebotspreis, welcher bei der Angebotsöffnung verlesen wurde. Des weiteren findet sich in der Mitteilung auch der Hinweis auf das Zuschlagskriterium, welches wiederum den niedrigsten Preis unter Berücksichtigung der Eventual- und Wahlpositionen vorsieht. Eine Mitteilung der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots bzw eine darüber hinausgehende verbale Begründung finde sich in der Zuschlagsentscheidung nicht.

 

Weiters werde darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Billigstbieterprinzips eine Einrechnung von Eventualpositionen in den angebotenen Gesamtpreis zur Bestbieterermittlung bei Bauaufträgen widersinnig sei. Diese Vorgehensweise führe dazu, dass Leistungen, welche in den Hauptpositionen der Ausschreibung vorgesehen sind, doppelt bei der Preisermittlung ins Gewicht fallen würden. Spekuliere man auf die Ausführung gemäß Hauptvariante, sei es ein Leichtes, die Preise für die Eventualposition möglichst niedrig anzusetzen, um bei einer hochpreisigen Hauptvariante dennoch den Zuschlag als billigstes Angebot zu erhalten.

 

Bei der weiteren Vorgangsweise habe die Auftraggeberin jedoch den vergaberechtlichen Grundsatz missachtet, dass das Verfahren transparent und unter Gleichbehandlung sämtlicher Bieter durchzuführen sei. Wenn die Auftrag­geberin als Zuschlagskriterium den günstigsten Preis inklusive Varianten und Eventualpositionen vorsehe, so wären die dementsprechenden Angebotspreise auch im Rahmen der Angebotseröffnung zu verlesen gewesen. Durch die nachträgliche Bekanntgabe der Angebotssummen inklusive der Eventual- und Wahlpositionen liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und die gesetzlichen Vorgaben vor. Diesbezüglich würde auch auf die entsprechende Judikatur des VwGH verwiesen, wonach eine Zuschlagsentscheidung auf Basis einer rechtswidrig durchgeführten Angebotsöffnung für nichtig zu erklären sei (VwGH 21.12.2004, 2004/04/0100). Jedem am Vergabeverfahren beteiligten Bieter sei aus Rechtsschutzüberlegungen – unabhängig von der Gültigkeit seines Angebots – die Antragslegitimation zuzubilligen. Die korrekte Durchführung der Angebotsöffnung sei ausschließlich Sache des Auftraggebers. Darüber hinaus sei die bekämpfte Zuschlagsentscheidung auch deswegen nichtig, zumal sie eine Vergabesumme entgegen § 131 BVergG nicht nenne.

 

Die aufgezeigte rechtswidrige Vorgehensweise stelle einen nicht mehr sanierbaren wesentlichen Mangel dar, welcher nur durch den Widerruf des Vergabeverfahrens beseitigt werden könne.

 

Das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin sei unberechtigt erfolgt. Die Antragstellerin habe positionsweise unterschiedliche Regieleistungen der Ausbaugewerke angeboten. Es sei auch im Zuge der Angebotsprüfung darauf hingewiesen worden, dass die angebotenen "angehängten" Regiearbeiten in den Randzeiten zwischen den Kernzeiten ausgeführt werden. Teilweise seien daher die Kostenfaktoren für die Regiezeiten bereits in den angebotenen Einheitspreisen enthalten. Es bedurfte daher nicht bei jeder Position der Kalkulation eines in sich kostendeckenden Regiepreises. Überdies handle es sich bei den angebotenen angehängten Regieleistungen auch um kalkulatorisch vollkommen untergeordnete Leistungen. Eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises iSd § 129 Abs.1 Z3 BVergG könne jedoch aus den von der Antragstellerin angebotenen Regiepreisen nicht abgeleitet werden.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss und zum drohenden Schaden bringt die Antragstellerin vor, dass sie sowie deren Mitglieder im Rahmen der Bauvorhaben bei der FH Hagenberg bereits als ausführende Firmen tätig gewesen seien. Aufgrund der derzeitigen Tätigkeit der X AG vor Ort sei auch mit einer Synergie bei der künftigen Leistungserbringung zu rechnen. Beim gegenständlichen Vorhaben handle es sich um ein bedeutendes Referenzprojekt und würde bei Nichterhalt des Zuschlages ein unwiederbringlicher Schaden entstehen. Überdies habe die Antragstellerin mit einem Gewinn von ca 3% (130.000 Euro) und einem branchenüblichen Deckungsbeitrag von 8 bis 10% (400.000 Euro) kalkuliert. Zudem seien für die Erstellung des GU-Angebots Kosten von ca. 15.000 Euro angelaufen.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die Ausführungen im Hauptantrag und bringt weiters vor, dass sowohl die X & X GmbH als auch die X AG bereits zur vollsten Zufriedenheit der Nutzer für die FH Hagenberg tätig gewesen sei. Derzeit  sei die X AG mit der Ausführung von Bauleistungen vor Ort tätig. Es handle sich demnach, abgesehen von der Bedeutung als Referenzprojekt, auch um ein unter Synergiegesichtspunkten bedeutendes Bauprojekt für die Antragstellerin. Die zunehmende Budgetknappheit unterstreiche noch die Bedeutung des Bauvorhabens für die Antragstellerin. Überwiegende öffentliche Interessen würden der Erlassung der einstweiligen Verfügung erkennbarer Weise nicht entgegenstehen. Aufgrund der Massivität und der Offenkundigkeit der Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise der Auftraggeberin sei auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten jedenfalls die Erlassung der einstweiligen Verfügung zur Vermeidung der – allenfalls von der Auftraggeberin beabsichtigten – Schaffung von faktischen Verhältnissen geboten.        

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die FH Immobilien GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme bezüglich der Erlassung der einstweiligen Verfügung ist bis zum Entscheidungszeitpunkt beim Oö. Verwaltungssenat nicht eingelangt.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art. 14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 126b Abs.2, soweit sie nicht unter die Z1 lit.c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 127 Abs.3 und Art. 127a Abs.3 und 8.

 

Gemäß Art. 127 Abs.3 B-VG überprüft der Rechnungshof weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen das Land allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die das Land allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt.

 

Die FH OÖ Immobilien GmbH ist eine 100%ige Tochter der FH OÖ Management GmbH. Die Städte Wels, Steyr, Linz, die Marktgemeinde Hagenberg sowie die Oö. Landesholding, welche wiederum im 100%igen Eigentum des Landes Oberösterreich steht, sind Gesellschafter der FH OÖ Management GmbH. Die FH OÖ Immobilien GmbH stellt als Unternehmen im Sinne des Art.127 Abs.3 B-VG einen öffentlichen Auftraggeber dar, der im Sinne des Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fällt. Das gegenständliche Nachprüfungsver­fahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.  

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabever­fahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskrimi­nier­ten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevoll­mächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

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