Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240803/2/SR/MB/Ba

Linz, 27.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der x, x vertreten durch x und x, Rechtsanwälte in x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 29. März 2011, GZ UR96-14-2010, betreffend einer Übertretung nach dem Tiermaterialiengesetz zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 45 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis vom 29. März 2011, GZ: UR96-14-2010, wurde die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) schuldig erkannt und bestraft:

"1) Sie sind Ihrer Verpflichtung als Person, die tierische Nebenprodukte oder Materialien der Kategorie 3, welche nicht gemäß Artikel 6 Abs. 2 lit. c bis e der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 anderweitig verwendet werden, in Verwahrung hat, nicht nachgekommen, 5 Schaffelle von gesunden geschlachteten Schafen (gemäß Art 6 der Verordnung [EG] Nr. 1774/2002 gehören diese zu der Kategorie 3), unverzüglich an einen geeigneten, gemäß § 3 Tiermaterialgesetz zugelassenen Betrieb abzuliefern, da diese vom 29.3.2010 bis 08.4.2010 hinter dem Stall Ihres Betriebes in x, gelagert wurden.

2) Sie haben als Verpflichtete gemäß Art. 1 (Verwahrer von tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 3 - gemäß Art 6 der Verordnung [EG] Nr. 1774/2002, gehören Schaffelle von gesunden und geschlachteten Schafen zur Kategorie 3) zumindest bis zum 07.07.2010 keine rechtsgültige schriftliche Vereinbarung mit zugelassenen Betrieben abgeschlossen. Am 07.04 2010 wurden hinter dem Stall Ihres Betriebes in x, 5 Schaffelle vorgefunden wurden, die der unverzüglichen Ablieferungspflicht unterliegen.

Der von Ihnen vorgelegte Vertrag mit der Wirtschaftsgenossenschaft der Fleischer Oberösterreichs gilt nur für Materialien, die von Tieren stammen, die vor und nach der Schlachtung amtlich untersucht worden sind und deren Fleisch durch die Veterinärkontrolle zum menschlichen Verzehr freigegeben wurde (s. Punkt 8 a.). Da die Schafe von Türken geschlachtet wurden gilt dieser Vertrag im gegenständlichen Fall nicht.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden gegen die Bw nach § 14 Tiermaterialiengesetz Geldstrafen von 300 Euro und 9 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit je Spruchpunkt verhängt.

2. Gegen das Straferkenntnis, das am 30. März 2011 im Wege des ausgewiesenen Vertreters zugestellt wurde, erhob die Bw das Rechtsmittel der Berufung, das am 12. April 2011 – somit rechtzeitig – mittels Fax bei der belangten Behörde eingebracht wurde.

In der Berufung bekämpft die Bw das Straferkenntnis in vollem Umfang. Begründend führt die Bw aus, dass Verfahrensvorschriften verletzt, inhaltliche Rechtswidrigkeiten gegeben und die Strafe überhöht sei bzw. mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden könne.

Konkret bringt die Bw vor, dass ein Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Vorschriften vorliege, da sich die "Berufungsbehörde" (wohl gemeint: belangte Behörde) bei der Beurteilung der Begriffe "Felle" bzw. "Schaffelle" auf die "Angaben" des Amtstierarztes der belangten Behörde gestützt habe und dies der Bw nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Es liege daher ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs 3 AVG vor.

Die Bw bekämpft weiters die Ausführungen der Behörde, wonach die Rechtfertigung der Bw betreffend das Vorliegen einer Verpflichtung zur unverzüglichen Ablieferung der "Schaffelle" als eine bloße Schutzbehauptung anzusehen sei. Die Feststellungen der belangten Behörde, dass es bei der belangten Behörde aktenkundig sei, dass die Bw seit Jahren Schafe halte, ferner im Jahre 2006 mehrere Verfahren wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach dem Tiermaterialiengesetz bei der BH Urfahr-Umgebung geführt wurden, seien unrichtig, da die Bw den landwirtschaftlichen Betrieb erst im Juli 2009 übernommen habe und die im Jahr 2006 geführten Verfahren die Bw nicht betroffen haben. Überdies seien diese Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes eingestellt worden, was wiederum zeige, dass diese jedenfalls rechtswidrig waren.

Überdies bringt die Bw vor, dass hinsichtlich beider Spruchpunkte des Straferkenntnisses der belangten Behörde Verfolgungsverjährung gemäß § 31 VStG eingetreten sei, da mit dem Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten eine Änderung des Tatvorwurfes insofern vorgenommen wurde, als in der Strafverfügung vom 31. August 2010 zweifach der Vorwurf darin bestand, dass die Bw als "Erzeuger" von tierischen Nebenprodukten gegen das Tiermaterialgesetz verstoßen habe, während im verfahrensgegenständlichen Straferkenntnis der Bw vorgeworfen werde, sie habe als "Person, die tierische Nebenprodukte in Verwahrung hat", gegen das Tiermaterialiengesetz verstoßen. Entsprechend § 31 VStG sei die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn die Behörde innerhalb der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs 2 VStG setzt. Diese Verfolgungshandlung müsse, damit die Verfolgungsverjährung ausgeschlossen werde, wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordere, so die Bw, dass sich die Verfolgungshandlung auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehe. Da die belangte Behörde den Vorwurf, die Bw habe als Person, die tierische Nebenprodukte oder Materialien der Kategorie 3 in Verwahrung hat, gegen das Tiermaterialgesetz verstoßen, erstmals im Straferkenntnis vom 29. März 2011 erhoben habe, der Verstoß aber im Zeitraum vom 29. März 2010 bis 8. April 2010 von der belangten Behörde angelastet wurde, sei die Verfolgungsverjährung dahingehend mit Ablauf des 8. Oktober 2010 eingetreten.

In eventu bringt die Bw vor, dass unbeschadet der eingetretenen Verfolgungsverjährung auch der Vorwurf, dass die Bw tierische Nebenprodukte oder Materialien der Kategorie 3 in Verwahrung gehabt habe, nicht zu Recht bestehe, da sie die Schafe, lebend an "Türken" verkauft habe und diese "türkischen Käufer" nach erfolgter Schlachtung die Schaffelle ohne "nähere" Unterrichtung der Bw auf deren Liegenschaft liegen gelassen haben. Es könne durch das bloße Zurücklassen jedoch keine Verwahrung begründet werden, da die Verwahrung einer fremden Sache eine bewusste und gewollte Übernahme in die eigene Obsorge gemäß      § 957 ABGB voraussetze.

Weiters wendet die Bw ein, dass einerseits die Ausführungen der Erstbehörde, wonach "nach den Angaben des Amtstierarztes" Felle bzw. Schaffelle unter dem Begriff "Haut" zu subsumieren seien, nicht von einem Amtsarzt zu beurteilt werden dürfe, sondern diese rechtliche Beurteilung der belangten Behörde selbst zukomme und andererseits, der Wortlaut des Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, mit der taxativen Aufzählung, "Schaffelle" nicht erfasse, und die Auslegung der belangten Behörde daher den auch im Verwaltungsstrafverfahren anerkannten Rechtsgrundsatz des Analogieverbotes zu Lasten der Bw verletze.

Darüber hinaus wendet die Bw ein, dass die belangte Behörde rechtsirrig die Wendung: "[...] unverzüglich [...] abzuliefern" gemäß § 10 Abs 1 Tiermaterialiengesetz dahingehend versteht, dass innerhalb eines Tages eine Meldung an das Unternehmen, welches die Abholung vornimmt zu ergehen und zumindest innerhalb von 3 Tagen diese (Abholung) zu erfolgen habe. Einerseits wird dahingehend von der Bw moniert, dass die Schaffelle am 8. April 2010 durch die Fa. x entsorgt wurden. Die belangte Behörde habe dahingehend keine Feststellungen getroffen, wann die Bw die Fa. x mit der Abholung der Schaffelle beauftragt habe, weshalb auch nicht feststehe, ob eine entsprechende Verspätung von der Bw zu vertreten sei, da die Entsorgung durch die Fa. x nach der Verständigung turnusmäßig erfolge und sohin eine etwaig eingetretene Verzögerung nicht von der Bw zu vertreten sei. In diesem Zusammenhang wendet die Bw zusätzlich ein, dass die Wendung: "unverzüglich" im Sinne einer objektiv-teleologischen Interpretation vor dem europarechtlichen Hintergrund so zu verstehen sei, dass im vorliegenden Sachverhalt ein Zeitraum von 10 Tagen als unverzüglich iSd Tiermaterialiengesetzes gelte.

Im Zusammenhang mit Spruchpunkt 2) des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses wird von der Bw vorgebracht, dass ein mit der Fa. x abgeschlossener Vertrag, welcher allerdings "von heute auf morgen" die Schaffellentsorgung nicht mehr umfasse, bestehe und für jeden diesbezüglichen, darüber hinausgehenden Abtransport ein (einzelner) Vertrag mit der Fa. x vorliege. Daher unterliege die belangte Behörde auch in Spruchpunkt 2) einem Rechtsirrtum.

Abschließend bringt die Bw in eventu vor, dass lediglich geringes Verschulden gegeben sei und die Folgen der Taten unbedeutend seien. Auch spezialpräventive Gründe für eine Bestrafung liegen nicht vor, daher sei mit einer bescheidmäßigen Ermahnung von der belangten Behörde vorzugehen gewesen. Betreffend die Höhe der Strafe bringt die Bw alternativ vor, dass das "bekannt niedrige Einkommen in der Landwirtschaft" eine Strafhöhe von insgesamt 600 Euro nicht rechtfertige.

Schließlich beantragt die Bw, der Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. In eventu wird eine Ermahnung gemäß § 21 VStG oder eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe beantragt. Überdies wird die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt, wobei die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn x zum Nachweis des Berufungsvorbringens beantragt wird.

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung – ohne von der Möglichkeit der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 19. April 2011 (eingelangt am: 21. April 2011) zur Entscheidung vorgelegt.

 

3.2. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung.

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG [Verwaltungsstrafgesetz , BGBl 172/1950 (Wv) idF BGBl I 111/2010] konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit der Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

3.3.  Aus den unter Punkt 3.2. genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Im Zuge einer mündlichen Verhandlung am 7. April 2010 im Betrieb der Bw zu GZ: Vet30-12-2010 wurden hinter dem Stall des Betriebes der Bw 5 Schaffelle vorgefunden. Diese Schaffelle stammen von Schafen, die türkische Käufer von der Bw erworben haben. Die Käufer haben die Schafe am 29. März 2010 auf dem Grund der Bw geschlachtet und die Felle anschließend zurückgelassen.

Am 8. April 2010 erfolgte die Abholung der Schaffelle durch die Fa. x.

Seit Jänner 2004 besteht eine zwischen der Fa. x (x) mit der Bw auf unbefristete Zeit geschlossene Vereinbarung für die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten aller Kategorien entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 und dem Tiermaterialiengesetz, welche tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 beinhaltet.

Gemäß Punkt 8 lit. a dieser Vereinbarung müssen die Materialien der Kategorie 3 von Tieren stammen, die vor und nach der Schlachtung amtlich untersucht worden sind und deren Fleisch durch die Veterinärkontrolle zum menschlichen Verzehr freigegeben wurden.

Mit Strafverfügung der belangten Behörde, zugestellt am 2. September 2010, wurden der Bw folgende Taten zur Last gelegt:

1) Sie sind ihrer Verpflichtung als Erzeuger von tierischen Produkten oder Materialien der Kategorie 3, welche nicht gemäß Artikel 6 Abs. 2 lit. c bis e der Verordnung (EG) 1774/2002 anderweitig verwendet werden, nicht nachgekommen, 5 Schaffelle von gesunden geschlachteten Schafen (gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 gehören diese zur Kategorie 3), unverzüglich an einen geeigneten, gemäß § 3 Tiermaterialiengesetz zugelassenen Betrieb, abzuliefern, da diese vom 29.03.2010 bis 08.04.2010 hinter dem Stall Ihres Betriebes in x, gelagert wurden.

2) Sie haben als Verpflichtete gemäß Abs. 1 (Erzeuger von tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 3 – gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, gehören Schaffelle von gesunden geschlachteten Schafen zur Kategorie 3 -) zumindest bis 07.07.2010 keine rechtsgültige schriftliche Vereinbarung mit zugelassenen Betrieben abgeschlossen. Am 07.04.2010 wurden hinter dem Stall Ihres Betriebes in x, 5 Schaffelle vorgefunden wurden, die der unverzüglichen Ablieferungspflicht unterliegen.

Innerhalb offener Frist hat die Bw durch ihren Rechtsvertreter einen Einspruch eingebracht und auf die Bevollmächtigung hingewiesen.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. September 2010 wurde die Bw zur Stellungnahme im Hinblick auf die Tatvorwürfe in der Strafverfügung aufgefordert. In der fristgerecht eingebrachten Stellungnahme bestritt die rechtsfreundlich vertretene Bw die Subsumtion des Schaffelles unter die Kategorie 3 entsprechend des Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 iSd Tiermaterialgesetzes und stellte klar, dass die 5 Schafe lebend verkauft und übergeben worden seien. Die türkischen Käufer hätten nach der Übernahme der Schafe die Schlachtung der Tiere vorgenommen. Sohin könne die Bw nicht als Erzeugerin angesehen werden und der Tatvorwurf bestehe nicht zu Recht.

Am 30. März 2011 erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis.

3.4. Den Berufungsausführungen ist die belangte Behörde im Vorlageakt nicht entgegen getreten. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unbestritten.

4.  In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiermaterialiengesetzes BGBl I 141/2003 idF BGBl 13/2006 (in der Folge: TMG) lauten:

 

§ 10 (1) Die Erzeuger von

1. tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 1 und 2 (ausgenommen Gülle, Magen- und Darminhalt) der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002,

2. tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 3, welche nicht gemäß Artikel 6 Abs. 2 lit. c bis e der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 anderweitig verwendet werden,

sowie sonstige Personen die solche Nebenprodukte und Materialien in Verwahrung haben, sind verpflichtet, diese unverzüglich an einen geeigneten, gemäß § 3 zugelassenen Betrieb oder, sofern hierfür die Zustimmung des Bestimmungsmitgliedstaates vorliegt, an einen nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 zugelassenen Betrieb in einem anderen Mitgliedstaat abzuliefern.

 

(2) Verpflichtete gemäß Abs. 1 haben mit zugelassenen Betrieben über die Ablieferung eine rechtsgültige schriftliche Vereinbarung, die insbesondere auch alle näheren Bestimmungen hinsichtlich Sammlung, Kennzeichnung, Lagerung, Abholung, Beförderung und die Art der weiteren Be- oder Verarbeitung enthalten muss, abzuschließen. Die Vereinbarungen sind für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten abzuschließen und hinsichtlich der in Abs. 1 Z 1 genannten Materialien unverzüglich nach Abschluss, hinsichtlich der in Abs. 1 Z 2 genannten Materialien nur über Aufforderung dem Landeshauptmann vorzulegen. Sonstige gemäß §§ 12 und 13 erlassenen Vorschriften sind einzuhalten.

 

(3) Ausgenommen von den Bestimmungen über eine schriftliche Vereinbarung gemäß Abs. 2 ist die Entsorgung von

1. verendeten (Falltieren) oder getöteten Tieren im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, sofern sich diese nicht in einem Schlachthof befinden und

2. Siedlungsabfällen im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes.

 

(4) Sofern in den nach § 12 Abs. 1 erlassenen Bestimmungen für ablieferungspflichtige tierische Nebenprodukte oder Materialien keine andere Regelung getroffen wurde, ist für die Organisation der Ablieferung und Weiterleitung an den zugelassenen Betrieb der Bürgermeister zuständig. Diesfalls hat der Bürgermeister Regelungen im Sinne des § 12 Abs. 1 für das Gemeindegebiet festzulegen.

 

(5) Ist der nach Abs. 1 Verpflichtete vorerst nicht feststellbar oder zur Erfüllung seiner Verpflichtung rechtlich oder faktisch nicht imstande, so hat der örtlich zuständige Bürgermeister die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen späteren Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

 

(6) Die durch die Ablieferung, Übernahme und weiteren Behandlung der in Abs. 1 genannten Nebenprodukte entstehenden Kosten sind vom Verpflichteten (“Verursacher”) direkt zu tragen und dürfen bei der Abrechnung gegenüber dem landwirtschaftlichen Tierproduzenten oder dem gewerblichen Lieferanten nicht gesondert auf der Rechnung angeführt werden.

 

4.2. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Nach Abs. 2 beträgt die Verjährungsfrist sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 32 Abs. 2 ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

4.3. Die geforderte Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs 2 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben (siehe Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht4 468). Diese Amtshandlung muss sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (VwGH 19.12.2005, 2001/03/0162). Die Präzisierung lässt zwei Zielrichtungen erkennen: Einerseits muss der Beschuldigte auf den konkreten Tatvorwurf bezogen in die Lage versetzt werden, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und andererseits soll er davor geschützt werden, wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Hengstschläger, Verwaltungsverfahren4 Rz 801 mwN). Die rechtliche Beurteilung selbst hat dahingehend keine Relevanz (K.Stöger in N.Raschauer/W.Wessely, VStG § 31 Rz 4).

Mit dem Tatvorwurf in der Strafverfügung (der Bw zugestellt am 2. September 2010) hat die belangte Behörde in der Form der weitgehenden Wiederholung des gesetzlichen Wortlautes des § 10 Abs. 1 Z. 2 1. Fall TMG ("Erzeuger") eine Verfolgungshandlung gesetzt, welche sich auf einen Sachverhalt bezog, der ua hinter dem normativen Begriff des Erzeugers iSd § 10 Abs 1 TMG steht. Dieser Sachverhalt ist ein anderer, als der, der sich hinter dem Begriff der "sonstigen Personen die solche Nebenprodukte und Materialien in Verwahrung haben" verbirgt. Zumal der Begriff des Erzeugers vom Gesetzgeber klar mit dem Worten "sowie sonstige" zu diesen Personen abgegrenzt wird und daher andere Sachverhaltskonstellationen erfasst. Im Straferkenntnis der belangten Behörde, der Bw zugestellt am 30. März 2011, wird in beiden Spruchpunkten das Tatsubjekt mit eben dieser Wendung der "sonstigen Personen" umschrieben. Insofern bezieht sich die von der belangten Behörde gesetzte Verfolgungshandlung im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren (hier: Strafverfügung) nicht auf alle der späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente und die Beschuldigte wurde daher nicht in die Lage versetzt die entsprechenden Beweise vorzubringen.

Eine entsprechende Verfolgungshandlung wurde der Bw gegenüber im Hinblick auf den Tatvorwurf nach Spruchpunkt 1 innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG deshalb nicht gesetzt, da mit erfolgtem Abtransport die Unterlassung des Ablieferns gemäß §§ 10 Abs. 1 Z. 2 iVm 14 Z. 9 TMG beendet wurde und somit mit 8. April 2010 die Verfolgungsverjährungsfrist zu laufen begann (siehe dazu K.Stöger in N.Raschauer/W.Wessely, VStG § 31 Rz 5). Selbiges gilt für den Spruchpunkt 2, da, selbst wenn der vorliegende Vertrag mit der Fa. x im Hinblick auf die 5 Schaffelle als inhaltlich nicht ausreichend iSd §§ 10 Abs. 2 iVm 14 Z. 9 2. Fall TMG angesehen wird, der Umstand, der das Unterlassen des Abschlusses gemäß § 14 Z 9 2. Fall TMG einer ausreichenden Vereinbarung bedingt, mit dem faktischen Abtransport der 5 Schaffelle durch die Fa. x am 8. April 2010 zur Beendigung der strafbaren Handlung geführt hat und die Verfolgungsverjährungsfrist, gleich wie bei Spruchpunkt 1, zu laufen begonnen hat.

Schon aus diesem Grund war der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Aufgrund der bereits verstrichenen Verfolgungsverjährungsfrist war auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens betreffend beider Spruchpunkte gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG zu verfügen.

4.4. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde zum Punkt des "Verhältnisses" der Bw zu eben diesen tierischen Nebenprodukten und Materialien (5 Schaffelle) keine – über die Wiederholung des Normtextes hinausgehende – Begründung enthält. Eine Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale: "Erzeuger" (Besitzer, s EBRV 314 BlgStenProtNR XXII. GP, 4) oder "sonstige Personen die solche Nebenprodukte und Materialien in Verwahrung haben" (siehe zum beispielhaften Begriffsinhalt bei der, auf den    §§ 12 Abs. 1 und 15 Abs. 4 TMG beruhenden, vergleichbaren Kärntner Tierkörperverwertungsverordnung, welche exemplarisch als Personen die ablieferungspflichtige Gegenstände in ihrer Obhut oder Verwahrung haben, den "Hirt", "Verwalter", "Schlachthausleiter", "Begleiter von Tiertransporten", "Viehhändler", und dergleichen nennt; vgl § 3 der Kärntner Tierkörperverwertungsverordnung, LGBl 30/2005), entbehrt daher der notwendigen Feststellungen im Straferkenntnis der belangten Behörde. Es liegt eine Begründungslücke vor, welche die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Spruches in diesem Punkt verwehrt und das Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet (VwGH 19.3.1991, 87/05/0196). Dahingehenden Ermittlungen des Oö. Verwaltungssenates steht jedoch die bereits eingetretene Verfolgungsverjährung entgegen (siehe dazu unter Punkt 4.3.).

Diese Notwendigkeit exakter Feststellungen ergibt sich va auf Grund der, gemäß §§ 12 und 15 Abs. 4 TMG und der gemäß §§ 14 Abs. 3 und 61 des Tierseuchengesetzes, RGBl 177/1909 idF BGBl I 71/2003 erlassenen, Tiermaterialienverordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich (Oö. TMV), LGBl 43/2004 idF LGBl 14/2010 gem § 3 Abs 3 leg. cit., welche für herrenlose ablieferungspflichtige tierische Nebenprodukte oder Materialien nur (!) die Verpflichtung zur Anzeige gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. für den über den Fundort Verfügungsberechtigten normiert.

Nach § 5 leg. cit. sind hingegen die tierischen Nebenprodukte oder Materialien von deren Erzeugern oder Verwahrern bis zur Abholung durch einen Betreiber (siehe § 1 leg. cit) getrennt nach Kategorie 1, 2 und 3 sowie frei von Fremdkörpern und –stoffen in Sammelbehältern unter Verschluss und kühl (max 7°C Raumtemperatur) so aufzubewahren, dass ihre Entwendung, die Ausbreitung von Krankheitserregern, die Berührung durch unbefugte Personen und mit Tieren, der sonstige Kontakt mit Lebens- und Futtermitteln sowie eine unzumutbare Geruchsbelästigung oder andere Umweltbeeinträchtigungen verhindert wird. Gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit iVm § 3 Abs. 2 leg. cit sind die tierischen Nebenprodukte oder Materialien vom jeweiligen Aufbewahrungsort innerhalb von 36 Stunden (Sonn- und Feiertage nicht eingerechnet) nach erfolgter Anzeige, sofern keine Vereinbarung gemäß § 10 Abs 2 TMG besteht oder die Aufbewahrung in einer Gemeindesammelstelle (§ 6 leg. cit.) erfolgt, vom Betreiber (nach § 1 leg. cit.: ein geeigneter zugelassener Betrieb) abzuholen und zu befördern.

Die Reichweite der Handlungsverpflichtung hängt daher notwendig mit der Qualität des "Verhältnisses" zwischen der "unterlassenden" Person und dem tierischen Nebenprodukt oder Material zusammen und bedarf daher ausreichender Feststellungen im Bereich des objektiven Tatbestandes.

4.5. Überdies wird der Spruch des Straferkenntnisses im ersten Spruchpunkt den Anforderungen des § 44a VStG nicht gerecht. Gemäß § 44a Z. 2 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, ua die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Auch Verordnungsbestimmungen können als verletzte Verwaltungsvorschriften zu bezeichnen und im Spruch des Bescheides zu nennen sein (vgl VwGH 23.2.2006, 2003/07/0056). Nach § 12 Abs. 1 TMG kann der Landeshauptmann durch Verordnung nach den jeweiligen veterinär- und sanitätspolizeilichen Erfordernissen, den topographischen Gegebenheiten, den Transportmöglichkeiten und gemäß dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nähere Bestimmungen über die Organisation der Meldung, Ablieferung und Weiterleitung sowie der Übernahme von Materialien und Nebenprodukten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, insbesondere auch zur Schaffung kommunaler Sammelsysteme für Kleinmengen, festlegen. Dieser Verordnungsermächtigung ist der Landeshauptmann von Oberösterreich mit der Oö. Tiermaterialienverordnung, LGBl 43/2004 idF LGBl 14/2010 nachgekommen und hat detaillierte Gebote im Bezug auf die Ablieferungspflicht normiert (siehe dazu schon unter Punkt 4.4.). Es werden Anzeigepflichten (§ 3 leg. cit.), Pflichten über die Aufbewahrung (§ 5 leg. cit.) und der Ablauf und Vorgang der Abholung, Ablieferung und des Transportes (§ 7 leg. cit.) näher geregelt. Diese Verwaltungsvorschriften wurden somit verletzt und sind auch im Spruch anzugeben.

4.6. Daran anknüpfend wird der Spruch des Straferkenntnisses im ersten Spruchpunkt auch den Anforderungen gemäß § 44a Z 3 VStG nicht gerecht, da bei einer Verletzung der durch die Oö. Tiermaterialienverordnung festgeschriebenen Gebote auf Basis des § 12 Abs 1 TMG die anzuwendende Gesetzesbestimmung gem § 14 Z 11 TMG darstellt (auch alleine diese Bestimmung heranziehend VwGH 27.1.2009, 2006/11/0081).

5. Vor diesem Hintergrund war der Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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