Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522796/13/Bi/Kr

Linz, 29.04.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch Herrn RA x, x, vom 8. Februar 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 28. Jänner 2011, VerkR21-687-2010/BR, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, aufgrund des Ergebnisses der am 31. März 2011 durch­geführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als die Entziehungsdauer auf 10 Monate herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1 Z1 und Abs.3 Z1, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs. und 3, 26 Abs.2 Z6, 29 Abs.4, 32 Abs.1 Z1 FSG die von der BH Braunau/Inn am 2.7.2010, Zl.08/049078, ausgestellte Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab
16. Dezember 2010, demnach bis einschließlich 16. Dezember 2011, entzogen und ihm für den gleichen Zeitraum das Recht, von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt und das Lenken von Motorfahr­rädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen ver­boten. Gemäß § 24 Abs.3 FSG wurde ihm aufgetragen, sich auf seine Kosten bei einer vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ermäch­tig­­ten Stelle einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker (5 Gruppen­sitz­ungen zu ins­gesamt 18 Kurseinheiten) zu unterziehen, wobei die Dauer der Ent­zieh­ung der Lenkberechtigung nicht vor Befolgung der Anordnung ende.  Festge­halten wurde – unter wörtlicher Zitierung des § 4 Abs.7 FSG – die Verlängerung der Probezeit um ein Jahr, dh bis 2. Juli 2013, und die Notwendigkeit der Aus­stellung eines neuen Führerscheines. Angeordnet wurde gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheines und des Mopedaus­weises. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allenfalls einge­brachten Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 1. Februar 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 31. März 2011 wurde hinsichtlich des Vorfalls vom
5. Dezember 2010 eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesen­heit des Bw und seines Rechtsvertreters RA x sowie der  Zeugen Mel­dungs­leger x (Ml), x (O), x (H) und x (W) durchgeführt. Der Vertreter der Erst­instanz war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsent­scheidung wurde verzichtet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe sich am 5. Dezember 2010 beim Lenken des Pkw x in der Gemeinde St. Peter am Hart nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und habe auch keinen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht oder Fahrerflucht begangen. Er sei lediglich von der Straße abgekommen und habe geringfügigsten Sachschaden an  einer Kilometrierungseinrichtung verursacht, den sein Vater nach Ausforschung der zuständigen Straßenmeisterei ohne unnötigen Aufschub gemeldet habe. Er habe die ganze Nacht vorher keinen Alkohol getrunken und dazu Zeugen nam­haft gemacht, deren Einvernahme er beantrage. Er habe erst zu Hause zwei Flaschen Pils und Wodka aus einer Flasche aus der hauseigenen Minibar getrunken. Der bei der Atemluftalkohol­messung um 10.51 Uhr festgestellte AAG von 0,52 mg/l basiere ausschließlich auf diesem Nachtrunk. Zum Unfallzeitpunkt habe keine Alkoholbeeinträchtigung bestanden. Der einschreitende Polizeibeamte habe bestätigt, dass er bereits bei der Einvernahme am Vorfallstag den Nach­trunk genau angegeben habe. Seine Darstellungen seien von der ersten Einver­nahme an konsequent und schlüssig gewesen. Die genaue Wodkamenge direkt aus der Flasche habe er naturgemäß nicht definieren können. Faktum sei aber, dass die um 10.51 Uhr festgestellte Alkoholisierung ausschließlich vom nach dem Unfall konsumierten Alkohol stamme. Aus diesem Grund erübrige sich auch eine Rückrechnung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Bescheides berücksichtigt und die genannten Zeugen, der Zeuge O als Vater des Bw unter Hinweis auf sein Entschlagungsrecht, unter der Wahrheitspflicht des
§ 289 StGB einvernommen wurden. 

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Bw am 5. Dezember 2010, 6.00 Uhr, den Pkw x (Audi 80, weiß) in St. Peter am Hart, B148 bei Strkm 27.600, aus Richtung Altheim kommend in Fahrtrichtung Braunau lenkte und dort einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem eine Kilometrierungs­tafel niedergefahren und beschädigt wurde. Ein am 5. Dezember 2010 um 10.51 Uhr durchgeführter Alkotest ergab 0,52 mg/l Atemluft­al­kohol­konzen­tration, was der Bw damit zu erklären versuchte, der gesamte Alkohol sei in Form eines Nachtrunks nach dem Verkehrs­unfall konsumiert worden. Er bestätigte bei der PI Braunau  seinen Alkohol­konsum mit zwei Flaschen Pils und einer unbekannten Menge Wodka, die er direkt aus der Flasche getrunken habe. Sein Vater wurde ebenfalls bei der PI Braunau einvernommen und gab an, er habe den Bw aus einer Flasche Pils, die er im Keller habe, trinken gesehen; weitere Flaschen habe er aus dem Zimmer des Bw weggeräumt; von Wodka wusste der Zeuge O nichts. Die Erstinstanz nahm daraufhin den Nachtrunk in Form einer 0,33l-Flasche Pils als gegeben an und errechnete bezogen auf die Unfallzeit 6.00 Uhr eine Blutalkoholkon­zen­tration von zumindest 1,2 %o. Der Bw bestätigte, er habe sich vom Zeugen H nach Hause bringen lassen und dort seinen Vater ersucht, sich um die Unfallmeldung zu kümmern. Der Zeuge O eruierte daraufhin die zuständige Straßenmeisterei Altheim und meldete dort laut Ml um 9.14 Uhr die Beschädigung der Kilome­trierungstafel im Zuge eines Verkehrsunfalls des Bw.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, dass unbestritten feststeht, dass beim Unfall gegen 6.00 Uhr des 5. Dezember 2010 vom Bw die Kilometrierungstafel beschädigt und neben der B148 abgelegt wurde. Der Bw ließ sich vom Zeugen H heimbringen und nahm  auf dem Weg durch den Keller mehrere 0,33 l-Flaschen Pils mit; in der Berufungsverhandlung behauptete er, im Keller gleich eine Flasche Pils "ex" getrunken zu haben. Der Zeuge O bestätigte, er habe den Bw aus der Flasche trinken gesehen, als dieser vom Keller herauf­gekommen sei. Bei seiner Einvernahme am 5. Dezember 2010 hat der Zeuge O ausgesagt, er habe, als er ins Zimmer des Bw geschaut habe, diesen aus einer Pils-Flasche trinken gesehen und eine ungeöffnete Flasche sei noch dort gestanden. In der Verhandlung hat er ausgesagt, er habe mehrere Flaschen weggeräumt. Den Wodkakonsum des Bw habe er nicht gesehen, aber beim Telefonieren mitbe­kommen, dass der Bw ins Wohnzimmer gegangen sei, und er habe ein charakter­istisches Geräusch beim Öffnen der Hausbar gehört. Erst auf der Heimfahrt von der PI Braunau habe er den Bw, weil seine Beobachtung vom Alkoholkonsum mit dessen Alkomatergebnis nicht übereingestimmt hätten, nach weiterem Alkoholkonsum  gefragt, worauf ihm dieser vom Wodka erzählt habe. Zu Hause habe er festgestellt, dass aus der Flasche, die seine Gattin kurz vorher geöffnet und eine kleine Menge entnommen habe, 5 ca gefehlt hätten. Er selbst habe auf Bitte des Bw die zuständige Straßen­meisterei eruiert und von der Beschädigung der Kilo­metrierungstafel verständigt, nach seiner Angabe vom 5. Dezember 2010 um 8.00 Uhr, laut Angaben in der Verhandlung kann es auch um 9.00 Uhr gewesen sein. 

Die Schadensmeldung wurde von der Straßenmeisterei Altheim laut Anzeige um 9.14 Uhr bestätigt. Um 10.30 Uhr nach der Bergung des Unfallfahrzeuges führte der Bw an der Unfallstelle einen Alkoholvortest, um 10.51 Uhr bei der PI Braunau einen Alkotest mit dem günstigsten Ergebnis 0,52 mg/l AAG durch.

 

Geht man von der Unfallzeit 6.00 Uhr aus, wobei von der Unfallstelle bis zum Haus des Bw etwa 26 km zurückzulegen sind, ist die Fahrzeit etwa mit etwa einer halben Stunde anzusetzen. Der Nachtrunk-Trinkbeginn nach der Heimkehr des Bw, der laut erstmaligen Ausführungen in der Berufungsverhandlung gleich im Keller noch eine 0,33 l-Flasche Pils geöffnet und "ex" getrunken haben will, ist mit ca 6.30 Uhr anzunehmen. Zur Menge hat der Bw bei der Polizei angegeben, er habe in seinem Zimmer zwei Flaschen Pils getrunken. In der Verhandlung hat er hingegen gesagt, er habe in sein Zimmer vier bis fünf Flaschen mitgenommen und davon zwei bis drei Flaschen ausgetrunken.

  

Der Zeuge O hat trotz unterschiedlicher Angaben über Ort und Zeit hinsichtlich des Bierkonsums jedenfalls eine Flasche Pils als Nachtrunk bestätigt. Vom Wodka wusste er bei der Polizei nichts.

 

Im Verfahren vor der Erstinstanz wurde ein medizinisches Gutachten zum Nachtrunk eingeholt, wobei Pils mit 3,95 Vol% angenommen und diese eine vom Vater bestätigte Flasche Pils von der rückgerechneten Alkoholmenge abgezogen wurde. Das erkennende Mitglied hat eruiert, dass das in 0,33 l-Flaschen ange­botene Pils im Durchschnitt genauso viel Alkoholgehalt aufweist wie normales Bier, dh 5,2 Vol%. Zugunsten des Bw ist daher eine Flasche zu 0,33 l mit 5,2 Vol% und daraus errechnet einer Alkoholmenge von 13,72 g Alkohol anzu­nehmen (5,2:100x0,8x330). Bei laut Anzeige 80 kg Körpergewicht des Bw errechnet sich daraus nach der Widmarkformel ein Blutalkoholgehalt von 0,24 %o (Alkohol in Gramm : reduziertes Körpergewicht 80x0,7).

 

Bei Wodka unterscheiden sich die Marken nicht nur von der Flaschen­form her, insbesondere bei den oberen 5 cm Flaschenhals je nach Flaschengröße, wesent­lich, sondern auch vom Alkoholgehalt, der entweder 37,5 Vol% oder 40 Vol% beträgt. Für den Bw wären günstigstenfalls 40 Vol% anzunehmen, aber die Menge könnte nur geschätzt werden, weil zur Marke, Flaschengröße und vor allem zum verbleibenden Inhalt nichts objektivierbares feststeht.

Aber selbst wenn man die angeblich fehlenden "5 cm" mit etwa 125 ml annähme, was auch mit den in der Verhandlung erstmalig genannten 4 bis 5 Schluck überein­stimmen könnte, ergäbe das bei vermuteten 40 Vol% 40 g Alkohol, umge­rechnet auf den Bw mit 80 kg 0,71 %o BAG. Unter Berück­sichtigung des Umstandes, dass der gesamte Alko­hol­konsum innerhalb kurzer Zeit nach dem Heimkommen des Bw statt­gefunden hat, wäre damit nach seinen Angaben vor der Polizei ein Nachtrunk von zwei Flaschen (660 ml zu 5,2 Vol% = 27,46 g Alkohol) Pils und (geschätzt) 125 ml Wodka anzunehmen, was bei insgesamt 67,46 g Alkohol überschlagsmäßig einen BAG von 1,20 %o BAG ergäbe. Dabei wäre aber der Alkoholabbau bis 10.51 Uhr zu berück­sichtigen, dh ca 4 Stunden vom Trink­beginn kurz nach 6.30 Uhr bis zum Alko­test um 10.51 Uhr abzuziehen, das wären bei einer stündlichen Abbaurate von 0,1 %o insgesamt  0,4 %o, was einen BAG um 10.51 Uhr von geschätzten 0,8 %o ergäbe.

 

Fest steht aber nur, dass der um 10.51 Uhr beim Alkotest erzielte Atemalkohol­gehalt von 0,52 mg/l umgerechnet einem Blutalkoholgehalt von 1,04 %o entspricht. Daraus folgt, dass die Verantwortung des Bw vor der Polizei mit dem Alkoholgehalt von 10.51 Uhr nicht übereinstimmen kann. Er hat vor der Polizei von einer gleich im Keller "ex" getrunkenen Flasche Pils nichts gesagt und auch die in der Berufungs­ver­handlung angegebenen "zwei bis drei" im Zimmer getrunkenen Flaschen sind zu ungenau und ergäben insgesamt 4 Flaschen Pils im Gegensatz zu den zuerst behaupteten zwei.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat stellen daher wegen der nachträglich geänderten Angaben des Bw hinsichtlich der Pils-Flaschenanzahl und der oben angestellten Überlegungen zur Wodka-Menge (wie auch zu den Vol% des Pils) reine Ver­mutungen dar. Die vom Bw zunächst vor der Polizei angegebene Menge würde den um 10.51 Uhr erzielten Alkomatwert nicht erklären. Wenn aber diese Angaben stimmen, schließt das einen Alkoholkonsum vor dem Lenken nicht aus.

 

Die Erstinstanz hat – völlig nachvollziehbar – lediglich die eine vom Zeugen O bestätigte Flasche Pils als Nachtrunk ange­nommen. Vom Alkomatwert um 10.51 Uhr von umgerechnet 1,04 %o waren bei der Rückrechnung auf die Lenkzeit 6.00 Uhr somit 4 Stunden und 50 Minuten zu berücksichtigen.

 

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen hat, und bei der Beur­teilung der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beizumessen ist, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat, wobei in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Um­standes davon auszugehen ist, dass auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit – von sich aus – hingewiesen wird, gelangte der Unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, dass der Bw keineswegs im Sinne der oben zitierten ständigen Recht­sprechung des Verwaltungs­gerichtshofes den Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegen­heit dezidiert behauptet oder gar bewiesen hat. Er hat hinsichtlich der Pilsmenge die Angaben nachträglich von 2 auf 4 Flaschen, dh auf das Doppelte, abgeändert. Der Zeuge O hat lediglich den Nachtrunk in Form der einen Flasche Pils schon vor der Polizei bestätigt. Aber selbst wenn beim Pils ein Alkoholgehalt mit 5,2 Vol% angenommen wird, wäre bezogen auf das Körper­gewicht des Bw laut Anzeige von 80 kg bei einer 0,33 l-Flasche Pils von 13,72 g Alkohol von einem BAG von 0,24 %o auszugehen. Die Rückrechnung von 1,04 %o auf die Unfallzeit 6.00 Uhr (4 Stunden 50 Minuten mit 0,1 %o stündlichem Abbauwert) unter Abzug von 0,24 %o ergibt damit 1,28 %o  (1,04 + 0,48 +0,24).

Damit war im Ergebnis von einer Alkoholbeein­trächti­gung des Bw beim Lenken des Fahrzeuges um 6.00 Uhr in einer Größenordnung von über 1,2 %o aber unter 1,6 %o BAG auszugehen.

 

Zur Meldepflicht nach dem Verkehrsunfall mit Beschädigung einer Kilome­trie­rungs­­tafel hat das Beweisverfahren ergeben, dass der Bw nach dem Unfall um ca 6.00 Uhr den Vater ersucht hat, die Meldung bei der Straßenmeisterei zu veranlassen, was dieser laut Anzeige um 9.14 Uhr getan hat; seine Zeit­angaben schwanken zwischen 8.00 Uhr (PI Braunau) und 9.00 Uhr (in der Berufungs­ver­hand­lung). Beides war nach der strengen Aus­legung des Begriffes "ohne unnötigen Aufschub" schon zu spät und ist dem Bw als Adressat der Ver­pflich­tung des § 99 Abs.2 lit.e StVO zurechenbar. Nach den Ergebnissen des Beweis­verfahrens ist auch objektiv kein Grund ersichtlich, warum der Bw nicht schon an der Unfallstelle die zuständige Polizeiinspektion über die Notrufnummer informieren hätte können.

Der Bw hat sich nach dem Unfall vom Zeugen H heimbringen lassen, obwohl er schon an der Unfallstelle mit seinem Vater telefoniert hat und daher nicht von einer Notstands­situation, einem Schock oder ähnlichem auszugehen war. Er wurde beim Unfall nicht verletzt und von einem Unfallschock kann nach dem aus seinen Schilderungen und Handlungen zweifellos erkennbaren logischen Gedan­ken­ablauf keine Rede sein. Ein Schock stellt im medizinischen Sinn ein Kreis­lauf­versagen dar, das beim Bw mit Sicherheit nicht vorlag. Er hat zu Hause zunächst einmal Alkohol konsumiert und sich bei der PI Braunau zur ihm unbekannten Menge Wodka darauf berufen, er sei geschockt gewesen. Der von ihm einge­wandte "Schock" kann sich daher maximal auf "weiche Knie", aber nicht auf einen entschuldigenden Not­stand beziehen.

Die Mitwirkungspflicht des § 4 Abs.1 lit.c VStG hat schon deshalb bestanden, weil beim ggst Verkehrs­un­fall nicht nur Schaden am Eigentum des Bw eingetreten ist und sie hat sich nicht nur auf das Zustandekommen des Unfalls bezogen, sondern auch auf die körperliche und geistige Verfassung des Bw zur Unfallzeit. Die Mitwirkungspflicht schloss auch das Verbot mit ein, nach dem Unfall Alkohol zu trinken, zumal dadurch die Feststellung, ob im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträch­tigter Zustand gegeben war, erschwert werden konnte, und zwar unabhängig davon, ob vor dem Unfall Alkohol konsumiert wurde oder nicht. Der Bw war zum Zeitpunkt des Beginns seines Alkoholkonsums im Sinne eines Nachtrunkes seiner Verpflich­tung gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO noch nicht nachge­kommen und hatte daher sehr wohl mit einer amtlichen Tatbestands­aufnahme zu rechnen, weil er nicht ausschließen konnte, dass die Polizei vom Verkehrsunfall mit Sachschaden an einer Verkehrsleiteinrichtung zB durch einen Straßenver­kehrs­teilnehmer verstän­digt oder auch aus eigenem Antrieb nach zufälliger Kenntnis davon tätig werden konnte. Er hat die Unfallstelle verlassen und daheim Alkohol in Form eines Nachtrunks von jedenfalls einer 0,33 l-Flasche Pils konsumiert.   

 

Der Bw wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungs­senates vom 21. April 2011, VwSen-165794/13/Bi/Kr, der Begehung von Verwaltungs­übertretungen gemäß 1) §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960, 2) §§ 31 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 und 3) §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 schuldig erkannt, weil er am 5. Dezember 2010, 6.00 Uhr, den Pkw x (Audi 80, weiß) in St. Peter am Hart, B148 bei Strkm 27.600, aus Richtung Altheim kommend in Fahrtrichtung Braunau

1) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Ein am
5. Dezember 2010 um 10.51 Uhr durchgeführter Alkotest ergab 0,52 mg/l Atemluft­al­kohol­konzen­tration; daraus ergibt sich auf den Lenkzeitpunkt zurück­gerechnet und unter Berücksichtigung des Nachtrunks eine Blutalkoholkonzen­tration von zumindest 1,2 %o.

2) Er hat die Kilometrierungstafel mit der Auf­schrift 27.600, sohin eine Ein­richtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, bei einem Verkehrsunfall beschädigt und nicht ohne unnö­ti­gen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter unter Bekanntgabe seiner Identität verständigt.

3) Er ist mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat nicht an der Sachverhaltsfeststellung mitgewirkt, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich machte, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen und er hat nach dem Unfall verbote­ner­­weise Alkohol konsumiert.  

  

Zugrundezulegen ist weiters, dass dem Bw erstmalig vom 1. Juli 2007 bis
1. Oktober 2007 ein Mopedfahrverbot wegen Verkehrunzuverlässigkeit infolge eines Alkohol­deliktes gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 erteilt wurde. Er hat im Jahr 2010 eine Lenkberechtigung erworben und  befand sich daher zum Vorfallszeitpunkt in der Probezeit.

 

Der Bw wurde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 27. April 2011, VwSen-165869/11/Bi/Kr, einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 insofern schuldig erkannt, als er am 16. Oktober 2010, 21.37 Uhr, im Ortsgebiet Braunau/Inn, Salzburger Straße 99, Kreisverkehr bei der OMV-Tankstelle, als Lenker des Pkw x mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in einem ursächlichen Zusammen­hang stan­d und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienst­stelle verständigte. Der Bw hat auch hier einen Nachtrunk eingewendet, jedoch erfolgte die Aufforderung zum Alkotest unter letztlich nicht ausreichend geklärten Bedingungen telefonisch, sodass bereits die Erstinstanz auf die Einleitung sowohl eines Verwaltungsstrafver­fahrens als auch eines Entziehungsverfahrens verzichtete.    

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenk­berechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraft­fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alko­hol­gehalt seines Blutes 1,2 %o oder mehr, aber weniger als 1,6 %o, oder der  Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

Gemäß § 26 Abs.2 Z6 FSG ist, wenn beim Lenken oder der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges ein Delikt gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begangen wird, die Lenkberechtigung auf mindestens acht Monate zu entziehen.

 

Dem 1990 geborenen Bw wurde vom 1. Juli 2007 bis 1. Oktober 2007 für drei Monate wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit infolge eines Alkoholdeliktes gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 ein Mopedfahrverbot erteilt.

Bezogen auf den Verkehrsunfall vom 5. Dezember 2010, 6.00 Uhr, ist unter Zugrundelegung des günstigeren Alkotestergebnisses von 0,52 mg/l um 10.51 Uhr unter Berücksichtigung des Nachtrunkes von 0,33 l Pils unter Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt von einem Blutalkoholgehalt von etwas über 1,2 %o und damit davon auszugehen, dass der Bw eine Über­tretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begangen und damit jeweils eine bestimmte Tatsache im Sinne des
§ 7 Abs.3 Z1 FSG verwirklicht hat, wobei unter Zugrundelegung des am 26. April 2011 in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungs­senates auch die Nichtmeldung eines bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschadens an einer Verkehrsleitein­richtung gemäß §§ 99 Abs.2 lit.e iVm 31 Abs.1 StVO und ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach einem Verkehrs­unfall gemäß §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 durch den Nachtrunk in die Wertung mit einzubeziehen war.

 

Aus § 26 Abs.2 Z6 FSG folgt, dass es sich bei der dort genannten Entziehungszeit von acht Monaten um eine Mindestentziehungszeit handelt, für deren Dauer die Lenkberechtigung jedenfalls zu entziehen ist, wenn nach einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begangen wurde. Diese Bestimmung steht somit der Fest­setzung einer längeren Entziehungsdauer nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der straf­baren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen darüber hinaus­reichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen (VwGH 24.4.2007, 2004/11/0001; 17.11.2009, 2009/11/0023, mit Vorjudikatur).

 

Dabei ist – abgesehen davon, dass nach ständiger Judikatur des VwGH Alkohol­delikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften gehören, zumal derart durch Alkohol beeinträchtigte Lenker für sich alleine schon eine hohe potenzielle Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen, weil sie infolge ihrer herabgesetzten Konzentrations-, Beobachtungs-, und Reaktions­fähig­keit nicht in der Lage sind, die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen zufriedenstellend auszuüben – vor allem der Umstand, dass der Bw, dem erst im Juli 2010 eine Lenkberechtigung der Klasse B erteilt wurde und der sich daher in der Probezeit befand, in diesem Zustand einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und seiner Meldepflicht nicht ausreichend nachgekommen ist und danach Alkohol in Form eines Nachtrunkes zu sich genommen hat, in die Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG mit einzu­beziehen.

 

Damit war die Entziehungs­dauer zumindest im Ausmaß von zwei Monaten über die Mindestentziehungszeit zu verlängern, um dem knapp 21jährigen Bw, der nunmehr seit Jahresende 2010 beschäftigungslos und finanziell und durch den mit öffentlichen Verkehrs­mitteln schwer zu erreichenden Wohnort erheblich benachteiligt ist, zu ermöglichen, in absehbarer Zeit wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

Insgesamt gesehen wird die Festsetzung einer über die gesetzliche Mindest­zeit hinausgehenden Entziehungsdauer mit (nur) 10 Monaten nicht nur als sachlich gerecht­­fertigt, sondern im Sinne einer Prognose, wann der Bw die Verkehrs­zuver­lässigkeit wieder­erlangt haben wird, für ausreichend aber zweifel­los auch geboten und unabdingbar erachtet.

Die Dauer der prognostizierten Verkehrsunzuverlässigkeit ist naturgemäß auch auf das Verbot, Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invaliden­kraft­fahr­zeuge zu lenken, und die Aberkennung des Rechts, von einem allfällig bestehenden ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, zu übertragen.  Diese Zeitspanne sollte der Bw intensiv nützen, um sich darüber klar zu werden, welchen Stellenwert Alkohol überhaupt in seinem Leben einnimmt.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrs­teilnehmer vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 6.4.2006, 2005/11/0214; uva).

Private und berufliche Umstände haben bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben (vgl VwGH 27.5.1999, 99/11/0072; 24.8.1999, 99/11/0166; 4.10.2000, 2000/11/0176; uva).

 

Bei der Übertretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 war die Nachschulung gemäß § 24 Abs.3 FSG zwingend anzuordnen, wobei sich mit der Anordnung der Nach­schulung die Probezeit gemäß § 4 Abs.3 FSG zwingend um ein weiteres Jahr verlängert.  

Aus all diesen Überlegungen war im Anfechtungsumfang spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständ­lichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

2007 § 99/1a StVO, 2010 § 99/1a StVO = § 26/2 Z.6, 8 Monate + Unfall (Nichtmeldung + Nachtrunk) + Probezeit; 12 Monate zu lang, Herabsetzung auf 10 Monate (arbeitslos + abgelegener Wohnort)

 

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