Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301008/2/Gf/Mu

Linz, 10.03.2011

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 15. Februar 2011, Zl. Pol96-80/14-2010, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes und des Sicherheitspolizei­gesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit eingestellt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das bekämpfte Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 7,20 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Berufungswerber keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 15. Februar 2011, Zl. Pol96-80/14-2010, wurden über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 24 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: jeweils 7,20 Euro) verhängt, weil er am 11. Juni 2010 im Ortszentrum von x im Bereich eines Spielplatzes einerseits zu einem Baum uriniert und andererseits in alkoholisiertem Zustand herumgeschrien und wild gestikuliert habe. Dadurch habe er einerseits eine Übertretung des § 1 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 77/2007 (im Folgenden: OöPolStG), und andererseits eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 133/2009 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG sowie nach § 81 Abs. 1 SPG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der dem Rechtsmittelwerber angelastete Sachverhalt auf Grund entsprechender Wahrnehmungen der einschreitenden Sicherheitsorgane als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei der Umstand, dass die Tat auf einem Spielplatz in Anwesenheit von mehreren Personen, darunter auch viele Kinder und Jugendliche, begangen worden sei, als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 17. Februar 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, noch vor dem 1. März 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass nicht er als Täter anzusehen – weil der Spielplatz nicht als solcher gekennzeichnet gewesen – sei, sondern vielmehr jene Jugendlichen, die ihn beim Urinieren fotografiert und ihm "Kinderbe­lästigung" unterstellt hätten.

 

Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zu Zl. Pol96-80/16-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 OöPolStG begeht – außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung –
derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür nach § 10 Abs. 1 lit. a
OöPolStG mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, der
den öffentlichen Anstand verletzt. Unter einer Anstandsverletzung ist gemäß § 1 Abs. 2 OöPolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Nach § 81 Abs. 1 SPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der die öffentliche Ordnung durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten ungerechtfertigt stört.

 

3.2. Damit erhebt sich vorweg die Frage, ob die belangte Behörde im gegenständlichen Fall dazu berechtigt war, unter Berufung auf das Kumulationsprinzip des § 22 Abs. 1 VStG zwei Strafen zu verhängen. 

 

3.2.1. Im sog. "Zolotukhin"-Urteil[1] hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) seine bisher bereits mehrfach modifizierte Judikatur zu dem in Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK normierten Doppelbestrafungs- bzw. -verfolgungsverbot authentisch "harmonisiert" bzw. wie er dies selbst ausdrückt: "The Court is now called upon to provide a harmonised interpretation of the notion of the 'same offence' – the idem element of the non bis in idem principle – for the purposes of Article 4 of Protocol No. 7"[2]. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dieses Verbot in mehreren Internationalen Dokumenten jeweils im Wege unterschiedlicher Begriffe ausgedrückt wird[3] und dass gerade darauf gestützt sowohl der Europäische Gerichtshof der EU (EuGH) als auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte davon ausgegangen sind, dass diese Differenzierungen ein entscheidendes Argument für die Bevorzugung eines solchen Ansatzes bilden, der strikt auf die Identität des materiellen Geschehens abstellt und dem gegenüber die (formelle) rechtliche Qualifikation als irrelevant ansieht – was im Ergebnis einen Täter insoweit begünstigt, als dieser nach einer Verurteilung bzw. einem Freispruch nicht mehr befürchten muss, wegen derselben Tat noch einmal verfolgt zu werden –, geht nunmehr auch der EGMR im Interesse einer weitest möglichen Grundrechtseffektivität davon aus, dass Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK so verstanden werden muss, dass eine Verfolgung oder ein Strafverfahren wegen einer zweiten "strafbaren Handlung" insoweit ausgeschlossen ist, als sich diese auf "denselben Sachverhalt" ("identical facts") oder auf einen "substantiell gleichen Sachverhalt" ("facts which are substantially the same") gründet[4].

 

Die bisherige Rechtsprechung des EGMR, die ursprünglich auf "dasselbe Verhalten" bzw. – mehr subjektiv orientiert – auf einen "einheitlichen Beweggrund" ("same conduct" – Fall Gradinger[5]), dann auf  einen Einzelakt, der mehrere ideal konkurrierende Tatbestände erfüllt (Fall Oliveira[6]) und schließlich auf einen Einzelakt, der mehrere sich allenfalls essentiell überschneidende Tatbestände verwirklicht ("essential elements" – Fall "Fischer"[7]), abstellte, gilt also nunmehr als dahin modifiziert bzw. konkretisiert, dass es für das Hindernis des Doppelverfolgungs- bzw. –bestrafungsverbotes ausschließlich auf einen "(völlig oder zumindest substantiell) identischen Sachverhalt[8]" ("identical or substantially the same facts") ankommt.

 

Davon ausgehend hat der EGMR im Fall "Zolotukhin" nicht etwa deshalb eine Verletzung des Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK festgestellt, weil der Beschwerdeführer gesondert wegen nahezu identischer Delikte ("Minderschwere Ordnungsstörung" – "gravierende Ordnungsstörung") verurteilt wurde, sondern ausschließlich deshalb, weil im nachfolgenden Verfahren jene zentralen Sachverhaltsaspekte, die bereits die Grundlage für die Erstverurteilung bildeten (konkret: Beschimpfung von zwei Beamten kurz nach der Ankunft auf einer Polizeistation), auch der neuerlichen Verurteilung zu Grunde gelegt wurden: Denn beide Sachverhalte unterschieden sich nur in Bezug auf ein zusätzliches Element (konkret: Gewaltausübung), das nicht auch schon Gegenstand des ersten Verfahrens war, sodass der nachfolgende Prozess jedenfalls sämtliche faktischen Aspekte des ersten (mit‑)umfasste, weshalb aus dem Blickwinkel des Art. 4 des 7.ZPMRK beide strafbaren Handlungen ("offences") als substantiell gleich ("substantially the same") zu qualifizieren[9] waren[10].    

 

3.2.2. Mit Erkenntnis vom 16.12.2010, B 343/10, hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde, mit der der Rechtsmittelwerber deshalb eine Verletzung des Verbotes des Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK behauptete, weil er in ein und derselben Sache (gerichtlich) wegen des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit (§ 153e StGB) und (verwaltungsbehördlich) wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) bestraft wurde, abgewiesen.

 

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften führt der VfGH zu Beginn seiner Begründung dazu u.a. wörtlich aus[11]:

 

"Grundsätzlich ist die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen zulässig, sofern diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. VfSlg 18833/2009 mwN unter Berücksichtigung des jüngsten Urteils des EGMR zu Art 4 Abs 1 7.ZPMRK vom 10.2.2009 [GK], Fall Zolothukin[12], Appl 14939/03). Dadurch wird die frühere Rechtsprechung, wonach es darauf ankommt, ob der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass kein weiteres Strafbedürfnis gegeben ist (zB VfSlg 14696/1996, 15821/2000), fortgeführt."

 

In der Folge wird dem "essential-elements"-Ansatz[13] entsprechend dargelegt, dass § 153e StGB nach den Gesetzesmaterialien dem Entgang von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen entgegenwirken und den Schutz redlicher Arbeitgeber vor Konkurrenzdruck und einem unfairen Wettbewerb gewährleisten soll; § 28 AuslBG dient dagegen darüber hinaus auch den arbeitsmarktbezogenen Schutzinteressen in- und ausländischer Arbeitnehmer. Dass auf der Basis eines derartigen Ansatzes und von den jeweils unterschiedlichen Regelungszwecken im Ergebnis keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes resultiert, ist an sich konsequent; irritierend ist allerdings der explizite Hinweis auf das "Zolotukhin"-Urteil des EGMR, der in Verbindung mit der Aussage: "Dadurch wird die frühere Rechtsprechung, wonach es darauf ankommt, ob der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass kein weiteres Strafbedürfnis gegeben ist, fortgeführt" nach dem oben unter 3.3.1. Dargestellten keine Klarstellung bringt, sondern vielmehr die Frage danach aufwirft, wie sich diese Sentenz möglichst widerspruchsfrei in das Gesamtsystem einordnen lassen könnte.

 

Es ist offensichtlich, dass die vorzitierte Begründungspassage ohne den darin enthaltenen Klammerausdruck in sich schlüssig ist – denn sie fußt in vollem Umfang auf dem bis zum "Zolotukhin"-Urteil maßgeblichen "essential-elements"-Ansatz. Da aber eben auf Grund des expliziten dementsprechenden Hinweises ebenso auszuschließen ist, dass dem VfGH die in Rede stehende Entscheidung nicht bekannt war wie auf der anderen Seite, dass er deren Tenor inhaltlich missverstanden haben könnte, kann die Lösung – weil zudem auch nicht erkennbar ist, dass sich der VfGH bewusst in einen Widerspruch zum EGMR setzen wollte – wohl nur darin liegen, dass er – was gelegentlich übersehen wird – seinem Erkenntnis jene Rechtslage zu Grunde zu legen hat, die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich war[14]. Da sich aber der bekämpfte Bescheid auf Bestrafungen wegen eines Sachverhaltes bezieht, der sich bereits lange vor dem "Zolotukhin"-Urteil ereignet hat (März 2005 bis März 2006), erscheint es sohin im Ergebnis als nachvollziehbar[15], dass für diesen Fall (noch) der "essential-elements"-Ansatz herangezogen wurde.

 

3.2.3. Entscheidend ist aber aus heutiger Sicht die Frage, wie ein Sachverhalt wie jener, der der vorgenannten VfGH-Entscheidung vom 16.12.2010, B 343/10, zu Grunde lag, zu beurteilen ist, wenn man an diesen ungeachtet verfahrensrechtlicher Besonderheiten jene Kriterien anlegt, die der EGMR für die Auslegung des in Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK normierten Doppelbestrafungsverbotes als nunmehr pro futuro maßgeblich festgestellt hat. Denn danach kommt es jetzt auf die rechtliche Qualifikation, auf den Schutzzweck der Normen o.Ä. nicht mehr an, sondern nur mehr darauf, ob den beiden Verfahren ein "identischer" oder zumindest "substantiell identischer" Sachverhalt zu Grunde liegt (sodass – und insofern müsste die unter 3.2.2. zitierte Passage des VfGH-Erkenntnisses nunmehr in ihr Gegenteil verkehrt werden – die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen grundsätzlich auch dann nicht zulässig ist, wenn diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden).

 

Als dementsprechende "facts" wurden damals, soweit dies der in Rede stehenden VfGH-Entscheidung entnommen werden kann, einerseits – in Bezug auf die gerichtliche Verurteilung wegen § 153e StGB – festgestellt, dass der Beschwerdeführer von März 2005 bis Jänner 2006 acht ausländische Forstarbeiter unter Vertrag genommen hat, ohne diese zuvor zur Sozialversicherung anzumelden. Andererseits wurde – in Bezug auf die behördlichen Bestrafungen wegen § 28 AuslBG – davon ausgegangen, dass der Rechtsmittelwerber zum einen von Mai 2004 bis April 2005 insgesamt 17 ausländische Staatsangehörige und zum anderen von November 2005 bis Jänner 2006 vier ausländische Staatsangehörige ohne eine dafür erforderliche behördliche Bewilligung beschäftigt hat.

 

Soweit sich danach die Tatzeiträume nicht überschneiden (Mai 2004 bis Februar 2005), begegnet die jeweils gesonderte Bestrafung auch aus der Sicht des "Zolotukhin"-Urteils schon von vornherein keine Bedenken. Anderes gilt jedoch dann, wenn und soweit es sich um personell identische Arbeitnehmer handelte, offenbar für die (nicht weiter exakt eingrenzbaren) Zeiträume "März und April 2005" einerseits sowie "November 2005 bis Jänner 2006" andererseits: Denn insoweit könnte aus der nunmehrigen ex-post-Betrachtung eine unzulässige Doppelbestrafung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK vorliegen. Dies jedoch nur dann, wenn das spätere Verfahren erst zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, zu dem das frühere Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen war, wobei der EGMR bezüglich dieser Frage der res iudicata einen streng formalen Standpunkt einnimmt: Als rechtskräftig ist eine Entscheidung ab dem Zeitpunkt anzusehen, ab dem gegen diese kein ordentliches Rechtsmittel mehr eingebracht werden kann[16].

 

Wann hier die Erkenntnisse des UVS Salzburg vom 23.3.2007 bzw. vom 26.1.2009 jeweils rechtskräftig wurden, lässt sich der in Rede stehenden VfGH-Entscheidung nicht entnehmen; es kann aber zumindest vermutet werden, dass jenes Strafverfahren, dass zum Urteil des LG Leoben vom 20.10.2009 bzw. zum Berufungsurteil des OLG Graz vom 4.8.2010 führte, erst zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, als beide UVS-Entscheidungen dem Beschwerdeführer bereits zugestellt und damit unter einem rechtskräftig[17] i.S.d. Zolotukhin-Urteils waren. Somit wäre durch das nachfolgende gerichtliche Strafverfahren – unter der Voraussetzung der Identität der ausländischen Arbeitnehmer – aber im Ergebnis eine verbotene Doppelbestrafung für die Zeiträume "März und April 2005" sowie "November 2005 bis Jänner 2006" vorgenommen worden, deren Qualifikation als Grundrechtsverletzung auch durch die noch im VfGH-Erkenntnis angeführte, auf dem essential-elements-Ansatz basierende Rechtfertigung, "dass es sich nicht um ein und dieselbe konkrete Tat, die sowohl nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG als auch nach § 153 Abs. 1 Z. 1 StGB strafbar wäre, handelte, sondern der Verstoß gegen das AuslBG durch Unterlassen der Einholung der Beschäftigungsbewilligung erfolgte, während das Delikt durch Einstellung der Arbeitskräfte ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung bzw. ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung begangen wurde"[18], nicht obsolet würde: Denn aus sachverhaltsmäßiger Sicht handelt es sich hier offensichtlich gleichsam um zwei Seiten derselben Medaille bzw. um die rechtlich unterschiedliche Bewertung ein und derselben Fakten, ging es doch jeweils um die ordnungswidrige, d.h. sowohl aus der Sicht des AuslBG als auch aus dem Blickwinkel des ASVG bewilligungslose Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im selben Zeitraum. Da bei Unterlassungsdelikten der "substantielle Sachverhalt" konsequenterweise in der Nichtvornahme des gebotenen pflichtgemäßen Handelns in Bezug auf eine bestimmte Person sowie in Bezug auf einen bestimmten Zeitpunkt bzw. Zeitraum besteht, kann also – verkürzt – die Nichteinholung von zwei gebotenen Bewilligungen künftig nicht mehr gesondert unter Berufung darauf, dass insoweit ein unterschiedlicher Sachverhalt vorliegt, als im einen Fall die erste und im anderen Fall die zweite Bewilligung nicht eingeholt wurde, verfolgt werden. Denn vor der Hintergrund der nunmehrigen, rein objektiv-sachverhaltsbezogenen und dem Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes verpflichteten Sichtweise des EGMR handelt es sich eben um "substantially the same facts". 

 

3.2.4. Mit Blick auf die österreichischen Spezifika einer weit reichenden, durch gesetzliche Subsidiaritätsklauseln gekennzeichneten Parallelität zwischen gerichtlichen und behördlichen Strafverfahren einerseits und darauf, dass das Verwaltungsstrafverfahren "systemintern" zudem noch durch das Kumulationsprinzip geprägt ist[19], hat das "Zolotukhin"-Urteil des EGMR aber pro futuro offenbar gravierende Konsequenzen. Wenn es danach nämlich auf die divergierenden Strafzwecke und Strafhöhen, die unterschiedlichen Tatbestandskonfigurationen, Absorptions- und Kumulationsprinzip o.Ä. nicht mehr, sondern nur mehr auf objektive und formale Kriterien, nämlich darauf ankommt, ob in Bezug auf einen "identischen" bzw. "substantiell identischen" Sachverhalt bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, dann ist in der Praxis beispielweise eine gesonderte Verfolgung wegen einer Übertretung des § 153e StGB, des § 28 AuslBG und des § 111 ASVG nur mehr dann und so lange zulässig, als diese bereits jeweils zu einem Zeitpunkt eingesetzt hat, als das Verfahren wegen eines der anderen Delikte noch nicht abgeschlossen war. Eine gerichtliche Verfolgung wegen § 153e StGB ist sonach etwa dann gehindert, wenn der Beschuldigte eine behördliche Bestrafung wegen § 28 AuslBG akzeptiert, d.h. zB schon im erstinstanzlichen Verfahren auf Rechtsmittel dagegen verzichtet hat, es sei denn, dass zuvor auch bereits ein Verfahren wegen des Gerichtsdeliktes eingeleitet war (und umgekehrt). Auch eine Bestrafung nach § 28 AuslBG und eine solche nach § 111 ASVG ist nur dann zulässig, wenn die behördlichen Verfolgungshandlungen entweder überhaupt zeitgleich oder jene wegen der zweiteren Übertretung  doch jedenfalls so früh gesetzt wurden, dass die Bestrafung wegen der ersteren Übertretung zwischenzeitlich noch nicht rechtskräftig wurde. Im Ergebnis geht es also darum, dass bis zur Rechtskraft der ersten Entscheidung auch alle anderen in Frage kommenden Übertretungen prozessual anhängig gemacht worden sein müssen bzw. anders formuliert: Eine parallele Bestrafung/Verfolgung ist dann und insoweit nicht unzulässig, solange wegen desselben Sachverhalts nicht eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt[20]; danach ist eine weitere Verfolgung nur mehr dann und insoweit möglich, als die prozessuale Verfolgungshandlung schon vor der Rechtskraft der Ersterledigung gesetzt wurde. Zusammengefasst gewährt damit Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK nach einem abgeschlossenen Verfahren eine relative Sicherheit vor einer nochmaligen Anklage wegen des (substantiell) gleichen Sachverhaltes, und zwar derart, dass keine Verletzung dieser Garantie vorliegt, wenn entweder das Parallelverfahren noch vor Rechtskraft des Erstverfahrens anhängig gemacht wurde oder – was vom EGMR im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 7.ZPMRK explizit für zulässig erklärt wurde[21] – Letzteres im Wege außerordentlicher Rechtsmittel neuerlich in Gang gesetzt wird.

 

Abgesehen davon, dass ein nunmehriges Abstellen auf einen "identischen"  bzw. "substantiell identischen" Sachverhalt einerseits (objektive Komponente) und auf das Vorliegen eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens andererseits (formell-verfahrensrechtliche Komponente) insgesamt besehen in der Praxis eine einfachere Handhabung und für den Normunterworfenen damit wohl auch einen Zugewinn an Rechtssicherheit bringen dürfte, verhält die neueste EGMR-Judikatur die Behörden und Gerichte dazu, mehr als bisher untereinander zu kooperieren, wenn man künftig Grundrechtsverstöße wirksam hintanhalten will. Die – in der Vollzugspraxis bisher "totes Recht" darstellende – Bestimmung des § 30 VStG könnte in diesem Zusammenhang ihre Renaissance erleben bzw. wird deren EMRK-konforme Interpretation alleine nicht hinreichen; vielmehr bedarf es wohl einer entsprechenden Revision bzw. der Schaffung einer analogen Reglung in der StPO, weil sich das bisherige System des Primates des gerichtlichen gegenüber dem behördlichen Strafverfahren in seiner derzeitigen Form nicht weiter aufrecht erhalten lassen wird, da die bloße Normierung von Subsidiaritätsklauseln einer Grundrechtsverletzung nicht effektiv vorzubeugen vermag.

 

3.2.5. Überträgt man diese Überlegungen auf den gegenständlichen Fall, so handelt es sich zwar um einen (nahezu) identischen Sachverhalt ("substantially the same facts") i.S. der darauf bezüglichen relativ weiten Interpretation des EGMR im "Zolotukhin"-Urteil, sodass eine Doppelbestrafung grundsätzlich unzulässig wäre; da hier allerdings beide Delikte zeitgleich verfolgt wurden, liegt aber insoweit kein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK vor.

 

3.2.6. Allerdings findet sich in § 1 Abs. 1 OöPolStG eine explizite Subsidiaritätsklausel. Diese erhält nunmehr im Lichte des "Zolotukhin"-Urteils, dem zufolge es nicht mehr auf den gesetzlichen Strafzweck, sondern auf den Sachverhalt ankommt, aus rechtssystematischer Sicht eine neue Bedeutung, nämlich dahin, dass eine Bestrafung nach § 1 OöPolStG schon von vornherein ausscheidet, wenn ein und dasselbe Verhalten eine sonst mit Verwaltungsstrafe oder mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung darstellt.

 

Da das dem Rechtsmittelwerber hier angelastete faktische Verhalten auch unter § 81 SPG subsumierbar ist und diese Bestimmung keine Subsidiaritätsklausel aufweist, resultiert daraus insgesamt, dass diese Bestimmung dem § 1 OöPolStG vorgeht, sodass nunmehr eine kumulative Bestrafung – nicht wegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK, denn die Verfolgung beider Delikte wurde im gegenständlichen Fall ja nicht nacheinander, sondern zeitgleich durchgeführt, aber – wegen der expliziten Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 OöPolStG gehindert ist.

 

3.2.7. Im Ergebnis erweist sich daher die Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 10 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 1 OöPolStG unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles somit schon wegen unechter (scheinbarer) Idealkonkurrenz (bzw. Gesetzeskonkurrenz; zu den Begriffen vgl. näher W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Wien 2004, S. 1377 f) als a priori unzulässig.

 

3.3. Davon ausgehend hatte der Oö. Verwaltungssenat daher lediglich zu prüfen, ob der Rechtsmittelwerber die Tatanlastung nach § 81 Abs. 1 SPG zu verantworten hat.

 

3.3.1. In tatbestandsmäßiger Hinsicht kann schon im Hinblick auf die damit verbundene negative Beispielswirkung kein Zweifel daran bestehen, dass – wie dies von den einschreitenden Sicherheitsorganen festgestellt und vom Beschwerdeführer auch nicht substantiell bestritten wurde – ein Herumschreien und wildes Gestikulieren in betrunkenem Zustand auf einem Spielplatz gegen 21.00 Uhr, auf dem sich nicht bloß Erwachsene, sondern auch Jugendliche und sogar noch Kleinkinder aufgehalten haben, zu einer Tageszeit, zu der man sich üblicherweise auf die Nachtruhe einzustellen beginnt, als ein besonders rücksichtsloses Verhalten, durch das die öffentliche Ordnung gestört wird, anzusehen ist (vgl. z.B. jüngst statt vieler VwSen-231225 vom 2. März 2011, VwSen-231218 vom 21. Februar 2011 und VwSen-231201 vom 14. Februar 2011 [jeweils m.w.N.]).

 

3.3.2. Auch auf der Ebene des Verschuldens wendet der Rechtsmittelwerber lediglich ein, dass der Spielplatz nicht als solcher gekennzeichnet gewesen sei.

 

Selbst wenn man dies als zutreffend unterstellt, wäre damit jedoch für ihn nichts gewonnen, weil der damit angesprochene Verbotsirrtum schon deshalb nicht vorliegt, da § 81 Abs. 1 SPG nicht auf die Qualifikation eines "öffentlichen Ortes", sondern vielmehr darauf abstellt, dass die öffentliche Ordnung – an welchem Ort auch immer – gestört wurde.

 

Dass sich der Beschwerdeführer in einem seine Zurechnungsfähigkeit i.S.d. § 3 VStG befunden hätte, wird weder von ihm selbst behauptet noch haben sich dafür entsprechende Anhaltspunkte im Zuge des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens ergeben.

 

Davon ausgehend hätte er sohin insgesamt besehen unschwer erkennen können, dass sich ein mit den allgemeinen Ordnungsvorschriften hinreichend vertrauter Durchschnittsbürger insofern anders verhalten hätte, als er angesichts der anwesenden Minderjährigen ein lautstarkes Herumschreien und wildes Gestikulieren zweifelsfrei unterlassen hätte; indem der Beschwerdeführer hingegen – nicht zuletzt infolge seiner Alkoholbeeinträchtigung – jegliche darauf bezügliche Rationalität seines Verhaltens vermissen ließ, hat er zumindest sorgfaltswidrig und damit fahrlässig und schuldhaft gehandelt.

 

Da ein allfälliges provokantes Verhalten von Dritten schon von vornherein nicht geeignet ist, sein Verschulden dem Grunde nach auszuschließen, ist seine Strafbarkeit sohin gegeben.

 

3.4. Weil die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin nur eine im untersten Drittel der gesetzlichen Strafdrohung gelegene, auch von ihrer betragsmäßigen Höhe her objektiv als bloß geringfügig zu qualifizierende Geldstrafe verhängt und der Beschwerdeführer zudem in seiner Berufung keine – bzw. keine ins Gewicht fallenden – Milderungsgründe vorgebracht hat, kann der Oö. Verwaltungssenat somit nicht finden, dass diese Strafe nicht tat- und schuldangemessen wäre bzw. die Behörde insoweit das ihr gemäß § 19 VStG zukommende Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hätte.

 

3.5. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit einzustellen war; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das bekämpfte Straferkenntnis zu bestätigen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 7,20 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Berufungswerber hingegen nach § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

VwSen-301008/2/Gf/Mu vom 10. März 2011

 

Erkenntnis

 

EMRK Art4 Abs1, 7 ZP;

SPG §81;

VStG §22;

VStG §30;

Oö. PolStG §1 Abs1

 

 

Nach dem "Zolotukhin"-Urteil des EGMR (vom 10.2.2009, appl 14939/03) ist nunmehr – ohne dass dadurch ein Widerspruch zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfGH 16.12.2010, B 343/10, entsteht – die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen grundsätzlich auch dann nicht zulässig, wenn diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden. Ausnahmsweise ist eine parallele Bestrafung/Verfolgung jedoch dann und insoweit nicht gehindert, solange wegen desselben Sachverhalts nicht eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

 

Davon ausgehend erhalten die gesetzlichen Subsidiaritätsklauseln im Lichte des "Zolotukhin"-Urteils aus rechtssystematischer Sicht eine neue Bedeutung, nämlich dahin, dass zB eine Bestrafung nach §1 Oö PolStG schon von vornherein ausscheidet, wenn ein und dasselbe Verhalten eine auch sonst – und zwar ohne Subsidiaritätsklausel – mit Verwaltungsstrafe (zB §81 Abs1 SPG) oder mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung darstellt. In einem derartigen Fall ist eine kumulative Bestrafung iSd §22 VStG wegen unechter (scheinbarer) Idealkonkurrenz (bzw Gesetzeskonkurrenz) a priori unzulässig.

 

 

 



[1] Vgl. EGMR vom 10.2.2009, 14939/03 (= NLMR 2009, 37 ff [mit tlw. ungenauer Übersetzung]).

[2] Vgl. FN 1, RN 78 (Hervorhebungen im Original).

[3] Art. 4 des 7.ZPMRK, Art. 14 Abs. 7 des UN-Pakts über die bürgerlichen und politischen Rechte sowie Art. 50 der EU-Grundrechtecharta verwenden den Begriff "(same) offence" ([dieselbe] strafbare Handlung); die Amerikanische Menschenrechtskonvention spricht von "same cause" (dieselbe Strafsache [derselbe Fall]); das Schengener Durchführungsübereinkommen verbietet eine Verfolgung wegen "same acts" (derselben Taten); und das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes verwendet den Ausdruck "(same) conduct" ([dasselbe] Verhalten).

[4] Vgl. FN 1, RN 82.

[5] Vgl. EGMR vom 23.10.1995, 15963/90, wobei der authentische Begriff "conduct" eben auch durch subjektive Elemente, die in Richtung "Motivation des Täters" zielen, geprägt ist (vgl. Dietl – Lorenz, Dictionary of Legal, Commercial and Political Terms5, München 1990, 153).

[6] Vgl. EGMR vom 30.7.1998, 25711/94.

[7] Vgl EGMR vom 26.4.1995, 16922/90.

[8] So der deutsche, dem authentischen Begriff "facts" entsprechende terminus technicus (vgl. Dietl – Lorenz [FN 5], 311) .

[9] Vgl. FN 1, RN 97.

[10] Ob das zweite Verfahren dann keinen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 des 7.ZPMRK dargestellt hätte, wenn es lediglich wegen der Gewaltausübung durchgeführt worden wäre, hat der EGMR offen gelassen; dies dürfte aber wohl deshalb zu verneinen sein, weil ansonsten das vom EGMR eingebrachte Zusatzkriterium "substantially the same" entbehrlich gewesen wäre: Weil es sich gesamthaft betrachtet eben um ein und denselben Sachverhalt handelte, wäre sohin auch ein nachfolgendes Strafverfahren bloß wegen Gewaltausübung durch das Doppelverfolgungs- bzw. –bestrafungsverbot gehindert gewesen. 

[11] Vgl. Pkt. II.2.1. des Erkenntnisses.

[12] Richtig: Zolotukhin.

[13] Vgl FN 1, RN 73.

[14] Genau genommen ist der VfGH zwar nicht an die von der belangten Behörde vorgenommenen Sachverhaltsfeststellungen (vgl. § 20 Abs. 2 VfGG), wohl aber an den letztlich tatsächlich maßgebenden Sachverhalt und die im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides geltende Rechtslage (vgl. zB VfGH v. 10.10.1995, G 21/95 = VfSlg 14303/1995, mwN) – wozu im Weiteren allenfalls auch deren Auslegung durch die höchstgerichtliche Judikatur zählt – gebunden.

[15] Formal war allerdings nicht das eine Bestrafung wegen einer Übertretung des AuslBG bestätigende Erkenntnis, sondern ein erst am 18. Februar 2010 erlassener Feststellungsbescheid des UVS Salzburg dahin, dass dieses Erkenntnis keiner Außerkraftsetzung gemäß § 30 Abs. 3 VStG bedarf, Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem VfGH; dass in der Begründung dieses Bescheides auf das "Zolothkhin"-Urteil mehr als 1 Jahr nach dessen Erlassung weder explizit noch zumindest inhaltlich Bezug genommen wurde, hat der VfGH aber offensichtlich ebenso toleriert wie den Umstand, dass das OLG Graz die Auswirkungen dieses Urteil in seiner Berufungsentscheidung vom 4. August 2010 offenbar tatsächlich missverstanden haben dürfte, weil die vom OLG angesprochenen "divergierenden Tatbestands- bzw. Sachverhaltselemente" (vgl. die Wiedergabe der Urteilsbegründung unter Pkt I.3.2. des VfGH-Erkenntnisses: "Weil es um den Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter geht, sich die Tatbestandselemente voneinander unterscheiden und sie damit einen unterschiedlichen Unrechtsgehalt aufweisen, unterscheiden sich die Zielrichtungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes von jenen des ASVG [und somit insbesondere auch des § 153e Abs. 1 StGB] deutlich. Infolge wesentlich divergierender Sachverhaltselemente wird nicht nur nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vom 2.7.2009, B 559/08, eine Mehrfachverfolgung als zulässig erachtet, sondern auch nach der jüngsten strengeren Rechtsprechung des EGMR in den Fällen Zolotukhin ..., Ruotsalainen ... und Maresti ...") de facto keine solchen waren, sondern lediglich aus einer unterschiedlichen rechtlichen Qualifikation resultierten (s.u., 3.2.3.). 

[16] Und zwar entweder deshalb, weil ein solches nicht mehr zulässig ist oder von den Parteien während offener Rechtsmittelfrist de facto nicht eingebracht wurde (vgl. FN 1, RN 107 u. 109).

[17] Denn eine Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stellt kein ordentliches Rechtsmittel (mehr) dar.

[18] Vgl. Pkt. II.2.5. des Erkenntnisses v. 16.12.2010, B 343/10.

[19] Vgl. § 22 VStG.

[20] Wobei in diesem Zusammenhang aber jeweils Art 6 Abs 1 EMRK (angemessene Verfahrensdauer) und Art 13 EMRK (effektiver Rechtsschutz) zu beachten sind.

[21] Vgl. FN 1, RN 108.

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