Linz, 28.04.2011
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. März 2011, Zl.: VerkR96-4015-2011/U, nach der am 28. April 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 § 45 Abs.1 Z1, sowie § 51e Abs.1 VStG
zu II: § 66 Abs.1 VStG
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen einer Übertretung des Führerscheingesetzes § 14 Abs.1 Z1 iVm § 37a FSG eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen verhängt, weil er am 22.01.2011 um 01.31 Uhr im Gemeindegebiet von Marchtrenk auf der B1 bis auf Höhe Strkm. 2008 das KFZ, PKW, pol.KZ. X, mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,26 mg/l gelenkt habe, obwohl das Lenken von Kraftfahrzeugen nur erlaubt ist, wenn der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt.
1.1. Die Behörde erster Instanz begründet den Schuldspruch wie folgt:
2. Der Berufungswerber tritt dem Schuldspruch in seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit nachfolgender Begründung entgegen:
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und dessen auszugsweise Verlesung anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurde ein Gutachten eines technischen Amtssachverständigen zur gegenständlichen Atemluftmessung mit Bezugnahme auf die Frage der Anflutung und den Verkehrsfehler (ON 5).
Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter einvernommen. Eine Vertreterin der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ebenfalls teil.
4. Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen erachtet:
Der Berufungswerber wurde am 22.1.2011 um 01:31 Uhr, im Raum Hörsching auf der B1, bei Strkm 200,8, als Lenker eines Kraftfahrzeuges einem sogenannten Alkovortest unterzogen. Dieser erbrachte ein Ergebnis von 0,21 mg/l. In der Folge wurde der Berufungswerber beim nächsten Atemluftmessgerät auf der Polizeiinspektion Marchtrenk um 01:47 Uhr und 01:48 Uhr einer Atemluftkontrolle am sogenannten Alkomat der Marke Siemens M 52052/A15, Geräte-Nr.: W12-797 unterzogen. Dieses führte zu einem (gemessenen) angezeigten Wert von jeweils 0,26 mg/l.
Wie der Berufungswerber anlässlich der Berufungsverhandlung glaubhaft darlegte, trat er die Fahrt wenige Minuten vorher vom etwa sieben Kilometer entfernt liegenden Neubauhof an. Dort verbrachte er ab ca. 20:00 Uhr im Schachabend im Rahmen des Schachclubs. Insgesamt konsumierte er ein Bier und einen Gespritzten und kurz vor der Abfahrt noch ein Achterl Wein um auf den Geburtstag eines Clubmitgliedes anzustoßen. Dem subjektiven Empfinden des Berufungswerbers lag seiner Überzeugung nach keinerlei Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit vor. Auch diesbezüglich ist die Darstellung des Berufungswerbers stimmig und glaubwürdig. Er ist im übrigen bisher nie negativ im Straßenverkehr in Erscheinung getreten.
Dem zur Folge muss primär davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Anhaltung der Schlusstrunk jedenfalls noch nicht resorbiert war. Dafür spricht wohl auch das Ergebnis des Vortests, der wohl als Beweismittel zu Lasten eines Betroffenen nicht anzuerkennen ist. Sehr wohl unterstreicht aber auch dieses Ergebnis die Annahme einer beim Lenkende offenbar noch nicht abgeschlossenen Resorption und die nicht vorliegende Grenzwertüberschreitung. Schon vor diesem Hintergrund lässt das grenzwertige Ergebnis der Atemluftuntersuchung sechzehn Minuten nach der Anhaltung gerade keinen schlüssigen Beweis zu, dass der Berufungswerber das Fahrzeug tatsächlich grenzwertüberschreitend iSd § 14 Abs.8 FSG in Betrieb genommen und gelenkt hätte.
Wenngleich die Messung laut eingeholten Gutachten als ordnungsgemäß zu beurteilen ist, müsste wohl auch zusätzlich noch der Verkehrsfehler zu Gunsten des Berufungswerbers mit 0,02 mg/l Berücksichtigung finden.
4.1. Grundsätzlich ist betreffend der Beweiswürdigung in einem den Ansprüchen des Art. 6 EMRK – einem fairen Verfahren – festzustellen, dass eine Verurteilung nur bei einer zweifelfreien Beweislage zulässig ist. Eine derart gesicherte Beweislage kann hier mit Blick auf den sowohl gutachterlich empirisch belegten, aber auch durch die eichrechtlichen Bestimmungen gesetzlich definierten Mess- bzw. Verkehrsfehler nicht gesehen werden.
Auch die Richtlinie des europäischen Parlamentes 2004/22/EC vom 31. März 2004 über Messgeräte – Europäische Messgeräterichtlinie – nimmt ausführlich zu den gerätespezifischen Anforderungen und zugelassenen äußersten Abweichungen (Fehlergrenzen) Bezug die nicht überschritten werden dürfen, was wohl die von hier vertretene Sichtweise unterstützt. Ebenfalls wird zur Messunsicherheit in einschlägiger Literatur umfassend Bezug genommen (vgl. Horten, Physik f. Mediziner, 12. Auflage, S11).
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Nach § 14 Abs.8 FSG darf ein Kraftfahrzeug nur in Betrieb genommen oder gelenkt werden, wenn beim Lenker der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 0,5 g/l (0,5 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt. Eine Zuwiderhandlung ist nach § 37a FSG mit einer Geldstrafe von 300 bis 3.700 Euro zu bestrafen.
Der § 5a Abs.3 StVO 1960 bildet die Rechtsgrundlage der Verwendung von Atemluftalkoholmessgeräten. Diese Bestimmung gebietet die Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik und bezieht sich auch diese auf die Alkomatverordnung, BGBl.Nr. 1994/789 idF BGBl.Nr. II 1997/146. Stand der Wissenschaft und Technik ist nun, dass kein Messgerät absolut richtig misst, sondern – wenn auch geringe – Ungenauigkeiten aufweist. Auch Laser-, Radar- und Provida-Messgeräte zeigen einen Messwert an. Diesbezüglich ist unbestritten, dass Eichfehlergrenzen abzuziehen sind.
In der eichamtlichen Zulassung, Zl. 41344/96, veröffentlicht im Amtsblatt für das Eichwesen 6/1996, sind unter Punkt 7.1 die Eichfehlergrenzen und im Punkt 7.2 die Verkehrsfehlergrenzen festgelegt. Dies Messfehlergrenze beträgt für den Bereich von 0 mg/l bis 2 mg/l +/- 5 % vom Messwert, jedoch nicht weniger als +/- 0,02 mg/l. Bei einem angezeigten Messergebnis von 0,25 mg/l ist daher unter Grundlage der eichamtlichen Zulassung von einem messtechnisch abgesicherten Schwankungsbereich zwischen 0,247 bis 0,273 mg/l auszugehen. Aus messtechnischer Sicht ist daher ein bei einem Anzeigewert von 0,26 mg/l eine effektive Atemalkoholkonzentration zum Messzeitpunkt auch von weniger 0,25 mg/l als möglich anzusehen. Das Lenkende lag 16 Minuten vor diesem Zeitpunkt, sodass, wie oben schon festgestellt, wegen der noch nicht abgeschlossenen Resorption tatsächlich ein noch geringerer Wert vorgelegen haben dürfte.
Aufgrund der o.a. Beweis- u. Rechtslage geht der Oö. Verwaltungssenat auch in diesem Verfahren davon aus, dass eine Grenzwertüberschreitung nicht erwiesen ist.
Es kann daher an sich dahingestellt bleiben ob zusätzlich auch die Eich- bzw Verkehrsfehlergrenzen abzuziehen sind, woraus resultiert, dass auch vor diesem Hintergrund nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen festgestellt gelten könnte, dass der Berufungswerber einen Atemluftalkoholgehalt von 0,26 mg/l – wie ihm dies mit dem angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt wird – aufgewiesen hat (vgl. auch h. Erk. 12. April 2010, VwSen-164989/2/ mit Hinweis auf VwSen-164698 und VwSen-106975/10/Fra/Ka).
Insbesondere mit Blick auf Art.6 Abs.3 lit.d EMRK erachtet es die zur vollen Tatsachenkognition verpflichtete gerichtsförmige Berufungsbehörde auch hier nicht mit dem Grundsatz der Garantie eines fairen Verfahrens vereinbar, den nicht zu verschweigenden Verkehrsfehler zum Nachteil des Beschuldigten unberücksichtigt zu lassen – insbesondere wo im Bereich der Alkoholbestimmungen gemäß dem Führerscheingesetz (0,25 bis 0,4 mg/l AAG) - ein Gegen- oder Entlastungsbeweis durch eine Blutabnahme gesetzlich weder vorgesehen ist und realistisch besehen auch nicht erbracht werden hätte können. Letzter wäre durch den Zeitlauf wiederum mit Rückrechnungsannahmen behaftet gewesen, wobei rechnerische Werte zu Gunsten des Betroffenen anzusetzen gewesen wären.
Der Berufungswerber mit seinem Berufungsvorbringen im Recht, wenn er auf den Grundsatz "in dubio pro reo" verweist.
Da beim vorliegenden Grenzwert von einem Beweis im Sinne des Tatvorwurfes nicht ausgegangen werden kann und schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, war spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
Beschlagwortung:
Anflutungsphase Resorption.
VwSen-165915/7/Br/Th vom 28. April 2011
Erkenntnis
FSG §14 Abs8
Wenn die Resorption des kurz vor Fahrtantritt getätigten Alkoholkonsums noch nicht abgeschlossen war, kann ein grenzwertiges Messergebnis nicht als Beweis einer Grenzwertüberschreitung zum Lenkzeitpunkt dienen.