Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231163/2/BP/Ga

Linz, 10.05.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 22. Oktober 2010, GZ.: Sich96-1049-2010, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

 

I.  Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das im angefochtenen Straferkenntnis festgesetzte Strafausmaß auf eine Geldstrafe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden) und der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde auf 10 Euro herabgesetzt werden, im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des  Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 64ff. VStG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck, vom 22. Oktober 2010, GZ.: Sich96-1049-2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden) verhängt, weil er, wie aufgrund einer Anzeige des X an die BPD Linz bekannt worden sei, am 29. Juli 2010 zwischen 7:00 Uhr und 8:00 Uhr als passpflichtiger Fremder unrechtmäßig über unbekannt in das Bundesgebiet von Österreich eingereist sei, da er die Bundesgrenze nach Österreich überschritten habe ohne im Besitz eines gültigen Reisepasses und eines Sichtvermerkes für Österreich oder ein Schengenland zu sein. In weiterer Folge habe der Bw um 11:30 Uhr die Polizeiinspektion Linz, Schubertstraße betreten und einen Asylantrag gestellt. Dieser Asylantrag sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes rechtskräftig am 28. September 2010 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und gemäß § 10 AsylG die Ausweisung aus der Republik Österreich verfügt worden. Der Bw gelte daher seit dem 28. September 2010 als Fremder.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges sowie nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sieht die belangte Behörde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an. Insbesondere weist die belangte Behörde darauf hin, dass der Bw bereits am 6. August 2010 von Österreich nach Ungarn abgeschoben worden sei. Der Bw habe auch im aktuellen Asylverfahren zu Zl.: 10 06 681 keine Identitätsdokumente vorgelegt.

 

Zur Strafhöhe wird ausgeführt, dass von keinen Milderungsgründen jedoch vom Erschwerungsgrund der wiederholten unrechtmäßigen Einreise nach erfolgter Landabschiebung auszugehen sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundlichen Vertreter eine rechtzeitige Berufung mit Schreiben vom 5. November 2010.

 

Darin führt er ua. aus, dass er aus heutiger Sicht den genauen Zeitpunkt der Einreise, die er grundsätzlich aber nicht bestreite, nicht mehr angeben könne. Gemäß § 120 Abs. 7 FPG sei das Verwaltungsstrafverfahren bis zur Entscheidung durch die ungarischen Behörden über den dort zu behandelnden Asylantrag des Bw auszusetzen gewesen.

 

Hinsichtlich der Strafhöhe macht der Bw sowohl geringes Verschulden, unbedeutende Folgen der Tat als auch seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse geltend.

 

Abschließend werden die Anträge gestellt:

Der Oö. Verwaltungssenat möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

a) das bekämpfte Straferkenntnis ersatzlos beheben und

b) das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einstellen,

in eventu

c) allenfalls nach Verfahrensergänzung entscheiden und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass – unter Berücksichtigung obiger Ausführungen – die verhängte Geldstrafe entsprechend gemäßigt bzw. eine Ermahnung nach § 21 VStG ausgesprochen werde.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 8. November 2010 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

In einer kurzen Sachverhaltsdarstellung wies die belangte Behörde ua. darauf hin, dass der Bw neuerlich und zwar am 7. Oktober 2010 nach Ungarn abgeschoben worden sei. Sie regt zur Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Akt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung an.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Mit Telefonat vom 9. Mai 2011 verzichtete der Rechtsvertreter des Bw ausdrücklich auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Da im Verfahren der relevante Sachverhalt im Grunde genommen unwidersprochen feststeht, und lediglich die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war, konnte gemäß § 51e Abs. 3 VStG auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden, zumal auch kein diesbezüglicher Parteienantrag aufrecht erhalten wurde.   

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – unwidersprochen gebliebenen -  unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer als Fremder nicht rechtmäßig ins Bundesgebiet einreist. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß §15 Abs. 1 FPG brauchen Fremde, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist oder nicht anderes internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument (Passpflicht).

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. brauchen passpflichtige Fremde soweit dies nicht durch Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein Visum (Sichtvermerkspflicht). Fremde, die eine gültige Aufenthaltsberechtigung, eine besondere Bewilligung während 18 Monaten nach einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder nach Ausreise aufgrund einer Ausweisung oder eine Bewilligung zur Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes innehaben, entsprechen der Sichtvermerkspflicht.  

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst die Tatsache der illegalen Einreise in das Bundesgebiet durch den Bw auch von ihm selbst nicht bestritten. Allerdings wendet er ein, dass das Strafverfahren gemäß § 120 Abs. 7 FPG bis zur Entscheidung über den Asylantrag durch die ungarischen Behörden hätte ausgesetzt werden müssen.

 

Gemäß § 120 Abs. 7 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 leg. cit. nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

3.3. Aus dieser Bestimmung wird deutlich, dass im Sinne des FPG nur Asylverfahren, die in Österreich geführt werden, für eine allfällige Aussetzung eines Verwaltungsstrafverfahrens maßgeblich sind und keinesfalls die Tatsache, dass – in welchem anderen Staat auch immer – ein Asylverfahren mit einem Fremden geführt wird. Der Bw kann sich somit nicht zurecht auf diese Bestimmung stützen.

 

Es ist somit im in Rede stehenden Fall vom Vorliegen der objektiven Tatseite auszugehen.

 

3.4. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Der Bw machte jedoch keinerlei Umstände geltend, die geeignet wären, einen entsprechenden Entlastungsbeweis darzustellen. Der belangten Behörde folgend ist somit vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite in Form fahrlässigen Verhaltens auszugehen.

 

3.5. Hinsichtlich der verhängten Strafe ist der Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Strafbemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat.

 

Zum Zeitpunkt der Strafbemessung war die belangte Behörde gehalten, § 120 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, anzuwenden und hatte daher auf die vorgesehene Mindeststrafe von 1.000 Euro abzustellen. Mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10-7 u.a, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "von 1.000 Euro" in Abs. 1 und die Wendung "1" in Abs. 4 des       § 120 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgeführt, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Die Aufhebung der Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof wurde vom Bundeskanzler am 4. April 2011 im BGBl. I Nr. 17/2011, kundgemacht.

 

Ohne auf die Problematik des § 1 Abs. 2 VStG näher einzugehen, bedeutet die Aufhebung der Mindeststrafe durch den Verfassungsgerichtshof für den vorliegenden Fall, dass die ursprünglich im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe nicht mehr anzuwenden ist. Es bleibt allerdings durch die Aufhebung das Delikt an sich und die Strafnorm hinsichtlich des Höchstausmaßes des Strafrahmens weiterhin in Kraft.

 

Unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 19 VStG erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates ein Strafausmaß von 100 Euro (korrespondierend die Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden) als tat- und schuld angemessen.

 

In diesem Sinne war auch der Ausspruch über den Ersatz der Kosten für das Verfahren vor der belangten Behörde adäquat herabzusetzen.

 

Ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 FPG kam schon allein mangels geringfügigen Verschuldens nicht in Betracht, wobei auch die dazu  kumulativ geforderten unbedeutenden Folgen der Verwaltungsübertretung nicht als gegeben anzusehen wären.

 

3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Bernhard Pree

 

 

 

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