Linz, 18.05.2011
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch RA Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 18. März 2011, Zl. VerkR96-492-2011, nach der am 18. Mai 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010;
Zu II. § 66 VStG;
Entscheidungsgründe:
1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land wegen der Übertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil er 6.10.2010, 05:52 Uhr, in Traun auf der B1 (Wiener Straße, Fahrtrichtung Linz) bei StrKm 192.450, als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen X, mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe.
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
2. In der dagegen fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung tritt der Berufungswerber dem Straferkenntnis mit folgenden Ausführungen entgegen:
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Im Vorfeld wurde im Wege der Haftpflichtversicherung des Angezeigtenfahrzeuges der Stand der Schadenregulierung in Erfahrung gebracht (AV v. 17.5.2011).
Der Berufungswerber legte im Zuge der Berufungsverhandlung zwei Fotos vom angeblichen Schädigerfahrzeug – ein vierachsiger Lkw – vor. Der auch persönlich zur Berufungsverhandlung erschienene Berufungswerber wurde als Beschuldigter und der Anzeiger J. X als Zeuge einvernommen. Auch der zuständige Abteilungsleiter als Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.
3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war trotz der € 500,-- nicht übersteigenden Geldstrafen antragsgemäß und in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
4. Sachverhalt.
Unstrittig ist, dass sowohl der Zeuge als auch der Berufungswerber auf der B1 im Bereich der sogenannten Traunerkreuzung in Richtung Linz unterwegs waren. Nachdem der Zeuge X etwa 500 m nach der Traunerkreuzung mit etwa 70 km/h fahrend auf die rechte Fahrspur wechselte, näherten sich zwei Lkw auf der linken Spur. Sie überholten den Zeugen, wobei es nach dem Überholen und Umspuren nach rechts seitens des hinteren Lkw´s zu einer Streifung am Spiegel des Zeugenfahrzeuges gekommen ist. Dieser wurde dabei, wie sich erst später und nach der Anzeige herausstellte, nicht funktionsunfähig. Es blieben lediglich zwei unbedeutende Lackabschürfungen die der Zeuge nicht als Schaden qualifiziert. Aus diesem Grund wurde auch kein Anspruch an die Versicherung gestellt.
Jedenfalls versuchte der Zeuge in weiterer Folge durch optische und akustische Warnzeichen den Berufungswerber im Lkw auf den Fahrzeugkontakt aufmerksam zu machen. Dieser reagierte jedoch nicht so dass er sich zur Erstattung der Anzeige veranlasst sah. Im Zuge der Verhandlung stellte sich heraus, dass der Berufungswerber die Zeichen glaubhaft nicht wahrnahm und offenbar auch keinen Blickkontakt mit dem Zeugen bekommen haben dürfte.
Das diese Streifung nicht bemerkt wurde und jedenfalls im Zweifel auch nicht bemerkt werden mussten erbrachte ebenfalls das Ergebnis der Berufungsverhandlung.
Beide Beteiligte machten einen guten und sehr sachlichen Eindruck, sodass dem Berufungswerber nicht zugesonnen wird das Ereignis bemerkt aber ignoriert zu haben.
Darauf lässt durchaus auch die Einschätzung des Anzeigers X schließen, welcher dezidiert angab sich nicht geschädigt zu fühlen und er einräumte, dass der Lkw-Lenker seine Zeichen und Signale wohl nicht bemerkt haben dürfte.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Als Verkehrsunfall gilt jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 20.4.2001, 99/02/0176 u.a.).
Die Anhalte- und Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, wobei es für die Erfüllung des Tatbestandes wohl schon ausreicht wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können oder müssen (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie – unter vielen – VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367, VwGH 14.09.1983, 82/03/0144).
Dafür liegen hier aber keine ausreichenden Indizien vor, sodass letztlich einerseits mangels bezifferbaren Schadens und andererseits eines nicht erweislichen schuldhaften Verhaltens eine Verwaltungsübertretung zumindest nicht erwiesen gelten kann.
Das Verfahren war demnach gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r