Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281268/13/Wim/Bu

Linz, 30.03.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn Ing. X, vertreten durch X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 7.6.2010, GZ: 0045963/2009, wegen einer  Übertretung des Arbeitnehmer­Innen­schutzgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 20.12.2010, Recht erkannt:­

 

I.   Der Berufung wird insofern Folge gegeben, heißt die verhängte Geldstrafe auf 600 Euro, die  verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 14 Stunden herabgesetzt  werden.

 

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich 60 Euro. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II: §§ 64 u. 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber wegen Übertretung der §§ 130 Abs. 5 Z1, 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz iVm. § 48 Abs. 2 u. 7 Bauarbeiter­schutzverordnung eine Geldstrafe in der Höhe von 900 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden sowie ein 10%iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Der Beschuldigte, Herr Ing. X, geboren am X, wohnhaft: X, X, hat folgende Verwaltungsübertretung als gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der zur Vertretung nach außen Berufenen der Partnerfirmen der Arbeitsgemeinschaft X (X: X., X, X GmbH) für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf der Baustelle "X, X" (Dienstort X, X) zu vertreten:

 

Auf der Baustelle "X, X" hat am 2.7.2009 ein Arbeitnehmer der Partnerfirmen der o.a. X eine ca. 2,2 m tiefe ungesicherte Baugrube betreten. Der Böschungswinkel der ca. 3 m langen und 2 m breiten Baugrube betrug ca. 90°, obwohl kein leichter bzw. schwerer Fels vorhanden war. Verbaue waren in dem Bereich, in dem sich der Arbeitnehmer befand, nicht eingesetzt. Verfahren zur Bodenverfestigung wurden nicht angewendet. Der Arbeitnehmer war durch abrutschendes oder herabfallendes Material gefährdet.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit einer Berufung eingebracht, dem von der ersten Instanz Folge gegeben wurde.

 

In der Berufung führt der Berufungswerber zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass gemäß § 48 Abs. 7 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nur jene Baugruben abzusichern seien, die zu betreten seien und betreten würden. Im vorliegenden Fall sei aber gerade nicht vorgesehen gewesen, dass die Baugrube auf der konkreten Baustelle von Mitarbeitern betreten werde. Das dies entgegen einer ausdrücklichen Arbeitsanweisung trotzdem erfolgt sei, sei für den Beschuldigten weder vorhersehbar noch verhinderbar gewesen. Die Erstbehörde habe nicht festgestellt, dass den Arbeitnehmern der Zutritt zur Baugrube untersagt gewesen sei, sodass auch deshalb die Entscheidung mangelhaft wäre. Den Berufungswerber treffe an der Verletzung von Verwaltungsvorschriften kein Verschulden. Es könne nur die Einhaltung von Vorschriften regelmäßig kontrolliert werden und ein entsprechendes Kontrollsystem im Sinne der Judikatur von Arbeitgebern aufgebaut werden. Allerdings könne einem Arbeitgeber nicht zur Last gelegt werden, wenn entgegen einem ausdrücklichen Verbot trotzdem ein Arbeitnehmer eine Eigenmächtigkeit entfaltet, die ihm untersagt sei. Es wurde daher beantragt, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafverfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.12.2010, bei welcher neben dem Berufungswerber als Zeugen der verunfallte Arbeitnehmer, der anzeigende Arbeitsinspektor sowie der für die Baustelle zuständige Polier einvernommen wurden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht vom folgenden entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Berufungswerber ist ordnungsgemäß bestellter verantwortlich Beauftragter der zur Vertretung nach außen Berufenen der Partnerfirma in der Arbeitsgemeinschaft X (X GmbH, X, X GmbH) für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf der Baustelle X, X.

 

Am Unfallstag, dem 2.7.2009 war der Arbeitnehmer Herr X damit beschäftigt, ein Fundament für einen Oberleitungsmasten auf der Bahnstrecke zu errichten. Dazu wurde zunächst eine Baugrube mittels eines Baggers im Ausmaß von 3 x 2m und einer Tiefe von ca. 2,2m mit einem Böschungswinkel von ca. 90°, obwohl kein leichter bzw. schwerer Fels vorhanden war, ausgehoben. Anschließend wurden von Herrn X auf die Sohle der Baugrube einige Kanthölzer hineingeworfen und dann mittels Bagger ein metallener Köcher, das ist eine Vorrichtung für das Ausbetonieren dieser Mastfundamente, hineingestellt. Daraufhin hat sich Herr X mittels einer Leiter in die Baugrube begeben, um den Köcher noch genauer zu justieren. In Folge eines teilweisen Einfalls dieser Grube wurde Herr X zwischen Bodenmaterial und Köcher eingezwängt und hat sich dabei erheblich verletzt, sodass er ca. 8 Monate im Krankenstand war.

 

Für die Errichtung dieses Fundamentes wurde vom Berufungswerber gemeinsam mit dem Polier unter Beteiligung des Arbeiters Herrn X eine Vorgehensweise erarbeitet, wie vorgegangen werden soll. Dazu war zunächst vorgesehen, dass die Baugrube größtenteils zugeschalt wird, dann auf dem Boden der Baugrube ein fester Beton eingebracht wird und hierauf der Köcher mittels des Baggers eingestellt wird und dieser dann nur von oben genau justiert und eingerichtet wird. Ein Betreten der Baugrube war bei diesem Arbeitsablauf nicht vorgesehen. Dieser Arbeitsablauf wurde zunächst nur mündlich so festgelegt. Erst nach dem Arbeitsunfall wurde dies auch schriftlich festgehalten. Der verletzte Arbeitnehmer war schon annähernd acht Jahre bei der Firma X als Betonierer beschäftigt. Er hat auch schon vor dem konkreten Arbeitsunfall mehre dieser Mastfundamente errichtet.

 

Ca. 20 Minuten vor dem Unfall hat der Arbeitnehmer bei der Baugrube noch mit dem Polier gesprochen. Zum Zeitpunkt dieses Besuches war die offene Baugrube noch ohne Verschalung.

Auch der Berufungswerber hat die Baustelle laufend besucht und überwacht und wurden auch entsprechende Protokolle darüber vorgelegt. Weiters gab es auch noch einen externen Sicherheitsbeauftragten, einen Baustellenkoordinator und eine Bauüberwachung seitens der ÖBB. Der verletzte Arbeitnehmer wurde auch vor Beginn seiner Arbeiten auf der Baustelle schriftlich belehrt.

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den praktisch überein­stimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen und des Berufungswerbers. Auch bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sich praktisch niemand erklären einschließlich des verletzten Arbeitnehmers, warum er trotz anderer Anweisungen in die Baugrube gestiegen ist.

 

Ob beim Besuch des Poliers nochmals ausdrücklich davon gesprochen wurde, dass die Baugrube nicht betreten werden darf, konnte nicht festgestellt werden.

 

Der Berufungswerber hat Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Um Wiederholungen zu vermeiden kann zunächst auf die rechtlichen Ausführungen der Erstbehörde verwiesen werden.

 

Gemäß § 48 Abs. 7 BauV dürfen Baugruben und Künetten nur betreten werden, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 (Abböschungen, Verbaue oder Bodenverfestigung) durchgeführt sind. Die Geldstrafe bei Übertretung beträgt gemäß § 130 Abs. 5 Z1 145 bis 7260 Euro im Wiederholungsfalle 290 bis 14.530 Euro.

 

4.2. Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung ist durch das durchgeführte Beweisverfahren erwiesen und wurde auch durch den Berufungs­werber nicht in Abrede gestellt.

 

Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne Weiters anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an einer Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Um ein Verschulden auszuschließen, muss der Berufungswerber ein entsprechend wirksames Kontrollsystem eingerichtet haben. Dazu hat der initiativ von sich aus darzulegen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, sondern entscheidend ist deren wirksame Kontrolle.

 

Im konkreten Baustellenbetrieb gab es durchaus Kontrolleinrichtungen in der Form als hier laufend Baustellenkontrollen durchgeführt wurden, sowohl durch den Berufungswerber als auch durch den Polier. Weiters gab es auch noch einen externen Sicherheitsbeauftragten, einen Baustellenkoordinator und eine Bauüberwachung seitens der ÖBB. Der verletzte Arbeitnehmer wurde auch vor Beginn seiner Arbeiten auf der Baustelle schriftlich belehrt. Es gab auch eine aber nur mündliche vereinbarte Arbeitsanweisung, die ein Betreten der Baugrube nicht notwendig gemacht hätte. Warum der Berufungswerber entgegen dieser Arbeitsanweisung die Baugrube dennoch zu betreten hat, konnte er sich auch selbst nicht erklären.

Sämtliche Ausformungen des Kontrollsystems wären aber dazu da gewesen, um eben gerade diese Zuwiderhandlung zu verhindern. Sie haben aber offenbar nicht ausgereicht, um den Berufungswerber von seiner konkreten Tätigkeit abzuhalten. Für den letzten Baustellenbesuch des Poliers in etwa 20 Minuten vor dem Unfall konnte nicht mehr festgestellt werden, dass hier nochmals ausdrücklich auf das Verbot des Betretens der Baugrube hingewiesen worden wäre. Dies wäre insofern aber zu erwarten gewesen, als nach Aussagen des Poliers und auch des verletzten Arbeitnehmers zum Zeitpunkt dieses Besuches die offene Baugrube ohne vorhandene Verschalung angetroffen wurde. Angesichts der äußerst strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Kontrollsystem muss auch die konkrete Ausformung desselben als nicht ausreichend angesehen werden.

 

Die konkreten Umstände lassen zwar das Verschulden des Berufungswerbers nicht als besonders groß erscheinen, von einem bloß geringfügigen Verschulden in Form eines Versehens kann jedoch nicht gesprochen werden. Dem Einwand, wonach gemäß § 48 BauV ein Verschalen der Baustelle nur dann vorgeschrieben ist, wenn diese nicht betreten wird, ist entgegenzuhalten, dass ja im konkreten Fall die Baustelle betreten wurde, entgegen der Vorschrift des § 48 Abs. 7 und daher in diesem Fall der Tatvorwurf sich auf diesen Umstand bezogen hat, sodass diesem Einwand keine besondere Relevanz zukommt.

 

Der Berufungswerber ist daher auch in subjektiver Hinsicht für die Übertretung verantwortlich.

 

4.3. Zur Strafbemessung ist zunächst davon auszugehen, dass diese grundsätzlich im Sinne § 19 Abs. 1 VStG von der Erstbehörde vorgenommen wurde. Es kann dazu auch zunächst auf die Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung dazu verwiesen werden. Angesichts der Schwere der Verletzung war somit die verhängte Strafe grundsätzlich gerechtfertigt. Bei den persönlichen Verhältnissen hat die Erstbehörde jedoch mangels Angaben des Berufungswerbers nicht berücksichtigen können, dass dieser sorgepflichtig für zwei minderjährige Kinder ist. Auch der Umstand eines doch eher geringen Verschuldens rechtfertigt hier gemeinsam mit den Sorgepflichten die vorgenommene Reduktion der Strafe, die nunmehr als schuld- und tat­angemessen anzusehen ist.

 

Durch die Strafreduktion ermäßigt sich auch der erstinstanzliche Verfahrens­kostenbeitrag und entfällt ein gesonderter Beitrag zum Berufungsverfahren.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Beilage

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

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