Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150795/10/Lg/Hue/Ba

Linz, 27.04.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 13. April 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Be­rufung des X X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis  des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. August 2010, Zl. BauR96-34-2010, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 34 Stunden herabgesetzt.    

II.              Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.  

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt, weil er am 10. November 2009 um 18.59 Uhr als Lenker des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X und einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t die mautpflichtige Bundesstraße A8, Mautabschnitt Ort im Innkreis – Schärding – Suben, bei km 070.050, benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen betrage, einer fahrleistungsabhängigen Maut unterliege.

 

2. In der Berufung brachte der Vertreter des Bw vor, dass aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ersichtlich sei, wie die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass der Bw das tatbildliche Verhalten gesetzt hätte. Im Erkenntnis habe man sich nicht mit der Verantwortung des Bw auseinander gesetzt. Es sei sehr wohl eine GO-Box montiert worden. Diese habe aber offensichtlich nicht funktioniert, was dem Bw nicht aufgefallen sei. Die Erstbehörde gestehe selbst zu, dass aus den Fotos nicht zu entnehmen sei, ob eine GO-Box montiert gewesen sei. Es seien keinerlei Erhebungen darüber gepflogen worden, ob nicht sehr wohl ein Computerfehler vorgelegen sei, obwohl die Behauptung des Bw, es sei eine GO-Box vorhanden gewesen, nicht zu widerlegen gewesen sei. Völlig unzulässig sei der Verweis darauf, dass der Bw schon deshalb "schuldig" sein müsse, weil eine Vielzahl von Verfahren anhängig seien. Es gebe zwar Anzeigen, aber noch keine rechtskräftigen Entscheidungen. Zum Beweis dafür, dass der Bw eine ordnungsgemäß funktionierende GO-Box montiert hatte und aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen keine Abbuchung erfolgt sei, somit kein schuldhaftes Verhalten vorgelegen sei, wurde Antrag auf eine Berufungsverhandlung mit einer Einvernahme des Bw gestellt.    

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 3. Februar 2010 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Als Beanstandungsgrund ist angegeben, dass die GO-Box nicht ordnungsgemäß angebracht gewesen sei. Gem. § 19 Abs. 2 BStMG sei dem Bw am 20. Jänner 2010 mündlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht entsprochen worden. Als Zusatz findet sich in der Anzeige folgende Bemerkung: "Lenker gleichz. Fahrzeugbesitzer ist unbelehrbar. Fahrzeug direkt betreten, keine Go-Box montiert".  

 

Nach Strafverfügung vom 23. Februar 2010 brachte der Vertreter des Bw vor, dass der Bw seit dem Jahr 2000 Transportunternehmer sei. Er habe die ASFINAG kontaktiert, welche einen Mitarbeiter entsandt, die GO-Box mitgenommen und eine "Tauschbox" zurückgelassen habe. Es sei dem Bw mitgeteilt worden, dass die GO-Box überprüft werde. Ein Überprüfungsergebnis sei ihm jedoch nie mitgeteilt oder die Box rückgestellt worden. Dieser Vorfall habe sich im Laufe der Jahre mehrmals wiederholt. Es sei auch vorgekommen, dass die Funktion seiner GO-Box kurzfristig gesperrt gewesen sei. Über Anfrage sei wiederum ein ASFINAG-Mitarbeiter entsandt, welcher den Bw zur Bezahlung von Geldstrafen in unterschiedlicher Höhe aufforderte. Befragt nach dem Grund sei "dieses Ansinnen" zurückgezogen und die GO-Box wieder in Funktion gesetzt worden. Im Laufe der Jahre sei der Bw kein einziges Mal wegen Vergehen nach dem BStMG bestraft worden. Seit etwa 14 Tagen seien jedoch an den Bw von unterschiedlichsten Bezirkshauptmannschaften in Österreich "gebündelt" etwa 60 Straferkenntnisse zugestellt worden, jeweils mit der Behauptung, er hätte zu bestimmten Tatzeiten die Maut an einer ganz bestimmten Stelle nicht ordnungsgemäß entrichtet. Begründungen oder Beweismittel seien keine erbracht worden. Der Bw gehe deshalb von einem Computerfehler aus.

Der Bw bestreite, seine im Kfz angebrachte GO-Box nicht ordnungsgemäß installiert zu haben. Er verwende die ihm von der ASFINAG überlassene originale GO-Box. Es scheine nicht nachvollziehbar, dass seine GO-Box nur an bestimmten Punkten funktioniere. Wenn die Box defekt wäre, hätten Beanstandungen bei sämtlichen Mautprüfstellen erfolgen müssen. Zugunsten der ASFINAG bestehe eine Einziehungsermächtigung über die Kreditkarte des Bw, sodass auch mangelhafte "Befüllung" der GO-Box auszuschließen sei. Beantragt wurde mitzuteilen, auf welche Wahrnehmung sich der Tatvorwurf gründe und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen. Fall die ASFINAG behaupten sollte, der Bw sei von Prüforganen angehalten worden, möge bekanntgegeben werden, wer dies gewesen ist, wann dies erfolgt sei und wie das Organ die Übertretung festgestellt habe bzw. weshalb der Bw mit der Übertretung nicht unverzüglich vor Ort konfrontiert worden sei. Die bekannt gegebenen Personen mögen einvernommen werden. Weiters seien diese zu befragen, inwiefern und wo die GO-Box unrichtig angebracht gewesen sei. Letztlich möge die ASFINAG aufgefordert werden bekanntzugeben, wie die Prüfergebnisse der bereits in den letzten Jahren ausgetauschten Boxen ausgefallen seien.

 

Auf Anforderung übermittelte die ASFINAG am 7. April 2010 der belangten Behörde ein Beweisfoto.

 

Dazu brachte der Vertreter des Bw vor, dass der Bw nicht mehr nachvollziehen könne, ob er am Tattag am –ort gewesen sei. Wenn sein Kfz zu diesem Zeitpunkt an dieser Stelle gewesen sei, könne es nur vom Bw gelenkt worden sein. Richtig sei, dass der Bw am 20. Jänner 2010 von Mitarbeitern der ASFINAG angehalten worden sei. Der Bw habe die GO-Box von der Windschutzscheibe entfernt und dem Mautaufsichtsorgan übergeben. Dieser habe erklärt, die GO-Box werde überprüft. Er sei aber nicht mehr bereit gewesen, diese an den Bw zurück zu geben. Der Bw sei auf Aufforderung durch das Mautaufsichtsorgan auf die Bundesstraße abgefahren. Am nächsten Tag sei vom Bw eine neue GO-Box "angekauft" worden. Beantragt wurde die zeugenschaftliche Einvernahme dieses Mautaufsichtsorgans zum Beweis dafür, dass sehr wohl eine GO-Box an der Windschutzscheibe des LKWs angebracht gewesen sei.  

 

Einer zusätzlichen ASFINAG-Stellungnahme vom 5. Juli 2010 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Bw in den letzten 6 Jahren etwa 200 Delikte verursacht habe. Ein Computerfehler würde nicht vorgelegen sein, da alle unterlassenen Aktivitäten des Bw vom Mautsystem dokumentiert worden seien. Derzeit würden 114 Anzeigen bei 11 verschiedenen Bezirkshauptmannschaften und in 5 Bundesländern vorliegen. Daher sei die Behauptung widerlegt, die Kontrollfälle entstünden nur zu bestimmten Tatzeiten und an ganz bestimmten Stellen. Des Weiteren würden die verhaltensmäßig auffälligen Abbuchungen (nur am Tag) und Nichtabbuchungen (in der Nacht und bei Dunkelheit) als Beweis dafür dienen, dass hier augenscheinlich vorsätzliche Handlungen dahinter gestanden seien. Laut dem Mautaufsichtsorgan handle es sich beim Bw um einen Vorsatzmautpreller, der die GO-Box vorwiegend bei Nachtfahrten entferne bzw. durch eine gefälschte oder defekte GO-Box ersetze. Der Vertreter des Bw möge seine Aussage "...wieso wurde dieses Ansinnen zurückgezogen?" präzisieren. Es könne mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Zahlungsaufforderung seitens der Kontrollorgane zurückgezogen worden sei. Der Bw habe bei jeder Anhaltung die Bezahlung der angebotenen Ersatzmaut verweigert und auf eine Anzeige bestanden. Dafür würde es Zeugen geben. Zum Zeitpunkt der Anhaltung des Bw am 20. Jänner 2010 sei keine GO-Box montiert gewesen. Die bei den Nichtabbuchungen mitgeführte GO-Box sei nicht zugelassen bzw. funktionsfähig gewesen, da ansonsten an die Mautportale gesendet worden wäre, was wiederum zu Teilabbuchungen geführt hätte. Falls der Bw weiterhin die Behauptung aufrecht erhalten, dass seine GO-Box bei den Nachtfahrten ordnungsgemäß angebracht gewesen sei, sei er darauf hinzuweisen, dass es sich um eine gefälschte GO-Box oder eine Attrappe gehandelt habe. Dies werde zusätzlich dadurch untermauert, dass bei Tagfahrten eine funktionsfähige Box montiert gewesen sei. Daher würden die exakten und lückenlosen Aufzeichnungen des Mautsystems sowie die Kommunikationsaufzeichnungen zwischen Mautsystem und einer funktionierenden GO-Box den generellen Hauptbeweis einer erfolgreichen bzw. einer erfolglosen Abbuchung darstellen. Zu den Tatzeitpunkten sei die zugelassene GO-Box nicht montiert gewesen. Dies habe das Mautsystem festgestellt, da ansonsten die entsprechenden Abbuchungen auch bei Nachtfahrten vorhanden gewesen wären.

Als Beilagen sind eine Kontrollfallliste und ein Beweisfoto angeschlossen.  

 

Dazu brachte der Vertreter des Bw vor, die ASFINAG möge klarstellen, wie sie zur Ansicht gelangt sei, die GO-Box sei gefälscht. Wie sei es möglich, dass die Box defekt einerseits defekt gewesen sei und andererseits bei anderen Mautstellen funktioniert habe. Das Beweisfoto sei von solch schlechter Qualität, dass das Vorhandensein einer GO-Box nicht ersichtlich sei. Die entsprechende ASFINAG-Behauptung sei nicht nachvollziehbar.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Auf Anforderung übermittelte die ASFINAG dem Oö. Verwaltungssenat insgesamt 23 Beweisfotos in digitaler Originalqualität für den Zeitraum von August 2009 bis Jänner 2010 sowie Kontrollfalllisten und Einzelleistungsinformationen für die Jahre 2004 – 2010. Zusätzlich führte die ASFINAG aus, dass es sich bei der tatgegenständlichen GO-Box um eine gefälschte Box oder Attrappe handeln müsse. Beweisfotos alleine seien deshalb nicht ausschlaggebend, da darauf nur diese gefälschte Box bzw. die Attrappe zu sehen sei. Durch die Kontrollfallliste bzw. der dabei angefertigten Fotos sei einwandfrei bewiesen, dass eine Störung oder ein Ausfall des Mautsystems nicht vorgelegen sei, da ansonsten keine Fotos und Aufzeichnungen vorliegen würden. Ausschlaggebend seien die enormen und über einen langen Zeitraum aufgetretenen Nichtabbuchungen, auf die der Bw über Monate nicht reagiert und somit kontinuierlich gegen das BStMG verstoßen habe. Laut den Kontrollorganen handle der Bw vorsätzlich, indem er die GO-Box vorwiegend bei Nachtfahrten entferne bzw. durch eine gefälschte oder defekte Box ersetze. So würden Nichtabbuchungen der Maut auffällig in erster Linie in der Nacht bzw. bei Dunkelheit auftreten. Dies möge der Bw erklären. Seit Einführung der GO-Box seien beim Bw insgesamt 6.415 nicht abgebuchte Mautportale nachgewiesen.   

 

5. Der Vertreter des Bw teilte dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 11. April 2011 mit, dass sich der Bw aus Kostengründen in der Berufungsverhandlung selbst vertreten werde. Der zu erlassende Bescheid möge aber an den Vertreter des Bw ergehen.

 

6. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung gab der Bw keine vorgängigen Bemerkungen ab.

 

In seiner zeugenschaftlichen Einvernahme sagte Herr X X als Vertreter der ASFINAG aus, dass es in sämtlichen Fällen darum gehe, dass in der Nacht die GO-Box des Bw nicht kommuniziert habe. Am Tag würden ordnungsgemäße Abbuchungen erfolgen. Im Zeitraum vom 8. Jänner 2009 bis 10. Februar 2010 hätte der Bw 5 GO-Boxen und zuvor 3 weitere Boxen in Verwendung gehabt. Diese zahlreichen Boxenaustausche sei so zustande gekommen, dass der Bw im Mautsystem auffällig gewesen sei, sodass die GO-Boxen jeweils gesperrt worden seien. Dadurch sei der Bw jeweils zu einem Boxentausch gezwungen gewesen. Kurze Zeit nach der Anmeldung der neuen (ausgetauschten) GO-Box sei der Bw wieder auffällig geworden, sodass der Austausch-Prozess wieder von vorne begonnen habe. Aus den ihm vorliegenden Unterlagen habe der Zeuge ersehen, dass es im Jahr 2009 bis 5. Februar 2010 zu insgesamt etwa 1.400 Kontrollfällen gekommen sei. Unter Kontrollfälle sei eine einmalige Durchfahrt bei einem Mautportal mit Kamera zu verstehen, bei welcher die Maut nicht abgebucht worden sei. Im Gegenzug dazu sei es zu 980 regulären Buchungen gekommen. Wenn man das Verhältnis der Kameraportale zu den "normalen" Mautbaken mit etwa 1 : 7 bis 1 : 8 hernehme, ergebe sich eine außerordentliche Dichte der Nichtabbuchungen.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige führte ergänzend aus, dass man bei diesen Verhältniszahlen auf 10.000 Nichtabbuchungen komme, welche im Mautsystem nicht erfasst worden seien. Dies ergebe sich aus den durchfahrenen Portalen, welche nicht mit Fotokameras ausgestattet seien.

 

Der Zeuge X sagte weiters aus, dass das Mautaufsichtsorgan X X den LKW des Bw am 20. Jänner 2010 angehalten, überprüft und die GO-Box eingezogen habe. Die Einziehung der Box sei aus Beweissicherungsgründen erfolgt, da Abbuchungen der Maut nicht erfolgt seien. Weiters könne damit die Funktionsfähigkeit der Box überprüft werden. Tags darauf habe der Bw eine neue GO-Box angemeldet, wobei Abbuchungen mit dieser (neuen) Box bis zum 5. Februar 2010 ordnungsgemäß erfolgt seien. Auf diese Art und Weise seien die GO-Boxen des Bw insgesamt zweimal eingezogen worden. Alle diese GO-Boxen hätten sich als funktionsfähig erwiesen.

 

Der Zeuge legte die diesbezüglichen Transaktionsauszüge sowie die beiden eingezogenen GO-Boxen vor. Die Transaktionsauszüge wurden zum Akt genommen.    

 

Herr X X sagte weiters aus, dass dies zusammengefasst bedeute, dass der Bw mit funktionsfähigen GO-Boxen gefahren sei, ohne dass jedoch abgebucht worden sei. Als Ursache kämen mehrere Möglichkeiten in Frage: Man könne beispielsweise die GO-Box von der Windschutzscheibe entfernen und z.B. in eine metallisierende Verpackung oder in das Handschuhfach geben, um damit eine Kommunikation zu verhindern. Es gebe praktisch eine unabsehbare Zahl an Möglichkeiten, wie man eine Kommunikation der GO-Box mit den Mautbalken verhindern könne. Wenn auf Beweisfotos eine GO-Box sichtbar sei, könne es sich dabei nur um eine Attrappe oder um eine zuvor funktionsuntüchtig gemachte Box handeln. Der Zeuge legte mehrere Methoden dar, um GO-Boxen funktionsuntüchtig zu machen. Zusätzlich würden auch die tschechischen GO-Boxen den österreichischen ähnlich sehen. Die tschechischen Boxen könnten mit den österreichischen Mautbaken nicht kommunizieren.   

 

Der Sachverständige wurde befragt, ob die bisherigen Äußerungen des Zeugen – nach seinem technischen Sachverhalt beurteilt – als korrekt anzusehen sind. Der Amtssachverständige bestätigte, dass sämtliche Aussagen des Zeugen plausibel und aus technischer Sicht nachvollziehbar seien.

 

Der Zeuge X X legte Einzelleistungsnachweise bzw. Kontrollfalllisten für den Zeitraum vom 8. Jänner 2009 bis 5. Februar 2010 vor, welche zum Akt genommen wurden.

 

Exemplarisch wurde vom Zeugen auf den 18. November 2009 verwiesen. Daraus sei ersichtlich, dass an diesem Tag um 2.14 Uhr am Knoten Linz – Asten – St. Florian ein Beweisfoto für die Anzeige angefertigt worden sei. Weiters sei ersichtlich, dass Fotos des LKW des Bw um 2.22, 2.27, 2.40, 3.01, 3.20, 3.27, 3.31, 3.35 und um 3.53 Uhr angefertigt worden seien, da keine Abbuchung der Maut erfolgt sei. Zudem sei ersichtlich, dass am 19. November 2009 um 7.40 Uhr – wie aus der Grünmarkierung auf der Liste ersichtlich sei – wieder ordnungsgemäß und durchgehend Abbuchungen der Maut durchgeführt worden seien. In den roten Bereichen der zurückgelegten Strecke seien jene Mautbaken verzeichnet, welche nicht mit Fotokameras versehen seien und deshalb eine Erfassung des LKW nicht erfolgt sei. Sämtliche Kontrollfälle des Bw würden sich nach demselben Schema aufbauen. Ferner könne aus den überaus zahlreichen Fotoaufnahmen die Situation überblicksweise so dargestellt werden, dass darauf  teilweise Gegenstände ersichtlich seien, welche eine GO-Box sein könnten, teilweise aus diesen Fotos GO-Box-ähnliche Gegenstände nicht erkennbar seien. Diese Problematik ergebe sich daraus, dass die Fotoqualität in der Nacht eingeschränkt sei.    

Auf der bereits vorgelegten Transaktionsliste der am 20. Jänner 2010 vom Mautaufsichtsorgan X eingezogenen GO-Box sei ersichtlich, dass am 14. Jänner 2010 drei Abbuchungen der Maut erfolgt seien. Diese Abbuchungen seien auf der vorliegenden erweiterten Einzelleistungs- bzw. Kontrollfallliste in grüner Farbe dargestellt. Darauf sei auch ersichtlich, dass die Abbuchungen am 14. Jänner 2010 bis 17.16 Uhr (letzte Abbuchung) und ab 17.32 Uhr konsequent nicht mehr erfolgt seien; auf der Liste rot dargestellt. Bei einigen dieser  Nichtabbuchungen sei der LKW des Bw wiederum fotografisch erfasst worden. Dies setzte sich fort bis zum 20. Jänner 2010, für den der Transaktionsauszug der GO-Box vorgelegt worden sei.

 

Der Bw brachte dazu vor, dass er immer eine GO-Box im Kfz gehabt hätte. Ob diese funktioniert habe oder nicht, wisse er nicht. Zur Frage der Piepssignale der Box gab der Bw keine klare Auskunft: Bei "einem bisschen Musik" im Auto würde man die Piepssignale der Box nicht so gut hören.

 

Zur Frage, wie es zu erklären ist, dass mit derselben GO-Box tagsüber Abbuchungen erfolgen und bei Dunkelheit nicht, und zwar dergestalt, dass die Abbuchungen bzw. Nichtabbuchungen nicht sporadisch oder systemlos wechseln, sondern konsequente Blöcke ergeben, erläuterte der Amtssachverständige, dass als Ursache dafür ein Gebrechen der GO-Box aus technischer Sicht ausgeschlossen sei.

 

Das Mautaufsichtsorgan X X sagte in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme aus, dass er den Bw am 20. Jänner 2010 um 17.50 Uhr angehalten habe. Der LKW des Bw sei am Kontrollfahrzeug vorbeigefahren. Dieses sei technisch so ausgestattet, dass bei Passieren eines LKW bzw. des Kontrollfahrzeuges die GO-Box automatisch ausgelesen werde. Auf diese Art und Weise würden die Mautaufsichtsorgane darauf aufmerksam, wenn "mit der GO-Box etwas nicht stimme". Daraufhin werde eine Anhaltung des Lenkers vorgenommen. Dies sei auch im gegenständlichen Fall so gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Zeuge nicht gewusst, dass der gegenständliche LKW schon so oft auffällig geworden sei.

Der LKW sei am Parkplatz ausgeleitet worden. Die Kollegin von Herrn X sei zum Fahrer gegangen, während er sich in unmittelbarer Nähe aufgehalten und mitgehört hätte. Der Bw habe der Kollegin die GO-Box mit den Worten "Ich weiß, ich hab´ kein Geld" gegeben. Diese Äußerung habe sich der Zeuge damals notiert, weshalb er sie exakt und wortgetreu wiedergeben könne. Die Box sei anstandslos übergegeben worden. Da der Bw die Box beim Öffnen der Fahrzeugtür bereits in der Hand gehabt hätte, habe der Zeuge keine Wahrnehmung darüber, von wo der Bw diese Box entnommen hat.  Diese Box sei an die Zentrale weitergeleitet worden. Es handle sich um eine der beiden Boxen, welche der Zeuge X zur Verhandlung mitgebracht habe. Die Ausweisvorlage habe der Bw verweigert, weshalb die Polizei Ried verständigt worden sei. Vor dem Eintreffen der Polizei habe sich Herr X noch mit seiner Zentrale in Verbindung gesetzt, wo er die Mitteilung erhalten habe, dass wegen der extrem hohen Auffälligkeit dieses LKW eine Beiziehung der Polizei ohnedies erforderlich sei. Auch der Polizei habe der Bw erst nach Androhung der Festnahme die Papiere ausgehändigt.   

 

Auf Befragen bestätigte der Zeuge X X, dass die damals am 20. Jänner 2010 eingezogene GO-Box funktionsfähig gewesen sei.

 

Zeuge X sagte weiters aus, dass die GO-Box vor Ort mit den technischen Geräten ausgelesen worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass es auch am Kontrolltag Unregelmäßigkeiten bei der Abbuchung gegeben habe. Es sei nämlich so gewesen, dass zwischen dem Standpunkt unseres Fahrzeuges, an dem der Bw zunächst vorbeigefahren sei, und der letztmöglichen Auffahrt des Bw auf die Autobahn ein Kontrollbalken sei, den der Bw naturgemäß passieren hätte müssen. Von diesem Kontrollbalken habe es keine Mautbuchung gegeben. Daher sei für die ASFINAG-Organe klar gewesen, dass "etwas nicht stimmen konnte". Die Mautaufsichtsorgane seien nach der Kontrolle zur Autobahnmeisterei Wels gefahren, da über den dortigen Computer ersichtlich geworden sei, dass seit der letzten Anhaltung des Bw konsequent am Tag Abbuchungen der Maut stattgefunden hätten, in der Nacht nicht. Bei einigen dieser Mautbalken mit Nichtabbuchungen der Maut würden Fotoaufnahmen vorliegen. Es sei zudem nachgewiesen, dass der Bw am selben Tag bei der nächsten Auffahrt wieder auf die Autobahn aufgefahren sei und sich erst am nächsten Tag eine neue GO-Box besorgt habe.

 

Der Bw bestritt dies und legte Wert auf die Feststellung, dass er die Papiere nicht erst auf Druck der Polizei sondern freiwillig ausgehändigt habe. Außerdem habe er nach der Kontrolle die Autobahn verlassen. Selbst von der ASFINAG könnten nicht lückenlos klare Fotos vorgelegt werden. Es sei ja so, dass auf den Fotos teilweise Stellen ersichtlich seien, welche eine GO-Box sein könnten, teilweise sei dies nicht klar ersichtlich.

Der Bw beantragte die Aufhebung der Strafen.

 

7. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:  

 

7.1. Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat zur Mautabwicklung eine in Artikel 2 der Richtlinie 2004/52/EG genannte Technik zu nutzen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

 

Punkt 8.1 der Mautordnung besagt, dass die GO-Box ausschließlich in dem mit dem angemeldeten Kraftfahrzeugkennzeichen zugelassenen mautpflichtigen Kraftfahrzeug an der Innenseite der Windschutzscheibe zwischen Fahrzeugmitte und Lenkstange nahe der Windschutzscheiben-Unterkante, und zwar in jenem Bereich der Windschutzscheibe, der vom Scheibenwischer gereinigt wird, so zu montieren ist, dass die Bedientaste der GO-Box in das Fahrzeuginnere gerichtet ist. Der Scheibenwischer darf dabei in Ruhestellung die GO-Box nicht überlappen. Der Montagebereich der GO-Box auf der Windschutzscheibe ist von fremden Gegenständen freizuhalten. Der Kraftfahrzeuglenker hat von der GO-Box alle Gegenstände fern zu halten, die zu einer Beeinflussung der Bedientasten führen könnten. Eine andere Anbringung der GO-Box im Einzelfall ist nur nach individueller schriftlicher Zustimmung der ASFINAG Maut Service GmbH zulässig.

 

Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG werden Übertretung gem. Abs. 1 und Abs. 2 straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs. 6).

 

7.2. Unbestritten ist, dass der Bw als Lenker eines Kfz zur Tatzeit am Tatort eine Mautstrecke ohne ordnungsgemäße Mautentrichtung zurückgelegt hat und gem. § 19 BStMG eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht entsprochen wurde.

 

Der gegenständliche Fall stellt sich (wie weitere 16 beim Oö. Verwaltungssenat anhängige analoge Verwaltungsübertretungen des Bw) dergestalt dar, dass über einen Zeitraum von mehreren Jahren eine Kontaktnahme der eingesetzten GO-Box mit den jeweiligen Mautbaken immer in den Abend- bzw. Nachtstunden nicht erfolgt ist, was – auch zur Tatzeit – zu einer Nichtabbuchung der Maut geführt hat. Zu einer Abbuchung der Maut ist es mit derselben GO-Box jedoch immer bei Tag gekommen. Dies ergibt sich nicht nur aus den beiden Zeugenaussagen sondern auch aus dem vorgelegten und in der Berufungsverhandlung erläuterten umfangreichen Beweismaterial (Einzelleistungs- und Kontrollfalllisten, Fotoaufnahmen, GO-Boxen).        

 

Wenn in der Berufung der Verdacht geäußert wird, ein technischer Defekt ("Computerfehler") könne als Ursache für die Nichtabbuchungen der Maut nicht ausgeschlossen werden, ist auf das Gutachten des Amtssachverständigen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu verweisen, in dem ein Gebrechen des Mautsystems mit der Wirkung, dass tagsüber Abbuchungen erfolgen, nachts bei Finsternis jedoch nicht, aus technischer Sicht ausgeschlossen ist. Ein solches Gebrechen würde ja darauf hinauslaufen, dass das System in einer unüberschaubaren Anzahl von Fällen allabendlich außer Funktion tritt, sich aber jeden Morgen wieder selbsttätig regeneriert und dies bei mehreren GO-Boxen und nur beim Bw. Der Unabhängige Verwaltungssenat hegt an der Richtigkeit, Schlüssigkeit und Vollständigkeit dieses Gutachtens – dem der Bw auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist – keinen Zweifel. Damit ist das Vorbringen des Bw hinsichtlich eines (vermuteten bzw. behaupteten) Systemfehlers als Ursache der Nichtabbuchung der Maut widerlegt. Für die Verwirklichung des Delikts ist es zudem unerheblich, über welche Methode (Verwendung einer Attrappe, Demontage der GO-Box vor einem Mautportal etc.) eine Erfassung der GO-Box durch die Mautbaken und damit eine Abbuchung der Maut verhindert worden ist, da die Ursache für die gegenständliche Nichtabbuchung der Maut unzweifelhaft und nachweislich ausschließlich in der Sphäre des Bw als Lenker des LKW gelegen ist.

 

Die Tat ist daher dem Bw deshalb in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Da die genau Methode, mit welcher der Bw eine Nichtabbuchung der Maut erzeugt hat, im Ermittlungsverfahren nicht eindeutig festgestellt werden konnte, war – obwohl es kaum Anzeichen dafür gibt – im Zweifel von Fahrlässigkeit auszugehen. Eine gegebenenfalls vorliegende Unkenntnis der Gebrauchsvorschriften oder eine Rechtsunkenntnis würde den Bw nicht entschuldigen, da nach ständiger Rechtsprechung durch die Höchstgerichte sogar für ausländische Kraftfahrzeuglenker die Verpflichtung besteht, sich über die rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung mautpflichtiger Strecken auf geeignete Weise in Kenntnis zu setzen. Dies trifft auch auf die Gebrauchsvorschriften für GO-Boxen zu. Das Verhalten des Bw ist als sorgfaltswidrig einzustufen, da es ihm obliegen wäre, für eine ordnungsgemäße Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut Sorge zu tragen.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin lediglich die gesetzliche Mindestgeldstrafe verhängt wurde, weshalb die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw ohne Relevanz sind. Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit zur Tatzeit. Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG denkbar wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens) dafür nicht gegeben sind. Die – hier im Zweifel anzunehmende – fahrlässige Tatbegehung stellt eine gewöhnliche und ausreichende Schuldform dar (§ 5 Abs. 1 VStG). Insbesondere ist der Schuldgehalt beim ermittelten Sachverhalt als nicht gering zu veranschlagen. Bei Anwendung derselben Strafbemessungsgründe war die Ersatzfreiheitsstrafe auf 34 Stunden herabzusetzen. Damit entfällt die Vorschreibung der Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

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