Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231256/2/Gf/Mu

Linz, 31.05.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 9. Mai 2011, Zl. Sich96-309-2010-Ha, wegen drei Übertretungen des Pyrotechnikgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Spruchpunkte 1. und 2. aufgehoben sowie die zu Spruchpunkt 3. verhängte Geldstrafe mit 200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 31 Stunden neu festgesetzt werden; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es in dessen Spruch anstelle von "um 20.03 Uhr, 20.11 Uhr, 20.13 Uhr und 20.18 Uhr" nunmehr "im Zeitraum zwischen 20:03 Uhr und 20:18 Uhr" zu heißen hat.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 20 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Berufungswerber keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; 65 Abs. 1VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 9. Mai 2011, Zl. Sich96-309-2010-Ha, wurden über den Rechtsmittelwerber zwei Geld­strafen in einer Höhe von jeweils 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 42 bzw. 46 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag jeweils 30 Euro) sowie eine Geldstrafe in einer Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 70 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 50 Euro) verhängt, weil er am 27. November 2011 auf der Gästetribüne des Stadions in Ried während eines Bundesligafußballspieles zu vier näher bezeichneten, innerhalb eines Zeitraumes von 15 Minuten gelegenen Zeitpunkten jeweils eine Bengalische Leuchtfackel – und damit einen pyrotechnischen Gegenstand der Kategorie F2 – besessen und verwendet habe, obwohl derartige Gegenstände im Ortsgebiet, in unmittelbarer Nähe von Menschenansammlungen und im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung nicht verwendet bzw. besessen werden dürfen. Dadurch habe er eine Übertretung des § 38 Abs. 1, des § 39 Abs. 1 und des § 39 Abs. 2 des Pyrotechnikgesetzes, BGBl.Nr. I 131/2009 (im Folgenden: PyrTG), begangen, weshalb er nach § 40 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 PyrTG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass aufgrund der zeugenschaftlichen Wahrnehmungen des einschreitenden Sicherheitsorganes kein Zweifel daran bestehen könne, dass der Beschwerdeführer jene Person gewesen sei, die zum Vorfallszeitpunkt die pyrotechnischen Gegenstände gezündet habe, während dem bloß unsubstantiierten Bestreiten des Rechtsmittelwerbers nicht zu folgen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien. Seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 10. Mai 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 24. Mai 2011 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird eingewendet, dass er lediglich einen Feuerwerkskörper besessen und diesen auch abgebrannt habe, nicht jedoch – wie von der belangten Behörde angenommen – deren vier; Letzteres wäre auch in zeitlicher Hinsicht gar nicht durchführbar gewesen. Außerdem betrage sein monatliches Einkommen als Zivildiener tatsächlich nicht – wie von der Erstbehörde unterstellt – 1.300 Euro, sondern bloß 600 Euro.

Daher wird die – gemeint wohl: teilweise – Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu eine wesentliche Herabsetzung der verhängten Geldstrafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Ried zu Zl. Sich96-309-2010-Ha; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK und i.V.m. dem Urteil des EGMR vom 12. Mai 2010, 32435/06 (Fall "Kammerer"), von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 PyrTG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür nach § 40 Abs. 1 Z. 3 PyrTG mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, der pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 im Ortsgebiet verwendet.

Gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 PyrTG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür nach § 40 Abs. 1 Z. 3 PyrTG mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, der pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 innerhalb oder in unmittelbarer Nähe größerer Menschenansammlungen verwendet.

Gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs. 2 PyrTG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür nach § 40 Abs. 1 Z. 2 PyrTG mit einer Geldstrafe bis zu 4.360 Euro oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen, der pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 in einem sachlichen, örtlichen und zeitlichem Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung besitzt oder verwendet.

3.2. Eine Zusammenschau dieser drei Delikte zeigt, dass Letzteres zu den beiden Ersteren in einem Verhältnis von lex specialis zu einer lex generalis steht: Werden – wie im gegenständlichen Fall – pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 im Rahmen einer Sportveranstaltung besessen und/oder verwendet, so kommt nur eine Strafbarkeit nach § 39 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 1 Z. 2 PyrTG in Betracht; gleichzeitig ist damit aber eine Pönalisierung nach § 38 Abs. 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Z. 3 PyrTG und/oder nach § 39 Abs. 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 Z. 3 PyrTG ausgeschlossen.

Zu diesem Ergebnis führt im Übrigen nicht nur die eben dargelegte rechtssystematische Sichtweise, sondern eine solche gebietet sich auch aufgrund der jüngsten, vom EGMR erstmals in seinem Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Fall Zolotukhin), und weiteren Folgeentscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung: Unter dem Aspekt des Doppelverfolgungs- und Doppelbestrafungsverbotes des Art. 4 des 7. ZPMRK ist es nämlich nunmehr unzulässig, eine Person wegen ein und desselben faktischen Verhaltens mehrfach strafrechtlich zu verfolgen und/oder zu bestrafen; auf frühere Kriterien – wie insbesondere "essential elements" etc. – kommt es demnach nicht mehr an: Liegt ein und derselbe Sachverhalt oder liegen – wie es der EGMR ausdrückt – "essentially the same facts" vor, dann ist eine parallele Ahndung von vornherein gehindert (vgl. auch VwSen-301042 vom 30. Mai 2011).

Die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Straferkenntnisses waren daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

3.3. Hinsichtlich Spruchpunkt 3. gesteht der Rechtsmittelwerber selbst zu, zumindest eine Bengalische Leuchtfackel besessen und diese auch während des Bundesligafußballspieles abgebrannt zu haben.

Ob es tatsächlich bloß diese eine oder – wie vom zeugenschaftlich einvernommenen Sicherheitsorgan angegeben – insgesamt vier waren, ist aus rechtlichem Blickwinkel bloß von untergeordneter (nämlich: für die Strafbemessung maßgeblicher) Bedeutung, weil insoweit ohnehin ein einheitlicher Tatvorsatz und somit ein fortgesetztes Delikt vorgelegen wäre.

Da im vorliegenden Fall aber ein Nachweis derart, der jegliche Bedenken daran ausschließt, dass der Rechtsmittelwerber nicht bloß einen, sondern insgesamt vier dieser pyrotechnischen Gegenstände besessen und verwendet hat, − insbesondere mangels Fotos und/oder Videoaufnahmen – nicht vorliegt bzw. ein solcher (wenn überhaupt, dann) nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand beigebracht werden könnte, war im Zweifel gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK davon auszugehen, dass lediglich der Besitz und die Verwendung einer dieser Bengalischen Leuchtfackeln als erwiesen anzusehen ist.

Insoweit hat der Beschwerdeführer jedoch auch tatbestandsmäßig sowie zumindest bedingt vorsätzlich und damit schuldhaft i.S.d. § 39 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 1 Z. 2 PyrTG gehandelt; seine Strafbarkeit ist daher in diesem Umfang gegeben.

3.4. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Rechtsmittelwerber verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist und als Zivildiener über ein wesentlich geringeres Einkommen als von der belangten Behörde angenommen verfügt, war daher die zu Spruchpunkt 3. verhängte Geldstrafe auf 200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 31 Stunden herabzusetzen.

3.5. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als die Spruchpunkte 1. und 2. aufgehoben sowie die zu Spruchpunkt 3. verhängte Geldstrafe mit 200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 31 Stunden neu festgesetzt werden; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es in dessen Spruch anstelle von "um 20.03 Uhr, 20.11 Uhr, 20.13 Uhr und 20.18 Uhr" nunmehr "im Zeitraum zwischen 20:03 Uhr und 20:18 Uhr" zu heißen hat.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde auf 20 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Berufungswerber hingegen nach § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

VwSen-231256/2/Gf/Mu vom 31. Mai 2011

 

Erkenntnis

 

7. ZPMRK Art4;

PyrTG §38;

PyrTG §39 Abs1, Abs2;

PyrTG §40 Abs1 Z2, Z3;

 

 

 

Eine Zusammenschau der in § 38 Abs1, in § 38 Abs2 und in § 39 Abs1 PyrTG normierten Delikte zeigt, dass Letzteres zu den beiden Ersteren in einem Verhältnis von lex specialis zu einer lex generalis steht: Werden – wie im gegenständlichen Fall – pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 im Rahmen einer Sportveranstaltung besessen und/oder verwendet, so kommt nur eine Strafbarkeit nach § 39 Abs2 iVm § 40 Abs1 Z2 PyrTG in Betracht; gleichzeitig ist damit aber eine Pönalisierung nach § 38 Abs1 iVm § 40 Abs1 Z3 PyrTG und/oder nach § 39 Abs1 iVm § 40 Abs1 Z3 PyrTG ausgeschlossen.

 

Zu diesem Ergebnis führt im Übrigen nicht nur diese rechtssystematische Sichtweise, sondern eine solche gebietet sich auch aufgrund der jüngsten, vom EGMR erstmals in seinem Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Fall Zolotukhin), und weiteren Folgeentscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung: Unter dem Aspekt des Doppelverfolgungs- und -bestrafungsverbotes des Art4 des 7. ZPMRK ist es nämlich nunmehr unzulässig, eine Person wegen ein und desselben faktischen Verhaltens mehrfach strafrechtlich zu verfolgen und/oder zu bestrafen. Auf frühere Kriterien – wie insbesondere "essential elements" etc – kommt es demnach nicht mehr an: Liegt ein und derselbe Sachverhalt oder liegen – wie es der EGMR ausdrückt – "essentially the same facts" vor, dann ist eine parallele Ahndung von vornherein gehindert (vgl auch VwSen-301042 vom 30. Mai 2011).

 

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