Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281307/16/Kl/Pe

Linz, 07.04.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x Straße x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 14.2.2011, Ge96-27-4-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 23.3.2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag von 400 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 14.2.2011, Ge96-27-4-2010, wurde über den Berufungsweber (im Folgenden Bw) eine Geldstrafe von 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 93 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ASchG iVm § 83 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG 1991 Verantwortlicher der x GmbH mit Sitz in x, x Straße x zu verantworten hat:

Am 9.8.2010 gegen 7.35 Uhr führte der Arbeitnehmer der x GmbH, Herr x, auf der Baustelle: Dachsanierung Wohnhaus x in x, xstraße x, Dacharbeiten an dem Gebäude mit einer Traufenhöhe von ca. 5,5 m an der Absturzstelle und einer Dachneigung von ca. 35°, ohne entsprechende Schutzeinrichtungen (Schutzgerüst, Sicherheitsgeschirr, etc.), aus, sodass er abstürzte und gravierend verletzt wurde. Dies obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88 BauV). Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Wenn Arbeiten auf Dächern gleichzeitig oder aufeinanderfolgend sowohl an der Dachfläche als auch an der Traufe durchgeführt werden, müssen solche Schutzreinrichtungen verwendet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche als auch für die Arbeiten an der Traufe wirksam sind (§ 87 Abs.3 BauV).

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin im Wesentlichen dargelegt, dass der Bw erst am 9.8.2010 um ca. 8.00 Uhr durch einen Anruf von Herrn x von der Baustelle x in x Kenntnis erlangte und vom Unfall des Herrn x erfuhr. Dies sei das erste Mal gewesen, dass der Bw von der Baustelle hörte. Er sei weder über die Arbeiten noch über die Art der Ausführung noch über einen Beginn der Arbeiten informiert gewesen. Die Arbeiten seien im Betriebsurlaub erledigt worden, was ausschließlich zwischen dem Bauherrn und seinen Mitarbeitern vereinbart worden sei. Auf Grund des Vorbringens wird die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.3.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Es hat der Bw und das Arbeitsinspektorat an der Verhandlung teilgenommen, die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen AI x, x und x geladen und einvernommen. Ebenfalls werden die im Akt befindlichen Fotos der Lichtbildbeilage des Polizeiberichtes sowie die anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom Arbeitsinspektorat vorgelegten Fotos zugrunde gelegt.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Sein Betrieb hat ca. 50 Mitarbeiter. Neben dem Bw gibt es im Betrieb noch drei weitere Bauleiter. Die Bauleiter sind verantwortlich für die Anbotslegung, die Baustellenkalkulation und die Baustellenleitung. Angebote können von den Bauleitern selbständig gelegt werden. Der Bw wird bei Vertragsabschluss informiert. Allerdings können auch die Arbeitnehmer direkt von der Kundschaft Aufträge annehmen und wird der Bw bzw. der Betrieb im Nachhinein davon verständigt. Während der Bauleiter die Baustellenvorbereitung durchführt, ist der Vorarbeiter direkt an der Baustelle verantwortlich, auch für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften. Für die konkrete Baustelle gab es keinen Bauleiter, weil der Bw nichts von der Baustelle wusste. Er ist erst am Vorfallstag nach dem Unfall telefonisch informiert worden. Es kommt öfters vor, dass Arbeitnehmer selbständig zur Baustelle kommen, Arbeiten durchführen und erst im Nachhinein der Bw hievon verständigt wird. Der Arbeiter nimmt das Material vom Lager selbständig mit, das Werkzeug hat er immer bei sich im Firmenbus und es füllt der Arbeiter erst nach der Arbeit den Stundenzettel aus und gibt ihn in der Firma ab. Insbesondere was die Arbeiter am Wochenende und während des Betriebsurlaubes machen, stehe nicht im Einflussbereich des Bw und erfährt er erst dann im Nachhinein von den Arbeiten. Der 9.8.2010 war der erste Tag des Betriebsurlaubes. Der Betriebsurlaub war von 9. bis 13.8.2010 angesetzt. Es wird immer in der Woche, in der der Feiertag (15.8.) liegt, der Betriebsurlaub durchgeführt. Es gab für die Baustelle eine Anfrage hinsichtlich Materialbeistellung, hinsichtlich Arbeiten jedoch nicht.

x ist seit 1975 in der Firma x als Zimmerer und als Vorarbeiter beschäftigt. Zur gegenständlichen Baustelle wurde der Vorarbeiter vom Bauherrn persönlich verständigt und ist er auf dessen Anruf hin dorthin gefahren. Es sollte das Dach umgedeckt werden, also so ein Kaltdach hergestellt werden. Auch waren die Sparren und die Lattung zu erneuern. Es sollte eigentlich mit dieser Baustelle schon vorher, nämlich am 4.8.2010 begonnen werden, allerdings wurde wegen des schlechten Wetters, nämlich Regen, der Beginn verschoben. Da die Mitarbeiter x und x ebenfalls wie Herr x nicht auf Urlaub waren, hat sie Herr x am Sonntag angerufen, ob sie mit ihm auf die Baustelle fahren und wurde mit den Arbeiten am 9.8.2010 in der Früh begonnen. Auch wurde von Herrn x das Material von der Firma bestellt und sollte dies am Vormittag zur Baustelle gebracht werden. Mit der Lieferung sollten auch die Sicherheitseinrichtungen (nämlich Schutzeinrichtungen, Schutzgitter und ein Gerüst) mitgeliefert werden. Das Material war bereits in der Firma bereitgestellt, weil ja die Arbeiten schon einige Tage vorher hätten begonnen werden sollen. Weil das entsprechende Material in der Früh noch nicht angeliefert war, wurde ohne Sicherungen mit den Arbeiten begonnen. Es wurden die Dachziegel entfernt, wobei mit dem Abdecken bereits der Bauherr begonnen hatte. Der Arbeitnehmer x wollte einige Dachlatten entfernen. Dabei ist eine Latte durchgebrochen und der Arbeitnehmer stürzte vom Dach. Die Dachneigung betrug ca. 30°, die Traufenhöhe ca. 5,5, m.

Das Angebot wurde vom Bauherrn sowohl über Material als auch die Arbeiten bei der Firma eingeholt, allerdings nicht vom Vorarbeiter gelegt. Die Baustelle ging auf Rechnung der Firma x. Der Bw kennt nicht jede Baustelle. Er kommt selten auf Baustellen. Auch gibt es Baustellen, für die kein Baustellenleiter zugeteilt ist, dann ist allein der Vorarbeiter für die Baustelle verantwortlich. Laufende Schulungen gibt es in der Firma nicht. Das Wissen und die Erfahrung hat der Vorarbeiter von der Berufsschule und von seinem Vorgänger, nämlich vom Polier, erworben. Der Arbeitnehmer x begann erst im Mai 2010 bei der Firma des Bw. Zum Arbeitseintritt bekam er im Firmenbüro von einer Bürokraft eine Unterweisung. Diese umfasste eine generelle Sicherheitsunterweisung. Herr x wurde einer Maurerpartie zugewiesen. Nur weil Betriebsurlaub war und die anderen Arbeitnehmer auf Urlaub waren, erklärte er sich bereit, mit dem Vorarbeiter x bei den Dacharbeiten an der konkreten Baustelle zu  helfen. für die konkrete Baustelle wurde der Arbeitnehmer x nicht unterwiesen. Die Stundenzettel werden in der Regel vom Polier ausgefüllt und im Büro abgegeben.

Hinsichtlich der Urlaubseinteilung sind die Arbeitnehmer sehr flexibel und weiß der Bw oft gar nicht, ob die Arbeitnehmer tatsächlich auf Urlaub sind oder nicht. Auch weiß er nicht immer, ob die Arbeitnehmer auf einer Baustelle sind bzw. auf welcher Baustelle sie sich befinden. Die Stunden werden im Nachhinein abgerechnet. Die Stundenzettel werden dann im Büro abgegeben.

 

Zum Zeitpunkt des Unfalles und der Unfallserhebung war kein Gerüst auf der Baustelle vorhanden. Es war auch kein Gerüst zur Aufstellung vorbereitet. Auch wurde kein Anseilschutz verwendet. Die Eindeckung des Daches hätte länger als einen Tag in Anspruch genommen.

Der Bw hat ein Einkommen von ca. monatlich netto 2.000 Euro und er ist sorgepflichtig für zwei Kinder.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich insbesondere auf die im Akt liegenden Fotos, auf welchen die Baustelle und die nicht vorhandene Sicherung ersichtlich ist. Weiters gründen sich die Feststellungen auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen, sowie auch auf die Angaben des Bw. Es besteht kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen. Es können daher ihre Angaben der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Daraus ergibt sich im Wesentlichen, dass der Bw vom Arbeitsbeginn am 9.8.2010 durch die Arbeitnehmer nichts gewusst hat, er allerdings generell über die Baustelle Bescheid wusste, da es auch ein Anbot gab. Es ist auch einwandfrei erwiesen, dass Sicherungsvorkehrungen nicht vorhanden waren, sondern erst im Laufe des Vormittags durch den Lkw mit dem Material angeliefert werden sollten.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.3 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88). Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Wenn Arbeiten auf Dächern gleichzeitig oder aufeinanderfolgend sowohl an der Dachfläche als auch an der Traufe durchgeführt werden, müssen solche Schutzeinrichtungen verwendet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche als auch für die Arbeiten an der Traufe wirksam sind.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Auf Grund der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 9.8.2010 gegen 7.35 Uhr der Arbeitnehmer x der x GmbH Dacharbeiten bei einer Traufenhöhe von ca. 5,5 m an der Absturzstelle und einer Dachneigung von ca. 35° ohne entsprechende Schutzeinrichtungen ausgeführt hat, und in der Folge abgestürzt ist. Schutzeinrichtungen waren auf der Baustelle nicht vorhanden. Die Baustelle wurde auf Rechnung der x GmbH mit Sitz in x durchgeführt. Material und Arbeit sollten mit der x GmbH abgerechnet werden.

 

Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH und hat daher die Übertretung verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver  Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Es reicht nicht aus, dass der Vorarbeiter sein Wissen von der Berufsschule und seiner langjährigen Tätigkeit hat. Insbesondere reicht es aber auch nicht aus, dass der konkrete verunfallte Arbeitnehmer nur eine allgemeine Unterweisung zum Diensteinritt erhielt, später aber, insbesondere im Hinblick auch auf die konkrete Baustelle aber keine Unterweisungen und Schulungen erhielt. Insbesondere auch unter dem Aspekt, dass er üblicherweise für Maurerarbeiten eingesetzt ist und nicht für Dacharbeiten. Auch kann den Bw nicht entlasten, dass er von der Baustelle nichts gewusst hätte bzw. dass der Betrieb auf Betriebsurlaub gewesen sei. So gibt der Bw in der mündlichen Verhandlung zu, dass er auch sonst nicht genau wisse, ob und wo seine Arbeitnehmer z.B. im Urlaub oder auch an den Wochenenden arbeiten. Die Stundenabrechnung erfolgt im Nachhinein durch die Abgabe der Stundenzettel. Auch gäbe es nicht für jede Baustelle ein Angebot. Insbesondere weil von der konkreten Baustelle der Bw über den Arbeitsbeginn nicht konkret informiert war, gab es auch keinen Baustellenleiter. Der Bw selbst kannte die Baustelle nicht und er war auch nie an der Baustelle. Es zeigt daher das Beweisverfahren, dass ein konkretes Kontrollsystem nicht eingerichtet war und daher auch nicht funktionstüchtig war. Insbesondere wurden nicht jene Maßnahmen dargelegt und unter Beweis gestellt, die das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleisten sollen. So hat der Verwaltungsgerichtshof mehrmals, z.B. auch am 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317, ausgesprochen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier der Vorarbeiter – aus eigenen Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Vielmehr ist nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5, für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich u.a. aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebne erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

 

Der Bw hat aber ein konkretes Kontrollsystem gar nicht eingerichtet und nicht nachgewiesen und er ist daher seiner erhöhten Sorgfaltspflicht betreffend Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht nachgekommen. Es liegt daher auch Verschulden, nämlich zumindest sorgfaltswidriges fahrlässiges Verhalten des Bw vor.

 

Dass der Betrieb auf Betriebsurlaub war und auch der Bw sich in Betriebsurlaub befand, entlastet den Bw nicht. Vielmehr hat er auch im Rahmen der bereits zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch für den Fall seiner Abwesenheit für die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes Sorge zu tragen. Jedenfalls hat er auch Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich Tätigkeiten seiner Arbeitnehmer während des Urlaubes oder Abwesenheit zu treffen. Dieser Pflicht ist der Bw nicht nachgekommen. Die Äußerungen des Bw, dass er von konkreten Baustellen bzw. Arbeiten seiner Arbeitnehmer nicht informiert sei, sondern erst im Nachhinein informiert werde, verhelfen dem Bw nicht zu einer Entlastung, sondern stellt dies genau jenes sorgfaltswidrige Verhalten dar, das unter Strafe gestellt wird. Dies bedeutet, dass der Bw Vorsorge hinsichtlich des Einsatzes seiner Arbeitnehmer und hinsichtlich der erforderlichen Schutzeinrichtung und auch Verwendung der Schutzeinrichtung bei den konkreten Baustellen zu treffen hat und auch die Einhaltung der jeweiligen Sicherheitsvorkehrungen zu kontrollieren hat.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.000 Euro sowie die Sorgepflicht für zwei Kinder der Entscheidung zugrunde gelegt. Auch hat sie auf die nachteiligen Folgen der Übertretung, nämlich einen erheblichen Arbeitsunfall, Bedacht genommen. Sie hat auch die beträchtliche Verletzung des Schutzzweckes der Norm ihrer Strafbemessung zugrunde gelegt. Diesen Ausführungen kann nicht entgegengetreten werden. Insbesondere wurden die persönlichen Verhältnisse vom Bw bestätigt. Vielmehr ist ins Treffen zu führen, dass die entsprechenden Arbeitnehmerschutzvorschriften den Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer zum Zweck haben und daher durch die Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften und durch die Übertretung der Verwaltungsvorschrift genau jenem Schutzzweck entgegengewirkt wurde. Dies hat bei der Strafbemessung berücksichtigt zu werden. Auch war die Uneinsichtigkeit des Beschuldigten im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen. Auch war im Rahmen des Verschuldens die Sorglosigkeit des Bw hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes zugrunde zu legen und erschwerend zu berücksichtigen. Es kann daher nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessens in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Die verhängte Geldstrafe beträgt nicht einmal ein Drittel des gesetzlich vorgesehen Höchstrahmens und ist daher gerade auch im Hinblick auf die nachteiligen Folgen und die unzureichende Organisation des Unternehmens durchaus gerechtfertigt. Sie ist auch erforderlich, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuschrecken. Auch sind generalpräventive Gründe in Erwägung zu ziehen. Es war daher die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Bw angepasst. Liegt auch Unbescholtenheit des Bw vor, so ist ein erhebliches Überwiegen von Milderungsgründen bei dem nur einen Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht gegeben, sodass von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen war. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher auch nicht mit einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen. Auch lagen nicht unbedeutende Folgen der Tat vor.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 29.06.2011, Zl.: 2011/02/0155-3

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum