Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-231171/7/BMa/Mu/Th

Linz, 28.04.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, vertreten durch Mag. Dr. X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Oktober 2010, S-25.596/10-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.               Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – AVG iVm. §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – VStG

Zu II.:  § 65 und 66 Abs.1 VStG


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde der Berufungsweber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Wie vom fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 08.04.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 11.03.2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31 Abs. 1 Z. 2-4 u. 6 FPG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in Euro          falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß §

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.000,--                      4 Tage                                       120 Abs. 1 FPG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

100,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.100,-- Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der relevanten Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus, dass das Asylverfahren negativ beendet worden sei und sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt des Bw in Österreich als legal anzusehen. Mit Bescheid vom 8. April 2010 sei wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet die Ausweisung gegen ihn angeordnet worden. Durch die dagegen eingebrachte Berufung habe er allerdings keinen Aufenthaltstitel erworben.

 

Mildernd wurde bei der Strafbemessung die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Der Strafbemessung wurde zugrunde gelegt, dass der Bw kein relevantes Vermögen besitze, für seine Gattin und seine zwei Kinder sorgenpflichtig sei sowie ein Nettoeinkommen in Höhe von 800 Euro beziehe.

 

1.3. Gegen diesen seinem Rechtsvertreter am 25. Oktober 2010 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, vermutlich am 8. November 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung vom selben Tag.

 

Darin stellt der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter zunächst den Antrag auf Aufhebung des gegenständlichen Straferkenntnisses bzw. in eventu auf Aufhebung des Straferkenntnisses und Zurückverweisung an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung.

 

Weiters führt die Berufung aus, es sei richtig, dass der Bw derzeit über keinen Aufenthaltstitel verfüge und sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen sei, allerdings habe er gegen den von der Bundespolizeidirektion Linz erlassenen Ausweisungsbescheid eine Berufung erhoben, über die noch nicht entschieden worden sei. Er gehe davon aus, dass seine Ausweisung auf Grund seiner gelungenen Integration unzulässig sei und er daher gemäß § 44a NAG Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe. Es könne dem Bw nicht schuldhaft zur Last gelegt werden, den Ausgang dieses Verfahrens in Österreich abzuwarten, sodass zumindest in Anwendung des § 21 VStG von einer Bestrafung abzusehen sei.

 

2.1. Mit Schreiben vom 12. November 2010 hat die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu S-25.596/10-2.

Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ließ sich bereits aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und der Berufung klären, die Verfahrensparteien haben einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt, somit konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.1 VStG von einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.3. Ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat der Zeitpunkt der Einreise des Bw nach Österreich und ob der Bw integriert ist, erhoben. Dazu wurde am 9. Februar 2011 und am 15. Februar 2011 die Rechtsanwaltskanzlei des Vertreters des Bw telefonisch aufgefordert, bekanntzugeben, wann der Bw tatsächlich ins Bundesgebiet einreiste und Beweise zu seiner Integration vorzulegen (vgl. Aktenvermerke vom 9. Februar 2011, Zl. VwSen-231171/4/Mu, und vom 15. Februar 2011, Zl. VwSen-231171/5/Mu).

 

Auf Grund der vorgelegten Beweismittel ergibt sich, dass der Bw bereits seit
28. Februar 2002 in Österreich aufhältig ist, seither einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durchgehend in ein und demselben Unternehmen nachgeht und damit den Lebensunterhalt der Familie sicherstellt. Der Bw legte im Frühjahr 2010 eine Deutschprüfung mit der Niveaustufe A2 des Europarates ab. Seine Kinder besuchen die Volksschule und sind laut Stellungnahme der Schule bestens im Klassenverband integriert. Zudem lebt auch seine Schwester, mit der die Familie viel Kontakt hat, in Österreich. Seine Kinder sind darüber hinaus als Spieler in einem Fußballverein tätig. Außerdem verfügt seine Familie über einen großen Freundeskreis im Bundesgebiet.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

Der Bw ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28. Februar 2002 illegal nach Österreich ein und stellte noch am Tag der Einreise einen Asylantrag. Sein Asylverfahren wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes am 10. März 2010 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Das fremdenpolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion erstattete am 8. April 2010, Zl. 1067053/FRB, Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit der rechtskräftigen negativen Abweisung des Asylantrages rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte.

Die Bundespolizeidirektion Linz forderte den Bw mit Schriftstück vom 22. Juni 2010, Zl. S-25.596/10-2, zur Rechtfertigung auf und legte ihm damit die im Spruch zugrundeliegende Verwaltungsübertretung zur Last.

In seiner Stellungnahme vom 7. Juli 2010 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen damit, es treffe zwar zu, dass der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthaltes vorliege, allerdings bekämpfe er, mit seiner Berufung vom 20. April 2010, die gegen ihn erlassene Ausweisung, weshalb er im Falle einer positiven Entscheidung durch die Sicherheitsdirektion Linz einen humanitären Aufenthaltstitel bekommen würde. Sein Bestreben sei legitim, weil er und seine Gattin sowie seine Kinder in Österreich bestens integriert und unbescholten seien. Zudem habe er sein Privat- und Familienleben in Österreich geführt und er könne entsprechende Sprachkenntnisse aufweisen. Darüber hinaus habe er seit seiner Einreise, soweit es ihm beschäftigungsrechtlich möglich gewesen sei, in Österreich gearbeitet.

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 20. Oktober 2010.

Die Bundespolizeidirektion Linz ordnete mit Bescheid vom 8. April 2010, Zl. 1-1067053/FRB/10, die Ausweisung des Bw aus dem Bundesgebiet an, weil er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Dieses Ausweisungsverfahren wurde vom Bw bekämpft und ist derzeit noch bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich anhängig.

 

Der Bw hat seine Integration mit seiner Familie in Österreich glaubhaft gemacht.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1. Gemäß § 120 Abs.1 Z2 des Fremdenpolizeigesetzes  BGBl. I Nr. 100/2005, in der zur Tatzeit geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Nach § 31 Abs.1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

 

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs.5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs.3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.2.2. Im gegenständlichen Fall steht allseits unbestritten fest, dass der Bw zumindest die Ziffern 1-4 und 6 des § 31 Abs.1 FPG (wie im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen) nicht erfüllt hat. Auch begründet die Tatsache der Integration in Österreich sowie die Existenz eines gemeinsamen Familienlebens mit seiner kosovarischen Ehegattin und seinen Kindern noch kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts ist somit gegeben. Daran ändert auch nichts, dass der Ausweisungsbescheid noch nicht rechtskräftig ist.

 

Die Einwendung, eine Bestrafung sei nicht zulässig, da dem Bw die Tat nicht subjektiv vorwerfbar sei, weil sein Ausweisungsverfahren in zweiter Instanz noch nicht abgeschlossen sei und er im Falle einer positiven Erledigung im Hinblick auf seine gelungene Integration gemäß § 44a NAG Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe, bedarf allerdings einer näheren Erörterung:

 

Gemäß § 43 Abs.2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zur Tatzeit geltenden Fassung, ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs.1 Z1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs.3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, und

3. der Drittstaatsangehörige die Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs.5 Z2 bis 5 oder 7 erfüllt hat, oder im Falle der Minderjährigkeit,

    a)  noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegt;

    b)  im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs.3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat oder

    c)   im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs.4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und der Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ im vorangegangenen Schuljahr positiv beurteilt wurde oder die Schulnachricht am Ende des ersten Semesters des laufenden Schuljahres im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“  eine positive Leistung ausweist oder er bis zum Entscheidungszeitpunkt die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist.

 

Nach § 44 Abs.3 des NAG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs.1 Z1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs.3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

 

Gemäß § 44a hat die Behörde einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 43 Abs.2 oder 44 Abs.3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs.1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs.9 AsylG 2005 oder § 105 Abs.7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.

 

Nach § 11 Abs.1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG besteht;

2. gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs.1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs.1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs.6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Nach § 11 Abs.3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs.1 Z3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs.2 Z1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

3.2.3. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs.1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher eine fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht.

 

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere seine Integration in Österreich und das gemeinsame Privat- und Familienleben mit seiner kosovarischen Ehegattin und seinen Kindern, die seit 3. Jänner 2006 im Bundesgebiet aufhältig sind, vor. Dies könne im Ausweisungsverfahren zu der Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG führen. In weiterer Folge sei ihm gemäß § 44a NAG von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen. Diese Entscheidung müsse er aber im Inland abwarten können.

 

Gemäß § 66 Abs.2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMKR) insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Wird die Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt, so hat die Behörde gemäß § 44a NAG von Amts wegen einen Aufenthaltstitel gemäß § 43 Abs.2 oder 44 Abs.3 NAG zu erteilen.

 

3.2.4. Im gegenständlichen Fall war zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses die Ausweisungsentscheidung der Bundespolizeidirektion Linz nicht rechtskräftig. Ob die Ausweisung einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw darstellt, wird im weiteren Verfahren zu prüfen sein.

 

In dem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Ausweisung eines Fremden – selbst wenn sich dieser rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält – dennoch das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt, wenn er infolge seiner langen tatsächlichen Aufenthaltsdauer in Österreich bereits einen hohen Grad an sozialer Integration aufweist und nicht der Fremde das Asylverfahren mutwillig verschleppt hat, sondern dessen unangemessen lange Dauer ausschließlich auf die Ineffizienz der staatlichen (Asyl-)Behörden zurückzuführen ist.

 

Wenn nun nach dieser verfassungsgerichtlichen Judikatur der Aufenthalt während eines einzigen, unverschuldet lange dauernden Asylverfahrens, in dem nicht besonders schwierige Rechtsfragen auftraten, als stark „integrationsbegründender“ Zustand zu werten ist, kann man davon ausgehen, dass auch im konkreten Fall die Interessenabwägung hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung zu Gunsten des Bw ausfallen könnte.

Das Vorliegen eines tatsächlichen Familienlebens im engeren Sinn über den gesamten Zeitraum des Aufenthalts im Bundesgebietes ist dabei nicht allein entscheidend, zumal Art. 8 EMRK auch die sonstigen im Inland geknüpften Beziehungen im Sinne eines „Privatlebens“ schützt. Jedenfalls sind die von dem Bw glaubhaft gemachten und im Ausweisungsverfahren näher zu überprüfenden Umstände mögliche Gründe dafür, dass die Ausweisung des Bw auf Dauer für unzulässig erklärt werde und damit gemäß § 44a NAG auch ein Aufenthaltstitel  nach § 43 Abs.2 bzw. § 44 Abs.3 NAG erteilt werden könnte.

 

3.2.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs.2, 44 Abs.3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten sei, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen. Das vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis angenommene Abschiebeverbot wird nunmehr seit der mit 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen Novelle BGBl I. Nr. 122/2009 nach den Voraussetzungen der Ausnahme des § 44 Abs.5 NAG geregelt.

Dem Bw kann daher ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden, weil dem vom Verwaltungsgerichtshof postulierten "Bleiberecht nach dem NAG" zwangsläufig auch ein über den Abschiebeschutz und über die durch Antrag eingeleiteten Verfahren hinausgehender Inhalt zukommt. Denn wenn nach einer Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK die Ausweisung des Bw auf Dauer unzulässig wäre, so müsste ihm von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 43 Abs.2 oder § 44 Abs.3 NAG erteilt werden. Dies ist allerdings nach § 44b Abs.3 letzter Satz NAG nur möglich, solange sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält. Für den Bw liegt somit eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit die Verleihung eines Aufenthaltsrechtes infolge einer für den Bw positiven Ausweisungsentscheidung überhaupt möglich ist. Ohne der Berufungsentscheidung vorzugreifen, erscheint die Berufung gegen die erstinstanzliche Ausweisungsentscheidung nicht von vornherein aussichtslos. Die vom Bw glaubhaft gemachten Umstände sprechen für eine sehr gute Integration in Österreich. Der Eingriff in ein Privat– und Familienleben durch fremdenpolizeiliche Maßnahmen könnte angesichts der von ihm nicht verschuldeten langen Dauer des einzigen Asylverfahrens im Lichte der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs als unverhältnismäßig gewertet werden.

Der Bw ging daher im vorliegenden Fall vertretbar davon aus, die rechtskräftige Entscheidung über seine Ausweisung im Inland abwarten zu dürfen. Würde er seiner Ausreisepflicht nachkommen, wären nämlich auf Grund der Gesetzeslage des NAG seine Chancen auf einen Aufenthaltstitel zunichte gemacht. Ein Verfahren nach dem NAG wäre einzustellen bzw. von Amts wegen gar nicht einzuleiten. In dieser Zwangslage kann dem Bw die ihm angelastete Tat nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Der Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z 2 VStG einzustellen, weil entschuldigende Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit des Bw ausschließen.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum