Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-570045/2/Kü/Ba

Linz, 08.06.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn Mag. X vom 27. April 2011 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. April 2011, UR-2006-874/355-Ai/Sch, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 34 Abs.2 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991 idgF.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. April 2011, UR-2006-874/355-Ai/Sch, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) für die Äußerung im Mail vom 7. April 2011: "Ihren Unmut über einzelne, per Email eintreffende Beschwerden kann ich verstehen. ... Die erstellten Listen wurden schubladiert ..." eine Ordnungsstrafe in Höhe von 150 Euro verhängt.

 

Begründend wurde nach Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie der Rechtsgrundlagen festgehalten, dass der Bw dem Verwaltungsorgan Unmut unterstelle und subtil durch die nachfolgenden Worte "kann ich verstehen" noch objektiv den Eindruck verstärke, dass ein solcher bestünde. Mit der weiteren Behauptung, dass Listen schubladiert würden, erhebe der Bw überdies gegen das Verwaltungsorgan einen schwerwiegenden Vorwurf, unterstelle ihm Amtsmissbrauch und sei hiermit die Tathandlung der üblen Nach­rede gemäß § 111 StGB erfüllt. Die in Zusammenhang stehenden Äußerungen des Unmuts sowie des Schubladierens würden sich gegen die Art und Weise der Verfahrensführung richten, weshalb es sich dabei um eine (nicht überprüfbare) unsachliche Kritik handle, die den gebotenen Anstand im Verkehr mit der Behörde verletze.

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in welcher die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

 

Begründend führt der Bw aus, dass der Hinweis in seinem Schreiben: Ihren Unmut über einzelne, per Email eintreffende Beschwerden kann ich verstehen – so zu verstehen sei wie er laute. Eine beleidigende Schreibweise, unziemliches Verhalten gegenüber der Behörde oder gegenüber einem Verwaltungsorgan sei darin nicht enthalten. Er wolle damit lediglich ausdrücken, dass ihm der Arbeits­aufwand bei unzähligen eintreffenden Emails durchaus bewusst sei und er darüber Verständnis aufbringen könne.

 

Seine Bemerkung: Die erstellten Listen würden schubladiert – beziehe sich lediglich auf die über Jahre hindurch von ihrer Seite erfolgte Auflistung der Geruchsbelästigung und die Frage, was mit einer erneuten Aufzeichnung bewirkt werden könnte.

 

Wenn er mit dem Schreiben jemand verletzt habe, möchte er sich ausdrücklich dafür entschuldigen. Er wisse um das hermeneutische Prinzip – also um die Mög­lichkeit, das Ungesagte eines Textes auszulegen und zur Sprache zu bringen, aber auch darum, die Intention einer Aussage mehrdeutig zu interpretieren. Er hoffe, mit seinen Hinweisen das mögliche Missverständnis aus dem Weg geräumt zu haben.

 

 

3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat die Berufung samt bezughabenden Aktenteilen mit Schreiben vom 29. April 2011 vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungs­findung gegeben. Gemäß § 67a entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch Einzelmitglied.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Aktenein­sichtnahme und konnte bereits dadurch der entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt werden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wird daher nicht für erforderlich erachtet, weshalb gemäß § 67d AVG – zumal eine mündliche Verhandlung auch nicht beantragt wurde – darauf verzichtet werden konnte.

 

Folgender Sachverhalt steht fest:

Aufgrund wiederholter Beschwerden von Nachbarn über Geruchsbelästigungen durch die Biogasanlage der X GmbH in X hat der Bw am 7. April 2011 ein Schreiben mit folgendem Inhalt an die belangte Behörde gerichtet:

 

"Sehr geehrte Frau Dr. X!

Ihren Unmut über einzelne, per Email eintreffende Beschwerden kann ich verstehen. Ihren Vorschlag, Tage und Uhrzeiten von auftretenden Geruchsbe­lästigungen festzuhalten, haben wir bereits in den vergangenen Jahren vorab verwirklicht. Die erstellten Listen wurden schubladiert und die Geruchsbelästi­gung blieb bestehen, wie sie eben aufzutreten pflegte. Heute bin ich mit dem Fahrrad in einiger Entfernung an der Biogasanlage vorbeigefahren – es war nur möglich, wenn ich die Luft immer wieder anhielt und aus diesem Bereich zu ent­kommen strebte. Wir haben uns an Sie gewandt, da wir glaubten, mit Ihrer Hilfe ein Verständnis für unsere prekäre Lage zu finden. Dies scheint nicht der Fall zu sein – aber vielleicht gibt es doch andere effektive Maßnahmen, an dieses Problem heranzugehen. Mit freundlichem Gruß – X X"

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 34 Abs.2 AVG sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

 

Gemäß § 34 Abs.3 AVG können die gleichen Ordnungsstrafen von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

 

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 11. Dezem­ber 1985, Zl. 84/03/0155 unter Hinweis auf den Stammrechtssatz seiner Ent­scheidung vom 6. November 1950, VwSlg. 1737 A/1950, aus, dass eine "be­leidigende Schreibweise" vorliegt, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt, hierbei darf nicht vom Wortsinn einer einzelnen Stelle ausgegangen, vielmehr muss auch der sonstige Inhalt der Eingabe berücksichtigt werden.

 

Eine Kritik ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann gerecht­fertigt, wenn sie sich auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderun­gen des Anstands entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. die Nachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsver­fahrens6, 353f, E23 und E26 zu § 34 AVG). Wer den Boden sachlicher Kritik verlässt und anderen Unfähigkeit, niedrige Gesinnung oder eine sittlich verpönte Vorgangsweise unterstellt, bedient sich einer beleidigenden Schreibweise.

 

5.3. Dem Verfahrensakt ist zu entnehmen, dass bereits vor dem Schreiben des Bw vom 7. April andere Anrainer der gegenständlichen Biogasanlage über uner­trägliche Geruchsbelästigungen bei der belangten Behörde Beschwerde geführt haben. So ergibt sich aus einer Email vom 9. Februar 2011, dass der Behörde mitgeteilt wurde, dass es immer zu den Abendzeiten ab 17.00 Uhr bis in die Morgenstunden bis 8.00 Uhr früh Geruchsbelästigungen gibt. Weiters wurde darüber geklagt, dass die Geruchsbelästigungen unerträglich seien bzw. es unmöglich sei zu atmen, die Geruchsbelästigungen seit langem bestehen und nichts unternommen wird. Nachdem von der belangten Behörde dieser Anrainerin die getroffenen Maßnahmen dargestellt wurden, wendete sich diese mit Email am 4. April 2011 neuerlich an die Behörde mit dem Hinweis, dass es jeden Tag (Wochenende inkludiert) ab 7.00 Uhr und ab 19.30 Uhr fürchter­lich stinke. Weiters stellt sich die Anrainerin die Frage, ob überhaupt ein Umbau zur Verbesserung der Geruchsbelästigung vorgenommen wurde. Im Betreff wurde festgehalten, dass es täglich zu Geruchsbelästigungen kommt. Diese Email vom 4. April wurde abschriftlich auch dem Bw zur Kenntnis gebracht und ist scheinbar der Anlass für die oben wörtlich zitierte Email vom 7. April 2011 an das konkret genannte Behördenorgan.

 

Insgesamt kann im fraglichen Schreiben des Bw nur eine Zusammenfassung der Situation betreffend die gegenständliche Biogasanlage gesehen werden. Nachdem von den Anrainern Beschwerde darüber geführt wird, dass täglich von den Abendstunden beginnend bis zu den Morgenstunden Geruchsbelästigungen auftreten, ist nachvollziehbar, dass aus deren Sicht die Führung von monatlichen Aufzeichnungen über Tag, Uhrzeit und Dauer der Geruchsbeeinträchtigungen keine Lösung des Problems bewirken kann. Fest steht aufgrund der vorliegen­den Schriftstücke, dass es insgesamt über mehrere Monate bereits zu Geruchsbe­lästigungen kommt. Die wiederholten Beschwerden über Geruchsbelästigungen, auch von anderen Anrainern, lassen den Schluss zu, dass bislang vom Anlagenbetreiber wirksame Maß­nahmen zur Hintanhaltung der Geruchs­belästigungen nicht ergriffen wurden und deswegen die wiederholten Beschwerden bei der Behörde wirkungslos geblieben sind. Die Ausführungen des Bw gegenüber dem Behördenorgan zur Situation lassen insgesamt gesehen eine den Mindestanforderungen des Anstands widersprechende Form nicht erkennen. Zudem ergibt sich aus dem Verfahrensakt bzw. den Schreiben der Behörde an die Anrainer, dass Geruchsbelästigungen durch die gegenständliche Anlage bestehen. Genau dies bringt der Bw im Schreiben zu Ausdruck, in dem er über seine Vorbeifahrt mit dem Fahrrad an der Biogasanlage und über seine dabei wahrgenommenen Empfindungen berichtet. Zudem ersucht er um Hilfe und Verständnis für die prekäre Lage. Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht erkennen, dass durch die Email des Bw der Boden der sachlichen Kritik verlassen würde, zumal erwiesenermaßen durch Anrainerbeschwerden belegt tägliche  Geruchsbelästigungen bestehen. Nur auf diesen Umstand hat der Bw im Zusammenhang mit seiner Äußerung über die Schubladierung erstellter Listen über Geruchsbelästigungen hingewiesen.

 

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass in der Eingabe des Bw vom 7. April 2011 der in § 34 Abs.3 AVG normierte Tatbestand der beleidigenden Schreibweise als nicht erfüllt zu bewerten ist, weshalb der Berufung Folge zu geben und der erst­instanzliche Bescheid zu beheben war.

 

6. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

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