Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-150852/6/Lg/Hue/Ba

Linz, 03.06.2011

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des X X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 28. Februar 2011, Zl. BauR96-51-2009/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

 

 

I.       Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene   Straferkenntnis bestätigt.        

 

II.     Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des          erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des          Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe     von 60 Euro zu leisten.       

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er am 6. Oktober 2008, 17.52 Uhr, als Lenker des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen X die mautpflichtige A7 bei km 0.853, Gemeinde Ansfelden, Fahrtrichtung Knoten Linz, benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen Fahrzeugen, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliege. Es sei festgestellt worden, dass die Gültigkeit des Fahrzeuggerätes abgelaufen war und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei.

 

2. In der Berufung brachte der Bw im Wesentlichen vor, dass die Erstbehörde es unterlassen habe, sich mit der Richtigkeit der Anzeige inhaltlich in irgendeiner Form auseinanderzusetzen. Zwar setze sich die erstinstanzliche Behörde umfangreich mit den Verstößen des Bw gegenüber aus diversen Unterbestimmungen der zunächst zitierten Verhaltensanforderungen der Mautordnung auseinander, unterlasse es jedoch, sich mit den Beweisanträgen des Bw, u.a. auch zur Frage der Anwendbarkeit der Mautordnung, auseinander zu setzen. Dies sei jedoch zu Unrecht erfolgt. Die Behörde habe demnach ein ordentliches Ermittlungsverfahren unterlassen, die Gattin des Bw nicht als Zeugin einvernommen und die Umstände des Ankaufs der GO-Box bzw. die damaligen Auskünfte der Verkäuferin nicht erforscht. Der Bw habe nicht damit gerechnet (und auch nicht damit rechnen müssen), dass ein Guthaben nach zwei Jahren verfalle. Auch sei die Frage, ob die äußerst kompliziert gehaltene und dem Bw nicht zur Kenntnis gebrachte Mautordnung tatsächlich, zumindest in sämtlichen Ausformungen Anwendung finde und/oder überhaupt wirksam kundgemacht worden sei, sei von der Erstinstanz übergangen worden. Es sei nicht geprüft worden, ob die von der Behörde geforderten Zeichen durch die GO-Box tatsächlich dergestalt erfolgt seien, dass dem Bw die Nichtabbuchung des aufgeladenen Guthabens auffallen hätten müssen. Zum Beweis dafür, dass die Nichtabbuchung der Maut für den Bw nicht erkennbar gewesen sei, werde die Einvernahme des Meldungslegers bzw. eines informierten Vertreters der ASFINAG beantragt. Zudem sei auf der GO-Box noch ein Guthaben aufgebucht gewesen. Dass dieses Guthaben wieder aktiviert hätte werden müssen, sei dem Bw weder zur Kenntnis gebracht worden noch aus der Mautordnung ersichtlich. Selbst wenn dem Bw die vorgeworfenen Tat zurechenbar sein sollte, wären die §§ 21 und 20 VStG anzuwenden gewesen.

 

Beantragt wurde nach Durchführung einer Berufungsverhandlung die Aufnahme der beantragten Beweise und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gem. § 45 VStG, in eventu die Belassung (sic!) einer Ermahnung, in eventu die Nachsehung bzw. wesentliche Verminderung der Geldstrafe.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 29. Jänner 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei festgestellt worden, "dass der Vertrag ungültig war" und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Gemäß § 19 Abs. 4 BStMG sei der Zulassungsbesitzer am 4. Dezember 2008 schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei jedoch nicht entsprochen worden, da die Ersatzmaut nicht binnen der gesetzlichen Frist auf dem angegebenen Konto gutgeschrieben worden sei.

 

Gegen die Strafverfügung vom 10. Februar 2009 brachte der Bw einen Einspruch ein.

 

Einer zusätzlichen ASFINAG-Stellungnahme vom 11. März 2009 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass die gegenständliche GO-Box zur Tatzeit nicht freigegeben gewesen sei, was dem Lenker durch vier kurze Signaltöne signalisiert worden sei. Die GO-Box sei im Pre-Pay-Verfahren nur zwei Jahre nach der jeweils letzten Aufladung gültig. Die Gültigkeit sei für den Kunden anhand des erhaltenen Beleges im Zuge der Aufladung ersichtlich. Im gegenständlichen Fall sei die Gültigkeitsdauer der GO-Box überschritten worden. Als Beilage ist eine Auflistung der am Tattag durchfahrenen Mautbalken angeschlossen.

 

Dazu brachte der Vertreter des Bw nach Akteneinsicht vor, dass er die GO-Box an der Raststätte in Villach "gekauft" habe. Aufgrund interner Probleme bei der Verrechnung hätte der Bw den Mautbetrag von 45 Euro zunächst rückerstattet erhalten, um sodann mit einer neuen Rechnungsnummer neuerlich 50 Euro zu bezahlen. Der Bw habe daher durchaus berechtigt davon ausgehen können, dass er seiner Verpflichtung zur Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut nachgekommen sei. Zudem sei dem Bw von der Verkäuferin mitgeteilt worden, dass er nach Verbrauch des Guthabens eine anteilige Rechnung über die nicht entrichtete Strecke erhalten würde. Dass das Guthaben nach zwei Jahren verfalle, sei dem Bw nicht mitgeteilt worden. Ein derartiger Hinweis sei auch weder auf den Zahlungsbelegen noch sonst an der Verkaufsstelle der ASFINAG ersichtlich gewesen. Der Bw sei daher berechtigt davon ausgegangen, dass ein bestehendes Mautguthaben entsprechend den allgemeinen bereicherungs­rechtlichen Grundsätzen erst nach 30 Jahren verjähre. Dies könne die Gattin des Bw als Zeugin bestätigen. Auch sei dem Bw die Mautordnung nicht bzw. nicht im gesamten Umfang zur Kenntnis gebracht worden. Zur Sicherheit werde eingewendet, dass diese Mautordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Selbst wenn diese gültig verlautbart und dem Bw auch zur Kenntnis gebracht worden wäre, sei sie trotzdem zumindest in Teilbereichen nichtig und unwirksam. Unabhängig davon seien die von der ASFINAG zitierten Stellen der Mautordnung iSd § 879 Abs.3 ABGB gröblich benachteiligend für den Bw. Dieser habe keineswegs damit zu rechnen gehabt, dass in den angeführten "Sub-Punkten" derartig wichtige Regelungen versteckt seien, sodass sie auch aus diesem Grund nicht anwendbar seien. Schließlich sei die Mautordnung für den durchschnittlichen Fahrzeuglenker auch derartig unverständlich und unklar, dass die der Bestrafung zugrunde liegenden Bedingungen auch aus diesem Grund nichtig seien. Der Tatbestand könne dem Bw deshalb nicht angelastet werden. Wenn die ASFINAG ausführe, dass die bestehenden Kontrollfälle nicht innerhalb der gesetzlich festgesetzten Frist nachgezahlt worden seien, müsse entgegen gehalten werden, dass der Bw unverständlicherweise nicht über die Höhe der ausstehenden anteiligen Maut unterrichtet worden sei, sodass ihm die Entrichtung der anteiligen Maut gar nicht möglich gewesen sei.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.  

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat teilte dem Vertreter des Bw mit Schreiben vom 1. April 2011 mit, dass sich der gegenständliche Sachverhalt im Wesentlichen mit dem Sachverhalt des Verwaltungsstrafverfahrens des Bw, geführt vom Bürgermeister der Stadt Linz, Zl. 0005028/2009, deckt. Dieses damalige Verfahren wurde – wie dem Rechtsvertreter bekannt ist – nach Durchführung einer Berufungsverhandlung und Einholung eines technischen Amtssachver­ständi­gengutachtens mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 11. Oktober 2010, Zl. VwSen-150773/29/Lg/Hue/Ba, rechtskräftig abge­schlossen. Aus der Sicht des Oö. Verwaltungssenates ist deshalb die Durchführung einer neuerlichen Berufungsverhandlung nicht erforderlich. Falls der (Vertreter des) Bw anderer Ansicht sein sollte, möge er dies innerhalb Frist unter präziser Angaben der Beweisthemen und Beweismittel einschließlich einer Darlegung, inwiefern diese vom damals ermittelten Sachverhalt abweichen, bekannt geben.

 

Der Vertreter des Bw brachte mittels Schreiben vom 13. April 2011 Folgendes vor:

"Wie der Unabhängige Verwaltungssenat korrekt darlegt, deckt sich der maßgebliche Sachverhalt des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens mit jenem, des Verwaltungsstrafverfahrens des Bürgermeisters der Stadt Linz, Zl. 0005028/2009. Dieses Verfahren ist bereits rechtskräftig abgeschlossen und musste der Einschreiter eine Geldstrafe von € 300,00 zzgl. Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens I. sowie II. Instanz bezahlen.

Im gegenständlichen Fall ist von einem fortgesetzten Delikt bei einheitlichem Sachverhalt (es handelt sich um dieselbe Reise des Einschreiters; dieselbe Go-Box funktionierte nicht bzw. wurde nicht erkannt) auszugehen und kann hier keine Doppelbestrafung vorgenommen werden, sodass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist.

Der Einschreiter stellt sohin den

 

 

ANTRAG

 

das gegen ihn eingeleitet Verwaltungsstrafverfahren – allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung – einer Einstellung zuzuführen in eventu eine Ermahnung auszusprechen und seinen rechtsfreundlichen Vertreter hievon zu verständigen."

 

5. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2010 zum analogen Fall des Bw, Zl. VwSen-150773, brachte der Vertreter des Bw im Wesentlichen vor, dass eine Strafe von 300 Euro aufgrund der näher dargelegten persönlichen Verhältnisse des Bw überhöht und verfassungswidrig sei. Wie im gerichtlichen Strafverfahren wäre auch im Verwaltungsstrafverfahren ein Tagsatzsystem geboten. Die Mautordnung sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht und dem Bw nicht zur Kenntnis gebracht worden. Eine Kundmachung vermöge keineswegs alle Normunterworfenen erreichen. Insbesondere sei von einem Pensionisten wie dem Bw nicht zu erwarten, dass er die rechtliche Situation im Internet ausfindig machen könne. Darüber hinaus sei die Mautordnung in mehreren Bestimmungen verwirrend, insbesondere die Bestimmungen über den Verfall eines Guthabens im fünften Unterabschnitt seien nicht durchschaubar.

Der Bw habe während der Fahrt keine vier Piepstöne der GO-Box wahrgenommen. Da die GO-Box keine außergewöhnlichen Anzeichen von sich gegeben habe, habe der Bw von einem ordnungsgemäßen Abbuchungsvorgang ausgehen müssen. Weiters wird auf eine Auskunft der GO-Box-Verkäuferin hingewiesen, wonach eine Rückverrechnung der konkreten Mautentgelte bei einem Nichtzustandekommen der Abbuchung erfolge. Eine solche Rückabbuchung sei aber nicht erfolgt. Der Name der Verkäuferin sei nicht bekannt. Die Gattin des Bw könne diese Aussage jedoch bezeugen.

 

Auf die Frage des Vertreters des Bw, wie hoch das Guthaben auf der gegenständlichen GO-Box und wie hoch der fällige Mautbetrag beim Tatort gewesen sei, antwortete der Amtssachverständige nach Einschau in die Einzelleistungsinformation, dass auf der GO-Box ein Pre-Pay-Guthaben von 37 Cent bestanden habe und am Tattort 19 Cent an Maut fällig gewesen wären. Das Guthaben der GO-Box hätte für etwa ein bis zwei Mautabbuchungen ausgereicht. Eine Abbuchung habe deshalb nicht stattgefunden, da bei einem Nichteinsatz der GO-Box innerhalb von zwei Jahren keine Abbuchungen mehr erfolgen. Wenn aufgrund Vertragsablaufs oder aufgebrauchtem Guthaben keine Abbuchung der Maut erfolge, werde dies durch viermalige Piepssignale der GO-Box angezeigt. Der Lenker sei daraufhin verpflichtet, bei einer nahegelegenen ASFINAG-Vertriebsstelle den Grund der Nichtabbuchung der Maut festzustellen. Am gegenständlichen Tag seien 24 Mautportale durchfahren worden, was 84 Piepssignalen entspreche. Entsprechende Informationen würden bei den Vertriebsstellen in mehreren Sprachen aufliegen.      

 

Der Vertreter des Bw legte Wert auf die Feststellung, dass das "System der vier Piepstöne" nicht auf der Quittung bzw. Rechnung (anlässlich der Ausgabe der GO-Box im Jahr 2004) vermerkt sei und entsprechende Informationsblätter bei der Vertriebsstelle nicht aufgelegen seien. Weiters seien lt. Einzelleistungsinformation alle fälligen Mautbeträge bis zum gegenständlichen Tatort unter dem Restguthaben gelegen.

 

Auf die Frage des Verhandlungsleiters, ob ein Systemversagen dergestalt wahrscheinlich sei, dass die GO-Box keine vier Piepssignale ausgesendet habe, antwortete der verkehrstechnische Amtssachverständige, dass sich die GO-Box  während jeder Durchfahrt durch ein Portal identifiziert habe. Dies sei auf der Einzelleistungsinformation klar erkennbar. Nach Beendigung dieser Kommuni­kation sei festgestellt worden, dass die GO-Box gesperrt gewesen sei, woraufhin die GO-Box vom Mautportal die Anweisung erhalte, vier Piepssignale abzugeben. Es sei kein Umstand bekannt, der auf einen GO-Box-Defekt hinweisen würde. Aus technischer Sicht sei entsprechend der Konstruktion und dem Kommunikationssystem zwischen Balken und Box davon auszugehen, dass die GO-Box viermal gepiepst habe. Es mag möglich sein, dass die Piepssignale bei der Durchfahrt durch einen Balken einmal überhört werden könnten. Allerdings sei das Wahrnehmen eines Großteils der 84 Piepstöne in einem Zeitraum von weniger als 40 Minuten zu erwarten.

 

Auf die Frage des Vertreters des Bw, ob das Nichterfolgen von vier Piepstönen aus dem noch ausreichenden Guthaben von 37 Cent (am Tattort) erklärbar sei, antwortete der Amtssachverständige, dass dies nicht erklärbar sei. Der Vertrag sei abgelaufen gewesen, was auch auf der Einzelleistungsinformation bei jedem durchfahrenen Mautportal aufscheine. Entsprechende empirische Überprüfungen habe der Sachverständige nicht durchgeführt.

 

Der Vertreter des Bw stellte daraufhin den Beweisantrag, eine entsprechende Probefahrt durchzuführen.

 

Der Verhandlungsleiter erinnerte daran, dass die gegenständlich in Rede stehende Funktionsweise der GO-Box aus der Mautordnung abzulesen sei. Dieser Normen müssen empirische Verfahren zugrunde liegen, die die implizite Faktenbehauptung der Mautordnung auch entsprechend stützen.

 

Dazu führte der Amtssachverständige aus, dass die GO-Box betreffend den optischen und akustischen Anzeigen dem Stand der Technik entsprechen und entsprechend den einschlägigen geltenden Normen für die Nahfeld­kommunikation getestet worden seien. Es gebe darüber Expertisen vom Systemhersteller und unabhängig davon Gutachten der Technischen Universität Graz sowie eine Praxiserprobung über einen Zeitraum von einem Jahr vor Inbetriebnahme des Systems.    

 

Der Vertreter des Bw stellte den Antrag, entsprechende Studien vorzulegen, die die Meinung des Sachverständigen betreffend der gegenständlichen Situation (abgelaufenes Guthaben/Piepssignale) stützen und beantragte weiters die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsverfahrens, in eventu die Anwendung des ao. Milderungsrechts bzw. die Erteilung einer Ermahnung. 

 

6. Im Beisein des Vertreters des Bw und des technischen Amtssachverständigen nahm der Unabhängige Verwaltungssenat am 1. Juli 2010 zum analogen Fall des Bw, Zl. VwSen-150773, eine Probefahrt mit einer gesperrten GO-Box aufgrund Vertragsablaufs mit aufgebuchtem Guthaben vor. Dabei wurden auf der A7/A1 im Raum Linz nacheinander insgesamt 9 Mautportale durchfahren. Bei jeder dieser Durchfahrten gab die GO-Box vier Piepssignale ab.

 

Daraufhin stellte der Vertreter des Bw mit Schreiben vom 15. Juli 2010 der Vertreter des Bw den Antrag, ihm die "Leistungsausdrucke" der Probefahrt vom 1. Juli 2010 zu übermitteln, um eine abschließende Stellungnahme abgeben zu können. Zusätzlich führte er aus, dass sich bei der Probefahrt herausgestellt habe, dass die GO-Box vier Warnsignale abgegeben hat. Dies lasse aber keinen ausreichend sicheren Schluss darauf zu, dass zur Tatzeit ebenso diese Warnsignale ertönt seien. Der Bw habe bereits mehrfach ausgeführt, dass die GO-Box zur Tatzeit diese Warnsignale nicht abgegeben habe. Es sei durchaus plausibel, dass die zur Tatzeit mitgeführte GO-Box nicht (voll) funktionsfähig gewesen sei. Da sich auf dieser GO-Box ein aktivierbares Guthaben befunden habe, hätte er die zur Tatzeit fällige Maut ohnehin im Vorhinein entrichtet. Dass aufgrund des von der ASFINAG technisch vorgegebenen Systems das gespeicherte Guthaben nicht abgebucht habe werden können, sei nicht dem Bw vorwerfbar. Er habe zumindest in subjektiver Hinsicht davon ausgehen können, dass er die im konkreten Fall zu entrichtende Maut bereits gültig entrichtet habe, weshalb eine Bestrafung des Bw mangels subjektiver Vorwerfbarkeit nicht in Frage komme. Die vom Bw allenfalls zu entrichtete Maut stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu der verhängten Geldstrafe.

 

Beantragt wurde die Durchführung einer ergänzenden Berufungsverhandlung, um die beantragten Beweise aufzunehmen und sodann das Verwaltungs­strafverfahren gem. § 45 VStG einzustellen, in eventu die "Belassung" einer Ermahnung oder die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung.

 

7. Der Oö. Verwaltungssenat übermittelte zum analogen Fall des Bw, Zl. VwSen-150773, dem Vertreter des Bw mit Schreiben vom 26. Juli 2010 die angeforderten Leistungsverzeichnisse der Probefahrt vom 1. Juli 2010 und ersuchte mitzuteilen, worin genau das Beweisthema für die beantragte Fortsetzungsverhandlung besteht.

 

Dazu äußerte sich der Vertreter des Bw am 19. August 2010 dahingehend, dass unverständlich sei, weshalb sowohl bei der Fahrt am Tattag als auch bei der Probefahrt vom 1. Juli 2010 trotz vorhandenem Guthaben bei der GO-Box keine Abbuchung erfolgt sei. Dass eine solche Abbuchung vermutlich aufgrund technischer Einstellungen der ASFINAG nicht erfolgt ist, könne nicht dem Bw angelastet werden. Eine Sperre der GO-Box sei für den Bw nicht vorhersehbar gewesen. Eine Belehrung dahingehend, dass ein aufgespeichertes Guthaben nach Ablauf von zwei Jahren gesperrt werde, sei nicht erteilt worden. Er habe mit einer solchen Sperre keineswegs rechnen müssen. Eine derartige Frist von zwei Jahren sei auch vollkommen unüblich. Die Mautordnung sei dem Bw anlässlich des "Erwerbs" der GO-Box weder ausgehändigt noch gezeigt worden und sei auch nicht in den Verkaufsräumlichkeiten erkennbar gewesen. Auch auf den Rechnungen fand sich kein Hinweis auf die Mautordnung. Die Verkäuferin habe dem Bw kurz die Bedienungsweise der GO-Box erklärt, wobei sie aber keinen Hinweis auf die Sperre des aufgebuchten Guthabens nach zwei Jahren gegeben habe. Dem Bw sei lediglich mitgeteilt worden, dass ihm die Maut bei "Problemen mit dem Guthaben" oder nach dessen Aufbrauchen vorgeschrieben werde. Eine solche Vorschreibung sei bis heute jedoch nicht erfolgt.

Dem Bw sei auch nicht bewusst gewesen bzw. nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Mautordnung allenfalls im Internet einsehbar sei. Zudem könne von einem deutschen Pensionisten, wie dem Bw, keinesfalls erwartet werden, dass er ohne gesonderte Belehrung und allenfalls Einschulung eine Mautordnung im Internet abrufen könne. Hiebei mangle es dem Bw einerseits an der Verfügbarkeit der technischen Geräte und andererseits auch am entsprechenden Wissen. Die Mautordnung sei aufgrund der "komplizierten Abrufbarkeit im Internet" nicht ausreichend kundgemacht worden.

Der Bw und seine Gattin mögen zu den erfolgten Belehrungen sowie dem tatsächlichen Verlauf der erfolglosen Abbuchung, der Funktionsfähigkeit und der abgegebenen Piepssignale der GO-Box einvernommen werden.

 

8. In der Fortsetzungsverhandlung am 22. September 2010 zum analogen Fall des Bw, Zl. VwSen-150773, stellte der Verhandlungsleiter zunächst fest, dass weder der Bw noch seine Gattin – trotz ordnungsgemäßer Ladung – zur Verhandlung erschienen sind. Dazu legte der Vertreter des Bw dar, dass diese aufgrund der Hochzeitsfeierlichkeiten der Tochter verhindert seien und beantragte die Einvernahme im Rechtshilfeweg.

 

Der Verhandlungsleiter lehnte diesen Antrag aufgrund des für den Unabhängigen Verwaltungssenat geltenden Grundsatzes der Unmittelbarkeit ab.

 

Der Vertreter des Bw brachte abschließend vor, dass gegenständlich eine "außergewöhnliche Konstellation" wegen eines noch ausreichend vorhandenen Guthabens vorliege. Dieses Guthaben sei jedoch lediglich wegen der Nichtverwendung der GO-Box über zwei Jahre gesperrt gewesen. Dieses Guthaben sei später wieder aktiviert worden, sodass es grundsätzlich verfügbar gewesen wäre. Dennoch sei eine Bestrafung erfolgt. Die Mautordnung sei für einen durchschnittlichen Staatsbürger nicht verständlich. Schon gar nicht für einen ausländischen Pensionisten. Von einem solchen könne nicht davon ausgegangen werden, dass er die Mautordnung im Internet finde oder verstehe. Anlässlich des "Ankaufs" sei der Bw zwar grundsätzlich über die Funktionsweise der GO-Box instruiert worden, nicht aber darüber, dass das Guthaben nach zwei Jahren verfalle bzw. gesperrt werde. Wenn der Bw dies gewusst hätte, hätte er für eine Entsperrung des Guthabens gesorgt. Deshalb werde die Einstellung des Verfahrens beantragt.

 

9. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

9.1 Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Kraftfahrzeuglenker ihre Fahrzeuge vor der Benützung von Mautstrecken mit diesen Geräten ausstatten können.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 BStMG haben sich Lenker bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden, die Anzahl der Achsen ihres Fahrzeuges und des von diesem gezogenen Anhängers auf dem Gerät zur elektronischen Entrichtung der Maut einzustellen und Nachweise mitzuführen, die eine Zuordnung zu einer Tarifgruppe gem. § 9 Abs. 5 und 6 ermöglichen.

 

Nach Punkt 8.2.4.2 der Mautordnung hat sich der Nutzer vor dem Befahren des mautpflichtigen Straßennetzes über die Funktionstüchtigkeit der GO-Box durch einmaliges Drücken (kürzer als zwei Sekunden) der Bedientaste zu vergewissern (Statusabfrage).

 

Nach Punkt 5.6.2 der Mautordnung weist eine Pre-Pay-GO-Box eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren auf, gerechnet ab dem Zeitpunkt der jeweils letzten Aufladung eines Mautguthabens. Die ASFINAG ist zur Sperre der GO-Box berechtigt, wenn offene Mautbeträge nicht ordnungsgemäß eingehoben werden können. Die GO-Box gibt in solchen Fällen als Zeichen beim Durchfahren einer Mautabbuchungsstelle ein Warnsignal ab (siehe Punkt 8.2.4.3.2).

Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer bzw. nach erfolgter Sperre der GO-Box können mit dieser keine Mauttransaktionen durchgeführt werden. Der Kraftfahrzeuglenker erfüllt – sofern er nicht von der Möglichkeit zur Nachzahlung der Maut Gebrauch macht (siehe Punkt 7.1) – den Tatbestand der Mautprellerei.

 

Gemäß Punkt 8.2.4.3.1 der Mautordnung gelten folgende Signale als Information für den jeweiligen Nutzer:

Ein kurzer Signalton: Die Mautentrichtung wird auf Basis der eingestellten Kategorie bestätigt.

Zwei kurze Signaltöne: Die Mautentrichtung hat auf Basis der eingestellten Kategorie ordnungsgemäß stattgefunden, aber das Mautguthaben (nur im Pre-Pay-Verfahren) ist unter den Grenzwert in der Höhe von 30 Euro gefallen (der Nutzer hat für eine rechtzeitige Aufbuchung von Mautwerten zu sorgen), das Mautguthaben verfällt innerhalb der nächsten zwei Monate (nur im Pre-Pay-Verfahren), oder die GO-Box wird zur Kontrolle (zum ASFINAG Maut Service Center oder an die nächste GO Vertriebsstelle) zurückgerufen.

 

Gemäß Punkt 8.2.4.3.2 der Mautordnung sind vier kurze Signal-Töne vom Nutzer zu beachtende akustische Signale: Es hat keine Mautentrichtung stattgefunden, weil insbesondere vom Nutzer Bestimmungen der Mautordnung Teil B nicht beachtet wurden, oder bei GO-Box Sperre aufgrund technischer Mängel bzw. festgestellter Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Mauteinhebung. In diesem Fall hat dann jeder Nutzer seiner Nachzahlungsverpflichtung im Sinne von Punkt 7.1 im vollen Umfang nachzukommen, andernfalls der Tatbestand der Mautprellerei gemäß Punkt 10 verwirklicht wird.

 

Gemäß Punkt 7.1 der Mautordnung besteht für ordnungsgemäß zum Mautsystem und mit einem zugelassenen Fahrzeuggerät ausgestattete Kraftfahrzeuge die Möglichkeit der Nachzahlung der Maut im Falle einer Nicht- oder Teilentrichtung der geschuldeten Maut, die auf ein technisches Gebrechen des zugelassenen Fahrzeuggerätes oder des Mautsystems, auf einen zu niedrigen Pre-Pay-Kontostand, ein gesperrtes Zahlungsmittel oder die Verwendung einer falschen (zu niedrigen) Kategorie zurückzuführen ist; dies jedoch ausnahmslos nur wenn alle in der Mautordnung näher definierten Bedingungen erfüllt werden.

 

Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG werden Übertretung gem. Abs. 1 und Abs. 2 straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gem. § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gem. § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gem. § 20 Abs. 2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht
(Abs. 6).

 

9.2. Unbestritten ist, dass der Bw der Lenker des Kfz zur Tatzeit war und die Maut aufgrund eines gesperrten Guthabens bei der GO-Box nicht entrichtet wurde.

 

Der Bw behauptet, er wäre nicht durch vier akustische Warnsignale auf die Sperre der GO-Box aufmerksam gemacht worden. Der Richtigkeit dieses Vorbringens stehen zunächst die technischen Gegebenheiten, wie sie in Punkt 8.2.4.3.2 der Mautordnung ihren Niederschlag gefunden haben, entgegen, wonach bei Nichtenrichtung der Maut von der GO-Box nach ihrer Sperre bei jedem Mautportal vier Signaltöne abgegeben werden. Vor allem aber steht der Behauptung des Bw die gutachtlichen Ausführungen des Amtssachverständigen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zum analogen Fall des Bw, Zl. VwSen-150773, entgegen, wonach ein technischer Defekt des Mautsystems aus in der Verhandlung näher erläuterten Gründen auszuschließen ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat hegt an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieses Gutachtens – dem der Bw nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist – keinerlei Zweifel. Zusätzlich bestätigt werden die gutachtlichen Aussagen des Amtssachverständigen auch durch das Ergebnis der (vom Vertreter des Bw selbst beantragten) Probefahrt vom 1. Juli 2010. Der Bw hat zudem einen weiteren Beweis für die Funktionstüchtigkeit der GO-Box geliefert: Den Aussagen des Bw im analogen Fall des Bw, Zl. VwSen-150773, zufolge ist die GO-Box (nach der gegenständlichen Tat) mit einem Guthaben aufgeladen und weiter ohne Probleme verwendet worden.

Das Vorbringen des Bw, die GO-Box habe zur Tatzeit keine vier Warnsignale abgegeben, ist damit widerlegt.

 

Der Vertreter des Bw meint, die GO-Box sei vom System "nicht erkannt" worden. Diese Behauptung ist jedoch aktenwidrig: Wie sich aus der ASFINAG-Auflistung der vom Bw am Tattag durchfahrenen Mautbalken und aus den Beweisfotos ergibt, wurde das Kfz des Bw mit der GO-Box erkannt und (u.a. durch die GO-Box-Nummer und das Kfz-Kennzeichen) identifiziert. 

 

Wenn der Bw vorbringt, er sei bei Anschaffung der GO-Box von der Mitarbeiterin der Vertriebsstelle falsch über die Folgen eines aufgebrauchten Guthabens informiert worden, nämlich dahingehend, dass ihm diesfalls der Mautbetrag nachträglich in Rechnung gestellt werde, verkennt er den verfahrenswesentlichen Sachverhalt: Dem Bw wird nicht vorgeworfen, seine Lenkerpflichten nach Verbrauch des aufgebuchten Guthabens verletzt, sondern die vier Piepssignale der GO-Box nach Sperre der GO-Box missachtet zu haben. Das inkriminierte Verhalten des Bw kann somit keine Folge einer – hier behaupteten – Falschauskunft einer GO-Box-Vertriebs-Mitarbeiterin sein. Aus diesen Gründen war auch eine Zeugeneinvernahme der Gattin des Bw entbehrlich.

 

Den Bw kann auch nicht entlasten, dass auf der GO-Box hypothetisch noch ein Guthaben von 37 Cent (!) zur Verfügung gestanden oder dieser Betrag vom Bw einmal bezahlt worden ist. Eine (ordnungsmäßige) Entrichtung der Maut hat gegenständlich nicht stattgefunden.

 

Der Bw bringt mehrfach vor, er wäre über die Bestimmungen der Mautordnung nicht informiert bzw. diese ihm nicht ausgehändigt oder in der GO-Box-Vertriebsstelle ausgehängt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht auch für ausländische Kraftfahrer die Verpflichtung, sich über die Rechtsvorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu befolgen hat, ausreichend zu informieren (vgl. neben vielen VwGH 97/06/0224 v. 18.12.1997). Damit ist auch klargestellt, dass keinerlei Verpflichtungen von ASFINAG-Mitarbeitern bestehen, eigeninitiativ über die rechtlichen oder faktischen Bestimmungen der Mautstraßenbenützung aufzuklären und weiters auch keine Verpflichtung besteht, auf Rechnungen o.ä. rechtliche Bestimmungen oder Vertragsbedingungen aufzudrucken.

 

Der Bw geht von der Auffassung aus, dass es sich bei den beiden Fahrten am 6. und 9. Oktober 2008 (siehe VwSen-150773) um ein fortgesetztes Delikt handelt und diese deshalb zu einer Tateinheit zusammenzufassen sind.

 

Ein fortgesetztes Delikt ist dann gegeben, wenn eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfüllt, durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden ist. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei sie nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen (vgl. VwGH 2003/05/0201 v. 18.3.2004).

 

Von einem fortgesetzten Delikt kann – abgesehen davon, dass diesfalls Vorsatz vorliegen müsste, was gegenständlich nicht anzunehmen ist – aber jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der Bw – wie im gegenständlichen Fall – durch Abfahren vom mautpflichtigen Straßennetz das jeweilige Delikt abgeschlossen hat. Mit jeder neuerlichen Auffahrt auf eine mautpflichtige Strecke beginnt somit eine neuerliche Deliktsverwirklichung. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass mit jeder neuerlichen Benützung einer Mautstrecke die Lenkerpflichten u.a. gem. § 8 BStMG und Punkt 5.6.2 der Mautordnung schlagend werden.

 

Der Bw muss zwischen dem 6. und 9. Oktober 2008 die mautpflichtige Strecke verlassen haben bzw. später auf eine solche wiederum aufgefahren sein. Dies ergibt sich nicht nur aus der zeitlichen Distanz sondern auch aus derselben Fahrtrichtung der beiden in Frage stehenden Fahrten.

 

Wenn durch die Begehung von gleichen Übertretungshandlungen zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils eine Verwaltungsübertretung begangen wird (kein fortgesetztes Delikt vorliegt), hat die Behörde für jedes Delikt eine gesonderte Strafe auszusprechen. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift ist der Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet (vgl. VwGH 2005/02/0015 v. 15.4.2005). Folgerichtig waren gegen den Bw unter Anwendung des Kumulationsprinzips (§ 22 VStG) für die von ihm angesprochenen Verwaltungsübertretungen am 6. und 9. Oktober 2008 mehrere Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen. Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass auch bei der Annahme von Vorsatz die einzelnen Fahrten nicht als fortgesetztes Delikt zusammenzufassen wären, da – wie bereits ausgeführt wurde – vor jedem (neuerlichen) Befahren einer Mautstrecke die Lenkerverpflichtungen schlagend werden.

 

Den verfassungsrechtlichen Bedenken des Vertreters des Bw hinsichtlich einer Verlautbarung der Mautordnung ausschließlich im Internet ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken nicht teilt (vgl. u.a. VfGH B 1140/06-6 v. 26.9.2006). Unbeschadet davon hat die ASFINAG gem. § 16 Abs.2 BStMG die Mautordnung jedermann auf Verlangen gegen Kostenersatz zuzusenden. Wenn der Vertreter des Bw vermeint, die Bestimmungen der Mautordnung seien für einen deutschen Pensionisten "verwirrend", hätte der Bw vor Benützung einer Mautstrecke seine Unklarheiten (z.B. über die ASFINAG-Hotline oder über eine GO-Box-Vertriebsstelle) ausräumen müssen. Dies würde aber eine entsprechende Eigeninitiative des Bw voraussetzen, zu der sich der Bw jedoch lt. seinen eigenen Rechtfertigungen nicht entschließen konnte. Weshalb die Mautordnung in Teilbereichen nichtig sein sollte, ist für den Oö. Verwaltungssenat mangels entsprechender Ausführungen durch den Vertreter des Bw einer rechtlichen Erörterung nicht zugänglich. 

 

Die weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken des Vertreters des Bw (fehlendes Tagsatzsystem; zu hohe Mindeststrafe; Gültigkeitsdauer von Guthaben auf GO-Boxen) teilt der Oö. Verwaltungssenat nicht und wird der Bw auf den dafür vorgesehenen Rechtsweg verwiesen.

 

Somit ist dem Bw vorzuwerfen, dass er seinen Pflichten als Fahrzeuglenker nicht nachgekommen ist, da er die viermaligen Piepstöne der GO-Box, welche ihm gem. Punkt 8.2.4.3.2 der Mautordnung die Nichtabbuchung der Maut angezeigt haben, missachtet hat. Die Lenkerpflichten bei Ertönen der vier akustischen Signale der GO-Box bei jeder Durchfahrt durch einen Mautbalken sind eindeutig.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Die Nichtentrichtung der Maut ist dem Bw durch die akustischen Signale der GO-Box zur Kenntnis gelangt bzw. hätte ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit zur Kenntnis gelangen müssen. Nicht entschuldigend wirkt die weitreichende Rechtsunkenntnis des Bw bzw. gegebenenfalls seine Unkenntnis der Gebrauchsvorschriften für die GO-Box. Der Lenker ist dazu verpflichtet, sich mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung mautpflichtiger Strecken auf geeignete Weise vertraut zu machen. Im Zweifel sei von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass der Bw die akustischen Signale der GO-Box nicht beachtet und er sich über die rechtlichen Bestimmungen nicht (ausreichend) informiert hat.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, weshalb die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw unerheblich sind. Die gesetzliche Mindeststrafe ist aus dem bloßen Grund einer womöglich schlechten finanziellen Situation des Bw nicht unterschreitbar. Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG denkbar wäre. Insbesondere ist der Schuldgehalt nicht gering zu veranschlagen, da die Beachtung der viermaligen Piepstöne der GO-Box gegenständlich die zentrale Lenkerpflicht darstellt.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum