Linz, 05.05.2011
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die beiden inhaltsgleichen Berufungen des Herrn x, x, vertreten durch Herrn RA x, x,
1. vom 21. März 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 2. März 2011, VerkR20-514-2002, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, und
2. vom 29. März 2011 gegen den (gleichlautenden) Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 22. März 2011, VerkR20-514-2002, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als die (auch auf das Lenkverbot und die Aberkennung des Rechts gemäß § 30 FSG bezogene) Entziehungsdauer auf 14 Monate – gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides am 6. April 2010, dh bis 6. Juni 2011 – herabgesetzt wird.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4 und 67a AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 25 Abs.3, 7 Abs.1 und 3 Z11, 32 Abs.1 und 30 Abs.1 FSG die von der BH Urfahr-Umgebung am 25. Oktober 2001, VerkR20-514-2002/UU, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von 60 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides am 6. April 2010, dh bis einschließlich 6. April 2015, entzogen und für den gleichen Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten sowie das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte an den Rechtsvertreter am 7. März 2011.
Der Bescheid vom 22. März 2011 wurde nach Auskunft der Erstinstanz an den Bw persönlich zugestellt, weil der Rechtsvertreter im Jahr 2010 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekanntgegeben hatte. Die 2. inhaltlich mit der 1. völlig gleichlautende Berufung wurde vom Rechtsvertreter, der auch im Verfahren VwSen-600096 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat tätig geworden war, eingebracht. Die im Folgenden verwendete Bezeichnung "Berufung" meint inhaltlich beide Berufungen.
2. Dagegen wenden sich die vom Rechtsvertreter des Bw fristgerecht eingebrachten Berufungen, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurden, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe ihm vor der Entscheidung keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben und gleichzeitig mit der Bescheidzustellung die Polizei veranlasst, ihm den Führerschein sofort abzunehmen. Er habe zu keinem Zeitpunkt schwere Drogen wie Kokain oder Heroin besessen oder in Verkehr gebracht, er habe lediglich Cannabiskraut angebaut, besessen und zu einem geringen Teil dritten Personen überlassen. Er habe sich aufgrund eines Deals mit Staatsanwaltschaft und Gericht im Sinne des Strafantrages für schuldig erklärt nach dem Angebot einer gänzlich bedingten Strafnachsicht; anderenfalls hätte er sich nicht geständig gezeigt.
Nach der Judikatur des OGH sei Anbau und Aufzug von Cannabispflanzen nicht mehr unter den Tatbestand der versuchten Erzeugung von Suchtgift, sondern nur mehr unter das Verhalten nach § 27 Abs.1 Z2 SMG zu subsumieren. Die Erzeugung beginne erst mit Trennung der Blüten und Fruchtstände von der Pflanze. § 28 Abs.1 Satz 2 SMG wäre erst erfüllt, wenn die Pflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge übersteigenden Menge an Suchtgift angebaut würden. Er selbst wäre daher nur nach § 27 Abs.1 SMG zu bestrafen gewesen und der Vollständigkeit halber weise er darauf hin, dass die Fakten I, II, und III ident seien und eine Doppelbestrafung unzulässig gewesen wäre, zumal die Fakten II und III bereits im Faktum I aufgehen. Selbst wenn er die Fakten I bis III verwirklicht hätte, habe er lediglich Cannabiskraut angebaut und dieses teilweise in Verkehr gebracht. Nachdem das Erstgericht nicht einmal dessen Reinheitsgehalt feststellen habe können, könne auch nicht gesagt werden, in wievielfacher Zahl die Grenzmenge überschritten worden sei. Im Zweifel sei von einem unteren Bereich der Grenzmenge auszugehen. Über ihn sei eine gänzlich bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt worden, was die Annahme zulasse, dass weder die Verwerflichkeit seiner Taten noch die Gefährlichkeit der Verhältnisse die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe geboten hätte. Seine Zukunftsprognose sei vom Gericht positiv gesehen worden. Er stehe in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis und verrichte zur Zufriedenheit seine Dienste in der Gaststätte seiner Mutter. Er stehe unmittelbar vor der Heirat und lebe in geordneten Verhältnissen. Hinweise auf eine die Verkehrszuverlässigkeit ausschließende Sinnesart seien nicht einmal ansatzweise hervorgekommen, sodass eine anzunehmende Verkehrsunzuverlässigkeit auf § 7 Abs.1 Z2 FSG zu stützen sei. Warum gleich ein Zeitraum von 60 Monaten = 5 Jahre anzunehmen wäre, für welche die Gefahr bestünde, dass er wegen erleichternder Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben seien, schwere strafbare Handlungen begehen werde, könne er nicht nachvollziehen. Er habe lediglich Cannabis bei sich zu Hause und in der nahegelegenen Au angebaut, sodass er auch kein Fahrzeug im Zusammenhang mit seinen Suchtgiftdelikten benützt habe. Im Übrigen lägen diese großteils zwischen 2004 und 2009, sodass von einem Wohlverhalten zwischenzeitig auszugehen sei und im Jahr 2011 keine Entzugsdauer von 60 Monaten erforderlich sei. In einem vergleichbaren Fall habe der UVS wegen § 28a Abs.2 5.Fall SMG für ein Kilo Heroin (18 Monate, davon 12 Monate bedingt nachgesehen) einen Führerscheinentzug von 10 Monaten ausgesprochen. Die über ihn verhängte Entzugsdauer sei maßlos überzogen; maximal 6 bis 8 Monate wären gerechtfertigt, eine darüber hinausgehende Entzugsdauer sei spezial- und generalpräventiv nicht notwendig. Seine alten Delikte seien bereits getilgt und bei der Entzugsdauer nicht mehr zu würdigen. Beantragt wird eine Herabsetzung der Entzugsdauer auf 6 Monate.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Daraus geht hervor, dass der Bw mit – in Rechtskraft erwachsenem – Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. Jänner 2011, 37 Hv 8/10t, schuldig erkannt wurde
I. des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 1.Fall SMG,
II. des Vergehens der Vorbereitung von Suchgifthandel nach § 28 Abs.1 2.Satz SMG,
III. der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a bs.1 5.Fall SMG,
IV. der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs.1 Z1 2.Fall SMG,
V. des Vergehens nach § 50 Abs.1 Z3 Waffengesetz und
VI. des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs.1 StGB.
Er hat in Feldkirchen an der Donau und anderen Orten
I. vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28b SMG) vielfach über-steigenden Menge erzeugt, in dem er
1. im Zeitraum von etwa 2004 bis Mitte August 2009 jährlich zahlreiche Cannabispflanzen bis zur Erntereife zum Eigenkonsum aufzog, wobei er einen Ertrag von jährlich zumindest ca 1.000 Gramm Cannabiskraut (für den eigenen Gebrauch) erzielte, insgesamt sohin ca 5.000 Gramm Cannabiskraut (THC), wobei am 13.8.2009 35,3 Gramm Cannabiskrautblüten (mit einem Reinheitsgehalt von 5,2 %) in einer Plastikdose sichergestellt wurden;
2. im Zeitraum von etwa Frühjahr/Sommer 2006 bis Anfang Juli 2010 zahlreiche Cannabispflanzen bis zur Erntereife aufzog, wobei er einen Ertrag von zumindest 1.550 Gramm Cannabiskraut (THC) erzielte, die er an A.W. (1.050 Gramm), D.E. (500 Gramm), S.M., D.E. und D.S. (geringe Mengen) überließ;
II. vorschriftswidrig die Cannabispflanze zum Zweck der Suchtgiftgewinnung in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge angebaut, und zwar
1. im Sommer 2008 5 Cannabispflanzen in der Goldwörther Badesee Au, wobei von Beamten der PI Ottensheim 728 Gramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 0,5 % bzw 3,8 Gramm THC) sichergestellt wurden;
2. im Zeitraum von etwa Frühjahr/Sommer 2009 bis Mitte August 2009 32 Cannabispflanzen, wobei von Beamten der PI Ottensheim 1.983,2 Gramm Cannabiskraut (getrocknete Menge; Blätter mit einem Reinheitsgehalt von 1,44 % und einer Gesamtreinsubstanz von 29 +/- 2,2 Gramm THC) sichergestellt wurden;
III. vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 29b SMG) vielfach übersteigenden Menge anderen (teils minderjährigen) Personen überlassen, und zwar
1. im Zeitraum von etwa Mitte August 2006 bis 7.7.2009 (Berechnungszeitraum 35 Monate) bei zahlreichen Übergaben von monatlich 30 Gramm Cannabiskraut, zuletzt am 7.7.2009 15 Gramm Cannabiskraut, insgesamt ca 1.050 Gramm Cannabiskraut im Austausch gegen Bekleidung, Schnaps, Bienenwachs und sonstige Gegenstände des täglichen Gebrauchs, sohin gewinnbringend, an A.W.,
2. im Frühsommer 2007 500 Gramm Cannabiskraut ("Outdoor-Gras" durchschnittlicher Qualität) zum Gesamtpreis von 1.500 Euro gewinnbringend an D.L.,
3. im April 2009 geringe Mengen Cannabiskraut an die am 24.4.1991 geborene S.M. und die am 21.7.1992 geborene, somit zum Tatzeitpunkt minderjährige D.E. unentgeltlich überließ,
4. im Sommer 2008 und im Frühjahr 2009 geringe Mengen Cannabiskraut unentgeltlich an D.S. überließ;
IV. im Zeitraum von etwa 2004 bis 13.8.2009 vorschriftswidrig Suchtgift besessen, und zwar die unter Faktum I.1. genannte Menge an Cannabiskraut bis zum Eigenkonsum und bis zur Sicherstellung durch Beamte der PI Ottensheim;
V. am 13.8.2009 wenn auch nur fahrlässig Waffen besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war (Bescheid der BH UU, Sich 05/78/1992/Om/Pa), und zwar ein Samuraischwert bis zur Sicherstellung durch Beamte der PI Ottensheim;
VI. im Zeitraum von Jänner 2004 bis 13.8.2009 eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, und zwar den Reispass des E.F., Nr. J 0162974, der mit 14.1.2004 vom Magistrat Linz in der Sachenfahndung aufgrund Verlustmeldung ausgeschrieben war, den er nach Auffindung bei sich verwahrte.
Der Bw wurde hiefür unter Anwendung des § 28 Abs.1 StGB nach dem Strafsatz des § 28a Abs.1 SMG unter Anwendung des § 43a Abs.2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie zu einer Geldstrafe zu 360 Tagessätzen a 4 Euro (gesamt 1.440 Euro), im Nichteinbringungsfall 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Laut Begründung war mildernd die geständige Verantwortung, erschwerend sechs einschlägige Vormerkungen, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und Verbrechen, der lange Tatzeitraum, die Tatbegehung während des offenen Verfahrens, die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge und die Überlassung an Minderjährige. Zugrunde gelegt wurde ein Einkommen als Koch im elterlichen Betrieb von 400 Euro monatlich und das Fehlen von Sorgepflichten, finanziellen Verpflichtungen und Vermögen.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.
Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie sich wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z11 FSG zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs.2 bis 5 oder 31 Abs.2 Suchtmittelgesetz begangen hat.
Die Bestimmung nach § 28a SMG wurde durch die Suchtmittelgesetz-Novelle 2007 ab 1. Jänner 2008 in Kraft gesetzt und beinhaltet wie zuvor § 28 SMG den Suchtgifthandel. Eine entsprechende Novellierung hinsichtlich § 7 Abs.3 Z11 FSG ist jedoch (noch) nicht erfolgt. Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine strafbare Handlung nach § 28a SMG (weiterhin) eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs.3 FSG bildet; dies insbesondere auch deshalb, weil die dort aufgelisteten Tatsachen nur demonstrativ aufscheinen. Eine andere Betrachtungsweise würde zum Ergebnis führen, dass zwar die Vorbereitung zum Suchtgifthandel (nunmehr § 28 SMG) eine bestimmte Tatsache wäre, der eigentliche Handel (nunmehr § 28a SMG) aber nicht. In Anbetracht dessen ist der Unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, dass eine strafbare Handlung nach § 28a SMG weiterhin unter Ziffer 11 des § 7 Abs.3 FSG zu subsumieren ist.
Gemäß § 28a Abs.1 ist zu bestrafen, wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft. Gemäß Abs.2 Z3 unterliegt einer höheren Strafdrohung, wer die Straftat nach Abs.1 in Bezug auf Suchtgift in einer das 15fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begeht.
Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.
Die im rechtskräftigen Urteil genannten Tathandlungen hat der Bw nicht bestritten, sodass hinsichtlich der Begehung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 1. und 5. Fall SMG, das sind die Fakten I. und III. des Urteils, vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs.1 Z11 FSG auszugehen war. Dabei ist die Erstinstanz wie auch der UVS an den Schuldspruch des strafgerichtlichen Urteils gebunden, dh der in der Berufung gestartete Versuch des Bw, die in Verkehr gesetzte Menge an THC "schönzureden", schlägt fehl.
Auch wenn der Bw Cannabiskraut praktischerweise daheim bzw in der nahegelegenen Badesee Au anbaute und daher zumindest bei der Beschaffung des Suchtgiftes kein Kraftfahrzeug benötiget, ist zweifelsohne davon auszugehen, dass die Begehung der oben zitierten im Urteil genannten Taten typischerweise durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erleichtert wird (vgl VwGH 1.12.1992, 92/11/0057).
Verbrechen nach § 28a Suchtmittelgesetz sind wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich und gefährlich. Dass der Bw selbst Konsument war, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass ihm eben deshalb selbst die schädliche Wirkung des von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgifts sowie die Nachteile einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit davon bekannt und bewusst war und er trotzdem ohne Rücksicht auf die Folgen für andere die Schaffung und Beibehaltung eines für ihn unverzichtbaren laufenden (auch in Naturalien bestehenden) Zusatzeinkommens für den Zeitraum von Mitte 2006 bis Mitte 2009 beharrlich verfolgte, wobei er in der Absicht, zukünftige Abnehmer für seine Erzeugnisse zu rekrutieren, auch nicht davor zurückschreckte, Cannabiskraut, wenn auch (vorerst) unentgeltlich, an minderjährige Jugendliche weiterzugeben.
Nach der Rechtsprechung des VwGH bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit allfällige berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, die mit der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema (vgl E 14.11.1995, 95/11/0300; 24.8.1999, 99/11/0166; 30.5.2001, 2001/11/0081; 23.4.2002, 2000/11/0182; uva).
Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 6.4.2006, 2005/11/0214; uva).
Unter dem Begriff Verkehrsunzuverlässigkeit ist ein charakterlicher Mangel zu verstehen. Von Kraftfahrzeuglenkern muss wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Geisteshaltung erwartet werden. Das wiederum setzt voraus, dass der Lenker eines Kraftfahrzeuges Respekt und Achtung vor dem selbstbestimmten Leben und der Gesundheit anderer Straßenverkehrsteilnehmer besitzt, was beim Bw aufgrund seines wenig wertschätzenden Verhaltens anderen Personen, die er offenbar als potentielle Kunden betrachtete, fraglich ist.
Der Bw hat die bestimmte Tatsache im Hinblick auf die Erzeugung von Cannabiskraut im langen Tatzeitraum von 2004 bis Juli 2010, also ca 6 Jahre lang, verwirklicht; am 19. Jänner 2011 erging das Urteil des Landesgerichtes Linz. Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs.4 FSG sind strafbare Handlungen, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straftaten, sodass es nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt nach der Tat das Urteil erging oder dieses rechtskräftig wurde, sondern wann die als bestimmte Tatsache zu wertende Straftat begangen wurde. Mit dieser beginnt nämlich die Verkehrsunzuverlässigkeit und ab dem Zeitpunkt ihrer Begehung ist deren Dauer im Sinne einer Prognose zu berechnen, ab wann die Behörde das Wiederbestehen der Verkehrszuverlässigkeit beim Straftäter annimmt. Da der Bw die bestimmte Tatsache gemäß § 28a Abs.1 5. Fall SMG bereits mit der letzten Tat am 7. Juli 2009 verwirklicht hat – der Aufzug von Cannabispflanzen erfolgte laut Urteil sogar noch bis August 2010 – war bei Erlassung des angefochtenen Bescheides am 2. März 2011 bereits von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 20 Monaten und laut Spruch noch weiteren 49 Monaten, dh bis 6. April 2015 und somit von insgesamt 69 Monaten auszugehen. Dieser Zeitraum ist zu lang.
Der Bw wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt, wobei die gesamte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde, dh er befindet sich jetzt in der Probezeit.
Nach der Judikatur des VwGH führt die bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen ist. Die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte decken sich nicht mit jenen zur Gänze, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind, gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könnte, die für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können. Das Strafgericht ist demnach davon ausgegangen, dass im Falle des Bw nach § 43a Abs.3 iVm § 43 Abs. 1 StGB anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, wobei insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad der Schuld, das Vorleben und das Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen waren (vgl VwGH 19.12.2007, 2007/11/0194).
Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten (Mindestentziehungsdauer) eintreten.
Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab der letzten Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen, dh hier ab 7. Juli 2009.
Zum Einwand des Bw, bei der bloßen Erzeugung von Cannabiskraut sei nach der Rechtsprechung des OGH der Tatbestand der versuchten Erzeugung von Suchtgift erst mit der Trennung der Blüten und Fruchtständen von der Pflanze erfüllt und liege beim Faktum I. nicht der Tatbestand des § 28a Abs.1 SMG vor, sondern nur der des § 27 Abs.1 Z2 SMG, ist zu sagen, dass zum einen im Faktum I.1. des Urteiles des LG Linz ausdrücklich von "Cannabiskrautblüten" in einer Plastikdose die Rede ist und Cannabiskraut (Marihuana) an sich den für den Bw relevanten Wirkstoff THC enthält, und zum anderen die Überlegungen des Bw zur rechtlichen Qualifikation seiner Handlungen in einem gegen das genannte Urteil einzubringenden Rechtsmittel geltend zu machen gewesen wären. Laut PUV hat der Bw aber (aus welchen Beweggründen auch immer) ausdrücklich einen Rechtsmittelverzicht abgegeben; der Unabhängige Verwaltungssenat ist damit an die Feststellungen im in Rechtskraft erwachsenen Urteil gebunden.
Auch wenn Cannabiskraut (Marihuana) von der schädlichen Wirkung her nicht an Kokain oder sogar Heroin heranreicht, besteht kein Anlass zur Verniedlichung. Der Reinheitsgehalt des sichergestellten Cannabiskrauts ist im Urteil entgegen der Meinung des Bw sogar dezidiert (nach % und Gramm THC) angeführt, sodass für irgendwelche Annahmen im Zweifel kein Raum bleibt. Von Wohlverhalten des Bw nach dem 7. Juli 2009 ist insofern nicht auszugehen, als der Bw gemäß Faktum I.2. des Urteils sogar während des offenen Verfahrens bis Juli 2010 weiterhin Cannabispflanzen bis zur Erntereife aufzog und anderen Personen Cannabiskraut überließ. Die Prognose ist aber insofern positiv, als die Beschäftigung bei seiner Mutter dem inzwischen immerhin fast 40jährigen Bw vorerst einmal "geordnete Verhältnisse" und ein Einkommen sichert, das ihn von einer weiteren Cannabispflanzenaufzucht abhalten sollte.
Der UVS vertritt die Ansicht, dass schon aufgrund des langen Tatzeitraumes und der Überlegung, dass der Bw jedenfalls einen Teil seiner Bedürfnisse bzw seines Einkommens durch die entgeltliche Weitergabe von selbstgezogenem Cannabiskraut befriedigte, die Zukunftsprognose des Gerichts im Hinblick auf die bedingte Strafnachsicht der gesamten verhängten Freiheitsstrafe von immerhin 18 Monaten insofern zu relativieren ist, als die Annahme von 69 Monaten Verkehrsunzuverlässigkeit zu lang ist, vor allem weil zwar dem Bw vor 1996, dh vor mehr als 15 Jahren, die Lenkberechtigung wegen Alkoholdelikten mehrmals entzogen wurde, was aber hier wegen der inzwischen vergangenen Zeit und auch einer anderen Grundlage – bei VwGH E 13.12.2001, 2001/11/0298, und E 30.5.2001, 2001/11/0081, war auch die bestimmte Tatsache eine Alkoholübertretung – auch bei der Wertung nicht mehr im von der Erstinstanz vertretenen Ausmaß zu berücksichtigen war. Es ist aber aus den genannten Überlegungen zumindest von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt 23 Monaten ab der letzten Tat (7.7.2009) auszugehen, dh eine Herabsetzung der Entziehungsdauer auf 14 Monate, gerechnet ab Bescheidzustellung am 6. April 2010, somit bis 6. Juni 2011, ist damit gerechtfertigt.
Das Lenkverbot und die Aberkennung des Rechts, von einem allenfalls vorhandenen ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, gründet sich gemäß §§ 32 Abs.1, 24 Abs.1 und 30 Abs.1 FSG als einziges Kriterium auf die Verkehrsunzuverlässigkeit und ist damit für den gleichen Zeitraum wie die Entziehungsdauer ebenfalls durch den Gesetzgeber zwingend vorgesehen.
Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß dieser Bestimmung im Fall des Entzuges der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf Grund des Interesses des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug immer geboten (vgl VwGH v 20.2.1990, 89/11/0252, uva).
Es war daher im Anfechtungsumfang spruchgemäß zu entscheiden.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Entziehungsdauer 60 Monate ab Zustellung Mandatsbescheid wegen Urteil § 28a Abs.1 1. + 5. Fall SMG = ab letzter Tat 07.07.2009 VU v. 60 Monate, 2 Entziehungen wegen Alkohol liegen 15 Jahre zurück -> Herabsetzung wegen gänzlich bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe v. 18 Monaten auf 4 Monate ab Zustellung Mandatsbescheid (23 Monate VU ab 07.07.2009)