Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165763/9/Kof/Jo

Linz, 29.03.2011

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X vertreten durch X
gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom
30. Dezember 2010, VerkR96-19978-2010, wegen Übertretungen des KFG iVm der EG-VO 561/2006, nach den am 24. Februar 2011 und am 23. März 2011 durchgeführten mündlichen Verhandlungen, einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruch als unbegründet abgewiesen.

 

Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern stattgegeben,
als die Geldstrafen und die Ersatzfreiheitsstrafen wie folgt herab- bzw. festgesetzt werden:

 

·         zu 1. und 6. gesamt:              500 Euro   bzw.   100 Stunden

·         zu 2. und 5. gesamt:              500 Euro   bzw.   100 Stunden

·         zu 3.:                                      100 Euro    bzw.     20 Stunden

·         zu 4.:                                      100 Euro    bzw.     20 Stunden

 

Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz beträgt 10 % der – teilweise neu bemessenen –  Geldstrafen.  Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keinen Verfahrenskostenbeitrag zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 134 Abs.1, 1a und 1b KFG, in der zur Tatzeit (= 12.07.2010) geltenden Fassung, BGBl Nr.267/1967 zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 94/2009

Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG idF der Richtlinie 2009/5/EG vom 31.01.2009

§§ 16, 19, 20, 64 und 65 VStG

 

Der Berufungswerber hat somit insgesamt zu bezahlen:

-        Geldstrafe (500 + 500 + 100 + 100 =) .......................... 1.200 Euro

-        Verfahrenskostenbeitrag I. Instanz: ................................. 120 Euro

                                                                                                      1.320 Euro

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt insgesamt

(100 + 100 + 20 + 20 =) .................................................... 240 Stunden.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis - auszugsweise - wie folgt erlassen:

 

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

 

Sie haben als Lenker des angeführten Kraftfahrzeuges, welches zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen zulässige Höchstmasse einschließlich Sattelanhänger 3.5 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen:

 

1.                Es wurde festgestellt, dass Sie nicht innerhalb jedes Zeitraumes von
24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden eingehalten haben, obwohl der Fahrer zwischen zwei wöchentlichen Ruhezeiten höchstens drei reduzierte tägliche Ruhezeiten einlegen darf.

Die zulässige 3-malige Verkürzung der Ruhezelt pro Woche auf jeweils
9 zusammenhängende Stunden wurde dabei berücksichtigt:

Ruhezeit von 20.06.2010, 23.21 Uhr bis 21.06.2010, 23.20 Uhr: 04.36 Stunden

Ruhezeit von 25.06.2010, 02.55 Uhr bis 26.06.2010, 02.54 Uhr: 08.16 Stunden

Ruhezeit von 27.06.2010, 22.06 Uhr bis 28.06.2010, 22.05 Uhr: 08.05 Stunden

Ruhezeit von 01.07.2010, 00.33 Uhr bis 02.07.2010, 00.32 Uhr: 08.17 Stunden

Ruhezeit von 07.07.2010, 23.06 Uhr bis 08.07.2010, 23.05 Uhr: 08.20 Stunden

        

Die drei reduzierten täglichen Ruhezeiten wurden konsumiert.

Es stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABI. Nr. L29, einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs. 1 KFG  i.V.m.  Art. 8 Abs. 1 und 2 EG-VO 561/2006

2.                Es wurde festgestellt, dass Sie die Tageslenkzelt öfter als 2 mal pro Woche an folgenden Tagen auf 10 Stunden verlängert haben:

          mit einer Lenkzeit von 11.16 Stunden

      mit einer Lenkzelt von 10.48 Stunden

     mit einer Lenkzelt von 11.13 Stunden

Es stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABI. Nr. L29, einen schwerwiegenden und einen geringfügigen Verstoß dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs. 1 KFG  i.V.m.  Art 6 Abs. 1 EG-VO 561/2006

 

3.                Sie haben die erlaubte Wochenlenkzeit zweier aufeinander folgender Wochen von höchstens 90 Stunden überschritten, obwohl die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen 90 Stunden nicht überschreiten darf.

Wochen von

-        21.06.2010 bis 04.07.2010,  Lenkzeit von 95.59 Stunden

-        28.06.2010 bis 11.07.2010,  Lenkzelt von 95.12 Stunden

Es stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABI. Nr. L29, einen geringfügigen Verstoß dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs. 1 KFG  i.V.m.  Art. 6 Abs. 3 EG-VO 561/2006

 

4.                Es wurde festgestellt, dass Sie nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden keine Unterbrechung der Lenkzeit von mindestens 45 Minuten eingelegt haben, obwohl eine solche einzulegen ist, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt

Diese Unterbrechung kann durch eine Unterbrechung von mindestens 30 Minuten, gefolgt von einer Unterbrechung von mindestens 15 Minuten, ersetzt werden,
die in die Lenkzeit so einzufügen sind, dass die Bestimmungen des Absatzes 1 eingehalten werden.   Am

-        21.06.2010 wurde von 08.17 Uhr bis 21.06.2010, 14.51 Uhr mit einer Lenkzeit von 05.16 Stunden nur 00.20 Stunden

-        30.06.2010 wurde von 07.32 Uhr bis 30.06.2010, 14.57 Uhr mit einer Lenkzeit von 05.50 Stunden nur 00.36 Stunden

-        05.07.2010 wurde von 03.25 Uhr bis 05.07.2010, 11.47 Uhr mit einer Lenkzeit von 06.35 Stunden nur 00.27 Stunden

Lenkpause eingehalten.

 

Es stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABI. Nr. L29, einen schwerwiegenden und einen geringfügigen Verstoß dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs. 1 KFG  i.V.m  Art. 7 EG-VO 561/2006

 

5.                Sie haben die Tageslenkzeit von höchstens 9 Stunden bzw. zweimal wöchentlich 10 Stunden zwischen zwei täglichen Ruhezeiten an folgenden Tagen überschritten:

-        27.06.2010 von 22.06 Uhr bis 28.06.2010, 13.58 Uhr

      mit einer Lenkzeit von 12.11 Stunden

-        04.07.2010 von 22.23 Uhr bis 05.07.2010, 15.09 Uhr

      mit einer Lenkzeit von 11.45 Stunden

Es stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABI. Nr. L29, einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs. 1 KFG  i.V.m.  Art. 6 Abs. 1 EG-VO 561/2006

 

6.                Es wurde festgestellt, dass Sie nicht innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden eingehalten haben, wobei die zulässige 3-malige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils
9 zusammenhängende Stunden berücksichtigt wurde.

Beginn des 24 Stundenzeitraumes:

04.07.2010 um 22.23 Uhr, Ruhezeit von 07.13 Stunden

        

Es stellt daher anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABI. Nr. L29, einen schwerwiegenden Verstoß dar.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs. 1 KFG i. V.m . Art. 8 Abs. 1 und 2 EG-VO 561/2006

 

Tatzeit: 12.07.2010, 12.48 Uhr

 

Tatort: B151 Atterseestraße nächst km 7,200, Gemeindegebiet Seewalchen a. A.

 

Fahrzeuge:  Kennzeichen X-....., Sattelzugfahrzeug

                  Kennzeichen X-....., Sattelanhänger

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

 

Geldstrafe von           falls diese uneinbringlich ist,                                 gemäß

                                   Ersatzfreiheitsstrafe von

1.100,00             14 Tage                          § 134 Abs. 1 KFG i.V.m. § 20 VStG

   380,00             144 Stunden                  § 134 Abs. 1 KFG i.V.m. § 20 VStG

   120,00             72 Stunden                    § 134 Abs. 1 KFG i.V.m. § 20 VStG

   380,00             144 Stunden                  § 134 Abs. 1 KFG i.V.m. § 20 VStG

   500,00             144 Stunden                  § 134 Abs. 1 KFG i.V.m. § 20 VStG

   200,00             96 Stunden                    § 134 Abs. 1 KFG i.V.m. § 20 VStG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:

268,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 2.948,00 Euro."

 

Gegen dieses Straferkenntnis – zugestellt am 18. Jänner 2011 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 24. Jänner 2011 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG)

erwogen:

 

Das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde dem Bw persönlich zugestellt.

 

Die Rechtsvertreterin des Bw hat mit Stellungnahme vom 27.10.2010 an die belangte Behörde ua mitgeteilt, dass der Bw sie mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung betraut habe.

 

Diese Stellungnahme wurde per Fax an die belangte Behörde übersendet.

Ein Sendebericht mit "OK" liegt vor.

 

Diese Stellungnahme ist im erstinstanzlichen Verfahrensakt nicht enthalten.

 

Aus einem Übertragungsprotokoll für eine Telefax-Sendung mit dem Vermerk "OK" kann für sich allein nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zustellung eines behördlichen Schriftstückes mittels Telefax jedenfalls erfolgreich war; VwGH vom 25.03.2009, 2008/03/0137 mit Vorjudikatur.

Ebenso betreffend Absendung einer "E-Mail-Nachricht":  VwGH vom 29.01.2010, 2008/10/0251 mit Vorjudikatur;  OGH vom 29.11.2007, 2Ob108/07g

             

Eingebracht ist ein Schriftstück nur dann, wenn dieses bei der Behörde tatsächlich einlangt; siehe dazu ebenfalls VwGH vom 29.01.2010, 2008/10/0251 unter Verweis auf Hengstschläger-Leeb, AVG-Kommentar, RZ 111 zu § 63 AVG und die dort zitierte Judikatur.

 

Die Rechtsvertreterin des Bw hat keinen Beweis erbracht, dass die Stellungnahme vom 27.10.2010 tatsächlich bei der belangten Behörde eingelangt ist.

 

Der belangten Behörde war im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht bekannt, dass der Bw durch eine Rechtsanwältin vertreten ist. –  Das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde somit völlig zu Recht dem Bw persönlich zugestellt.

 

Am 24. Februar 2011 und am 23. März 2011 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher Frau Mag. MP, RA Büro Dr. EF in Linz (= Substitut für die Rechtsvertreterin des Bw) teilgenommen hat.

 

Stellungnahme der Rechtsvertreterin des Bw  (24.02.2011):

"Ich verweise auf meine schriftlichen Ausführungen in der Berufung und beantrage wie dort.

Weiters beantrage ich die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einvernahme des Arbeitsgebers."

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw betragen: 

ca. 1.000 Euro netto / Monat; kein Vermögen;

Sorgepflicht für Gattin (diese ist nur geringfügig beschäftigt) und 2 Kinder."

 

Stellungnahme des Verhandlungsleiters:

"Die Verhandlung wird betreffend die Anberaumung

einer Verkündungstagsatzung vertagt."

 

Stellungnahme der Rechtsvertreterin des Bw  (23.03.2011):

Ich verweise auf die bisherigen Vorbringen, insbesondere auf die Berufung vom 24.01.2011,  auf die  Stellungnahme  bei der mündlichen Verhandlung  am 24.02.2011 und auf die schriftliche Stellungnahme vom 17.03.2011.

 

Weiters verweise ich auf folgenden Umstand:

Frau Rechtsanwalt Dr. BW hat bereits mit Schriftsatz vom 27.10.2010 eine Stellungnahme abgegeben, welche per Fax an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck übermittelt wurde. Eine Sendebestätigung ist vorhanden.

Diese Stellungnahme ist im erstinstanzlichen Verfahrensakt nicht enthalten.

 

 

Feststellung des Verhandlungsleiters:

Die Stellungnahme der Frau Rechtsanwältin Dr. BW vom 27.10.2010

ist im erstinstanzlichen Verfahrensakt tatsächlich nicht enthalten.

 

Von der Rechtsvertreterin wurde eine Kopie dieser Stellungnahme bei der heutigen mVh (= 23.03.2011 – Anmerkung) dem UVS übergeben.

 

Betreffend den Schuldspruch ist festzustellen:

 

Der Bw beantragt (mVh vom 24.02.2011) "die Einvernahme des Arbeitgebers", ohne Angabe eines Beweisthemas.

 

Ordnungsgemäße Beweisanträge haben ua das Beweisthema anzugeben;

VwGH vom 02.09.2009, 2008/15/0057 mit Vorjudikatur; vom 20.04.2006, 2003/18/0009; vom 28.05.2008, 2006/15/0095; vom 27.08.2002, 99/10/0039; vom 18.02.2003, 2001/01/0455.

 

Für den UVS ist nicht erkennbar, zu welchem "Beweisthema" der Arbeitgeber des Bw hätte befragt werden sollen.

 

Dieser Beweisantrag des Bw wird daher abgewiesen.

 

Der Bw beantragt weiters ein Sachverständigengutachten und führt in der Stellungnahme vom 17.03.2011 dazu aus, dass

"Darüber hinaus ist die Auswertung offensichtlich nicht richtig erfolgt. Der Beschuldigte hat nur äußerst geringfügige und auch nicht in der angegebenen Häufigkeit Lenkzeitüberschreitungen begangen weswegen ausdrücklich nochmals die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt wird."

 

Ohne konkrete Behauptungen, worin

o       die Mangelhaftigkeit des digitalen Tachographen und/oder

      der Auswertungs-Software und/oder

o       die Unrichtigkeit der Auswertung gelegen sein soll,

ist der UVS nicht verpflichtet, einen - unzulässigen - Erkundungsbeweis

vorzunehmen;

VwGH v. 27.02.2007, 2007/02/0018 Vorjudikatur; v. 16.02.2007, 2006/02/0092; vom 11.08.2005, 2005/02/0193; vom 26.01.2007, 2006/02/0286;

vom 17.10.2007, 2006/07/0007.

 

Dieses Vorbringen des Bw enthält obendrein keine konkreten Anhaltspunkte und beschränkt sich auf bloße Vermutungen bzw. "Zweifel";

vgl. dazu VwGH v. 11.08.2006, 2005/02/0220 und v. 22.03.1999, 98/17/0178.

 

Eine (allfällige) Behauptung im Verwaltungsstrafverfahren - ohne konkreten Anhaltspunkt - das Ergebnis der Auswertung der elektronisch gespeicherten Daten des digitalen Tachographen durch eine Auswertungs-Software würde mit den tatsächlichen Lenk- und Ruhezeiten nicht übereinstimmen, verpflichtet den UVS ebenfalls nicht, einen diesbezüglichen Erkundungsbeweis aufzunehmen; VwGH vom 03.09.2003, 2001/03/0172 unter Verweis auf das Erkenntnis vom 27.05.1988, 87/18/0144.

 

Das von der Rechtsvertreterin des Bw beantragte Sachverständigengutachten hinsichtlich des digitalen Tachographen und/oder der Auswertungssoftware erweist sich ebenfalls als nicht zielführend;

vielmehr ist auch dieser Beweisantrag als auf einen Erkundungsbeweis gerichtet zu qualifizieren, zu dessen Aufnahme der UVS nicht verpflichtet ist/war;

VwGH vom 11.12.2002, 2001/03/0057.

 

Auch die allfällige Einholung eines Gutachtens über die Funktionsfähigkeit des digitalen Tachographen und/oder der Auswertungs-Software stellt – mangels konkreter Behauptungen über bestimmte Fehlerhaftigkeiten – einen unzulässigen Erkundungsbeweis dar;

VwGH vom 16.10.2002, 2002/03/0026.

 

Diese Beweisanträge werden daher abgewiesen.

 

Im erstinstanzlichen Verfahrensakt ist die detaillierte Auswertung der elektronisch gespeicherten Daten des digitalen Tachographen enthalten.

 

Die im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltenen Tatvorwürfe stimmen mit dieser elektronischen Auswertung exakt überein.

 

Die Berufung war daher betreffend den Schuldspruch als unbegründet abzuweisen.

 

Zur Strafbemessung ist festzustellen:

 

Die Rechtsvertreterin des Bw bringt in der Stellungnahme vom 17. März 2011 vor, sie vertrete laufend ca. 300 Berufskraftfahrer, denen gleichartige Verstöße vorgeworfen werden.

Die bisher verhängten Höchststrafen für Verstöße gleicher Art und Anzahl bei identen Einkommensverhältnissen waren nie höher als 700 Euro.

 

 

 

Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass in § 134 Abs.1b KFG idF KFG- Novelle, BGBl. I Nr. 94/2009 – in Kraft getreten am 01.01.2010 – Mindeststrafen festgesetzt wurden.

 

Die Einteilung dieser Mindeststrafen in drei Kategorien

erfolgt nach Verschuldensgraden:

-          sehr schwer(wiegend)er Verstoß   –   Mindest-Geldstrafe: 300 Euro

-          schwer(wiegend)er Verstoß          –   Mindest-Geldstrafe: 200 Euro

-          geringfügiger Verstoß                   –   keine Mindeststrafe.

 

Die Lenk- und Ruhezeiten sind Schutznormen, welche der

-          Gefahr des Lenkens von Schwerfahrzeugen in übermüdetem Zustand und

-          Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vor folgeschweren Unfällen

begegnen;  VwGH v. 27.02.2007, 2004/01/0046.

 

Die Tatbestände gelten als "fortgesetztes Delikt" – diesen liegt ein einheitlicher Gesamtplan bzw. ein einheitliches Gesamtkonzept zugrunde.

 

Pro Tatbestand sind daher nicht Einzelstrafen, sondern ist eine Gesamtstrafe

zu verhängen.

VwGH vom 12.09.2006, 2002/03/0034; vom 28.03.2003, 2002/02/0140;

          vom 28.06.2005, 2004/11/0028; vom 30.11.2007, 2007/02/0266.

 

Zu einem fortgesetzten Delikt können nur einzelne Verstöße gegen eine bestimmte Rechtsvorschrift zusammengefasst werden, nicht jedoch Verstöße gegen verschiedene Vorschriften;

VwGH vom 28.06.2005, 2004/11/0028 mit Vorjudikatur.

 

Es ist dadurch zu 1. und 6. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (jeweils tägliche Ruhezeit) eine Gesamtstrafe zu verhängen.  

Ebenso ist zu 2. und 5. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (jeweils tägliche Lenkzeit) eine Gesamtstrafe zu verhängen.

 

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw betragen:

ca. 1.000 Euro netto/Monat, kein Vermögen, Sorgepflicht für Gattin (diese ist nur geringfügig beschäftigt) und 2 Kinder.

 

Als mildernd wird die bisherige Unbescholtenheit des Bw gewertet.

Erschwerende Umstände liegen nicht vor.

 

Da die belangte Behörde – zu Gunsten des Bw –  § 20 VStG herangezogen hat, wird dieser auch vom UVS angewendet.

 

Im Einzelnen ist auszuführen:

 

Punkte 1. und 6.:

Bereits bei einer Ruhezeit von weniger als 7 Stunden beträgt gemäß Anhang III, D 6  die Mindest-Geldstrafe ..... 300 Euro.

 

Die Ruhezeit vom 20.06.2010, 23.21 Uhr bis 21.06.2010, 23.20 Uhr hat nur
04.36 Uhr Stunden betragen.

Allein für diese eklatante Unterschreitung der Ruhezeit wäre – ohne Anwendung des § 20 VStG – eine Geldstrafe von 500 Euro gerechtfertigt gewesen.

 

Zu Punkte 1. und 6. ist es daher gerade noch gerechtfertigt und vertretbar, die Geldstrafe auf insgesamt 500 Euro herabzusetzen.

 

Punkte 2. und 5.:

Ist eine tägliche Lenkzeit von 10 Stunden erlaubt, dann beträgt bei einer

-    Lenkzeit von mehr als 11 Stunden ..... die Mindest-Geldstrafe .... 200 Euro und

-    Lenkzeit von mehr als 12 Stunden ..... die Mindest-Geldstrafe .... 300 Euro.

 

Beim Bw hat die tägliche Lenkzeit

o        insgesamt drei Mal mehr als 11 Stunden und

o        ein Mal mehr als 12 Stunden

betragen.

 

Unter Anwendung des § 20 VStG ist es daher gerade noch gerechtfertigt und vertretbar, die Geldstrafe auf 500 Euro herabzusetzen.

 

Punkt 3.:

Der Bw hat zwei Mal die 2-wöchige Lenkzeit von höchstens 90 Stunden um jeweils etwas mehr als 5 Stunden überschritten.

Eine Geldstrafe von 100 Euro bedeutet rechnerisch: pro Stunde Überschreitung 10 Euro  und  somit ist als gerade noch vertretbare Untergrenze anzusehen.

 

Punkt 4.:

Die vom Bw eingehaltenen Ruhezeiten betragen:

21.06.2010 von 08.17 Uhr bis 14.51 Uhr: 13 + 20 + 15 + 15 Minuten;

30.06.2010 von 07.32 Uhr bis 14.57 Uhr: 36 + 11 + 17 Minuten;

05.07.2010 von 03.25 Uhr bis 11.47 Uhr: 20 + 15 + 15 + 24 + 27 Minuten.

 

Anmerkung:  Angeführt wurden nur Ruhezeiten von mehr als 10 Minuten.

 

 

Der Bw hat innerhalb eines Zeitraumes von 5 Stunden 15 Minuten zwar
nicht die erforderliche Ruhepause von 45 Minuten oder 15 + 30 Minuten eingehalten.

 

Die von ihm eingehaltenen Ruhezeiten betragen jedoch in Summe jeweils das vom Gesetz erforderliche Ausmaß.

 

Es ist daher gerechtfertigt und vertretbar, die Geldstrafe auf 100 Euro herabzusetzen.

 

Die verhängten Geldstrafen betragen

       zu 1. und 6. gesamt: 10 %

       zu 2. und 5. gesamt: 10 %

       zu 3. und 4.:    jeweils 2 %

der möglichen Höchststrafe nach § 134 Abs.1 KFG.

 

Betreffend die Strafbemessung wird auch noch auf das Erkenntnis des VwGH vom 29.04.2002, 2000/03/0103 verwiesen:

Über den do. Bf (ebenfalls ein LKW-Lenker) wurde wegen Unterschreitung
der Ruhezeiten eine Geldstrafe von ........................ 4.000 Schilling verhängt.

 

Zur Tatzeit (Februar 1998) hat die Höchststrafe – gemäß § 134 Abs.1 KFG
in der damals geltenden Fassung – .................. 30.000 Schilling betragen.

 

Der VwGH hat eine Geldstrafe von ca. 13,3 % der möglichen Höchststrafe als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Vergleichsweise dazu sind somit die zu

bemessenen Geldstrafen mit jeweils 10 % der möglichen Höchststrafe als milde zu bezeichnen.

 

Umrechnungsschlüssel" Geldstrafe – Ersatzfreiheitsstrafe:

Gemäß § 134 Abs.1 KFG beträgt die Höchststrafe

5.000 Euro  bzw.  sechs Wochen (= 1.000 Stunden – geringfügig abgerundet).

Dadurch ergibt sich der "Umrechnungsschlüssel"

von Geldstrafe zu Ersatzfreiheitsstrafe:  5 Euro = 1 Stunde.

 

 

 

Die Ersatzfreiheitsstrafen waren somit auf

zu 1. und 6. gesamt:        100 Stunden

zu 2. und 5. gesamt:        100 Stunden

zu 3.:                                20 Stunden und

zu 4.:                                20 Stunden

herab- bzw. festzusetzen.

 

Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Verfahrenskostenbeitrag I. Instanz 10 % der neu bemessenen Geldstrafen.  Gemäß § 65 VStG ist für das Verfahren vor dem . Verwaltungssenat kein Verfahrenskostenbeitrag zu entrichten.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 27.05.2011, Zl.: 2011/02/0144-3

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