Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165787/7/Bi/Kr

Linz, 17.05.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vom 3. Februar 2011 gegen das Strafer­kenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Vöcklabruck vom 17. Jänner 2011, VerkR96-9778-2010-Heme, wegen Übertretungen des KFG, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene    Straferkenntnis in den Punkten 1) und 3) behoben und das Verwaltungs­­strafverfahren diesbezüglich eingestellt wird.

     In den Punkten 2) und 4) wird der Berufung insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass die übertretene Norm im Punkt 4) auf §§ 4 Abs.2 iVm 103 Abs.1 Z1 KFG abgeändert wird; die Geldstrafen werden jeweils auf 40 Euro und die Ersatzfrei­heitsstrafen auf 24 Stunden herabgesetzt.

 

II. In den Punkten 1) und 3) fallen keine Verfahrenskosten an.

     In den Punkten 2) und 4) ermäßigt sich der Beitrag zu den Verfahrens­­kosten der Erstinstanz auf je 4 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1, 44a Z2 und 19 VStG

zu II.: §§ 64ff VStG


Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über die Beschuldigte wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1), 2) und 3) je §§ 103 Abs.1 iVm 4 Abs.2 3.Satz KFG 1967 und 4) §§ 103 Abs.1 iVm 14 Abs.1 KFG 1967 1) eine Ermahnung ausgesprochen und Geldstrafen von 2) und 4) je 60 Euro (je 48 Stunden EFS) und 3) 20 Euro (12 Stunden EFS) verhängt, weil sie als Zulassungs­besitzerin des Pkw X nicht dafür Sorge getragen habe, dass dessen Zustand den Vorschriften des KFG entsprochen habe. Das Fahrzeug sei am 12. April 2010, 8.13 Uhr, in Vöcklabruck vor der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Sportplatzstraße 1-3, von  O. gelenkt worden, wobei festge­stellt worden sei, dass folgende vermeidbar vorspringende Teile oder Kanten vorhanden gewesen seien, die weder durch geeignete Schutzvorrich­tungen abgedeckt oder entsprechend gekennzeichnet gewesen seien  und die bei einem Verkehrsunfall schwere körperliche Verletzungen erwarten hätten lassen, obwohl Fahrzeuge innen und außen keine vermeidbar vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen aufweisen dürften, die bei einem Ver­kehrs­unfall schwere körperliche Verletzungen erwarten ließen:    

1. das linke hintere Rücklicht sei vom linken hinteren Kotflügel ca 2 cm von der Karosserie abgestanden und nicht abgedeckt gewesen,

2. die vordere Kunststoffstoßstange sei im rechten und linken Bereich gebrochen und scharfe Kanten nicht abgedeckt gewesen,

3. beim linken vorderen Scheinwerfer sei die innere Halterung gebrochen gewesen, und

4. beim rechten vorderen Scheinwerfer sei das Glas zerbrochen und dadurch spitze, nicht abgedeckte Kanten vorhanden gewesen.

Gleichzeitig wurden ihr Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 14 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie sehe die Strafe nicht ein. Das Fahr­zeug sei beim ARBÖ und in einer namentlich genannten Werkstätte ange­schaut worden, weil sie wissen habe wollen, ob sich eine Reparatur auszahle. Beim Auto habe alles funktioniert und eine Gefährdung habe weder für sie noch für andere Verkehrsteilnehmer bestanden. Bei einer Anhaltung ihres Sohnes durch andere Polizeibeamte hätten diese nichts beanstandet. Es seien keine scharfen oder nicht abgedeckten Kanten vorhanden gewesen. Sie sei mitge­fahren, weil sie zum Arzt musste. Das Fahrzeug sei am 18.5.2919 abgemeldet worden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der vom Sohn der Bw gelenkte Pkw am 12. April 2010, 8.13 Uhr, vor dem BH-Gebäude vom Meldungsleger X, PI Lenzing, wegen des "sehr desolaten Zustandes" beanstandet wurde, wobei eine "besondere Über­prüfung" des Fahrzeuges gemäß § 56 KFG angeregt wurde. Von den Schäden am Fahrzeug wurden Farbfotos angefertigt und der Anzeige ange­schlossen.

Auf den Einspruch der Bw gegen die Strafverfügung vom 15. Juni 2010 wurde die gutachterliche Stellungnahme der kfz-technischen Amtssachverständigen X, Abt. Verkehr des Amtes der Oö. Landesregierung, vom 8.9.2010 eingeholt, in dem diese die Schwere der oben angeführten Mängel im Sinne der Prüf- und Begutachtungsstellen­ver­ordnung darlegte. Lediglich die hinten abstehende Rücklichteinheit beein­träch­tige dessen Funktion nicht und wurde als leichter Mangel eingestuft. Die Beschädigungen an der Frontstoßstange und den beiden Scheinwerfern hätten spitze, scharfe Kanten aufgewiesen und seien teilweise notdürftig mit Klebeband befestigt gewesen. Die Mängel an der Vorderseite des Fahrzeuges hätten die Verkehrs- und Betriebssicherheit stark beeinträchtigt und diese schweren Mängel seien für Lenker und Zulassungs­besitzerin erkennbar gewesen.        

 

Im Berufungsverfahren wurde seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates das kfz-technische Gutachten des Amtssachverständigen X, Abt. Verkehr des Amtes der Oö  Landesregierung, vom 14.4.2011 eingeholt, in dem dieser anhand der Fotos inhaltlich ähnlich ausführt wie die Vorgutachterin, wobei er sich ebenfalls auf den Mängelkatalog der Prüf- und Begutachtungsstellen­verordnung bezieht. Im Punkt 2) (gebrochene Kunst­stoff­stoßstange vorne) könne es im Fall von Zusammenstößen mit Personen durch die Einrisse der Kunststoffstoßstange zu schweren Schnittverletzungen kommen, bei den Punkten 3) und 4) durch das gebrochene rechte Scheinwerfer­glas und die gebrochene Halterung im linken Scheinwerfer zu den Gegenverkehr beeinträchtigenden Blendungen.  

Der Bw wurden mit h Schreiben vom 18. April 2011 beide Gutachten samt Fotos mit der Einladung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht; die Bw hat darauf nicht reagiert, wobei ihr für diesen Fall eine Entscheidung nach der Aktenlage angekündigt wurde.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbe­scha­det allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschrif­ten dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen­en Verordnungen entspricht.

Gemäß § 4 Abs.2 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger ... so gebaut und ausgerüstet sein, dass der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzlichen Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Ver­letzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durch­führbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

 

Aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates ist im Punkt 1) lediglich die Rücklichteinheit gelockert, weist aber keine scharfen Kanten mit Verletzungs­gefahr bei Verkehrsunfällen auf. Bei Druck von hinten würde lediglich die ohnehin abgerundete Einheit in Richtung Karosserie gedrückt, sodass auch bei einem Zusammenstoß mit einer Person keine zusätzliche Verletzung dadurch zu befürchten wäre.

Im Punkt 2) sind an der gebrochenen Stoßstange vorne zwar Teile abgeklebt, jedoch ist die Stoßstange oberhalb des (vom Lenkersitz gesehen) rechten Nebellichtes und links vom Kennzeichen auf dem Foto erkennbar gebrochen, wobei scharfe Kanten zu sehen sind, die die vom SV X angeführten möglichen Schnittverletzungen bei einem Zusammenstoß mit einer Person nachvoll­ziehbar machen. Durch die Verbiegung des Oberteils der Stoßstange unter­halb des rechten Scheinwerfers nach innen besteht bei den scharfen vorspringenden Teilen die Gefahr des "Einhakens".     

Im Punkt 3) ist aus dem Foto beim linken Scheinwerfer kein nicht durch Klebe­band gesicherter Schaden erkennbar, insbesondere auch kein Glasbruch; der Schaden bezieht sich nur auf die Stoß­stange (siehe oben).

Im Punkt 4) ist der rechte Scheinwerfer zwar außen (Blinker) abgeklebt, aber auf dem Foto erkennbar das Scheinwerferglas gebrochen, sodass die Gefahr von Schnittverletzungen zweifellos nachvollziehbar ist.

Da bei der Anhaltung um 8.13 Uhr im April keine wetterbedingte oder sonstige Licht­pflicht bestanden hat, waren Blendungen des Gegenverkehrs bei Tag nicht zu erwarten.

 

Irrelevant ist, ob es sich um leichte, mittlere oder schwere Mängel nach der Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung handelt. Diese Einstufung hat nichts mit der Bestimmung des § 4 Abs.2 KFG zu tun, sondern dabei geht es nur darum, ob mit einem bestimmten Mangel für das betreffende Kraftfahrzeug noch eine Begutachtungsplakette gemäß § 57a KFG 1967 ausgegeben werden darf; diese Frage war hier aber nicht zu klären.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates hatten im Ergebnis lediglich die Beschädigungen des Pkw in den Punkten 2) und 4) im Sinne des § 4 Abs.2 KFG tatsächlich erkennbare vermeidbar vorsprin­gende Teile und Kanten, nämlich Glasscherben und scharfe Kunststoff­kanten, die nicht durch geeignete Vorrich­tungen (zB Klebeband) abgedeckt waren und bei einem Verkehrsunfall (zusätz­lich) schwere körperliche Verletzungen erwarten ließen, zur Folge. Bei den von der Bw behaupteten Auskünften einer Fachwerkstätte und des ARBÖ ist unklar, in welchem Zustand der Pkw dort besichtigt wurde und ob es dabei nicht vielmehr um die Frage der Rentabilität einer Reparatur ging; abgesehen davon ist auch logisch einleuchtend, dass derartige Schäden mit scharfen Kanten, die laut Foto zwar weitgehend, aber nicht ausreichend abge­klebt waren, bei einem ev. Verkehrsunfall vermeidbare Schnittverletzungen erwar­ten lassen.

In den Punkten 1) und 3) war daher mit Verfahrenseinstellung gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG vorzugehen.

Im Punkt 4) ist mit dem Tatvorwurf nicht die Bauart der Scheinwerfer gemäß § 14 Abs.1 KFG gemeint, sondern der mit der Beschädigung verbundene Glasbruch im Sinne des § 4 Abs.2 KFG, weshalb der Spruch gemäß § 44a Z2 VStG insofern auf die Formulierung der Strafverfügung vom 15.6.2010 abzuändern war.

 

In den Punkten 2) und 4) hat die Bw somit die ihr zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und, da ihr die Glaubhaftmachung (gänzlich) mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, ihr Verhalten jeweils als Verwaltungs­über­tretung zu verant­worten.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG  1967 bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, reicht.

Die Bw ist unbescholten, bezieht nach ihren Angaben vom 29.6.2010 ein Ein­kommen als Köchin von 950 Euro und hat weder Vermögen noch Sorge­pflichten. Der Pkw wurde noch im Mai 2010 abgemeldet. Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht nicht hervor, ob diese Umstände strafmildernd berück­sichtigt wurden, weshalb mit einer neuerlichen Strafherab­setzung vorzugehen war.

Die nunmehr verhängten Strafen sind unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen ebenso angemessen wie den finanziellen Verhältnissen der Bw, liegen an der Unter­grenze des gesetzlichen Strafrahmens und halten general- sowie spezial­präventiven Überlegungen stand. Die Ersatzfreiheitsstrafen waren angemessen festzusetzen und somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Beschädigung des PKW an der Stoßstange + Schweinwerfer iSd § 4 Abs.2 KFG durch scharfe Kunststoffkanten + Glassplitter; Rest war abgedeckt + hervorstehende Rücklichteinheit ohnehin abgerundet; daher keine Verletzungsgefahr 1) + 3) eingestellt, 2) + 4) bestätigt, jedoch Strafherabsetzung wegen Milderungsgrund

 

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