Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522804/2/Bi/Kr

Linz, 25.03.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 10. März 2011 (Datum des Einlangens bei der Erstinstanz) gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 28. Februar 2011, VerkR21-43-2011, wegen der Auf­for­derung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung der gesund­heitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B, Motorfahr­rädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen, zu unterziehen, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 8 und 24 Abs.3 und 4 FSG aufgefordert, sich am Dienstag dem 22. März 2011 um 7.30 Uhr einer amtsärztlichen Untersuchung bei der Erstinstanz, Abt. Sanitätsdienst, zur Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B sowie Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraft­fahr­zeugen und  Invalidenkraftfahrzeugen zu unterziehen. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer allfälligen Berufung dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit Hinterlegung am 4. März 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz versuche mit aller Kraft, ihm die Lenkberechtigung zu entziehen. Zuerst sei behauptet worden, er sei nach einem Verkehrsunfall unter Schock gestanden und orientierungslos gewesen, obwohl es nach einem Unfall ganz normal sei, wenn man schockiert sei. Nun werde ihm auch noch vorgeworfen, was die Behörde in Ried sage. Wenn etwas behauptet werde, heiße das noch nicht, dass etwas auch so sei. Wenn die Behörde jemanden kontrollieren solle, dann seine Ex-Frau, die massive körper­liche und geistige Probleme habe. Bei einem Unfall mit 30 km/h könne man schwer Selbstmord machen, was ihm unterstellt werden solle. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, dass der Bw am 24. Oktober 2010 gegen 14.00 Uhr als Lenker eines Pkw im Ortsgebiet von Schlierbach mit dem Postbus kollidiert ist. Er hat sich dabei laut Verletzungsanzeige des Krankenhauses Kirchdorf/Krems Prellungen des Brustkorbes, des linken Schlüsselbeines und der linken Hand  zugezogen. Nach den im Akt befindlichen Fotos ist der Bw in einer unübersicht­lichen Kurve der Klosterstraße aus Richtung Schlierbacher Straße L554 kommend mit der Fahrerseite seines Pkw gegen die linke Vorderseite des Linienbusses geprallt, wobei der Lenker des Linienbusses X bei der Unfall­auf­nahme angab, er sei aufgrund der örtlichen Verhältnisse ohnehin nur zunächst mit 20 km/h gefahren und habe, als er den Pkw gesehen habe, der seinem Eindruck nach immer mehr nach links gekommen sei und dann direkt auf ihn zugesteuert habe, den Bus ganz nach rechts zur Gehsteigkante gelenkt und sei beim Anprall gestanden, während nach seinem Eindruck der Pkw-Lenker schließlich ungebremst gegen den Bus gefahren sei. Er habe zunächst gemeint, der Lenker sei eingeschlafen. Dieser habe aber zu ihm gesagt, er sei total in Gedanken gewesen, weil seine Gattin kurz zuvor entbunden gehabt habe. Der Pkw-Lenker habe nach seinem Eindruck nicht gewusst, wie es zum Zusammen­stoß gekommen sei. Er sei offensichtlich stark geschockt und orientierungslos gewesen, habe über Schmerzen am Kopf und in den Händen geklagt, sodass sofort die Rettung verständigt worden sei.

 

Der Bw hat laut dem von ihm unterfertigten Protokoll gegenüber X, PI Kirchdorf/Krems, bei der Unfallaufnahme ca 2 Stunden nach dem Unfall ausgesagt, er sei in Richtung Zentrum Schlierbach gefahren und habe in einer Linkskurve plötzlich einen Kracher wahrgenommen. Er wisse nicht mehr, wie der Unfall zustande gekommen sei. Der Alkotest ergab beim Bw 0,0 mg/l.

 

Außerdem liegen laut dem von der Erstinstanz vorgelegten Verfahrensakt Berichte vor, wonach der Bw in 34 Fällen von der PI Ried/I. ua wegen Stalking, Sachbeschädigung, Einbruchdiebstahl bei der Staatsanwaltschaft Ried/I. ange­zeigt wurde. Seine frühere Lebensgefährtin hat gegenüber der Polizei Selbst­mord­absichten des Bw nicht ausgeschlossen.

 

Daraufhin erging der Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 15. Februar 2011, gegen den der Bw Rechtsmittel erhoben hat mit der Begründung, das sei ein normaler Verkehrsunfall gewesen, wie sie täglich passieren. Er sei erst am
20. September bei einer amtsärztlichen Untersuchung gewesen; dabei habe sich seine körperliche und geistige Eignung ergeben.

Seitens der PI Kremsmünster wurde berichtet, dass der Bw am 24. Februar 2011 zwecks Einvernahme nach einer gefährlichen Drohung gegen seine Ex-Lebensge­fährtin bei der dortigen Dienststelle gewesen sei und einen aggressiven Eindruck gegenüber den anwesenden Beamten gemacht habe. Er habe eine bei solchen Delikten vorgeschriebene erkennungsdienstliche Behandlung verweigert und sei sicht­lich erregt gewesen. Er habe nach Aufforderung wegen "Verdachtsmomen­ten hinsichtlich einer möglichen Alkoholisierung" den Alkotest verweigert. Obwohl ihm das Lenken eines Fahrzeuges untersagt worden sei, sei er mit dem Pkw weg­ge­fahren.

Nach Mitteilung der Erstinstanz vom 14. März 2011 hat sich der Bw danach von der Amtsärztin der Erstinstanz Blut abnehmen lassen; der Führerschein wurde in Erwartung eines Ergebnisses von 0,0 %o nicht abgenommen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen. ... Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, ua mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen oder die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach ständiger Judikatur des VwGH (vgl E 22.6.2010, 2010/11/0067) ist ein Auffor­derungs­bescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeit­punkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begrün­dete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung umfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Dabei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungs­voraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Auf­forderungs­bescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl E 16.4.2009, 2009/11/0020; 22.6.2010, 2010/11/0076; mit Hinweis auf E 17.10.2006, 2003/11/0302).

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates wären solche begründete Bedenken eher noch im Verhalten des Bw beim Unfall vom 24. Oktober 2010 zu sehen, weil er dabei – nach eigenen Angaben, weil er "in Gedanken" gewesen sei – mit einem wohl nicht zu übersehenden Autobus zusammenge­stoßen ist. Dies­be­züglich ist die Aussage des Buslenkers, dem der Bw bis dahin völlig unbekannt war, glaubwürdig und ergibt sich auch nachvollziehbar aus den Unfallfotos. Dass der Bw ungebremst mit dem Bus kollidierte, lässt sich schon aus der Beschä­digung des Pkw schließen, die einen heftigen Anprall erahnen lässt. Der Bw war nachweis­lich nicht alkoholisiert. Da der Buslenker ihn aber als "orientierungs­los" bezeich­net hat, was auf einen nicht bloß im landläufigen Sinn gemeinten "Unfallschock" hindeutet, ist jedenfalls von einem Aufmerksam­keits­fehler auszu­gehen. Der Buslenker gab an, der Bw habe seine mangelnde Konzen­tration damit begründet, seine Gattin habe kurz zuvor entbunden. Da aus dem  Bericht der PI Kirchdorf vom 14. Februar 2011 hervorgeht, die Ex-Lebens­gefährtin des Bw sei "in Karenz", ist damit die gedankliche Abwesenheit des Bw als Unfallursache durchaus erklärbar; "begründete Bedenken" hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung beim Bw sind daraus aber nicht abzuleiten. Der Bw wurde nach dem Unfall im Krankenhaus Kirchdorf behandelt, jedoch wurde dabei außer Prellungen, also körperlichen Verletzungen, nichts auffälliges festgestellt.  

 

Die Aussage über eine angebliche Selbstmordabsicht stammt von der Ex-Lebens­gefährtin des Bw und ist zwar in einem Polizeibericht festgehalten, jedoch objektiv nicht nachvollziehbar, weil die angeblichen Erzählungen des Bw in der Unfallambulanz des KH Wels, demnach in Anwesenheit mehrerer Personen, stattgefunden haben sollen, aber dafür keine Zeugen vorhanden sind. Das Argument des Bw, es sei unsinnig, in Selbstmordabsicht mit einer niedrigen Geschwindigkeit im Ortsgebiet gegen einen Bus zu fahren, ist dagegen ein­leuchtend, zumal der Bus­lenker bestätigt hat, er sei mit dem Bus beim Anprall eben wegen des Verhaltens des ihm entgegenkommenden Pkw-Lenkers schon gestanden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass seine Ex-Lebensgefährtin dem Bw damit nur schaden wollte. Anzeigen von Straftaten, die offenbar laut Bericht der PI Kremsmünster vom 24. Februar 2011 "aufgrund des offensichtlich vor­liegenden Beziehungs­streites laufend" gemacht werden, sind ebenfalls in diesem Licht zu sehen; eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung, die allerdings nicht die gesundheitliche Eignung sondern ausschließlich die Verkehrsunzuver­lässigkeit des Bw betreffen würde (vgl VwGH 21.9.2010, 2010/11/0105 hins. Stalking; VwGH 26.2.2001, 2001/11/0379 hins. gef. Drohung; VwGH 27.3.2007, 2006/11/0273 hins. Einbruchsdiebstahl), liegt nicht vor.   

 

Aggressives Verhalten ist beim Bw offensichtlich auf seine Ex-Lebensgefährtin und mit dieser zusammenhängende Sachverhalte (zB Briefzustellungen, Ladun­gen zur Polizei zwecks Einvernahme uä) bezogen, jedoch ist die Herstellung eines Zusammenhangs mit Überlegungen zur gesundheitlichen Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht überzeugend.

Damit war mangels hinreichender Begründung für Bedenken am Weiterbestehen der gesundheitlichen Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B sowie von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invaliden­kraftfahrzeugen kein Ansatz für eine gerechtfertigte Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG erkennbar und somit spruchgemäß zu entscheiden. Im gegen­ständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Aufforderung gem. § 24 Abs.4 FSG nicht gerechtfertigt, VU wegen Aufmerksamkeitsfehler, bei KH-Versorgung keine Auffälligkeiten, später aggressives Verhalten  zu Ex-Lebensgefährtin (verschiedene Anzeigen, keine relevante Verurteilung) -> Aufhebung

 

 

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