Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522729/8/Zo/Jo

Linz, 19.04.2011

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vertreten durch X vom 17.11.2010 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 08.11.2010, Zl. VerkR21-173-2010, wegen Einschränkung der Lenkberechtigung zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm § 24 Abs.1 FSG sowie § 18 Abs.3 FSG-GV.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung des Berufungswerbers wie folgt eingeschränkt:

Befristung bis 08.05.2012 sowie Vorschreibung, alle drei Monate sowie bei der Nachuntersuchung alkoholrelevante Laborwerte (CDT, MCV, Gamma-GT) unaufgefordert bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vorzulegen. Dies wurde mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 08.11.2010, welches sich wiederum auf die verkehrspsychologische Untersuchung stützt, begründet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass ihm die Lenkberechtigung aufgrund eines Alkoholdeliktes entzogen wurde. Aus dem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich jedoch nicht, dass die Erteilungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben oder eingeschränkt seien. Eine Befristung sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur zulässig, wenn eine Krankheit vorliege, bei der  ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Eine derartige Krankheit würde sich aus dem amtsärztlichen Gutachten nicht ergeben.

 

Der Verkehrspsychologe habe eine Beobachtung der alkoholrelevanten Laborparameter über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten empfohlen, wobei das amtsärztliche Gutachten diese Empfehlung übernommen habe, ohne auf die anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und auf die Rechtsprechung Bedacht zu nehmen. Laut der verkehrspsychologischen Stellungnahme bestehe bei ihm eine gute Einsicht bezüglich der Gefährlichkeit einer alkoholisierten Verkehrsteilnahme und es könnten adäquate Strategien zur Trennung von drink & drive genannt werden. Er sei also sehr wohl in der Lage, die Gefährlichkeit einer alkoholisierten Verkehrsteilnahme einzusehen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten.

 

Weiters habe er zwei völlig unauffällige alkoholrelevante Laborwerte vorgelegt. Auch aus diesen lasse sich seine erkennbare Motivation für einen reduzierten Alkoholkonsum ablesen.

 

Aus dem Bescheid würde sich auch nicht ergeben, weshalb eine Nachuntersuchung nach 18 Monaten notwendig sei. Auch eine solche dürfe nur dann angeordnet werden, wenn eine Krankheit vorliegt, bei welcher mit einer Verschlechterung zu rechnen ist, welche sich in relevantem Ausmaß auf die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen auswirkt. Eine derartige Erkrankung bzw. die Gefahr einer solchen Verschlechterung bestehe bei ihm jedoch nicht.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung einer Gutachtensergänzung durch die Amtsärztin und Wahrung des Parteiengehörs. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war.

 

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber war im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A, B, B+E, C1, C1+E, C, C+E sowie F. Für alle Klassen ist die Verwendung von Brillen vorgeschrieben (Code 01.01). Die Klassen C1, C1+E sowie C und C+E waren entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen bis 2013 bzw. 2018 befristet. Alle anderen Klassen waren unbefristet und es waren auch keine sonstigen Einschränkungen vorgeschrieben.

 

Am 07.05.2010 lenkte der Berufungswerber seinen PKW in einem stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von 1,06 mg/l. Laut Anzeige der Polizeiinspektion Freistadt lenkte er dabei sein Fahrzeug in Schlangenlinien. Es handelte sich laut Aktenlage um das erste Alkoholdelikt des Berufungswerbers, von der Erstinstanz wurde ihm die Lenkberechtigung für die Dauer von 6 Monaten entzogen und es wurde unter anderem eine verkehrspsychologische Untersuchung und die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens angeordnet.

 

Entsprechend der verkehrspsychologischen Untersuchung vom 12.07.2010 ist die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit gegeben. In der persönlichkeitsdiagnostischen Untersuchung zeigten sich Hinweise auf eine grundsätzlich risikobewusste, verantwortungsvolle Verkehrsteilnahme. Es ließ sich jedoch eine massiv erhöhte Alkoholtoleranz zum Zeitpunkt der Führerscheinabnahme feststellen, die im Widerspruch zu den angegebenen früheren Alkoholkonsumgewohnheiten des Berufungswerbers stehe.

 

Es bestand eine gute Einsicht bezüglich der Gefährlichkeit einer alkoholisierten Verkehrsteilnahme und der Berufungswerber konnte adäquate Strategien zur Trennung von drink & drive nennen. Die Nachschulung und die mit dem Führerscheinentzug verbundenen negativen Konsequenzen dürften den Berufungswerber zusätzlich motivieren, künftig Autofahren und Alkoholkonsum strikt zu trennen. Unter Berücksichtigung der erhöhten Alkoholtoleranz sei jedoch von einem anhaltenden rezidivierenden erhöhten Alkoholkonsum auszugehen, was die Wahrscheinlichkeit für eine erneute alkoholassoziierte Verkehrsteilnahme erhöht. Es könne derzeit nur von einer bedingten Eignung ausgegangen werden, die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung sei in eingeschränktem Ausmaß gegeben. Die Verkehrspsychologin empfahl daher die Beobachtung der alkoholrelevanten Laborparameter über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten. Anzuführen ist, dass sich alle Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung, insbesondere auch bezüglich der Persönlichkeitsuntersuchung, im Normbereich befinden.

 

 

Der Berufungswerber legte im August und im Oktober 2010 alkoholrelevante Laborbefunde vor. Diese befanden sich zur Gänze im Normbereich. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen kam die Amtsärztin zum Schluss, dass eine Befristung der Lenkberechtigung auf 18 Monate erforderlich sei und alle drei Monate alkoholrelevante Laborwerte vorgelegt werden müssten.

 

In der Ergänzung zur verkehrspsychologischen Stellungnahme führte die Verkehrspsychologin im Dezember 2010 aus, dass der Berufungswerber eine offensichtlich massiv erhöhte Alkoholtoleranz aufgewiesen habe. Diese stehe im Widerspruch zu den von ihm behaupteten unauffälligen Alkoholkonsumgewohnheiten. Dieses Ergebnis korreliere auch mit einer grenzwertig erhöhten Dissimulationstendenz im ATV, einem psychometrischen Verfahren zur Überprüfung der subjektiven Alkoholgefährdung.

 

Weiters seien Widersprüche hinsichtlich der Alkoholtoleranz erhebbar:

Die individuelle Spürgrenze liege bei 2 Bier, ein "Trunkenheitsgefühl" reflektiere der Berufungswerber jedoch erst ab 5 bis 6 Bier. Beim Alkoholdelikt habe er sich "schon betrunken gefühlt", habe aber dennoch selber nach Hause fahren wollen. Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme des Autos oder Einschränkungen beim Autofahren habe der Berufungswerber nicht reflektiert, was die Hinweise auf die erhöhte Alkoholtoleranz zusätzlich stütze. Es sollten daher für einen weiteren Zeitraum von mindestens 18 Monaten alkoholrelevante Laborparameter beobachtet werden. Diese Maßnahme solle der längerfristigen externen Kontrolle der Alkoholkonsumgewohnheiten des Berufungswerbers dienen.

 

Der Berufungswerber legte einen weiteren Laborbefund vom 31.01.2011 vor, bei diesen befinden sich die alkoholrelevanten Werte ebenfalls im Normbereich, allerdings ist der CDTect-Wert mit 1,78 % höher als bei den vorherigen Werten. Dazu ist anzuführen, dass Werte bis 1,8 % auch ohne Alkoholkonsum normal sind, bei Werten im Grenzbereich (1,8 % bis 2,4 %) besteht ein Hinweis auf möglichen Alkoholabusus und eine weitere Kontrolle ist angeraten.

 

Unter Berücksichtigung dieser weiteren Untersuchungsergebnisse kam die Amtsärztin zum Schluss, dass die Verlaufskontrolle mit einer regelmäßigen Kontrolle der alkoholrelevanten Laborwerte unbedingt erforderlich sei. Dazu verwies sie wieder auf den sehr hohen Blutalkoholgehalt von 2,1 ‰ und die Widersprüche zwischen der erhöhten Alkoholtoleranz und den Trinkangaben in der verkehrspsychologischen Stellungnahme. Dies sei insofern bedenklich, als nur eine tatsächlich tiefer gehende Auseinandersetzung mit auffälligen Trinkgewohnheiten prognostisch günstig im Hinblick auf eine anhaltende Einstellungs- und Verhaltensänderung zu bewerten sei. Insbesondere bei Personen mit Tendenzen zu leichtem Nachgeben in sozialen Trinksituationen und geringer "Ich-Stärke" sei von einer erhöhten Gefährdung des Rückfalles in auffällige Trinkgewohnheiten auszugehen.

 

Zum vorgelegten Laborwert führte die Amtsärztin aus, dass eine signifikante Steigerung des CDT-Wertes (1,78 % bei einem Referenzbereich bis 1,8 %) vorliege. Auch dies sein ein konkreter Hinweis darauf, dass der Berufungswerber seit Erhalt des Führerscheines die ursprüngliche Motivation für einen reduzierten Alkoholkonsum wieder verlassen haben könnte.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 18 Abs.3 FSG-GV ist für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des Probanden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob der Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht.

 

5.2. Beim Berufungswerber wurde weder eine Alkoholabhängigkeit noch ein gehäufter Alkoholmissbrauch festgestellt. § 14 FSG-GV ist daher nicht anwendbar. Die Frage, ob sich sein (bisheriger) Alkoholkonsum auf seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen auswirkt, ist daher ausschließlich unter dem Aspekt der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu beurteilen. Dabei kommt es – wie der Rechtsvertreter des Berufungswerbers zutreffend ausführte – nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf an, ob die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung darauf schließen lassen, dass konkret zu befürchten ist, dass der Untersuchte wiederum in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines Fahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde. Eine "erhöhte Alkoholtoleranz" alleine rechtfertigt die Annahme einer solchen Gefahr nicht (st. RSpr., sh. zB. VwGH vom 24.09.2003, Zl. 2002/11/0231).

 

Sowohl die verkehrspsychologische Untersuchung als auch das amtsärztliche Gutachten stützten sich jedoch im Wesentlichen auf das hohe Ergebnis des Alkotests und die daraus ableitbare erhöhte Alkoholtoleranz. Anzuführen ist dazu auch, dass der Berufungswerber laut Polizeianzeige sein Fahrzeug in Schlangenlinien gelenkt hat, sodass er offenkundig erhebliche Schwierigkeiten beim Autofahren hatte. Dass er diese nicht mehr selbst wahrgenommen hat (und daher auch nicht reflektieren konnte) ist aufgrund seiner starken Alkoholisierung leicht erklärbar. Diesbezüglich steht die VPU im Widerspruch zur Aktenlage.

 

Die unterschiedlichen Angaben zur "individuellen Spürgrenze" und zum "Trunkenheitsgefühl" sind für das erkennende Mitglied gut nachvollziehbar. Auch bei diesem liegt die "individuelle Spürgrenze" bereits bei 1 Seiterl Bier, während ein "Trunkenheitsgefühl" je nach den Umständen erst bei ca. 3 Seiterl Bier eintritt. Soweit in der Ergänzung zur VPU von einer grenzwertig erhöhten Dissimulationstendenz im ATV die Rede ist, ist diese Einschätzung nicht nachvollziehbar, weil in der VPU von einer unauffälligen psychischen Alkoholdisposition bei einer unauffälligen Dissimulationstendenz die Rede ist. Die von der Amtsärztin diagnostizierte Tendenz zu leichtem Nachgeben in sozialen Trinksituationen und geringer "Ich-Stärke" ist durch das Ergebnis der VPU widerlegt. Dort ergab sich eine überdurchschnittlich hohe psychische Stabilität, ein im oberen Durchschnittsbereich liegendes Verantwortungsbewusstsein und eine im oberen Normbereich liegende Selbstkontrolle.

 

Soweit die Einschränkungen auf die erhöhte Lenkverantwortung beim Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse C gestützt wird, fehlt jede Begründung, warum die Gefahr einer neuerlichen Trunkenheitsfahrt beim Lenken eines LKW wesentlich höher sein soll als beim Lenken eines PKW.

 

Insgesamt haben die Untersuchungsergebnisse keine konkreten Anhaltspunkte darauf ergeben, dass beim Berufungswerber eine höhere Gefahr einer neuerlichen alkoholisierten Teilnahme am Straßenverkehr besteht als bei anderen Personen. Die von der Erstinstanz angeordneten Einschränkungen waren daher aufzuheben, sodass der Berufungswerber wieder im Besitz der gleichen Lenkberechtigung wie vor dem Vorfall vom 07.05.2010 ist. Bezüglich der Wiederausfolgung bzw. Neuausstellung eines entsprechenden Führerscheines hat sich der Berufungswerber mit der Erstinstanz in Verbindung zu setzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

 

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