Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281295/15/Kl/Pe

Linz, 30.03.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4.1.2011, Ge96-2546-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 16.3.2011 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuld keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Hinsichtlich des Strafausmaßes wird der Berufung stattgegeben und die verhängte Geldstrafe auf 700 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe auf 40 Stunden herabgesetzt. Die Verwaltungsstrafnorm hat zu lauten: § 130 Abs.1 Einleitung ASchG“.

 

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 70 Euro; zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 und 65 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4.1.2011, Ge96-2546-2010, wurde über Berufungswerber (in der Folge Bw) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG iVm § 21 Abs.1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Organ der x GmbH mit Sitz in x, xstraße x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des ASchG iVm der AM-VO eingehalten werden.

Auf Grund der am 29.7.2010 durch x vom Arbeitsinspektorat Vöcklabruck durchgeführten Unfallerhebung in der Arbeitsstätte x GmbH, x, xstraße x, wurde festgestellt, dass der Arbeitnehmer, Herr x, geb. x, am 21.7.2010 um ca. 13.50 Uhr im Versandbereich auf dem Gabelzinken einer Hubameise ca. 3 m hochgehoben wurde, obwohl für das Heben von ArbeitnehmerInnen nur dafür geeignete Arbeitsmittel benutzt werden dürfen. Dazu gehören insbesondere Hubarbeitsbühnen, Mastkletterbühnen, Fassadenbefahrgeräte, Hängebühnen, Hebeeinrichtungen von Bühnen und vergleichbare Arbeitsmittel. Auf Arbeitsmittel, die zum Heben von Lasten bestimmt sind, dürfen ArbeitnehmerInnen nur befördert werden, wenn sie über gesicherte Einrichtungen zur Personenbeförderung verfügen, insbesondere Arbeitskörbe.

Beim Absenken des Hubgerüstes hielt sich Herr x, der auf der Gabelzinke stand, mit der linken Hand an einer Querstange des Hubgerüstes fest, wodurch seine Hand zwischen dieser Querstange und der fest stehenden Gabelbrücke eingeklemmt und verletzt wurde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Betrieb ein Steiger (Hubarbeitsbühne) als zulässiges Arbeitsgerät im Betrieb vorhanden gewesen sei, ein entsprechendes Piktogramm an der ungeeigneten Hubameise angebracht gewesen sei und es sich bisher um ein einmaliges und nicht vorhersehbares Verhalten des Arbeitnehmers gehandelt hätte. Selbst bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten sei der Vorfall nicht zu verhindern gewesen. Es habe sich um eine besonders krasse Selbst- und Fremdgefährdung der zwei handelnden Personen gehandelt. Es könne dem Bw keine Fahrlässigkeitsschuld beigemessen werden. Auch sei bei der Bestrafung auf Grund von § 21 VStG auf – wenn schon – geringfügiges Verschulden Bedacht zu nehmen und seien die Folgen unbedeutend. Auch sei die Unbescholtenheit des Einschreiters zu berücksichtigen. Die Geldstrafe von 1.000 Euro sei unangemessen hoch.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.3.2011, zu welcher der Bw und sein Rechtsvertreter sowie das zuständige Arbeitsinspektorat geladen wurden und erschienen sind. Die belangte Behörde wurde ebenfalls geladen, sie hat aber an der Verhandlung nicht teilgenommen. Das zuständige Arbeitsinspektorat Vöcklabruck hat durch AI x nach dessen Zeugeneinvernahme als Partei teilgenommen Weiters wurden die Zeugen x, x und x geladen und einvernommen. Es wurden vom Arbeitsinspektorat Lichtbilder mit der Nr. 1 bis 3 der Lichtbildbeilage des Polizeiberichtes vom 21.7.2010 vorgelegt und zum Akt genommen. Auch vom Zeugen x wurde ein Foto der verwendeten Hubameise sowie des in der Firma befindlichen Steigers vorgelegt und zum Akt genommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw war zum Tatzeitpunkt 21.7.2010 handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Er ist mit Ende August 2010 ausgeschieden und seit diesem Zeitpunkt arbeitslos. Er bezieht Arbeitslosengeld von 1.300 Euro monatlich und er ist sorgepflichtig für ein Kind. Der Bw war zum Tatzeitpunkt Gesamtgeschäftsführer und er kam ein- bis zweimal täglich durch den Betrieb. Dabei kontrollierte er auch Auffälligkeiten und stellte Mängel ab. Der Betrieb hatte ca. 100 bis 120 Mitarbeiter, direkt im Produktionsbereich waren ca. 60 Mitarbeiter. Der Verwaltungstrakt befindet sich am Ende der Halle.

Der Arbeitnehmer x ist seit 28 Jahren im Betrieb, zunächst als Schlosser, dann bei den Fräsmaschinen, ca. 10 Jahre auf Montage und seit 2004 in der Arbeitsvorbereitung. Diese befindet sich direkt über dem Büro des Produktionsleiters. Der Arbeitnehmer ist zuständig für die Bestellung und Versendung von Ersatzteilen sowie für die rechtzeitige Verschickung der Ersatzteile. Weil am 21.7.2010 ein Ersatzteil zu Mittag fertig wurde und noch am selben Nachmittag versendet werden sollte, hat der Arbeitnehmer nach einer geeigneten Kiste als Verpackung gesucht. Zu diesem Zweck hat er das Lager, welches in unmittelbarer Nähe des Büros des Produktionsleiters gelegen ist, betreten und er hat eine passende Kiste in ca. 2 m Höhe im Lager vorgefunden. Diese befand sich allerdings nicht auf einer Palette, sondern stand diese direkt auf dem Regal. Um diese Kiste herunterzuholen, ersuchte er den Mitarbeiter x ihn mit der im Lagerraum befindlichen Hubameise auf der Gabel hinaufzuheben. Der Arbeitnehmer hob sodann die Kiste auf die Gabel herunter und er hielt sich beim Herunterfahren mit der linken Hand am Bügel bzw. Hubgerüst fest, wobei er die Scherstelle nicht gesehen hat. Er hat sich dann die Finger der linken Hand zwischen Hubgerüst und Fahrgerüst gequetscht. Einen Aufkleber bzw. ein Schild auf der Hubameise, dass diese nicht zur Personenbeförderung verwendet werden darf, hat der Arbeitnehmer zum Unfallszeitpunkt nicht gesehen, sondern erst später. Allerdings war dem Arbeitnehmer bekannt, dass man nicht auf die Staplergabeln steigen soll und das Gerät nicht zur Personenbeförderung dient. Der Arbeitnehmer hat auch einen Stapler- und Kranschein. Im Lagerbereich ist er in der Regel nicht tätig. Dort ist der Magazineur tätig, der zum Unfallszeitpunkt aber nicht anwesend war. Ein geeigneter Hubsteiger ist im Produktionsbereich auf einen gekennzeichneten Platz vorhanden, der Schlüssel muss vom Produktionsleiter abgeholt werden. Mit diesem Steiger dürfen nur Personen fahren, die den entsprechenden Schein haben und eine entsprechende Unterweisung. Dazu gehört der Arbeitnehmer x nicht. Das Herbeiholen des Steigers und Manipulieren zum Regalplatz hätte aber ca. eine Stunde gedauert. Darüber hinaus ist das Lager sehr eng. Eine Manipulation des Steigers ist daher sehr schwierig.

Der Arbeitnehmer x ist unmittelbar dem Gruppenleiter für Arbeitsvorbereitung, Herrn x, unterstellt, er untersteht dem Produktionsleiter x. Der Produktionsleiter kommt nur selten in den Bereich der Arbeitsvorbereitung. Auch der Bw kommt nur selten zur Arbeitsvorbereitung. Zuständig für die Arbeitssicherheit im Produktionsbereich ist der Produktionsleiter x, nämlich für den täglichen Ablauf und die Einhaltung der Anweisungen. Die Verantwortlichkeit erstreckt sich auch auf die Arbeitsvorbereitung. Als Produktionsleiter hat er darauf zu achten, dass die angeforderten Teile rechtzeitig gefertigt werden. Er ist auch für die Arbeitszeit und Arbeitseinteilung der Arbeitnehmer im Produktionsbereich zuständig. Der Produktionsleiter ist seit April 2009 als solcher verantwortlich. Wenn Personen unerlaubter Wiese mit der Hubameise arbeiten, werden sie wieder unterwiesen, dass sie nicht mit diesem Gerät arbeiten dürfen.

 

Auf der Hubameise befinden sich links und rechts seitlich am Gestänge und auf der Gabelseite Piktogramme, wonach die Beförderung von Personen verboten ist. Die Hubameise darf zulässigerweise nur vom Magazineur betätigt werden. Andere Personen sind auch unterwiesen, dass sie die Hubameise nicht verwenden dürfen.

Neben dem Produktionsleiter sind auch die Meister für die Arbeitssicherheit zuständig. Der Produktionsleiter hat die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft und ist auch Lehrlingsausbilder. Im Jahr 2010 war aber die Sicherheitsfachkraft an eine Firma vergeben worden. Es gibt im Betrieb alle sechs Monate eine Arbeitssicherheitsausschusssitzung, an der der Geschäftsführer, der Personalleiter, der Produktionsleiter, die Sicherheitsfachkraft, der Arbeitsmediziner, der Lehrlingsausbilder und ein Betriebsrat teilnehmen.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich insbesondere auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen, die vorgelegten Fotos und die Anzeige. Danach ist erwiesen, dass der Arbeitnehmer x ein nicht für die Personenbeförderung geeignetes und zugelassenes Arbeitsmittel zum Hochheben zum Regal verwendete. An der Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen bestehen keine Zweifel, die Aussagen können der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Im Übrigen ergeben sich dadurch auch keine Widersprüche zu den Ausführungen des Bw.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 21 Abs.1 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO, BGBl. II Nr. 164/2000 idF BGBl. II Nr. 21/2010, dürfen für das Heben von ArbeitnehmerInnen nur dafür geeignete Arbeitsmittel benutzt werden. Dazu gehören insbesondere Hubarbeitsbühnen, Mastkletterbühnen, Fassadenbefahrgeräte, Hängebühnen, Hebeeinrichtungen von Bühnen und vergleichbare Arbeitsmittel. Auf Arbeitsmitteln, die zum Heben von Lasten bestimmt sind, dürfen ArbeitnehmerInnen nur befördert werden, wenn sie über gesicherte Einrichtungen zur Personenbeförderung verfügen, insbesondere Arbeitskörbe.

 

Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist daher erwiesen, dass vom Arbeitnehmer x am 21.7.2010 in der Betriebsstätte der x GmbH eine Hubameise zum Hochheben verwendet wurde, indem sich der Arbeitnehmer auf den Gabelzinken stellte, ca. 3 m hochgehoben wurde, um von dort eine Kiste, welche sich nicht auf einer Palette befand, herunterzuholen. Es wurde daher ein Arbeitsmittel, das nur zum Heben von Lasten, nicht zum Befördern von Personen verwendet werden darf, benutzt, ohne dass gesicherte Einrichtungen zur Personenbeförderung vorhanden waren. Es wurde daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

Der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH hat die Übertretung verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten.

 

5.2. Wenn hingegen der Bw mangelndes Verschulden geltend macht, weil er von dem Verhalten des Bw nichts gewusst hätte, die verwendete Hubameise auch entsprechend gekennzeichnet gewesen sei und der Arbeitnehmer üblicherweise nicht im Lager tätig gewesen sei, so kann dieses Vorbringen den Bw nicht entlasten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reicht es nicht aus, dass der Arbeitnehmer in der Arbeitsvorbereitung tätig ist und in der Regel im Lager keine Arbeiten durchführt. Es reicht auch nicht aus, dass die Hubameise einen Aufkleber aufweist, der die Personenbeförderung verbietet. Insbesondere reicht es aber auch nicht aus, dass zwar der Produktionsleiter in der Produktionshalle anwesend ist, tatsächlich aber nicht die einzelnen Arbeitnehmer konkret bei ihren Arbeitsvorgängen kontrolliert. So hat das Beweisverfahren gezeigt, dass der Produktionsleiter in die Arbeitsvorbereitung, in der der Arbeitnehmer arbeitet, nur gelegentlich bis gar nicht kommt und dort nicht kontrolliert. Auch der Bw kommt nie in den Bereich des beschäftigten Arbeitnehmers. Es wird daher eine lückenlose Kontrolle nicht durchgeführt. Gerade auf Grund dieses Umstandes war es daher möglich, dass der Arbeitnehmer auf Grund der Dringlichkeit der durchzuführenden Arbeit, nämlich die Versendung des Ersatzteiles, selber nach einem Verpackungsmaterial suchte, zu diesem Zweck das Lager aufsuchte, der Magazineur nicht anwesend war und daher der Arbeitnehmer selbst im Lager die passende Kiste aus den Regalen herunterholte. Zu diesem Zweck sagte er seinem Mitarbeiter, er solle ihn mit der Hubameise hinaufheben. Gerade auf Grund der mangelnden oder nicht durchgeführten Kontrolle war diese Vorgangsweise möglich. Auch hat das Beweisverfahren gezeigt, dass zwar ein geeigneter Stapler bzw. Steiger vorhanden war, dass dieser aber an einem anderen Ort in der Halle stationiert ist und daher seine Herbeischaffung und Positionierung im Lager eher sehr zeitaufwändig wäre und daher auf diesen Steiger verzichtet wurde. Auch dies zeigt, dass ein entsprechendes lückenloses Kontrollnetz, dass auch die entsprechenden Arbeitsmittel für die jeweiligen Tätigkeiten verwendet werden, nicht vorliegt. Darüber hinaus waren aber auch keine Maßnahmen getroffen bzw. vorgebracht, die gewährleisten sollen, dass die Arbeitnehmerschutzvorschriften auch tatsächlich eingehalten werden, also im konkreten Fall, dass die Hubameise nur zum Heben von Lasten und nicht auch zur Beförderung von Personen verwendet wird. Solche Maßnahmen zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften wurden vom Bw nicht vorgebracht und nicht unter Beweis gestellt. Hingegen reicht die Erteilung von Weisungen und allgemeine Schulungen nicht für ein wirksames Kontrollsystem aus. Vielmehr ist auch die Einhaltung der Weisungen zu kontrollieren bzw. sind Maßnahmen zu treffen, die die Einhaltung der Weisungen und Anordnungen garantieren. Es hat daher der Verwaltungsgerichtshof z.B. auch in seinem Erkenntnis vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097, unter Hinweis auf die Vorjudikatur dargelegt, dass eben auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen Vorsorge hätte getroffen werden müssen. Vielmehr ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems u.a. erforderlich aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitzte der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Das weitere Vorbringen des Bw, dass auch ein rechtmäßiges Alternativverhalten den Vorfall nicht hätte verhindern können, kann den Bw nicht entlasten. Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass der Kausalzusammenhang des Unfalles nicht zu prüfen ist und nicht für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlich ist. Vielmehr ist auch ohne Unfall die Nichteinhaltung als bloßes Ungehorsamsdelikt verwaltungsstrafrechtlich strafbar. Schon deshalb kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (VwGH vom 5.8.2008, Zl. 2008/02/0127-9).

 

Es war daher auch vom Verschulden, nämlich zumindest von sorgfaltswidrigem Handeln des Bw auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat gemäß den Angaben des Bw Einkommensverhältnisse von einem monatlichen Arbeitslosengeld in der Höhe von 1.370 Euro zugrunde gelegt und strafmildernd die Unbescholtenheit des Bw gewertet. Gemäß seinen Angaben ist der Bw sorgepflichtig für ein Kind. Dies war bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Auf Grund der unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse und der Sorgepflicht für ein Kind war daher die verhängte Geldstrafe spruchgemäß herabzusetzen. Gemäß § 16 VStG war auch die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend zu mindern. Die nunmehr verhängte Geldstrafe war aber im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat erforderlich. Insbesondere war zu werten, dass die Sorgfaltspflicht bzw. der Schutzzweck der Norm, nämlich der Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer, in erheblichem Maße verletzt wurde. Auch hat die Übertretung konkrete nachteilige Folgen, zumal der Arbeitnehmer verunfallt ist. Es war daher die verhängte Geldstrafe angemessen. Sie ist auch im Hinblick auf das Verschulden gerechtfertigt. Sie ist auch den persönlichen Verhältnissen des Bw angepasst. Hingegen war auch zu berücksichtigen, dass der Bw seine Tätigkeit als Geschäftsführer beendet hat und daher eine Wiederholungsgefahr nicht besteht und daher spezialpräventive Gründe nicht zum Tragen kommen.

Hingegen liegen erheblich überwiegende Milderungsgründe nicht vor, sodass nicht mit einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG vorzugehen war. Auch war nicht Geringfügigkeit des Verschuldens anzunehmen, weil das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher auch nicht vom Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG Gebrauch zu machen.

 

Die Berichtigung der Strafnorm ist in den gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

6. Weil die Berufung zumindest hinsichtlich des Strafausmaßes Erfolg hatte, ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz gemäß § 64 VStG auf 70 Euro, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat sind keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem, Kausalzusammenhang des Unfalles nicht relevant

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 27.05.2011, Zl.: 2011/02/0159-3

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