Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222421/21/Bm/Sta

Linz, 26.05.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der Frau x, vertreten durch x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 14.6.2010, Ge96-66-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10.9.2010  zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Verwaltungsstrafnorm zu lauten hat: "§ 366 Abs.1 Einleitung GewO 1994".

 

II.         Die Berufungsweberin hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 260 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 64  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 14.6.2010, Ge96-66-2008, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 1.300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

"Sie sind gewerberechtliche Geschäftsführerin der x und somit gemäß § 39 GewO für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortlich.

 

Die x betreibt im Standort x einen Schlachthof, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15. Juli1994, Ge20-31-1994, gewerbebehördlich genehmigt wurde.

Im Projekt (Projektsbestandteil: Darstellung der betrieblichen Emissionen von Herrn x, GZ 99-0105TFM/ms vom 14. April 1994, Seite 13/22) das diesem Genehmigungsbescheid zugrunde liegt, wurde für die Auslieferung der Frischware u.a. folgende Fahrbewegungen festgelegt:

Montag bis Freitag: Abfahrt von fallweise 1 bis 2 LKW ab 24.00 Uhr.

Am Montag, 29.9.2008, fuhren zwischen 2.30 und 5.30 Uhr LKWs mit den Kennzeichen x, x Sattelzug, x ab.

Sie sind als gewerberechtliche Geschäftsführerin daher dafür verantwortlich, dass durch die zusätzlichen Fahrbewegungen bei der Auslieferung der Frischware die genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung geändert wurde, obwohl diese Änderung geeignet ist, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen."

 

 

2. Dagegen wurde von der Bw durch ihre anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und im Wesentlichen ausgeführt, dass aus strafrechtlicher Sicht im schalltechnischen Projekt vom 14.4.1994, das dem Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 1994 zu Grunde liege, die Abfahrten zu unbestimmt für einen konkreten Tatvorwurf definiert seien. Aus der Bezeichnung "fallweise" sei für die Konsensinhaberin nicht klar ersichtlich, wie viele Lkw tatsächlich an- bzw. abfahren dürfen.

Die diesbezügliche Interpretation der Beschränkung der Fahrbewegungen mit den Worten "fallweise 1 bis 2 Lkw ab 24.00 Uhr" der Behörde I. Instanz auf Seite 3 des angefochtenen Straferkenntnisses könne in keiner Weise gefolgt werden.

Insbesondere könne aus den von der Behörde I. Instanz zitierten VwGH-Erkenntnis zu 2009/04/0153 vom 7.9.2009 nicht der von der Behörde I. Instanz gewünschte Inhalt entnommen werden. Vielmehr ergebe sich gerade aus diesem Erkenntnis, dass Beschränkungen des Konsenses präzise zu erfolgen haben, wobei in diesem Zusammenhang auch auf das VwGH-Erkenntnis zu 2008/04/0085 verwiesen werde. Die Beschränkung der Fahrbewegungen habe nach der Rechtsprechung des VwGH präzise zu erfolgen. Um diesem Erfordernis zu entsprechen, müsse eine sich aus einer Betriebsbeschreibung ergebende Limitierung, ebenso wie eine mit einer behördlichen Auflage verfügte Limitierung so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens zweifelsfrei erkennen lasse. Dieses Gebot werde zB mit der Wortfolge "im Allgemeinen" oder "ca." nicht gerecht.

Nichts anderes könne jedoch für den hier gegenständlichen Fall gelten, wo die Beschränkung der Fahrbewegung gleich in zweifacher Hinsicht unpräzise umschrieben worden sei. So werde einmal durch die Verwendung des Wortes "fallweise" ein unbestimmter Begriff verwendet. Zum anderen werde durch die zeitliche Beschränkung "ab 24.00 Uhr" nicht klar, wann diese Beschränkung wieder enden solle.

Wenn überhaupt, so könne das Wort "fallweise" so interpretiert werden, dass mehrmals pro Nacht, nämlich fallweise zu- bzw. abgefahren werden könne, sodass eben fallweise 1 bis 2 Lkw abfahren dürfen. Die Definition "fallweise" werde auf die Anzahl der Lkw bezogen; dies bedeute, dass mehrmals in der Nacht 1 bis 2 Lkw (auf einmal) abfahren dürfen. Diese Auslegung werde von der Stellungnahme des Sachverständigen x vom 27.4.2010 vollinhaltlich bestätigt. Dieser gehe nämlich von einer Überschreitung des Grenzwertes für Gesundheitsgefährdung von 55 dB gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 für die Nachtzeit nur dann aus, wenn innerhalb 1 Stunde, also in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum 3 Lkw-Fahrbewegungen erfolgen würden.

Zu einer abstrakten Möglichkeit einer Belästigung bzw. Gesundheitsbeein­trächtigung könne es sohin nur dann kommen, wenn auf einmal oder in zeitlich kurzem Abstand mehrere Lkw zu- bzw. abfahren. Vor diesem Hintergrund sei auch die Interpretation des vorliegenden Konsenses vorzunehmen.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.7.1994, Ge20-31-1994, sei der x die gewerbepolizeiliche Genehmigung für die hier gegenständliche Betriebsanlage erteilt worden. Diese gewerbepolizeiliche Genehmigung wurde im Bescheid nach Maßgabe der bei den mündlichen Verhandlungen vorgelegten Projektsunterlagen und der in den Befunden festgelegten Beschreibungen erteilt (siehe dazu Spruchpunkt I.). Festzuhalten sei, dass weder in der Verhandlungsschrift vom 3.5.1994 noch im Betriebsanlagenbewilligungsbescheid vom 15.7.1994 Einschränkungen dahin­gehend aufgenommen worden seien, in welchem Umfang maximal die Abfahrten von der Betriebsanlage erfolgen dürfen. Umfangreich geregelt seien freilich die Anfahrten zur Betriebsanlage, nicht jedoch die Abfahrten.

Es seien keine Auflagen bezüglich der Abfahrten erteilt worden und würden sich auch keine diesbezüglichen Feststellungen in den Amtssachverständigen­gutachten, insbesondere nicht im Gutachten für Lärmschutz, finden. Festzuhalten sei, dass dem beantragten Projekt die Darstellung der betrieblichen Emissionen durch die staatlich autorisierte Prüf- und Versuchsanstalt für Technische Akustik x vom 14.4.1994 vorgelegen seien.

Betrachte man den Befund der Amtssachverständigen insbesondere bezüglich der Belange des Lärmschutzes auf den Seiten 11 ff der Verhandlungsschrift vom 3.5.1994, dann würden zunächst Fahrbewegungen im Freien auf eigenem Betriebsareal zwar als relevante Emissionsquellen bezeichnet; in weiterer Folge würden im Befund jedoch ausschließlich die Geräusche im Inneren des Gebäudes sowie der Antransport der Schweine beschrieben. Von den Amtssachverständigen sei daher die Ablieferung vom Gebäude nicht als betriebsanlagenrechtlich relevante Emissionsquelle angesehen worden. Demgemäß seien auch im Gutachten keine diesbezüglichen die Abfahrten betreffenden Lärmschutzmaß­nahmen aufgenommen worden.

Die Darstellung der betrieblichen Emissionen vom 14.4.1994 sollte es den Amtssachverständigen ermöglichen, die Einhaltung der Voraussetzungen der GewO, insbesondere die Frage, ob unzumutbare Lärmbelästigungen von der Betriebsanlage ausgehen würden, zu überprüfen. Ein diesbezüglicher Handlungsbedarf sei von den Amtssachverständigen aber nicht gesehen worden, was ebenfalls zwingend dafür spreche, dass die Rechtsgüter des § 74 GewO durch die Abfahrten nicht berührt werden würden.

Auf Seite 12 der Darstellung der betrieblichen Emissionen vom 14.4.1994 werde ausgeführt, dass der Zufahrtsbereich zur Ladezone Versand an der Westseite der Betriebsanlage durch den geplanten Fleischmarkt teilweise abgeschirmt werde. Die Ladezone mit den Andockrohren sei durch das Flugdach und den Fleischmarkt völlig abgeschirmt. Nicht zuletzt auch aus dem Gutachten x, auf das sich die Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz stütze, sei daher zwanglos abzuleiten, dass die nunmehr inkriminierten Fahrbewegungen nicht dazu geeignet seien, in die Rechtsgüter des § 74 GewO einzugreifen. An diesem Ergebnis könne auch die Stellungnahme des Ing. Schwarz vom 27.4.2010 nichts ändern, zumal sich diese Stellungnahme nicht mit den obigen Überlegungen und mit dem Gutachten anlässlich des Genehmigungsverfahrens auseinandersetze, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Zu einer Überschreitung des Grenzwertes nach der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 für die Nachtzeit gelange x ohnehin nur dadurch, dass er einen Pegelzuschlag von 5 dB für das tonhaltige Rückfahrgeräusch mitberücksichtige. In diesem Zusammenhang werde vorgebracht, dass am 29.9.2008 es zu keinen Rückfahrgeräuschen gekommen sei. Beweismittel, die auf eine Rückfahrbewegung und/oder ein tonhaltiges Rückfahrgeräusch schließen lassen, würden in keiner Weise vorliegen. Insbesondere könne der von der Familie x erstatteten Anzeige kein Hinweis auf Rückfahrgeräusche entnommen werden.

 

Es werde sohin der Beweisantrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines und Einholung eines Amtssachverständigengutachtens, insbesondere aus dem Gebiet des Lärmschutzes zum Beweis dafür gestellt, dass allfällige ausdrücklich bestrittene Abfahrbewegungen nicht dazu geeignet gewesen seien, die Nachbarn zu belästigen oder gar deren Gesundheit zu beeinträchtigen.

Ausdrücklich bestritten würden die vorgeworfenen Lkw-Fahrten und werde hier auf die Beweispflicht der Behörde verwiesen. Selbst wenn man sämtliche drei in den erstinstanzlichen drei Zeugenaussagen angesprochenen Lkw-Fahrten als Verwaltungsübertretung werten würde, was nochmals ausdrücklich bestritten werde, so werde darauf hingewiesen, dass Fahrbewegungen außerhalb der Betriebsanlage, das heißt auf öffentlichem Gut, der Betriebsanlage nicht zugerechnet werden können. Lediglich die Fahrbewegungen in der Betriebsanlage seien überhaupt dazu geeignet, eine Verwaltungsübertretung zu begründen, wobei in der Aufforderung zur Rechtfertigung nur die Abfahrbewegungen verfolgt worden seien.

 

Es werde sohin der Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und Aufnahme der beantragten Beweismittel der Berufung Folge geben und das Verwaltungs­strafverfahren einstellen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt und in den Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.7.1994, Ge20-31-1994, insbesondere in das diesem Genehmigungsbescheid zu Grunde liegende schalltechnische Projekt vom 14.4.1994, GZ.: 94-0105TFM. Weiters wurde am 10.9.2010 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher der Rechtsvertreter der Bw sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. erschienen sind und gehört wurden.

Als Zeugen einvernommen wurden Herr x, Herr x, Herr x, welche die LKW-Fahrten am Tattag vorgenommen haben und Herr x als Nachbar der Betriebsanlage.

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die x betreibt im Standort x einen Schlachthof.

Als gewerberechtliche Geschäftsführerin der x ist Frau x bestellt.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.7.1994, Ge20-31-1994, wurde die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung des bestehenden Schlachthofes auf Gst. Nr. x, KG. x, erteilt. Diesem Bescheid zu Grunde gelegt und mit dem Klausulierungsvermerk versehen wurde ua. das schalltechnische Projekt vom 14.4.1994, GZ.: 94-0105TFM; weitere Bestandteile des Genehmigungsbescheides sind die Verhandlungs­schriften vom 3.5.1994 und 24.6.1994.

Im schalltechnischen Projekt vom 14.4.1994 wurden auf Seite 13 die vom Antrag umfassten Fahrbewegungen im Bereich der reinen Seite sowie die den Schallleistungspegel bestimmenden Tätigkeiten dargestellt.

Demnach sind folgende Fahrbewegungen im Bereich der reinen Seite vom Genehmigungskonsens umfasst:

 

Zeit

Anzahl pro Tag

Fahrzeug

Bemerkung

ab 6.00 Uhr

1-2 Zu- u. 1-2 Abfahrten

Kühl-Lkw

Beladung durchschn. 20 min/LkW

7.00 bis 15.00 Uhr

5 Zu- und 5 Abfahrten

Klein-Lkw

Beladung durchschn. 10 min/Lkw

16.00 - 20.00 Uhr*

1-2 Zu- u. 1-2 Abfahrten

Kühl-Lkw

Beladung durchschn. 20 min/Lkw

20.00 - 24.00 Uhr*

fallweise 1-2 Lkw

Kühl-Lkw

Lkw mit Kühlaggregat abgestellt;

Abfahrt ab 24.00 Uhr

8.00 bis 18.00 Uhr

30 Zu- und 30 Abfahrten

Pkw

Kunden des Fleischmarktes

 

         *Diese Fahrbewegungen finden nur Montag bis Donnerstag statt.

 

 

Am Montag, 29.9.2008 fuhren zwischen 2.30 Uhr und 5.30 Uhr drei Lkw von der "reinen Seite" (Auslieferungsbereich für die Frischware) ab.

 

Das obige hier entscheidungsrelevante Beweisergebnis ergibt sich aus den vorgelegten Verfahrensakten sowie den Wahrnehmungen des Zeugen x, dessen Wohnhaus sich gegenüber der Betriebsanlage x befindet und zum Tatzeitpunkt die Lkw-Abfahrten beobachtet hat. Diese Darstellung stimmt auch mit den Aussagen der Zeugen x, x und x überein, welche bestätigt haben, dass sie am 29.9.2008 im Tatzeitraum mit einem Lkw von der Betriebsanlage abgefahren sind.

Die Zeugen wurden unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht einvernommen und besteht für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates kein Grund, an den Aussagen der Zeugen, die in sich widerspruchsfrei sind, zu zweifeln.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer ein genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

5.2. Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 ist, dass eine rechtswirksam genehmigte gewerbliche Betriebsanlage vorliegt. Dies ist gegenständlich der Fall.

Für die in Rede stehende Betriebsanlage der x im Standort x bestehen mehrere gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigungen. Nach dem oben zitierten § 81 Abs.1 GewO 1994 bedarf eine Änderung dieser genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung unter der Voraussetzung, dass dies zur Wahrung der in § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Nach dem durchgeführten Beweisverfahren steht fest, dass am vorgeworfenen Tattag 3 Lkw nach 24.00 Uhr von der Betriebsanlage abgefahren sind.

 

Vom Bw wird vorgebracht, dass hinsichtlich dieser 3 Abfahrten eine Änderung nicht angenommen werden könne, da in dem dem Genehmigungsbescheid zu Grunde liegenden schalltechnischen Projekt die Abfahrten zu unbestimmt für einen konkreten Tatvorwurf definiert seien. Aus der Bezeichnung "fallweise" sei für die Konsensinhaberin nicht klar ersichtlich, wie viele Lkw tatsächlich an- bzw. abfahren dürfen.

 

Vorweg ist auszuführen, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Änderung der Betriebsanlage vorliegt, sich ausschließlich nach dem die Betriebsanlage genehmigenden Bescheid bemisst. Jeder Betrieb einer Betriebsanlage, der in seiner Gestaltung von dem im Genehmigungsbescheid umschriebenen Projekt abweicht, bedeutet eine Änderung der genehmigten Betriebsanlage und bedarf unter den Voraussetzungen des § 81 einer gewerbebehördlichen Genehmigung.

 

Vorliegend wurde die Genehmigung unter Zugrundelegung des schalltechnischen Projektes vom 14.4.1994 erteilt.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es durchaus zulässig, im Spruch des Bescheides auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke und Gutachten in der Absicht Bezug zu nehmen, deren Aussagen und Darstellungen in den normativen Bescheidinhalt zu integrieren und solcher Art zum Inhalt des Bescheidspruchs zu machen (vgl. VwGH 21.9.2009, 99/06/0028, 27.6.2000, 2000/11/0035 ua.).

Dem Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs.1 AVG wird durch eine solche Verweisung dann entsprochen, wenn zum einen der Bescheidspruch den Akt der Integrierung unzweifelhaft klarstellt, also erkennbar ist, was durch die mit dem Verweis bewirkte Rezeption Teil des Spruches wird. So bestehen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegen eine Genehmigung "gemäß den einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildende und näher bezeichneten und datumsmäßig individualisierten Projektsunterlagen" keine Bedenken, sofern die im Spruch genannten Unterlagen ausreichend präzise gestaltet sind.

Solcher Art in den normativen Bescheidinhalt integrierte Projektsunterlagen haben zur Folge, dass der Betrieb der Betriebsanlage nur im Rahmen der genannten Ausführung genehmigt ist. Jeder Betrieb über diese beschriebene Ausführung stellt sich als eine Änderung der genehmigten Betriebsanlage dar.

 

Das einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides vom 15.4.1994, Ge20-31-1994, bildende schalltechnisches Projekt ist eindeutig durch Datum und Geschäftszahl  sowie Klausulierungsvermerk individualisiert.

Zudem ist das schalltechnische Projekt so präzise formuliert, dass das beantragte und damit nach Durchführung des Genehmigungsverfahrens vom Genehmigungskonsens umfasste Vorhaben (auch betreffend Fahrbewegungen sowohl was die zeitliche Dimension als auch die Anzahl und Art der Fahrzeuge betrifft) eindeutig konkretisiert ist, sodass über den Umfang der Genehmigung keine Zweifel bestehen.

 

So werden auf Seite 13 dieses schalltechnischen Projektes die Fahrbewegungen im Bereich der verfahrensgegenständlichen reinen Seite tabellarisch aufgelistet. In der ersten Spalte werden die beantragten Betriebszeiten dargestellt, in der zweiten Spalte die Anzahl der Fahrbewegungen pro Tag, in der dritten Spalte die Art des Lkw und in der vierten Spalte Bemerkungen zur Beladungsdauer bzw. zu Besonderheiten der Betriebszeit (siehe Sachverhaltsfeststellung unter 4.1.).

Demnach sollen Montag bis Donnerstag in der Zeit von 20.00 bis 24.00 Uhr 1-2, sohin max. 2 Lkw-Fahrbewegungen, stattfinden. Für diese max. 2 Lkw wird weiters die Abfahrt ab 24.00 Uhr beschrieben.

 

Richtig ist, dass diese 1 bis 2 Lkw-Fahrbewegungen mit "fallweise" angeführt sind. Nach objektiver Betrachtung kann für einen verständigen Leser dieses "fallweise" sich jedoch nur auf den jeweiligen Werktag beziehen, nämlich, dass Montag bis Donnerstag auch manchmal (fallweise) Fahrbewegungen in der Zeit zwischen 20.00 und 24.00 Uhr stattfinden.

Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beschreibung "fallweise 1 bis 2 Lkw" in der Spalte "Anzahl pro Tag" steht und sich schon deshalb die Definition "fallweise" entgegen der Auslegung der Bw nicht auf gleichzeitige Abfahrten von 1-2 LKW beziehen kann. Eine solche Auslegung würde auch der im schalltechnischen Projekt enthaltenen Systematik der Beschreibung der zu erwartenden Fahrbewegungen widersprechen, da diese hinsichtlich der jeweiligen Betriebszeiten die max. zu erwartenden Lkw-Zu- und –Abfahrten anführt. So werden zB für die Zeit 8.00 bis 18.00 Uhr 30 Zu- und 30 Abfahrten angeführt. Wenn von der Bw vorgebracht wird, dass die Beschreibung "fallweise" bedeute, dass mehrmals in der Nacht 1 bis 2 Lkw auf einmal abfahren dürfen, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich im gesamten Projekt kein Abstellen auf gleichzeitige Zu- und Abfahrten findet. Dies zeigt sich auch in der im schalltechnischen Projekt vorgenommenen Beurteilung des Schallleistungspegels, wo von einer Lkw-Fahrbewegung pro Stunde ausgegangen wurde. Abgesehen davon spricht schon die Bezugnahme auf 1 Lkw ("1-2 Lkw") gegen die Auslegung der Bw in Richtung "gleichzeitiges Abfahren"; eine solche Annahme wäre wohl nur bei zumindest 2-3 LKW nicht sinnwidrig.

Davon abgesehen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer von der x, welche auch das schalltechnische Projekt vom 14.4.1994 (im Auftrag der Konsensinhaberin) erstellt hat, vorgenommenen Gegenüberstellung der Fahrbewegungen 1994 und 2008 von max. 2 Lkw-Fahrbewegungen ausgegangen wurde. Auch daraus lässt sich erkennen, dass für die Konsensinhaberin der Umfang des Konsenses mit max. 2 Lkw-Abfahrten ab 24.00 Uhr nicht in  Zweifel stand.  

Aus dem Genehmigungsbescheid vom 15.7.1994, Ge20-31-1994, in Zusammenhalt mit den diesem Genehmigungsbescheid zu Grunde gelegten Projektsunterlagen geht sohin deutlich hervor, dass in der Zeit von Montag bis Donnerstag ab 24.00 Uhr max. 2 Lkw-Abfahrten vom Genehmigungskonsens umfasst sind.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass am Montag, den 29.9.2008, in der Zeit zwischen 2.30 Uhr und 5.30 Uhr, sohin nach 24.00 Uhr und vor 6.00 Uhr, mehr als 2 Lkw, nämlich 3 Lkw abgefahren sind.

 

Soweit die Bw vorbringt, es seien im Genehmigungsbescheid keine Auflagen bezüglich der Abfahrten erteilt worden, so ist hiezu auszuführen, dass sich die zulässige Anzahl der Abfahrten zu den jeweiligen Zeiten sich schon aus den Projektsunterlagen ergibt und demnach eine diesbezügliche Auflagenvor­schreibung nicht erforderlich ist.

 

Wenn die Bw weiters einwendet, dass die gegenständliche Änderung der Betriebsanlage in Form der Erhöhung der Anzahl der Abfahrten nicht geeignet ist, Gefährdungen, Belästigungen und Beeinträchtigungen iSd § 74 Abs.2 GewO 1994 herbeizuführen, so ist dem entgegenzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage, Gefährdungen, Belästigungen usw. herbeizuführen, die Genehmigungspflicht begründet. Ob im konkreten Einzelfall tatsächlich Gefährdungen, Belästigungen usw. bestehen, ist in einem Genehmigungs­verfahren und nicht im Strafverfahren zu prüfen.

 

Um die grundsätzliche Eignung zu beurteilen, genügt es in der Regel auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (VwGH 20.9.1994, 94/04/006).

 

Unbestritten ist, dass sich im Nahbereich der Betriebsanlage Nachbarn befinden. Zweifellos ist das Abfahren von Lkw von einer Betriebsanlage ab 24.00 Uhr mit Lärmemissionen verbunden und sohin grundsätzlich geeignet, die durch § 74 Abs.2 geschützten Nachbarinteressen zu gefährden. Durch eine Erhöhung der Anzahl der Abfahrten ab 24.00 Uhr ist jedenfalls ein die Nachbarn treffendes nachteiliges Immissionsverhalten nicht auszuschließen; das konkrete Bestehen von Belästigungen ist wie oben ausgeführt im Strafverfahren nicht zu prüfen.

 

Da bereits die grundsätzliche Eignung die Schutzinteressen des § 74 Abs.2 zu beeinträchtigen für die Annahme der Genehmigungspflicht genügt und für eine Beurteilung diesbezüglich auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückgegriffen werden kann, erübrigt sich für diese Frage die von der Bw beantragte Einholung eines Lärmschutzsachverständigen.

Ebenfalls nicht erforderlich ist für die Beantwortung dieser Frage die Durchführung eines Lokalaugenscheines. Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung wurde vom der Betriebsanlage gegenüberliegenden Nachbarn ausführlich und glaubwürdig geschildert, dass er zum einen Sichtkontakt zur Betriebsanlage hat und zum anderen von den durch die nächtlichen Lkw-Abfahrten von der Betriebsanlage hervorgerufenen Lärmemissionen berührt ist. Auch der Umstand, dass im Genehmigungsverfahren 1994 auf die Emissionsquelle Ablieferung vom Gebäude nicht Bezug genommen worden ist, ist für den Standpunkt der Bw nichts gewonnen, da bei der Beurteilung, ob die vorgeworfene Änderung die Eignung zukommt, die genannten Schutzinteressen zu gefährden, auf den Tatzeitpunkt abzustellen ist.

 

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher als gegeben zu erachten.

 

5.3. Hinsichtlich des Verschuldens ist festzustellen, dass die dem Beschuldigten angelastete Tat ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG darstellt, zu dessen Strafbarkeit, sofern die Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, Fahrlässigkeit genügt. Fahrlässigkeit ist nach der zitierten Gesetzesstelle bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft machen kann, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Eine solche Glaubhaftmachung ist der Bw nicht  gelungen. Soweit die Bw vorbringt, dass nunmehr für die inkriminierten Abfahrbewegungen eine gewerbebehördliche Genehmigung vorliege, ist dem entgegenzuhalten, dass die Einholung einer nachträglichen Genehmigung nicht geeignet ist, das Verschulden auszuschließen, stellt doch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die nachträgliche Genehmigung auch keinen Grund für die Annahme geringfügigen Verschuldens dar.

 

Zur Strafhöhe ist festzustellen:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die belangte Behörde ist bei der Strafbemessung von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro, durchschnittlichem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Als Erschwerungsgrund wurden vier Übertretungen nach der Gewerbeordnung angenommen, Milderungsgründe sind nicht hervorgetreten.

Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung und ist nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde von dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere ist die verhängte Geldstrafe im Hinblick auf die wesentlichen Beeinträchtigungen des Schutzzweckes der Norm, insbesondere Schutz der Nachbarn, und in Anbetracht der vorliegenden einschlägigen Verwaltungsstrafen als angemessen zu betrachten.

Die verhängte Geldstrafe erscheint auch erforderlich, um die Bw künftighin von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

 

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