Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281291/2/Kl/Pe

Linz, 19.04.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwälte x, xstraße x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7.12.2010, Ge96-68-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 9, 27, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 7.12.2010, Ge96-68-2010, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) Geldstrafen von je 1.000 Euro in drei Fällen, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je fünf Tagen in drei Fällen, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 26 Abs.1 Z1, 2) § 26 Abs.1 Z2 und 3) § 26 Abs.2 der Grenzwerteverordnung 2007 verhängt, weil er als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG der x GmbH zu verantworten hat, dass wie im Zuge einer Überprüfung der Baustelle „Sanierung der Hauptschule x“ in x, xstraße x, durch ein Organ des Arbeitsinspektorates x am 13.7.2010 festgestellt wurde,

1)  auf vorgenannter Baustelle von den Arbeitnehmern der x GmbH ein Dach mit Dachplatten als Asbestzement entfernt, ohne dass die Arbeitsbereiche entsprechend gereinigt wurden. Nach Angaben des Baustellenpoliers der x GmbH wurden die Demontagearbeiten am Samstag, den 10.7.2010 durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle am 13.7.2010 wurden noch größere Arbeitsbereiche ungereinigt vorgefunden. Vor allem entlang der Außenmauern des Gebäudes lagen noch größere Mengen von zerbrochenen Asbestzementplatten. Jedenfalls lagen noch drei Tage später die zerbrochenen Asbestzementplatten auf der Baustelle, sodass von einer regelmäßigen Reinigung, welche zumindest nach Abschluss der Abbrucharbeiten eines Gebäudeteiles zu erfolgen hat, nicht durchgeführt wurde.

2)  Auf vorgenannter Baustelle haben die Verantwortlichen der x GmbH ein Dach mit Dachplatten aus Asbestzement entfernt und nicht dafür gesorgt, dass sämtliche asbesthältigen Abfälle in geeigneten geschlossenen Behältnissen aufbewahrt werden. Die Demontagearbeiten des Daches wurden am Samstag, den 10.7.2010 durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle am 13.7.2010 wurden noch größere Mengen von zerbrochenen Asbestzementplatten entlang der Außenmauern vorgefunden, welche nicht entsprechend verwahrt wurden.

3)  Auf vorgenannter Baustelle wurden die Arbeitsverfahren nicht so gestaltet, dass kein Asbeststaub entsteht und die Freisetzung von Asbeststaub in die Luft soweit als möglich vermieden wird. Die Bauteile aus Asbestzement wurden nicht zerstörungsfrei demontiert. Jedenfalls lagen zum Zeitpunkt der Kontrolle größere Mengen von zerbrochenen Asbestzementplatten auf der Baustelle. Es ist nicht anzunehmen, dass nahezu alle Asbestzementplatten, mit denen die Giebelwand verkleidet war, zerbrechen. Dies ist jedenfalls auf den Fotos ersichtlich. Wie auf einem weiteren Foto ersichtlich ist, wurde offensichtlich die Holzkonstruktion des Daches mit den Asbestzementplatten demontiert, ohne wie üblich die Asbestzementplatten vor Demontage der Holzkonstruktion vorsichtig zu entfernen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass vor Beginn der Abtragungsarbeiten ordnungsgemäß ein Abbauplan erstellt worden sei und darüber hinaus sämtliche Mitarbeiter über den richtigen Umgang mit den Asbestzementplatten unterwiesen worden seien. Darüber hinaus erfolgten allgemeine Unterweisungen der Arbeitnehmer für alle am Bau beschäftigten Dienstnehmer vor Inangriffnahme der Arbeiten. Schutzausrüstungen wurden zur Verfügung gestellt und hätte der Bw sämtliche Mitarbeiter wiederholt klar angewiesen, die Schutzausrüstungen in Form von Arbeitsanzügen und Schutzmasken zu verwenden. Auch wurde Weisung erteilt, die Platten möglichst schonend zu entfernen und die gelösten Einzelplatten in Containern zu entsorgen. Aufgrund des hohen Alters der Welleternitplatten seien diese äußerst brüchig gewesen und habe sich während der Abtragungsarbeiten das Problem ergeben, dass diese Platten beim Ablösen von der Unterkonstruktion brachen. Es sei daher die Methode zum Abtragen der Platten geändert worden, dass Verkleidungskonstruktionen der Traufen und Giebelwände in ganzen Teilstücken gemeinsam mit der Holzunterkonstruktion herausgehoben wurden und auf Bodenniveau die Platten von der Unterkonstruktion gelöst wurden. Wie sich in weiterer Folge herausstellte, war aber diese Methode insofern problembehaftet, als durch Holzverspannungen der herausgelösten Dachstuhlteile sich Platten selbständig vom Untergrund lösten. Die Mitarbeiter seien stets angewiesen gewesen, einerseits die Asbestplatten vorsichtig und möglichst ohne Bruch zu lösen und diese – samt unvermeidbarem Bruch – fachgerecht im Container zu entsorgen. Die Einhaltung dieser Entsorgung sei durch den Bw dergestalt gewährleistet worden, dass dieser regelmäßige Kontrollen durchführte und bei Beanstandungen Verwarnungen aussprach und sogar Baustellenverweise androhte. Während seines Urlaubes vom 2. bis 8.8.2010 habe der Bw seine verlässlichen und langjährigen Vorarbeiter und Poliere x und x mit der Aufgabe der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften und der Grenzwerteverordnung betraut und diese entsprechend ihren Aufgaben unterwiesen. Es könne daher der Vorwurf der Behörde, dass eine ungeeignete Entsorgungsmethode angewendet wurde, gegenständlich nicht zutreffen. Da die Abtragungsarbeiten am Wochenende erfolgten, hätten die Platten nur kurzfristig am Boden gelegen. Ein bruchfreies Abtragen der Eternitplatten sei technisch nicht möglich gewesen, sodass ein rechtmäßiges Alternativverhalten ausscheide. Eine Überschreitung von Grenzwerten habe mangels Messungen und Berechnungen nicht objektiv festgestellt werden können. Auch sei ein Verschulden nicht gegeben, weil entsprechende Unterweisungen und Anweisungen durch den Bw erfolgt seien und Verwarnungen und Baustellenverweise auch angedroht worden seien. Darüber hinaus hätte die Behörde jedenfalls nach §§ 20 oder 21 VStG vorgehen müssen, da lediglich ein geringfügiges Verschulden vorliege. Auch sei es zu keinen Verletzungen von Personen gekommen. Im Übrigen sei der mildernde Umstand der bisherigen Unbescholtenheit des Bw nicht berücksichtigt worden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des „Ortes der Begehung“ muss die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat. Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Es wird daher als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1423ff mit Judikaturnachweisen).

 

Laut Firmenbuchauszug hat die x GmbH ihren Sitz in x, x. Auch für den Bw, der mit Zustimmungsnachweis vom 10.6.2010 zum verantwortlichen Beauftragten für die Baustelle „Sanierung Hauptschule x, Baumeisterarbeiten“ bestellt ist, ist als Dienstort x, x, ausgewiesen. Es ist daher zweifelsfrei der Sitz der Gesellschaft als Tatort anzusehen. In diesem Sinne hat auch die belangte Behörde ihre Zuständigkeit wahrgenommen.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Wie die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.9.2010 als erste Verfolgungshandlung enthält auch das nunmehr angefochtene Straferkenntnis im Tatvorwurf keine Bezeichnung des Unternehmenssitzes der x GmbH bzw. des Dienstortes des Bw als verantwortlicher Beauftragter. Es fehlt daher im gesamten Tatvorwurf die Umschreibung des Tatortes. Dies ist ein wesentliches objektives Tatbestandselement. Weil bereits die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist eingetreten ist, war eine entsprechende Korrektur des Straferkenntnisses nicht möglich. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

Ergänzend ist auszuführen, dass die Nennung der Baustelle als örtliche Umschreibung zwar im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einen wesentlichen Sachverhalt bei der Tatumschreibung darstellt, die Baustelle aber nicht den Tatort bei Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes darstellt.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Tatort, Unternehmenssitz, Tatkonkretisierung

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 22.02.2013, Zl.: 2011/02/0215-6 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum