Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281285/16/Kl/Pe

Linz, 09.03.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Anwaltssocietät x, xstraße x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21.10.2010, GZ. 52787/2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 26.1.2011 zu Recht erkannt:

 

I.   Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten III. bis V. stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Zu Faktum I. wird die Berufung hinsichtlich der Schuld abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Bezüglich Strafausmaß wird hingegen der Berufung stattgegeben und die verhängten Geldstrafen je Arbeitnehmer auf 500 Euro, die für den Fall der Uneinbringlichkeit verhängten Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils 11 Stunden herabgesetzt.

Zu Faktum II. wird die Berufung sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich des Strafausmaßes abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Die Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG hat zu Faktum I. und II. „§ 130 Abs.5 Einleitung ASchG“ zu lauten.

 

II. Der Kostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 110 Euro zu Faktum I. und II., das sind 10 % der verhängten Geldstrafen. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat entfällt ein Kostenbeitrag hinsichtlich Faktum I.; zu Faktum II. ist ein Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 20 Euro, zu leisten.

      Hinsichtlich der Fakten III. bis V. entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64, 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21.10.2010, GZ. 52787/2009, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) Geldstrafen von insgesamt 2.700 Euro in fünf Fällen wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm I. § 48 Abs.2 und 7 BauV, II. § 22 Abs.1 BauV, III. § 6 Abs.7 BauV, IV. § 150 BauV und V. § 130 Abs.1 Z16 und § 35 Abs. 1 Z5 ASchG iVm §§ 3 Abs.1 und 18 Abs.8 AM-VO verhängt, weil er als gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der x Aktiengesellschaft für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften (ausgenommen Isolier- und Abdichtungsarbeiten und Gussasphalt) im Bezirk Gmunden (Dienstort x, xstraße x) zu vertreten hat:

I.         Auf der Baustelle „Kanalbaustelle xstraßex“ haben am 9.11.2009 folgende Arbeitnehmer der x AG eine ca. 2,5 m tiefe ungesicherte Künette zu Versetz- und Einbauarbeiten von Kanalschächten betreten:

a.        x,

b.        x.

Der Böschungswinkel der Künette betrug ca. 80° bis 90°, obwohl kein leichter bzw. schwerer Fels vorhanden war, sondern weicher bindiger Boden, welcher teilweise mit Schotter durchsetzt war. Verbaue waren nicht eingesetzt. Verfahren zur Bodenverfestigung wurden nicht angewendet. Die beiden Seiten der Künette waren durch das Raupenfahrzeug des Baggers und aufgeschüttetes Material stark belastet worden. Die Arbeitnehmer waren durch abrutschendes oder herabfallendes Material gefährdet.

II.      Die x AG hat als Arbeitgeber am 9.11.2009 auf der Baustelle „Kanalbaustelle xstraße, x“ nicht überwacht, ob folgende Arbeitnehmer, die mit Versetz- und Einbauarbeiten in der Künette beschäftigt waren, einen Schutzhelm trugen:

a.        x,

b.        x.

III.   Die Arbeitnehmer (x und x) verwendeten am 9.11.2009 auf der Baustelle „Kanalbaustelle xstraße, x“ zum Erreichen des schwer zugänglichen Arbeitsplatzes in der ca. 2,5 m tiefen Künette keine geeignete Einrichtung, wie etwa eine Anlegeleiter.

IV.    Die am 9.11.2009 auf der Baustelle „Kanalbaustelle xstraße, x“ vorhandenen, zum Einbau vorgesehenen Verbaueinheiten wiesen sicherheitstechnische Mängel auf, da an mehreren Stellen die notwendigen Sicherheitssplinte an den Steckbolzen fehlten und diese teilweise aus ihren Sitzen gerutscht waren. Die x AG hat somit nicht dafür gesorgt, dass diese Betriebsmittel in einem guten und sicheren Zustand waren.

V.       Die Arbeitnehmer der x AG haben am 9.11.2009 auf der Baustelle „Kanalbaustelle xstraße, x“ ein viersträngiges Kettengehänge mit fehlender Hakenmaulsicherung zum Heben von Verbaueinheiten sowie ein geknotetes Hebeband zum Heben von Baggerlöffeln und eine gerissene Rundschlinge zum Heben eines Rüttlers verwendet. Die x AG hat als Arbeitgeber nicht dafür gesorgt, dass diese Arbeitsmittel, deren Beschädigungen die Sicherheit beeinträchtigen können, nicht benützt werden.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt sowie der Höhe nach angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass zu Spruchpunkt I. de facto keine Gefährdung des Arbeitspersonals vorgelegen sei, da an den Breitseiten der Künette der Böschungswinkel 80° bis 90° betrug, an den Längsseiten jedoch rund 45°. Die Arbeitnehmer hätten den Fels als schweren Fels eingeschätzt und den Böschungswinkel von ca. 80° bis 90° als ausreichend bewertet. Auch fehlen Nachweise über die tatsächliche Tiefe von 1,25 m.

Zum Spruchpunkt II. wurde vorgebracht, dass es den Verantwortlichen der x AG auf Grund der hohen Mitarbeiterzahl (4.000 Mitarbeiter) unmöglich sei, eine ständige Überwachung für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu gewährleisten. Die Mitarbeiter werden sowohl im Zuge ihrer Einstellung als auch im Laufe ihrer Beschäftigung regelmäßig geschult und auf die Wichtigkeit der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften hingewiesen. Dass die Mitarbeiter x und x im Zeitpunkt der Kontrolle keinen Helm trugen, sei keinesfalls dem Arbeitgeber zuzurechnen und lediglich auf ein subjektives Fehlverhalten der Arbeitnehmer zurückzuführen. Auch seien diese Mitarbeiter intern verwarnt worden. Helme seien auf der gegenständlichen Baustelle ausreichend vorhanden gewesen. Seit mehr als 17 Jahren sei es zu keinem Vorfall im Zusammenhang mit Bautätigkeiten unter der Leitung des Bw gekommen, was vor allem ein mehr als funktionierendes Kontrollsystem indiziere.

Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde darauf hingewiesen, dass bei der gegenständlichen Baustelle eine Anlegeleiter nicht zwingend notwendig gewesen sei, da die Abböschung im Winkel von ca. 45° als Einstiegs- und Ausstiegshilfe genutzt werden könne. Auch wäre eine Flucht im Gefahrenfall über die Abböschung sicher leichter und schneller möglich gewesen als mit Hilfe der Anlegeleiter.

Zu den in Spruchpunkt IV. vorgeworfenen technischen Mängeln wurde zwar angegeben, dass die vorgesehenen Verbaueinheiten, die noch außerhalb der Baustelle gelagert waren, zwar sicherheitstechnische Mängel aufwiesen, aber es auf Grund des Transportes und auf Grund der ständigen Bewegungen der Verbaueinheiten immer wieder zu Verlusten der Sicherheitssplinte kam. Die Arbeitnehmer werden jedoch in regelmäßigen Schulungen darauf hingewiesen, dass die Verbaueinheiten vor Einbau regelmäßig zu überprüfen sind. Ersatzsicherungssplinte seien an jeder Baustelle vor Ort vorhanden. Bei Überprüfung bzw. vor Einbau der Verbaueinheiten wären diese von den Arbeitnehmern eingefügt worden. Die Verbaueinheiten wurden daher nicht ohne Sicherheitssplinte für die Baustelle verwendet.

Ebenso wird hinsichtlich Spruchpunkt V. vorgebracht, dass an jeder Baustelle vor Ort Ersatzhakenmaulsicherungen zur Verfügung stehen würden. Auch seien zum Zeitpunkt der Kontrolle keinerlei Hebearbeiten durchgeführt worden.

Zur subjektiven Tatseite wurde darauf hingewiesen, dass der Bw Maßnahmen ergriffen hätte, die die Einhaltung der ihm erteilten Weisungen und Anordnungen hinsichtlich der Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleisten. Das Kontrollsystem funktioniere und es habe seit mehr als 17 Jahren keine derartigen Vorfälle gegeben. Es liege lediglich ein eigenmächtiges Verhalten der Arbeitnehmer zum Tatzeitpunkt vor, sodass von einem funktionierenden und wirksamen Kontrollsystem auszugehen sei.

Hinsichtlich der Strafhöhe sei die Unbescholtenheit des Bw strafmildernd zu werten. Die zu Spruchpunkt I. verhängte Geldstrafe sei zu hoch bemessen, dies insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Mindeststrafe. Im Hinblick auf die überwiegend vorliegenden Milderungsgründe und den zu vernachlässigenden Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der Übertretungen habe die Behörde ihren Ermessensspielraum maßgeblich überschritten. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafhöhe beantragt.

 

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die Anzeige und in die der Anzeige angeschlossenen Fotos, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.1.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und erschienen sind. Für das zuständige Arbeitsinspektorat Vöcklabruck hat das Arbeitsinspektorat Linz teilgenommen. Es wurden die Zeugen x, x, x, x und x geladen und mit Ausnahme von Herrn x und Herrn x einvernommen. Weiters wurde anlässlich der mündlichen Verhandlung ein weiteres zum Tatzeitpunkt aufgenommenes Foto vom Arbeitsinspektorat vorgelegt und zum Akt genommen. Der Bw hat eine Anwesenheitsliste der Polierschulung vom 12.2.2008 vorgelegt, aus welcher die Teilnahme von Herrn x und Herrn x hervorgeht.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist mit Urkunde vom 5. bzw. 6.5.2008 zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG der x AG, Niederlassung Oberösterreich, x, xstraße x, mit dem Dienstort in x, xstraße x, in räumlicher Hinsicht für den politischen Bezirk Gmunden und in sachlicher Hinsicht für die Einhaltung des ArbIG, aller Arbeitnehmerschutzvorschriften, aller sonstigen Verwaltungsvorschriften ausgenommen für den sachlichen Zuständigkeitsbereich: Isolier- und Abdichtungsarbeiten und Gussasphalt, bestellt und er hat dieser Bestellung zugestimmt. Der Bw ist stellvertretender Niederlassungsleiter für Oberösterreich und Gebietsbauleiter für die Stadt x und das Traunviertel sowie Abteilungsleiter für Qualitätsmanagement und Arbeitnehmerschutz. Es sind ihm acht Partien unterstellt. Ihm unterstellt ist der Bauleiter für Kanalbau, Herr x. Dieser ist vor Ort für die Baustelle in x verantwortlich. Dem Bw sind insgesamt drei Bauleiter unterstellt. Einmal im Jahr findet in der Firma eine Unterweisung statt, welche Herr x oder Herr x als Sicherheitsbeauftragter durchführt. Manchmal wird auch das Arbeitsinspektorat oder die AUVA beigezogen. Bei dieser jährlichen Schulung sind die Bauleiter, Poliere und die Polier-Stellvertreter anwesend. Die Unterweisung der Arbeitnehmer auf der Baustelle nimmt der Polier vor. Er unterweist und schult die Arbeitnehmer auf der Baustelle ein. Bei der Baustelle x war dies konkret Herr x. Zum Polier-Stellvertreter war Herr x bestellt. Der Bauleiter ist für die technische Überprüfung und auch für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen verantwortlich und er kontrolliert auch vor Ort die sicherheitstechnischen Maßnahmen. Daneben machen auch Herr x, der für die Kontrolle in Oberösterreich und Salzburg zuständig ist, und Herr x Kontrollen in sicherheitstechnischer Hinsicht auf der Baustelle. Kleinere Verstöße werden dem Bw nicht gemeldet sondern nur gravierende Mängel. Die Konsequenz ist eine Verwarnung des Arbeitnehmers. Für Kanalbaustellen ist der Bauleiter x verantwortlich und daher auch für die Baustelle in x. Der Bw kommt ca. einmal im Monat bei einer Baustelle vorbei und macht Kontrollen. An und für sich ist aber der Bauleiter vor Ort zuständig. Der Bw war daher auch am Tattag 9.11.2009 nicht auf der Baustelle. Die konkrete Baustelle bzw. die Künettenausführung kennt er nicht.

Der Bw ist sorgepflichtig für eine Gattin und ein Kind. Es liegt Unbescholtenheit vor.

Bei der Kontrolle am 9.11.2009 auf der Baustelle xstraße, x, wurde vom Arbeitsinspektor x festgestellt, dass die Arbeitnehmer x und x der x AG eine ca. 2,5 m tiefe ungesicherte Künette zu Versetz- und Einbauarbeiten von Kanalschächten betreten haben. Es herrschte weicher bindiger Boden, welcher teilweise mit Schotter durchsetzt war. Es handelte sich nicht um leichten oder schweren Fels. Die Böschungswinkel der Künette betrugen ca. 80° bis 90°. Verbaue waren nicht eingesetzt, eine Bodenverfestigung war nicht angewendet und es waren die beiden Seiten der Künette durch das Raupenfahrzeug des Baggers und aufgeschüttetes Material stark belastet. Die Arbeitnehmer waren durch abrutschendes oder herabfallendes Material gefährdet. Die Talsohle war relativ breit. Die beiden Arbeitnehmer trugen keinen Helm. Im Bereich der Künette, in dem die Einbauarbeiten durchgeführt wurden, waren keinerlei Verbauelemente vorhanden. Auf den fehlenden Künettenverbau angesprochen gab dann der Polier auch bekannt, dass der Verbau durchgeführt wird. Eine im zeitlichen Abstand wieder durchgeführte Kontrolle auf der Baustelle ergab dann, dass keine Mängel mehr festgestellt wurden.

Ein Ausstieg aus der Künette konnte auch über die vorhandene 45° geneigte Böschung an der Breitseite vorgenommen werden. Eine Anlegeleiter war daher nicht erforderlich. Die vorgefundenen Verbaueinheiten mit sicherheitstechnischen Mängeln (fehlende Sicherheitssplinte an den Steckbolzen) und ein viersträngiges Kettengehänge mit fehlender Hakenmaulsicherung wurden konkret nicht verwendet. Die Hakenmaulsicherung sowie auch die Verbaueinheiten sollten vor einem konkreten Einbau bzw. einer konkreten Verwendung von den Arbeitnehmern kontrolliert werden und entsprechend die Mängel verbessert werden. Ersatzteile sind entsprechend auf der Baustelle vorhanden.

Herr x ist zuständiger Polier der Baustelle in x und er ist schon 17 oder 18 Jahre bei der Firma als Polier beschäftigt. Dies immer im Kanalbau und er hat daher viel Praxis. Er bekommt jedes Jahr eine Schulung im Betrieb, konkret war eine solche am 12.2.2008. Bei dieser werden auch sicherheitstechnische Maßnahmen wie Verbauten, Böschungen usw. besprochen. Vor Beginn der Baustelle wird diese mit dem Bauleiter abgefahren und besprochen, das heißt es wird die Abwicklung der konkreten Baustelle besprochen. Die Baustelle x wurde mit dem Bauleiter x abgefahren. Dann wissen die Arbeitnehmer ohnehin was zu tun ist. Die sicherheitstechnischen Maßnahmen auf der Baustelle, also ob verbaut oder geböscht wird, bestimmt der Polier. Verbauelemente waren auch greifbar auf der Baustelle vorhanden. Der Polier hat die Baustelle am 9.11.2009 am Morgen gesehen. Er war dann kurzzeitig, ca. eine Viertelstunde von der Baustelle weg. Er bestätigt, dass bei einer Künettentiefe von ca. 2,5 m ein Verbau notwendig ist. Er gibt auch an, dass die Situation etwas unterschätzt wurde, weil auch die Künettensohle sehr breit war. Konkret zu der Situation war an diesem Tag ein Anschluss zu suchen, wobei die Arbeitnehmer nicht genau wussten, wo dieser war. Deshalb war auch der Verbau nicht montiert. Dies hat der Polier auch mit seinem Sohn, der als sein Stellvertreter bestellt war, besprochen. Es war beabsichtigt, zuerst den Anschluss zu suchen und dann den Verbau zu errichten. Warum keine Helme von den Arbeitnehmern in der Künette getragen wurden, konnte der Polier nicht angeben. Grundsätzlich kontrolliert der Polier ob Helme getragen werden und auch ob die anderen Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Gelegentlich bzw. stichprobenartig kommen Herr x und Herr x auf die Baustellen und schauen sie sich diese in sicherheitstechnischer Hinsicht an. Herr x kontrolliert ebenfalls die Baustellen und er kommt fast täglich auf die Baustelle. Bei Mängel sagt er diese direkt dem Polier, nur wenn dieser nicht anwesend ist, kontaktiert er die Arbeitnehmer selbst. Der Bauleiter x, war zuletzt am 8.11.2009 auf der Baustelle. Er kommt nach seinen Angaben zwei- oder dreimal in der Woche auf die Baustelle. Der Polier wird auch auf der konkreten Baustelle noch einmal vom Bauleiter angewiesen, dass er die Arbeitnehmer unterweisen müsse. Ein Künettenverbau oder sonstige Arbeitsmittel werden mit dem Polier abgesprochen und in Grundausstattung vom Bauleiter zur Verfügung gestellt. Weitere erforderliche Mittel sind vom Polier beim Bauleiter anzufordern und hat dieser diese zu besorgen. Ob die Verbauelemente dann auch eingebaut werden, wo konkret sie erforderlich sind usw. ordnet der Polier an. Bei den Kontrollen des Bauleiters auf der Baustelle wird auch bei eventuell festgestellten Mängeln deren Behebung angeordnet. Zur Baustelle wird noch festgestellt, dass diese von der Traun weg Richtung Bahnhof geführt wurde, wobei es ein Gefälle gab und die Künette je nach Stelle verschieden tief war. Bei der Besichtigung des Bauleiters am 8.11.2009 wurde an einer anderen Stelle gearbeitet als am nächsten Tag. Bei festgestellten Mängeln werden die Arbeitnehmer ermahnt. Kleinere Mängel werden an den Bw nicht gemeldet, wohl aber größere Unzulänglichkeiten, die immer wieder bei einem Arbeitnehmer vorkommen. Die Verbauelemente bzw. Betriebsmittel werden nicht zusammengesetzt sondern in Teilen im Bauhof aufbewahrt und auch in Teilen zur Baustelle geliefert und dann dort nach Bedarf zusammengesetzt. Die Elemente liegen auch auf der Baustelle. Wenn sie zum Einsatz kommen, werden sie dann auf der Baustelle konkret überprüft.

Hinsichtlich der Baustelle wurde ein Trennsystem verlegt, nämlich gesonderte Stränge für Schmutz- und Regenwasser, wobei diese Stränge auch auf verschiedenem Niveau ausgeführt werden können. Im Gegensatz zur Verlegung der Rohre, die sich eher gleichläufig darstellt, können sich bei der Ausführung der Künette für den Schachtbau Schwierigkeiten ergeben, wie z.B. dass im Schachtbereich auch andere Anschlüsse zu berücksichtigen sind. Der spezielle Abschnitt der Baustelle dauerte ca. drei Wochen. Am Vortag wurden ca. 30 m entfernt Schächte gesetzt. Dazwischen wurden bis zum Standort am Tatzeitpunkt keine Schächte versetzt und war daher auch die Künette am Vortag noch nicht offen. Innerhalb dieses Tages wurden daher 30 m Künette ausgehoben, Verlegearbeiten von Kanalrohren durchgeführt und das alte System abgetragen. Für den 9.11.2009 war vom Bauleiter eine Baustellenbesichtigung nicht geplant, erst wieder für den darauffolgenden Tag. Die Sicherheitsbelehrung war für den Gesamtbereich der Großbaustelle erfolgt. Für diesen speziellen Abschnitt der Baustelle, welche insgesamt ca. drei Wochen dauerte, gab es keine spezielle Unterweisung mehr. Der Bauleiter ist 19 Jahre bei der x AG, davon 15 Jahre als Bauleiter für Kanalbauten und er arbeitete in diesen 15 Jahren mit dem Polier x zusammen. Es handelt sich daher auch um einen sehr erfahrenen Polier, der auch kompliziertere Tätigkeiten im Kanalbau ausführen kann.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussagen der Parteien und der einvernommenen Zeugen. Die Zeugen widersprachen sich im Wesentlichen nicht und erschienen sie glaubwürdig. Es bestand kein Zweifel ihre Aussagen der Entscheidung zugrunde zu legen. Auch waren die der Anzeige angeschlossenen Fotos, insbesondere Foto 5 bis 9 Beweis für die Feststellungen. Dies wurde auch durch das in der Verhandlung beigebrachte Foto des Arbeitsinspektorates noch verdeutlicht. Insbesondere geht daraus eindeutig die Arbeitssituation der beiden Arbeitnehmer sowie die Ausformung der Künette zweifelsfrei hervor. Auch zeigen die Fotos – wie das Arbeitsinspektorat hinwies – deutlich an, dass es sich um schottrigen lehmig bindigen Boden handelte und dass auch frühere Einbauten vorhanden waren und noch weitere Kanalringelemente verarbeitete werden sollen.

 

4.3. Im Grunde des in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisverfahrens wurde daher sowohl von der belangten Behörde als auch vom Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates die Bestätigung des Straferkenntnisse zu Punkt I. und II. beantragt. Hinsichtlich der Punkte III. bis V. des Straferkenntnisses wurde aber den Ausführungen des Bw zugestimmt, insbesondere da die Bauelemente noch nicht verwendet wurden und auch eine Erforderlichkeit der Anlegeleiter nicht gesehen wurde. Vom Vertreter des Arbeitsinspektorates wurde auch noch zur Strafhöhe für das Delikt I. auf die Unbescholtenheit und die Sorgepflichten des Bw hingewiesen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe  von 290 Euro bis 14.530 Euro, zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 48 Abs.7 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, dürfen Baugruben, Gräben oder Künetten nur betreten werden, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs.2 durchgeführt sind.

 

Gemäß § 48 Abs.2 BauV ist beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können:

1.     die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 50 abzuböschen,

2.     die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend §§ 51 und 52 zu verbauen oder

3.     es sind geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung (§ 53) anzuwenden.

 

Gemäß § 50 Abs.1 BauV ist bei Baugruben, Gräben oder Künetten die Böschungsneigung nach den bodenmechanischen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Einflüsse, die auf die Böschung wirken, festzulegen. Der Böschungswinkel darf im Regelfall

1.  bei nicht bindigen oder weichen bindigen Böden, wie Mutterböden, Sande oder Kiese, höchstens 45°,

2.  bei steifen oder halbfesten bindigen Böden, wie Lehm, Mergl, fester Ton, höchstens 60°,

3.  bei leichtem Fels höchstens 80°,

4.  bei schwerem Fels höchstens 90° betragen.

 

Wie auf Grund des Beweisverfahrens zweifelsfrei festgestellt wurde, wurde die mindestens 2 m tiefe Künette von den beiden Arbeitnehmern x und x betreten und es wurden in dieser Künette Versetz- und Einbauarbeiten von Kanalschächten durchgeführt, ohne dass Absicherungsmaßnahmen nach § 48 Abs.2 BauV, nämlich Abböschung, Verbauung oder Bodenverfestigung durchgeführt wurden. Die vorhandene Böschung von 80° bis 90° war hingegen im Grunde des § 50 Abs.1 BauV unzulässig, da lehmig bindiger bzw. schottriger Boden vorhanden war und die Böschung höchstens 45° betragen durfte. Die Anordnungen nach BauV sind unabhängig von der Breite der Künettensohle. Es ist daher der Tatbestand zum Spruchpunkt I. hinsichtlich beider Arbeitnehmer erfüllt. Nach den glaubwürdigen Zeugenaussagen wurden die Bodenverhältnisse auch so bestätigt und auch vom zuständigen Bauleiter angegeben, dass bei der am Beweisfoto gezeigten Situation ein Verbau notwendig gewesen wäre. Auch der Polier hatte grundsätzlich Kenntnis, er schätzte aber die Gefahr auf Grund der breiten Künettensohle nicht so groß ein. Es ist daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretungen hinsichtlich beider Arbeitnehmer erfüllt Da Leben und Gesundheit beider Arbeitnehmer durch das Betreten ohne Sicherungsmaßnahmen gefährdet ist, handelt es sich um zwei gesonderte Delikte (§ 22 VStG).

 

5.2. Gemäß § 22 Abs.1 BauV müssen, wenn der Schutz der Arbeitnehmer während der Arbeit nicht durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen, Methoden oder Verfahren erreicht wird, persönliche Schutzausrüstungen kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung ist zu überwachen.

 

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens ist erwiesen, dass die Arbeitnehmer in der Künette Schachtverlegungsarbeiten durchgeführt haben und keinen Helm getragen haben. Da in der Künette auch keine technischen oder organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer getroffen wurden, war aber eine persönliche Schutzausrüstung zu verwenden. Die Verwendung wurde nicht ausreichend überwacht, zumal der unmittelbar vorgesetzte Polier zum Kontrollzeitpunkt nicht an der konkreten Arbeitsstelle der Arbeitnehmer war und diese nicht auf das Tragen des Helmes aufmerksam machte. Auch war der zuständige Bauleiter am Tattag nicht auf der Baustelle. Auch eine sonstige Kontrolle durch eine Sicherheitsfachkraft oder durch den Bw fand am Tattag nicht statt. Es wurde daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß Spruchpunkt II. erfüllt.

 

5.3. Der Bw hat die Übertretungen nach Spruchpunkt I. und II. aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Es reicht nicht aus, dass jährlich eine Schulung der Bauleiter, Poliere und Polier-Stellvertreter stattfindet. Auch ist nicht ausreichend, dass zwar gänzlich zu Beginn des Großprojektes die Baustelle besprochen wird und Anweisungen an den Polier gegeben werden, hinsichtlich konkreter Bauabschnitte aber dann keine besonderen Anweisungen hinsichtlich Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Auch reicht es nach der zitierten Judikatur nicht aus, dass auf der Baustelle Bauleiter bzw. Poliere mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind. Vielmehr wäre es auch erforderlich gewesen, dass die Baustelle auch bauabschnittsweise vom Bauleiter kontrolliert wird und entsprechend konkrete Anweisungen getroffen werden und auch deren Einhaltung kontrolliert wird. Das Beweisverfahren hat aber gezeigt, dass für den konkreten Bauabschnitt eine Besprechung und Unterweisung hinsichtlich der sicherheitstechnischen Maßnahmen nicht durchgeführt wurde und dass auch am konkreten Tattag die Umsetzung, nämlich die Verwendung der Sicherheitseinrichtungen nicht ausreichend kontrolliert wurde. Dagegen sind stichprobenartige Überprüfungen durch Kontrolleure und Sicherheitsfachkräfte sowie auch durch den Bauleiter nicht ausreichend für das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Auch das Vorbringen, dass die Arbeitnehmer eigenständig und ohne Wissen des Bw sowie entgegen den Anordnungen gehandelt haben, kann den Bw nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht entlasten. Dieser hat vielmehr darauf hingewiesen, dass ein lückenloses Kontrollsystem auch insbesondere für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Dies war sowohl hinsichtlich des Künettenverbaues sowie betreffend den Polier hinsichtlich der Verwendung der Schutzhelme durch die Arbeitnehmer gegeben. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und es soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen (VwGH vom 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317). Auch zum Vorbringen des Bw, dass der Polier ausreichend geschult ist, langjährige Praxis aufweise und wisse war zu tun ist, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es sich bei Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften um ein bloßes Ungehorsamsdelikt handle und es schon deshalb kein Vertrauen darauf geben kann, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (VwGH vom 5.8.2008, Zl. 2008/02/0127-9). Vielmehr ist es dem Bw nicht gelungen, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die Arbeitnehmerschutzvorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Das Verhandlungsergebnis zeigt hingegen, dass konkrete Maßnahmen vom Bw an den Bauleiter sowie vom Bauleiter an den Polier konkret für die an Ort und Stelle durchzuführende Schachteinbaumaßnahme nicht angeordnet und daher auch nicht die Sicherstellung dieser Maßnahme gewährleistet wurde. Es war daher im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom Verschulden des Bw, nämlich zumindest von fahrlässiger Tatbegehung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. auszugehen.

 

5.4. Zu den Spruchpunkten III. bis V.:

 

Auf Grund der Beweisfotos ist ersichtlich, dass der konkrete Arbeitsplatz der Arbeitnehmer in der Künette zum Schachteinbau auf Grund einer Böschung an der Breitseite mit ca. 45° nicht schwer zugänglich ist und der Zugang sowie auch die Flucht bei Gefahr über diese Böschung möglich ist und den Zugang besser ermöglicht als eine Anlegeleiter. Es ist daher der Tatbestand gemäß § 6 Abs.7 BauV nicht erfüllt. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung auch vom zuständigen Arbeitsinspektorat bestätigt. Es war daher der diesbezügliche Tatvorwurf aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

Gemäß § 150 BauV sind unter anderem Betriebsmittel sowie die Schutzausrüstung und sonstige Einrichtungen oder Gegenstände für den Schutz der Arbeitnehmer in gutem und sicherem Zustand zu erhalten.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO, BGBl. II Nr. 164/2000 idF BGBl. II Nr. 309/2004, dürfen ArbeitgeberInnen nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die hinsichtlich Konstruktion, Bau und weiterer Schutzmaßnahmen den für sie geltenden Vorschriften über Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen.

 

Gemäß § 18 Abs.8 AM-VO dürfen, wenn die Gefahr des unbeabsichtigten Lösens der Last oder des Hängenbleibens des Lasthakens besteht, nur Lasthaken verwendet werden, die entweder als Sicherheitshaken ausgebildet sind oder eine solche Form haben, dass ein unbeabsichtigtes Lösen der Last nicht erfolgen kann.

 

Die Äußerungen des Bw sowie auch des zuständigen Bauleiters, der als Zeuge einvernommen wurde, sowie die Beweismittel selbst ergaben, dass die beanstandeten Verbaueinheiten sowie das Kettengehänge und das Hebeband zum Tatzeitpunkt nicht verwendet wurden. Vielmehr werden die Betriebs- bzw. Arbeitsmittel vom Arbeitgeber in Elementen zur Verfügung gestellt und müssen diese Elemente vor Inverwendungnahme durch die Arbeitnehmer auf Mängel kontrolliert werden und diese Mängel zunächst behoben werden, bevor sie tatsächlich benutzt werden. Es ist daher der vorgeworfene Tatbestand der Verwendung der sicherheitstechnisch mangelhaften Betriebs- bzw. Arbeitsmittel nicht gegeben. Es war daher das Straferkenntnis zum Tatvorwurf IV. und V. aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

5.5. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde legte im Straferkenntnis die geschätzten Einkommensverhältnisse von monatlich netto 2.000 Euro sowie keine Sorgepflichten zugrunde. Sie hat die Unbescholtenheit des Bw berücksichtigt.

Anlässlich der mündlichen Verhandlung führt der Bw die Sorgepflicht für eine Gattin und ein Kind an. Dies war entsprechend bei der Strafbemessung zu berücksichtigten. Im Übrigen konnte dem Bw auch zugute gehalten werden, dass er langjährig in seinem Betrieb tätig ist und es noch zu keinen Vorkommnissen bzw. Bestrafungen gekommen ist. Er ist daher bemüht, die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Arbeitnehmerschutz einzuhalten. Darüber hinaus war aber in die Bewertung aufzunehmen, dass insbesondere durch die Tiefe der Künette und die Beschaffenheit des Bodens, nämlich teilweise schottriger, teilweise bindiger Boden, im Hinblick auf die nahezu senkrechte Böschung ein erhöhtes Ausmaß an Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer darstellt. Es wurde daher der Schutzzweck der Bestimmung in erheblichem Maße verletzt. Andererseits war aber zu berücksichtigen, dass nachteilige Folgen nicht eingetreten sind. Im Grunde dieser Erwägungen konnte daher hinsichtlich Spruchpunkt I. mit einer Herabsetzung der Strafe auf jeweils 500 Euro pro Arbeitnehmer vorgegangen werden. Diese war aber im Hinblick auf den erhöhten Unrechtsgehalt der Tat erforderlich. Weiters ist sie auch erforderlich, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Eine weitere Herabsetzung der Geldstrafe war daher nicht gerechtfertigt. Es kann allerdings mit der nunmehrig festgesetzten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden. Entsprechend war daher auch gemäß § 16 VStG die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen.

Außer der Unbescholtenheit wurden vom Bw keine weiteren  Milderungsgründe geltend gemacht und kamen auch keine weiteren Milderungsgründe im Verfahren hervor. Es ist daher nicht von einem erheblichen Überwiegen der Milderungsgründe auszugehen, sodass § 20 VStG (außerordentliche Milderung) nicht in Betracht kommt. Auch ist das Verschulden des Bw nicht geringfügig, weil das tatbildmäßige Verhalten nicht weiter hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher auch nicht mit einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II. ist jedoch festzuhalten, dass die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe bei erstmaliger Tatbegehung 145 Euro beträgt. Die belangte Behörde hat lediglich 50 Euro pro Arbeitnehmer festgesetzt. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Mindeststrafe. Wie bereits ausgeführt, liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung, nämlich für eine Herabsetzung bis zu Hälfte der Mindeststrafe vor. Weil im Strafverfahren der Grundsatz des Verschlechterungsverbotes herrscht, musste die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe bestätigt werden. Eine Herabsetzung bzw. ein Absehen ist im Grunde der gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich.

 

6. Im Grunde dieses Verfahrensergebnisses war daher hinsichtlich der Aufhebungen zu  Spruchpunkt III. bis V. ein Kostenbeitrag nicht vorzuschreiben (§ 66 Abs.1 VStG). Hinsichtlich der aufrechten Verwaltungsübertretungen zu Spruchpunkt I. und II. ermäßigt sich im Grunde der Herabsetzung der Geldstrafe zu Faktum I. der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz auf insgesamt 110 Euro, das sind 10 % der verhängten Geldstrafen. Weil zum Spruchpunkt I. die Berufung zumindest teilweise Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat  gemäß § 65 Abs.1 VStG nicht aufzuerlegen. Hinsichtlich der Bestätigung zu Spruchpunkt II. ist jedoch im Grunde des § 64 VStG ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 20 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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