Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165913/4/Kof/Jo

Linz, 27.05.2011

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X, vertreten durch
X gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom
4. Jänner 2011, VerkR96-6892-2010 wegen Übertretung des § 52 lit.a Z10a StVO, nach der am 19. Mai 2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und

das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat
20 % der verhängten Geldstrafe zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19 und 24 VStG

§ 64 Abs.1 und 2 VStG

 

 

Der Berufungswerber hat somit insgesamt zu bezahlen:

-        Geldstrafe ........................................................................... 200 Euro

-               Verfahrenskostenbeitrag I. Instanz: ..................................... 20 Euro

-               Verfahrenskostenbeitrag II. Instanz: ................................... 40 Euro

                                                                                                    260 Euro

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt ........................................... 96 Stunden.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in
der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:

 

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

 

Tatort:  Gemeinde X, Landesstraße  Nr. 147  bei  km 19,518

Tatzeit:  25.08.2010

Fahrzeug:  Kennzeichen X-....., PKW, Marke, Farbe

 

Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 46 km/h überschritten.

Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:  § 52 lit.a Z10a StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird  über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von               falls diese uneinbringlich ist,                                       gemäß

                                       Ersatzfreiheitsstrafe von

 

   200                           96 Stunden                                § 99 Abs.2d StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:

20 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende  Gesamtbetrag  (Strafe/Kosten) beträgt daher  220 Euro."

 

Gegen dieses Straferkenntnis – zugestellt am 01. Februar 2011 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 14. Februar 2011 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

 

Am 19. Mai 2011 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter des Bw teilgenommen und folgende Stellungnahme abgegeben hat:

 

"Die Lenkereigenschaft sowie die gemessene Geschwindigkeit werden von mir nicht bestritten."

 

Entscheidungswesentlich ist daher einzig und allein, ob die am "Tatort" verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h rechtmäßig war oder nicht.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Verordnung vom

17. März 2010, VerkR10-156-20-2010,  auf der B147 – Braunauer Straße,

km 19,2 + 174 m bis km 22,8 + 140 m in beiden Fahrtrichtungen

eine Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h erlassen.

 

Als Rechtsgrundlage wurde "§ 43 Abs.1 lit.b Z2 StVO" angeführt.

 

Richtigerweise wäre wohl "§ 43 Abs.1 lit.b Z1 StVO" anzuführen gewesen –

siehe die "berichtigte" Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. November 2010, VerkR10-147-58-2010.

 

Die Angabe einer falschen Rechtsgrundlage hat keinen Einfluss

auf die Gesetzmäßigkeit der Verordnung;

VfGH vom 01.10.1997, V157/96, V15/97 = VfSlg 14938 mit Vorjudikatur.

 

Stellungnahme des Rechtsvertreters des Bw bei der mVh

zur Geschwindigkeitsbeschränkung :

 

Die Verordnung der 70 km/h-Beschränkung ist nicht rechtmäßig.

Diesbezüglich verweise ich auf meine bisherigen Eingaben, insbesondere auf die Berufung sowie auf das heute per E-Mail gesendete "Vorbringen".

 

Anmerkung des Verhandlungsleiters:

Dieses "Vorbringen" wird verlesen = Beilage 1 der gegenständlichen Niederschrift.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat zur Verordnung der

Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h eine Stellungnahme abgegeben, per E-Mail.

Diese wird ebenfalls verlesen = Beilage 2 der heutigen Niederschrift.

 

(Fortsetzung der) Stellungnahme des Rechtsvertreters des Bw:

 

Zur Stellungnahme der BH Braunau am Inn:

Die verordnungserlassende Behörde räumt selbst ein, dass "bei der Erlassung der Verordnung Fehler passiert sind".

 

Selbst eine Sichtweite von mehr als 500 Meter rechtfertigt

die Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h nicht.

 

Bei diesem Wert handelt es sich überdies um die sektional bestehende kürzeste Sichtweite zwischen km 19,4 und 20,4.

 

Zusammenfassend wird festgehalten, dass die "Erforderlichkeit" der Verordnung im Sinne des § 43 StVO nicht vorliegt.

 

Die Rechtsmittelanträge werden aufrecht erhalten.

 

"Vorbringen" des Rechtsvertreters des Bw = Beilage 1 der Niederschrift der mVh:

 

Die aktenkundige Verordnungsakte der Bezirkshauptmannschaft Braunau umfasst auch ein Ortho-Foto aus der Geoinformation des Landes Oberösterreich im Maßstab 1 : 10000, welches den gesamten Bereich der in Rede stehenden neuen 70 km/h-Beschränkung zeigt.

 

Daraus geht hervor, dass die vom Sachverständigen (AS 51) in der ersten Rubrik angeführte Unfallhäufigkeitsstelle bei Straßenkilometer 19,2 bis 19,334 liegt, somit im Ortsgebiet von X vor Beginn deren nunmehrigen 70 km/h-Beschränkung.

 

Dabei handelt es sich um folgende Kreuzungen mit der B 147:

Sensenwerkstraße bei km 19,2 (im Ortho-Foto in gelb ausgeführt) sowie mit der Unterlochner-, Schwemmbach- und Greilstraße im Bereich km 19,3.

Diese Unfallhäufigkeitsstelle kann somit zur Begründung der Erforderlichkeit der

70 km/h-Beschränkung im Freiland nach dem Ortsgebiet von X nicht für die Erforderlichkeit dieser Verkehrsbeschränkung herangezogen werden.

 

Wenn der Sachverständige in der vierten Rubrik einen, weiteren Unfallhäufigkeitspunkt zwischen km 20 und 20,706 anführt, so umfasst diese Strecke mehr als 700 Meter.

Es ist amtsbekannt, dass sich diese Unfälle im Ortschaftsbereich von X ereignet haben, nämlich zwischen km 20,5 und 20,7 im Bereich der dortigen Straßenkreuzungen mit der B 147, welche zum Teil unübersichtlich sind.

In diesem Bereich galt aber schon lange vor Erlassung der in Rede stehenden Verordnung eine 70 km/h-Beschränkung, deren Verlängerung in Richtung Norden die Gemeinde X im Schreiben vom 28.12.2009 an die Bezirkshauptmannschaft Braunau (AS 25) mit der Begründung gefordert hat, dass auf der Parzelle 848/4 des Grundbuches X die „Pfingstkirche" errichtet wurde, wo es zu Gottesdienstzeiten zu einem regen Zu- und Abfahrtsverkehr (über die B 147) kommt, wobei für diesen Bereich auch ein Überholverbot gefordert wurde, welches die Bezirkshauptmannschaft Braunau abgelehnt hat.

 

Selbst der bei der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde X anwesende Polizeibeamte (AS 27 bis 31) hat ausgeführt, dass er in einer durchgehenden Geschwindigkeitsbeschränkung keinen Sinn sieht.

Dessen Fachmeinung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil dieser die in Rede stehende nunmehrige Beschränkungsstrecke sehr lange Zeit hindurch genau kennt, weil diese in den Rayon der X fällt.

Wenn die Bezirkshauptmannschaft Braunau im Aktenvermerk vom 19.01.2010 (AS 37) ausführt, dass gerade im Ortseinfahrtsbereich von X sich immer wieder hohe Fahrgeschwindigkeiten ergeben, so ist dies kein Argument für die Erforderlichkeit der Reduktion der im Freiland zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h auf 70 km/h, weil der vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen beschriebene und oben wieder gegebene Unfallhäufigkeitspunkt ja im Ortsgebiet von X liegt, wo nicht schneller als 50 km/h gefahren werden darf.

Diese Ortstafel (Ortsbeginn X in Richtung Süden gesehen) ist aufgrund der Übersichtlichkeit der B 147 in Annäherung aus Richtung X auf weite Distanz erkennbar und ist damit die Reduktion aus einer (zulässigen) Geschwindigkeit im Freiland von 100 km/h auf 50 km/h problemlos möglich, was auch die Verordnung erlassende Behörde nicht in Frage stellt.

An dieser rechtlichen Situation (Zulässigkeit einer Geschwindigkeit in diesem Unfallhäufungspunkt von 50 km/h im Ortsgebiet von X) ändert die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h im davor liegenden Freiland nichts.

 

Das aktenkundige Ortho-Foto belegt die Richtigkeit meiner Ausführungen in der Berufung, wonach der Bereich zwischen km 19,2 bis 20,4 sehr übersichtlich ist, eine Geschwindigkeit von 100 km/h liegt dort deutlich unter jenem Wert, welcher dem Gebot des Fahrens auf Sicht entspricht.

Damit ist belegt, dass die in der Verordnung erfolgte Reduktion der zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h auf 70 km/h im Tatortbereich km 19,518 keineswegs erforderlich ist; die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 17.03.2010 ist somit gesetzwidrig.

Im Sinne meiner Ausführungen in der Rechtfertigung vom 25.01.2011 hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau offenkundig erkannt, dass sie die Verordnung vom 17.03.2010 auf eine falsche Rechtsgrundlage gestellt hat, weswegen sie die Verordnung vom 18.11.2010, VerkRl0-147-58-2010, erlassen hat, welche als Rechtsgrundlage nun die Bestimmung des § 43 Abs. 1 lit.b Z.1 StVO anführt.

Die Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit.b StVO „3,6 km" ist wiederum nicht Inhalt dieser Verordnung, weswegen dieser Zusatztafel die Rechtsgrundlage fehlt, was die Verordnung der 70 km/h-Beschränkung selbst rechtswidrig macht, weil es auf der gesamten Strecke keine Wiederholungszeichen gibt.

 

Dass es sich bei der B 147 auch in diesem Bereich um eine gekennzeichnete Vorrangstraße (§ 52 lit.c Z.25a StVO) handelt, ergibt sich auch aus dem Lichtbild auf S. 5 meiner Berufung.

 

Die Rechtsmittelanträge bleiben aufrecht.

 

Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Braunau =

Beilage 2 der Niederschrift über die mVh:

 

Aus Sicht der verordnungserlassenden Behörde möchte ich Ihnen für die Verhandlung am 19. Mai 2011 einige Anmerkungen übermitteln.

 

Es entspricht der Tatsache, dass X die Einsichtnahme in den Verordnungsakt verwehrt wurde.

Leider sind bei der Erlassung der Verordnung Fehler passiert.

Im Zuge der Erfassung im Verkehrszeichensystem "OSIS-VZ" ist aus einem Pulldown Menü die Gesetzesbestimmung auszuwählen.

Hier wurde eine falsche Auswahl getroffen.

Aus der Summe der Eingaben wird automatisch die Verordnung erstellt und es wird jeweils nur eine Gemeinde angeführt.

Im Betreff der Verordnung wurde dies korrigiert, allerdings nicht im einleitenden Satz. Die Festlegung der Kilometrierung ist unserer Ansicht nach entscheidend. Die Grenze von X in Richtung X-X verläuft schräg von links nach rechts zwischen Strkm. 21,445 und 21,452.

Auf der Seite 5 der Berufung wird angeführt, dass die Zusatztafel der Geschwindigkeitsbeschränkung nicht verordnet wäre.

Wir haben dies lediglich als Hinweis gesehen und die Maßnahme ist während des gesamten Verlaufes mehrmals wiederholt (siehe Tabelle im Akt).

 

Es wird in der Berufung angeführt, dass von der Stelle der gemessenen Übertretung rund 800 m Sichtweite bestünde.

In der beiliegenden Abbildung ist sowohl die Stelle der Übertretungen eingezeichnet sowie eine 800 m Sichtlinie, die ein Anwesen kreuzt.

Von der Stelle der Übertretung ergibt sich eine Sichtweite von knapp 500 m.

 

Mit dem verkehrstechnischen Amtssachverständigen habe ich am 05.05.2011 die sich ergebenden Sichtweiten festgestellt und X hat dazu die im nächsten Absatz angeführte folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Befährt man die B147 in Kilometrierungsrichtung, also von X kommend in Richtung Braunau, so befindet sich die Ortstafel von X etwa bei Strkm. 19,400 der B147.

Beim Verlassen des Ortsgebietes von X bildet die B147 unmittelbar nach dem Ortsgebiet einen leichten Linksbogen, sodass man aus X kommend, bedingt durch diesen Linksbogen innerhalb dieses Ortsgebietes, noch keine entsprechende Überholsichtweite auf den Gegenverkehr vorfindet.

Nach dem Ortsgebiet von X, etwa bei Strkm. 19,500, beträgt die Sichtweite auf den Gegenverkehr (Voraussetzung keine Sichtabschattung durch ein vorausfahrendes Schwerfahrzeug) gut 500 m.

Im weiteren Verlauf der Strecke variieren die Begegnungssichtweiten, da sich kurveninnenseitig, etwa bei Strkm. 19,900, ein Objekt befindet, welches durch einen lebenden Zaun eingefriedet ist.

Durch dieses Objekt variiert wie gesagt die Sichtweite etwa zwischen 400 und 520 m.  Im weiteren Verlauf bildet die Fahrbahn einen Rechtsbogen, welcher etwa bei Strkm. 20,200 in einen Linksbogen übergeht.

Dieser Kurvenverlauf wurde in der Vergangenheit auch mit Leitwinkeln ver-deutlicht, da es in diesem Bereich auch zu Gegenverkehrsunfällen gekommen ist.

Betrachtet man die B147 in entgegengesetzter Fahrtrichtung, so präsentieren sich die Sichtweiten etwa gleich und es beträgt die Sichtweite auf den aus Richtung X ankommenden Gegenverkehr, etwa bei Strkm. 20,300 ebenfalls ca. 500 bis 520 m.

 

Die Abbildung der Seite 5 der Berufung wurde noch im Ortsgebiet von X aufgenommen und liegt ca. 170 m vor der Stelle der Übertretung, sodass sich auf dem Bild optisch sehr große Sichtweiten ergeben.

 

Vor dieser durchgehenden Maßnahme war die 70 km Geschwindigkeits-beschränkung ab ca. Strkm. 20,3 verordnet.

Also war auf einer Strecke von ca. 900 m unbeschränktes Freiland, welches
ca. in der Mitte eine sichteinschränkende Verbauung, am nördlichen Ende eine unübersichtliche Linkskurve und am südlichen Ende das Ortsgebiet von X mit drei Kreuzungen innerhalb von 100 m aufwies.

Die Ortseinfahrt X war in den letzten 12 Jahren aufgrund von Auffahrunfällen an den Kreuzungen (hohe Einfahrtsgeschwindigkeiten) immer Unfallhäufungsstelle.

Es galt mit der Maßnahme die gesamte Straße zwischen den Ortsgebieten X und X zu erfassen.

Wäre der Abschnitt zwischen X und X als unbeschränktes Freiland verblieben, so wäre förmlich zu erwarten gewesen, dass die Verkehrssicherheit entsprechend gelitten hätte.

Es waren hier vor der Maßnahme schon gehäuft riskante Überholmanöver festzustellen, die hohe Einfahrtsgeschwindigkeiten in die Ortschaft X und auch in das Ortsgebiet X gebracht haben.

 

Der Straßenabschnitt zwischen X und X weist entlang der B147, die von Straßwalchen nach Braunau am Inn führt, die höchste Verkehrsfrequenz auf und ist baulich nicht entsprechend ausgestattet.

Ein rasches Vorankommen ist nicht mehr möglich und die Risikobereitschaft der Fahrzeuglenker ist dadurch hoch.

Die Unfallzahlen sind weit über dem Durchschnitt, weshalb die Beschränkung als erforderliche Maßnahme erachtet wird.

 

Nach Schluss der mVh und Verkündung sowie Protokollierung der Entscheidung hat der Rechtsvertreter des Bw noch folgende ergänzende Stellungnahme vom 20.05.2011 abgegeben:

 

Zur in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2011 verlesenen Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wird nachstehende ergänzende Stellung­nahme abgegeben:

 

Der in der behördlichen Stellungnahme angeführte Linksbogen liegt nach den Ausfüh­rungen des Sachverständigen im Ortsgebiet von X und kann daher zur Bewer­tung der Sichtweiten auf der von der Verordnung betroffenen früheren Freilandstrecke zwischen Ortsende X und der Ortschaft X nicht zur Begründung einer Sichtbeeinträchtigung herangezogen werden.

Es ergibt sich aus dem Lichtbild auf Seite 5 meiner Berufung zweifelsfrei, dass selbst vor Erreichen des Ortsendes X der leichte Linksbogen zu keiner Sichtbeein­trächtigung in Richtung X/Braunau führt, die gesamte Fahrbahn ist schon ab jenem Punkt gegeben, an welchen das Foto aufgenommen wurde, umso mehr bei Erreichen des Ortsendes bei km 19,374

(Beginn des örtlichen Geltungsbereiches der in Rede ste­henden Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung).

 

Wie die Bezirkshauptmannschaft richtig ausführt, galt vor Erlassung dieser Verord­nung im Bereich der Ortschaft X ab km 20,3 bis ca. km 20,7  (kurz nach der Kreu­zung der B 147 mit jener Straße, welche zum Bahnhof X führt; siehe das von der Behörde vorgelegte Ortho-Foto) eine 70 km/h-Beschränkung.

 

Aus diesem Grund ist - abgestellt auf das gegenständliche Verfahren -
die Erforderlichkeit der Beschränkung der sonst im Freiland zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h auf 70 km/h zu über­prüfen, welche nicht erkennbar ist.

 

Zwischen 19,374 (Ortsende X) und km 20,3 (Beginn der früheren
70 km/h-Beschränkung im Bereich der Ortschaft X) liegt eine Distanz von 900 Metern und einem Kilometer.

 

Warum auf dieser Strecke nicht eine Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren werden soll, lässt sich auch aus der in der mündlichen Verhandlung verlesenen erstbehördli­chen Stellungnahme nicht entnehmen, ergibt sich doch daraus - bezogen auf meine damalige Fahrtrichtung - eine Sichtweite aufgrund des Objektes bei etwa Straßenkilometer 19,9 von 400 bis 520 Metern.

 

Abgesehen davon, dass schon aufgrund des § 20 Abs. 1 StVO auch auf dieser
6 Meter breiten Straße - wie überall - auf Sicht gefahren werden muss, bedeutet das Gebot des Fahrens auf Sicht bei dieser Sichtweite eine zulässige Bremsausgangsgeschwindigkeit von rund 270 km/h (75 Meter pro Sekunde), weil bei dieser Geschwindigkeit in der Reaktionssekunde ein Weg von 75 Metern zurückgelegt wird und der Bremsweg (s=v2/2a) 351 Meter beträgt,
der Anhalteweg somit 426 Meter, wenn man als Verzöge­rungswert
a 8
Meter/Sekunde2 heranzieht, was von jedem Pkw problemlos erreichbar ist.

Selbst wenn man eine moderate mittlere Bremsverzögerung von
4 Meter/Sekunde2 ansetzt, kommt man immer noch auf eine zulässige Bremsausgangsgeschwindigkeit von 53 Meter pro Sekunde (190 km/h) zumal
bei dieser Geschwindigkeit in der Reak­tionszeit in der Dauer von einer Sekunde 53 Meter zurückgelegt werden und der Bremsweg 350 Meter beträgt;

bezieht man diese Rechnungen auf die in der behördlichen Stellungnahme angegebene Mindestsichtweite von 25 Meter, ergeben sich naturgemäß noch bedeutend höhere Bremsausgangsgeschwindigkeiten bezogen auf das Gebot des Fahrens auf Sicht.

 

Die Frage der zulässigen Fahrgeschwindigkeit wird von der Bezirks-hauptmannschaft Braunau in unzulässiger Weise mit den allfälligen Risken eines Überholmanövers vermengt, welche generell vorhanden sind, die §§ 15 und 16 StVO hiefür Regelungen betreffend die Zulässigkeit des Überholens enthalten.

Bereits vorgekommene bedenkliche bzw. riskante Überholmanöver sind nicht geeig­net, als Begründung für die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Geschwindigkeits­beschränkung herangezogen zu werden, was sich auch aus
§ 16 Abs.2 lit.a iVm § 52 lit.a Z.4a StVO ergibt

 

Die Verordnung erlassende Behörde hat nicht nur die Stellungnahme des Gemeindera­tes der Gemeinde X keiner näheren Prüfung unterzogen sondern auch jene der Gemeinde X nicht, welche (AS 11) eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h anregt.

Ob dies für die behördlich verfolgten Zwecke ausreichend wäre, wurde offenkundig nicht geprüft, der verkehrstechnische Sachverständige geht auf diese Frage nicht ein.

 

Auch insofern ist das behördliche Ermittlungsverfahren ergänzungsbedürftig geblieben und mangelt es auch an einer entsprechenden Abwiegung der Interessen an der Ver­kehrsbeschränkung mit den Interessen an der ungehinderten Benützung der Straße im Sinne der auf S. 7 der Berufung zitierten verfassungsgerichtlichen Judikatur.

 

Die Rechtsmittelanträge bleiben aufrecht.

 

Betreffend die "Erforderlichkeit" der Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h
hat der verkehrstechnische Amtssachverständige, X, folgende Stellungnahme vom 29.10.2009 abgegeben:

 

Die B147 stellt in diesem Streckenabschnitt einen äußerst stark befahrenen Straßenzug dar, der großteils lediglich über eine relativ geringe Ausbaubreite verfügt. Bereits in der Vergangenheit wurde festgestellt, dass die B147 über ihren Auslastungsgrad belastet ist.

Zwischen X und X ergeben sich immer wieder Unfallhäufungs-stellen im Sinne der Richtlinien RVS, so zB in X, X und auch in X.

In X ist eine 70 km Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet, die dem dortigen Verbauungsgrad und den Einmündungen Rechnung trägt.

Am Ende des Ortsgebietes von X ist in Fahrtrichtung X eine
60 km Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet. 

Es wurde heute festgestellt, dass in jenem Bereich ab dem Ortsende von X in Richtung X betrachtet, wo die 60 km Geschwindigkeits-beschränkung kundgemacht ist, man das Ortsgebiet aufgrund des sich ergebenden Erscheinungsbildes entsprechend verlängern kann.

Dies insbesondere deshalb, da hier ein neuer Gehweg errichtet wurde, eine neue Omnibushaltestelle mit Wartehäuschen und insgesamt das Erscheinungsbild der Straße, bzw. die Anlageverhältnisse sich so präsentieren, dass sie in ein Ortsbild passen. Aus straßenverkehrstechnischer Sicht ist es zweckmäßig, dieses Ortsgebiet bis an eine noch genau zu definierende Stelle zu verlängern.

Durch diese Maßnahme verkürzt sich die kundgemachte 60 km Geschwindigkeitsbeschränkung auf eine entsprechende Länge.

Es ist dadurch zu erwarten, dass innerhalb dieses Streckenabschnittes die Kollektivgeschwindigkeiten nochmals absinken.

Die restliche verbleibende Länge der 60 km Geschwindigkeitsbeschränkung würde sich auf einen relativ kurzen Streckenabschnitt beziehen.

Aus straßenverkehrstechnischer Sicht ist es jedenfalls nachvollziehbar, würde zwischen den Ortsgebieten X und X eine durchgehende 70 km Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet, zumal eine solche über einen längeren Streckenabschnitt in der Ortschaft X bereits vorhanden ist.

Um auch den verbleibenden Unfallhäufungsstellen Rechnung zu tragen, würde  eine  punktuell   kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung dazu führen, dass inhomogene Geschwindigkeiten des Fahrzeugkollektives gefahren werden.

Auch wird zwischen X und X bzw. dem dort befindlichen Bahnübergang ein neuer Betrieb li. i. S. d. K. errichtet und zu diesem Betrieb wird auf der Fahrfläche der B147 eine Linksabbiegespur errichtet.

Dadurch wird auch das Überholen von Fahrzeugen in diesem Bereich nicht mehr möglich sein und es ist daher auch dieser dann beeinträchtigte Streckenabschnitt von der 70 km Geschwindigkeits­beschränkung betroffen.

Für den Streckenabschnitt zwischen X und X wird angeführt, dass hier die Fahrbahn einen langgezogenen Linksbogen in Richtung X betrachtet macht, wobei sich kurveninnenseitig ein Objekt befindet, dessen Einfriedung eine Sichtabschattung auf den Gegenverkehr darstellt.

Zumal es sich auch hier in der Vergangenheit um eine Unfallhäufungsstelle gehandelt hat, ist auch in diesem Abschnitt eine 70 km Geschwindigkeits-beschränkung gerechtfertigt

Im Hinblick auf das Thema ob nicht auch eine 80 km Geschwindigkeits-beschränkung zwischen X und X verordnet werden könnte,
die dem allgemeinen Geschwindigkeitsverhalten Rechnung tragen würde,
wird bemerkt, dass insbesondere in X
es unmöglich erscheint, die derzeit kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km in eine 80 km Geschwindigkeitsbeschränkung umzuwandeln, da sich in der Ortschaft X
nach wie vor Verkehrsunfälle ereignen.

Es wird auch durch die durchgehende 70 km Geschwindigkeitsbeschränkung erwartet, dass sich ein homogenerer Verkehrsablauf ergibt und die kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung besser akzeptiert wird.

 

Aufgrund der Unfallhäufung bzw. zur Vermeidung von Unfallgefahren

  • ist nach Ansicht des UVS iSd § 43 StVO die "Erforderlichkeit" dieser Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h gegeben

          VfGH vom 01.10.2008, V2/07ua; vom 04.12.2007, B261/07 ua

bzw.    

  • bestehen gegen die Anwendung dieser Verordnung

      keine Bedenken iSd Art. 129a Abs.3 iVm Art. 89 Abs.2 B-VG.

 

Betreffend den Schuldspruch war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen.

 

Betreffend die Strafbemessung wird auf die zutreffende Begründung im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwiesen;

ein derartiger Verweis ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zulässig;   

siehe die in Walter-Thienel, Band I, 2. Auflage E48, E58 und E 60 zu § 60 AVG (Seite 1049ff) sowie E19 zu § 67 AVG (Seite 1325) zitierten VwGH-Erkenntnisse.

 

Ergänzend ist festzustellen, dass der Bw die erlaubte Höchstgeschwindigkeit

von 70 km/h um 46 km/h (= um ca. 65 %) überschritten hat.

 

Die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe beträgt etwas weniger als 10 % der möglichen Höchststrafe und ist daher als milde zu bezeichnen.

 

Die Berufung war somit auch betreffend das Strafausmaß abzuweisen.

 

Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Verfahren I. Instanz 10 % und für das Berufungsverfahren weitere 20 % der verhängten Geldstrafe.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VfGH vom 27.02.2012, Zl. B 952/11-10

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