Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100789/20/Fra/Ka

Linz, 31.03.1993

VwSen - 100789/20/Fra/Ka Linz, am 31 März 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des E W, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. K K und Dr. K L, H, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21. Juli 1992, VerkR96-1316-1992/Hol, betreffend Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960, nach der am 31. März 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

II. Der Berufungswerber hat keine Kostenbeiträge zum Strafverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 21. Juli 1992, VerkR96-1316-1992/Hol, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 eine Geldstrafe von 600 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 24. März 1992 um 6.35 Uhr den Geländewagen, Kennzeichen auf der B im Gemeindegebiet von Svon L kommend in Richtung L gelenkt hat. Bei Strkm.231,650 überholte er mehrere Fahrzeuge, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen könne.

Ferner wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

I.2. Gegen das unter Z1 angeführte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Sie hat das Rechtsmittel samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und dadurch dessen Zuständigkeit im Grunde des § 51 Abs.1 VStG ausgelöst.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Beschuldigte beantragt in seinem Rechtsmittel ua. die zeugenschaftliche Einvernahme des Dietmar Rummerstorfer, die Einvernahme des Beschuldigten unter gleichzeitiger Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie Beiziehung eines kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen zum Beweis dafür, daß er die gegenständliche Tat nicht begangen hat, da er gesetzeskonform überholte und der Zeuge R nicht in Lage gewesen sei, überhaupt verwaltungsstrafrechtlich relevante Vorgänge festzustellen. Das angefochtene Straferkenntnis könne auch keine Angaben zu den tiefen Abständen der beteiligten Fahrzeuge wiedergeben.

Aufgrund des eingebrachten Rechtsmittels hat der unabhängige Verwaltungssenat an Ort und Stelle eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Antragsgemäß wurde zu dieser Verhandlung ein Amtssachverständiger für Verkehrsangelegenheiten beigezogen.

Vorweg ist festzustellen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 12. März 1986, 85/03/0152) die Entscheidung über die Zulässigkeit des Überholmanövers aus der Sicht des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 grundsätzlich die Feststellung jener Umstände voraussetzt, die für die Länge der für den geplanten Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung sind, ds in erster Linie die Geschwindigkeit des Überholenden und des zu überholenden Fahrzeuges, bei mehreren zu überholenden Fahrzeugen deren Anzahl und Tiefenabstand. Ferner sind Feststellungen über die dem Lenker des überholenden Fahrzeuges zur Zeit des Beginnes des Überholvorganges zur Verfügung stehenden Sichtstrecke erforderlich. Schließlich sind noch Feststellungen über das Vorhandensein allfälliger bereits zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges dem Lenker erkennbarer Hindernisse zu treffen, die unter Berücksichtigung der erforderlichen Überholstrecke einem gefahrlosen Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten. Der Zeuge R gab, zu den wesentlichen Sachverhaltselementen befragt, an:

"Zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges des Berufungswerbers fuhr ich auf Höhe des Strkm.231,4, ds ca. 200 m vor dem angenommenen Beginn des Überholvorganges des Beschuldigten. Auf Höhe des Strkm.231,4 fuhr er mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h, als der Beschuldigte den Überholvorgang bei Strkm.231,6 begonnen hatte. Als der Beschuldigte den Überholvorgang bei Strkm.231,975 beendete, befand er sich auf Höhe des Strkm.231,550." Betrachtet man nun diese Angaben des Zeugen, so ergibt sich eine Beobachtungsdauer von 6 Sekunden, wenn er eine Geschwindigkeit von 90 km/h einhielt und eine Beobachtungsdauer von 6,7 Sekunden, wenn er eine Geschwindigkeit von 80 km/h einhielt. Vollzieht man diesen Bewegungsablauf, insbesondere den Beobachtungsvorgang, rechnerisch nach, so ergibt sich aufgrund der zurückgelegten Wegstrecke des Beschuldigten während des Überholvorganges von 375m, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von diesem zwischen 201 und 225 km/h. Die exakte Beobachtung des Überholvorganges erscheint einerseits aufgrund des großen Abstandes problematisch, wobei insbesondere eine Unexaktheit der Beobachtung durch den Zeugen dadurch untermauert wird, daß der Bewegungsablauf als technisch nicht nachvollziehbar bezeichnet werden muß, da es dem Beschuldigten mit seinem Fahrzeug sicherlich nicht möglich war, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 201 bis 225 km/h die gegenständliche Strecke zu befahren. Diese Schlußfolgerungen ergeben sich aus dem bei der Berufungsverhandlung erstatteten Gutachten des techn. Amtssachverständigen Ing. A. Aufgrund dieses überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachtens konnte ein Nachweis bezüglich des dem Beschuldigten im angefochtenen Straferkenntnis normwidrigen Verhalten nicht erbracht werden. Ergänzend ist zudem festzustellen, daß sich die Stelle, wo sich laut Anzeiger der Beschuldigte aufgrund eines entgegenkommenden Fahrzeuges wiederum in die Kolonne "hineinzwängen mußte", nicht bei km 231,650 befindet - wie dies die Erstbehörde angenommen hat -, sondern ca. 1,35 km nach dieser Stelle (siehe Anzeige des GPK S vom 3.4.1992, "Darstellung der Tat", zweiter Absatz). Die Verhandlung hat ergeben, daß der Anzeiger zwei Überholvorgänge beobachtet hat und er lediglich den zweiten Überholvorgang wegen eines entgegenkommenden PKW's in einer unübersichtlichen Kurve als gefährlich empfunden hat. Die Erstbehörde hat jedoch diese beiden Überholvorgänge aktenwidrig in den Überholvorgang bei Strkm.231,650 zusammengefaßt und diesen dem Beschuldigten zur Last gelegt. Ein derartiger Sachverhalt wurde jedoch seitens Zeugen nicht beobachtet und vom GPK Steyregg auch nicht dokumentiert.

Aus den genannten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. Fragner

 

 

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