Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240787/25/Fi/Fl

Linz, 21.03.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, vertreten durch X, Rechtsanwälte X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 29. Oktober 2010, GZ SanRB96-87-2010, wegen der Zurückweisung eines Einspruchs als verspätet nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2011 und am 14. März 2011 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§§ 24 und 49 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm § 17 Abs. 3 Zustellgesetz.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 29. Oktober 2010, GZ SanRB96-87-2010, wurde der vom Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gegen die Strafverfügung vom 15. September 2010, GZ SanRB96-87-2010, erhobene Einspruch als verspätet zurückgewiesen.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 3. November 2010 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, am 16. November 2010 per Mail übermittelte – und damit rechtzeitige – Berufung vom selben Tag, die dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der belangten Behörde mit Schreiben vom 12. Jänner 2011 unter Anschluss des vollständigen Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Begründend führt der Bw in seiner Berufung im Wesentlichen aus, dass die Strafverfügung erst am 28. September 2010 zugestellt worden und daher der Einspruch fristgerecht erfolgt sei. Obwohl der Bw diesen Umstand bereits in seinem Einspruch geltend gemacht habe, habe die belangte Behörde keine Ermittlungen getätigt, sodass ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorliege. Der Bw sei vom 18. September 2010 bis 28. September 2010 nicht an der genannten Zustelladresse – seinem Geschäftslokal in X - , sondern an seinem Hauptwohnsitz in X aufhältig gewesen. Infolge der Ortsabwesenheit des Bw sei die Zustellung somit im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz erst mit der Abholung des hinterlegten Schriftstücks am 28. September 2010 wirksam geworden. Der Bw beantrage zum Nachweis seiner Ortsabwesenheit seine Einvernahme sowie jene seines Mitarbeiters im Geschäftslokal in X und seiner Lebensgefährtin in X.

Im Hinblick auf die vorgebrachten Einwände werde der Antrag gestellt, den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben und auszusprechen, dass der Einspruch als rechtzeitig anzusehen sei; in eventu der belangten Behörde eine Verfahrensergänzung aufzutragen.

1.3. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 forderte die belangte Behörde den Bw auf, binnen einer näher bezeichneten Frist entsprechende Nachweise für seine Ortsabwesenheit vorzulegen.

Ferner wurde der vom Bw in seiner Berufung genannte Zeuge, X, der Mitarbeiter des Bw im Geschäftslokal in X einvernommen. Um die Einvernahme der Zeugin X, die Lebensgefährtin des Bw, wurde der Magistrat X ersucht.

Mit Schreiben vom 12. Jänner 2011 teilte die belangte Behörde dem Bw den Stand des Verfahrens, insbesondere das Ergebnis der Einvernahme des Zeugen X mit und informierte den Bw darüber, dass der Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt werde.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am
10. Februar 2011 sowie am 14. März 2011, zu der die vom Bw genannten Zeugen geladen wurden.

2.2. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie aus der mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Am 21. September 2010 wurde ein Zustellversuch an der Adresse des Geschäftslokals des Bw in X unternommen und eine Verständigung über die Hinterlegung bei der zuständigen Postfiliale in den Briefkasten eingelegt. Der Beginn der Abholfrist wurde mit 22. September 2010 festgesetzt.

Der Bw hat die Strafverfügung am 28. September 2010 übernommen. Der Einspruch des Bw wurde am 12. Oktober 2010 per Mail bei der belangten Behörde eingebracht.

Der Bw war zwischen dem 22. September und dem 28. September 2010 von der Zustelladresse ortsabwesend.

2.3.1. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien), aufgrund der am 10. Februar 2011 und am 14. März 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der dort vorgenommenen Befragung der Zeugen. Der Bw brachte in der mündlichen Verhandlung vor, er habe sich im Zeitraum vom 22. September bis 28 September 2010 deshalb in X aufgehalten, weil er das Bad in der gemeinsamen Wohnung mit seiner Lebensgefährtin saniert habe. Dieses Vorbringen konnte der Bw durch die Vorlage mehrerer Belege, wie zB Rechnungen diverser Baumärkte sowie eines Installateurs und einem Kontoauszug betreffend den verfahrensgegenständlichen Zeitraum, belegen. Diesen Belegen kann entnommen werden, dass sich der Bw an den genannten Tagen in X aufgehalten hat; ebenso bestätigt wurde die Anwesenheit des Bw in X durch Einvernahme der Lebensgefährtin. Insofern gelang es dem Bw in der mündlichen Verhandlung glaubhaft darzulegen, dass er im Zeitraum vom
22. September bis 28. September 2010 in X in seinem Geschäftslokal ortsabwesend gewesen ist und der Einspruch erst am 28. September 2010 am Tag seiner Rückkehr nach X übernommen wurde.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2.1. Gemäß § 49 Abs. 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

3.2.2. Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

3.3. Wie das Ermittlungsverfahren ergab, war der Bw vom 22. September bis 28. September 2010 an der Abgabestelle ortsabwesend und kehrte erst am 28. September 2010 an diese zurück und übernahm noch am selben Tag den Einspruch. Wegen der Ortsabwesenheit des Bw gilt gemäß § 17 Abs. 3 letzter Satz Zustellgesetz das hinterlegte Dokument damit jedoch nicht – mit dem ersten Tag der Abholfrist und damit mit dem 22. September 2010 – als zugestellt, zumal der Bw nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, sondern erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte, wenn dieser Tag innerhalb der vom Zusteller festgesetzten Abholfrist liegt. Unabhängig davon, ob das Dokument nunmehr mit diesem Tag, dem 29. September 2010, oder bereits einen Tag zuvor, nämlich mit der Übernahme am 28. September 2010 zugestellt wurde, erweist sich der am 12. Oktober 2010 per Mail an die belangte Behörde übersendete Einspruch sohin als jedenfalls rechtzeitig.

3.4. Gemäß § 49 Abs. 2 VStG ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40 VStG. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. Da sich der Einspruch gegen den Tatbestand (Schuld) richtet, ist von der belangten Behörde das ordentliche Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

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