Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522853/2/Zo/Bb/Jo

Linz, 19.05.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vom 28. April 2011, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 19. April 2011, GZ Fe 349/2010, wegen Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B und sonstiger Anordnungen, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm

§§ 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.3 Z9, 7 Abs.4, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.3, 29 Abs.3 und 30 Abs.1 Führerscheingesetz 1997 - FSG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Der Polizeidirektor von Steyr hat X (dem Berufungswerber) mit Bescheid vom 19. April 2011, GZ Fe 349/2010, die von der Bundespolizeidirektion Steyr am 4. November 2009 unter GZ 08316922 für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit  (§ 7 FSG) gemäß  § 24 Abs.1 Z1 FSG für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Verkündung des Bescheides (= 19. April 2011), entzogen und gleichzeitig für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 30 Abs.1 FSG das Recht, von einem im Ausland ausgestellten Führerschein, umfassend alle Klassen, in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt. Weiters wurde der Berufungswerber gemäß § 29 Abs.3 FSG aufgefordert, seinen Führerschein, unverzüglich bei der Behörde abzuliefern. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Gegen diesen Bescheid vom 19. April 2011 hat der Berufungswerber – mit Schriftsatz vom 28. April 2011 – fristgerecht Berufung erhoben. Er wendet sich darin im Wesentlichen gegen die Entziehung der Lenkberechtigung und bittet um Nachsicht.

 

Im Einzelnen führt der Berufungswerber darin aus, dass er das spätere Opfer in alkoholisiertem Zustand gebeten habe, ihn in Ruhe zu lassen. Da dies nicht geschehen sei, habe er in seinem Rauschzustand zwei Mal auf das Opfer eingeschlagen. Da er sonst so gut wie nie Alkohol trinke sei er nach seiner Tat von sich selbst erschrocken gewesen.

 

Er bringt vor, dass es sich gegenständlich um seine erste Vorstrafe handle und versichert, dass diese auch seine einzige bleiben werde. Es sei damals ein Ausnahmezustand gewesen. Außerdem sei er noch nie wegen Alkoholkonsum oder anderer Rauschmittel strafrechtlich aufgefallen und habe sich seit der Verhandlung wohlverhalten und auch keine weiteren Verwaltungsstrafen begangen. Im Zuge seiner Bewährungshilfe engagiere er sich dafür, dass eine derartige Tat künftig sein Leben nicht mehr beeinträchtige.

 

Da er nach dem Bundesheer in Linz zu arbeiten beginnen möchte, stelle eine Entziehung der Lenkberechtigung ein großes Problem für ihn dar. Die künftige Arbeitsstelle sei ihm nicht zuletzt auch deshalb wichtig, um seine Schulden aus dem Strafverfahren möglichst schnell begleichen zu können.

 

3. Der Polizeidirektor von Steyr hat die Berufung samt Verwaltungsakt mit Vorlageschreiben vom 9. Mai 2011, GZ Fe 349/2010, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 35 Abs.1 FSG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Steyr und in die Berufung.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, weil sich bereits auf Grund der Aktenlage ergibt, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs.2 Z1 AVG).

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Der Berufungswerber wurde mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 11. Jänner 2011, GZ 10 Hv 133/10x, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der verhängen Freiheitsstrafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs.1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Überdies wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Schmerzengeldteilbetrages in Höhe von 1.000 Euro samt 4 % Zinsen seit 11. Jänner 2011 verpflichtet. Das strafgerichtliche Urteil ist sei 15. Jänner 2011 rechtskräftig.

 

Dem Urteilsspruch liegt zu Grunde, dass der Berufungswerber am 7. August 2010 in X eine Person durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht am Körper verletzt hatte, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Fraktur des Unterkiefers, zur Folge hatte. Im Hinblick auf die Strafbemessung wurde als erschwerend kein Umstand gewertet, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit, das Geständnis sowie das Alter des Berufungswerbers von unter 21 Jahren.

 

Bis zur Begehung der gegenständlichen Tat war der Berufungswerber strafrechtlich gänzlich unbescholten. Laut Zentralem Führerscheinregister handelt es sich gegenständlich auch um die erstmalige Entziehung seiner Lenkberechtigung.

 

5. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2  FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 29 Abs.3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

 

Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. 

 

5.2. Der Berufungswerber wurde mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 11. Jänner 2011, GZ 10 Hv 133/10x, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.1 StGB rechtskräftig bestraft. Es steht damit bindend fest, dass er die ihm angelastete Straftat in der im Strafurteil dargestellten und umschriebenen Weise begangen hat. Er hat damit auch eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z9 FSG begangen, welche gemäß § 7 Abs.4 FSG einer Wertung zu unterziehen ist.

 

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben (sogenannte Gewaltdelikte) stellen einen besonders schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und sind daher als besonders verwerflich und gefährlich anzusehen. Der gegenständliche Vorfall hat gezeigt, dass der Berufungswerber – zumindest in alkoholisiertem Zustand – eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft aufweist, in Konfliktsituationen mit Gewaltanwendung zu reagieren. Durch das verwerfliche Verhalten des Berufungswerbers wurde letztlich eine Person schwer verletzt, wobei damit eine insgesamt vier Wochen dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit verbunden war.

 

Ungeachtet der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit seines Verhaltens muss bei der Wertung der vom Berufungswerber begangenen bestimmten Tatsache aber auch beachtet werden, dass er im Zeitpunkt der Begehung der Tat unbescholten war und ihm weder eine strafgerichtliche Vorverurteilung noch eine Entziehung der Lenkberechtigung zur Last liegt. Der Berufungswerber hat sich zudem geständig gezeigt und seitens des Strafgerichtes wurde die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Wesentlich zu Gunsten des Berufungswerbers spricht auch, dass der Vorfall mittlerweile schon mehr als neun Monate zurückliegt. In diesem Zeitraum war er im Besitz einer Lenkberechtigung, ist zumindest der Aktenlage nach nicht negativ in Erscheinung getreten und hat sich offensichtlich wohlverhalten.

 

Auf Grund der dargelegten Umstände und seines Verhaltens kann davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber im Tatzeitpunkt und auch noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verurteilung im Jänner 2011 jedenfalls verkehrsunzuverlässig war.

 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber zu berücksichtigen, dass die Lenkberechtigung nur dann entzogen werden darf, wenn auf Grund der Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt anzunehmen ist, dass eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers noch vorliegt und die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten (gerechnet ab dem Wirksamwerden der Entziehung) eintreten wird (vgl. dazu die Rechtsprechung des VwGH – zB 14. September 2004, 2004/11/0119).

 

Ausgehend vom Tatzeitpunkt am 7. August 2010 würde sich im konkreten Fall bei Bestätigung der von der Bundespolizeidirektion Steyr verfügten dreimonatigen Entziehungsdauer eine angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers von etwa 11 1/2 Monaten ergeben. Eine derart lange Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit erscheint jedoch nicht vertretbar. Seit der Begehung der strafbaren Handlung ist inzwischen so viel Zeit verstrichen, dass die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber im Zeitpunkt dieser Berufungsentscheidung seine Verkehrszuverlässigkeit bereits wiedererlangt hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat eine derart lange Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit – wie sie von der Bundespolizeidirektion Steyr im angefochtenen Bescheid prognostiziert wurde – in vergleichbaren Fällen jedenfalls als zu lang erachtet. Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

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