Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522849/5/Kof/Jo

Linz, 26.05.2011

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X, vertreten durch X gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 18. April 2011,
Zl. VerkR21-87-2011, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, nach der am 24. Mai 2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und

der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Abs.1 Z1 FSG, BGBl I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch

   BGBl I Nr. 93/2009 – "einheitliches Entziehungsverfahren"

§ 7 Abs.2 FSG  iVm  §§ 5 Abs.1 und 99 Abs.1b StVO  sowie  § 24a deutsches StVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der nunmehrige Berufungswerber (Bw) lenkte am 19.09.2010 um 23.20 Uhr
in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf einer näher bezeichneten Straße mit öffentlichem Verkehr in München.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat den Bw wegen der Übertretung nach § 24a StVG rechtskräftig bestraft.

 

 

 

§ 24a deutsches StVG lautet auszugsweise:

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt,

      obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft hat.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines berauschenden Mittels

      im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/
den Bw wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

-     die Lenkberechtigung für die Klasse B auf die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab dem Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides
(= 20. April 2011) entzogen,

-     für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invaliden-KFZ verboten

-     verpflichtet, bis zum Ablauf der Entziehungsdauer sich einer begleitenden Maßnahme:  Nachschulung bei sonstiger Problematik  zu unterziehen

-     verpflichtet, den Führerschein unverzüglich bei der belangten Behörde abzugeben.

Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 20. April 2011 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 29. April 2011 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Am 24. Mai 2011 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Bw sowie dessen Rechtsvertreter teilgenommen haben.

 

Der Rechtsvertreter des Bw hat dabei folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Ich verweise auf meine bisherigen Eingaben, insbesondere auf die Berufung vom 29. April 2011.

 

Ergänzend dazu bringe ich vor:

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat dem Bw am 19. April 2011 – obwohl der Bw zu diesem Zeitpunkt bereits von mir anwaltlich vertreten war – persönlich den "Aufforderungsbescheid" vom 19.04.2011, VerkR21-87-2011, ausgefolgt.

Der Bw war noch am selben Tag bei mir in der Kanzlei und

hat mir diesen Bescheid gegeben.

Am darauffolgenden Tag (20. April 2011) wurde mir im Postwege

der Entziehungsbescheid vom 18. April 2011, VerkR21-87-2011, zugestellt.

Diese Vorgangsweise widerspricht dem

Grundsatz der "Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens".

 

Inhaltlich bringe ich vor, dass der Bw – abgesehen davon, dass der Tatort in Deutschland war – nicht iSd § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt hat.

 

Ich beantrage daher,

der Berufung stattzugeben und den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben.

 

Anmerkung:   Der Name des Bw wurde durch die Wendung "Bw"

                      – in der jeweils grammatikalisch richtigen Form – ersetzt.

 

Der Rechtsvertreter des Bw weist zutreffend darauf hin, dass im FSG der

"Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens" besteht.

Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens ist der seit der Erteilung der Lenkberechtigung eingetretene Wegfall jeder einzelnen der maßgebenden Eignungsvoraussetzungen.

Bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides sind alle verwirklichten Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, im Bescheid zu berücksichtigen.

Die wiederholte Ergreifung von Maßnahmen jeweils nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen ist nicht zulässig;   ständige Rechtsprechung des VwGH,

zB Erkenntnis vom 22.03.2002, 2001/11/0342 mit zahlreichen Judikaturhinweisen.

 

Die belangte Behörde hat den "Aufforderungsbescheid" nach § 24 Abs.4 FSG vom 19.04.2011, VerkR21-87-2011, erlassen.

Dieser wurde am selben Tag vom Bw dem Rechtsvertreter des Bw ausgefolgt;

siehe die Stellungnahme des Rechtsvertreters des Bw in der mVh.

 

Gemäß dem oa "Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens" hätte daher der in der Präambel zitierte Bescheid vom 18. April 2011, VerkR21-87-2011 – welcher dem Rechtsvertreter des Bw am 20. April 2011 zugestellt wurde –
nicht mehr erlassen werden dürfen.

 

Der in der Präambel zitierte Bescheid ist somit bereits aus diesem Grund aufzuheben.

Inhaltlich ist festzustellen:

Gemäß § 7 Abs.2 FSG kann eine Entziehung der Lenkberechtigung auch dann erfolgen, wenn jemand Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen im Ausland begangen hat, wobei diese Verkehrsverstöße bzw. strafbaren Handlungen nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind.

 

Im Ausland begangene Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen können
in einem Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung nur dann
und insoweit als Tatsachen iSd § 7 Abs.3 FSG beurteilt werden, wenn hierfür
im Ausland eine bereits rechtskräftige die Kraftfahrbehörde bindende Bestrafung erfolgt ist.

Eine Entziehung der Lenkberechtigung ist nur zulässig, wenn feststeht, dass der Betreffende einen Verkehrsverstoß oder eine strafbare Handlung begangen hat, welche einer im § 7 Abs.3 FSG genannten bestimmten Tatsachen entspricht!

siehe dazu ausführlich VwGH vom 20.04.2004, 2003/11/0272.

 

Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall, ob

-   eine Suchtgiftbeeinträchtigung nach § 24a deutsches Straßenverkehrsgesetz (StVG)

-     einer Suchtgiftbeeinträchtigung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO –  

    und somit einer bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z1 FSG –  entspricht.

 

In Österreich ist das Lenken/die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges in einem
durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gemäß § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO einem Atemluftalkoholgehalt von mindestens 0,4 mg/l aber weniger als 0,6 mg/l gleichzuhalten;  siehe auch VwGH vom  09.02.1999, 98/11/0154.

 

In Deutschland ist das Lenken/die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gemäß § 24a Abs.1 und Abs.2 StVG einem Atemluftalkoholgehalt von mindestens 0,25 mg/l gleichzuhalten.

 

Somit lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen, ob die beim Bw am 19.09.2010 in Deutschland festgestellte Suchtgiftbeeinträchtigung

-         einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO und damit einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs.3 Z1 FSG  oder

-         "nur" einer Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs.8 FSG und

      damit keiner bestimmten Tatsache

gleichzuhalten ist,  sodass  gemäß dem Grundsatz "in dubio pro reo" der Bw

keine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z1 FSG verwirklicht hat.

 

 

Es war daher der Berufung stattzugeben, der erstinstanzliche Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 20,40 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

Beschlagwortung:

§ 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1b StVO versus § 24a deutsches StVG;

 

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