Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165613/11/Bi/Eg

Linz, 14.06.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 7. Dezember 2010 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 16. Februar 2010, S-55058/09-4, wegen Übertretung der StVO 1960, zugestellt am 23. November 2010, aufgrund des Ergebnisses der am 6. Juni 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 110 Euro (48 Stunden EFS) verhängt, weil er am 14. September 2009, 21.45 Uhr, in Pucking, A25 Fahrtrichtung Passau, bei km 3.050, das Kraftfahrzeug X gelenkt und die auf Autobahnen zulässige Höchst­geschwindigkeit von 130 km/h überschritten habe, da die Fahrgeschwin­digkeit 163 km/h betragen habe, wie mit einem Messgerät festgestellt worden sei. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits abgezogen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 11 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 6. Juni 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, der Zeugen Meldungsleger X (Ml), X (GI Z) und X (B) sowie des kfztechnischen AmtsSV X durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet.  

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei, als er gerade einen Lkw überholen wollte, selbst von einem schwarzen Pick Up überholt worden, der seitlich vom Lkw plötzlich und für ihn zunächst unerklärlich stark gebremst habe. Nach dem Überholmanöver habe der Pick up vor ihm beschleunigt und die Polizei habe irrtümlich ihn angehalten. Er beantragt Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört und der von ihm geschilderte Sachverhalt anhand von ihm mitgebrachter Spielzeugautos nachvoll­zogen wurde, die beiden Polizeibeamten sowie der vom Bw mitgebrachte Zeuge unter Hinweis auf die Wahr­heits­pflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einver­nommen wurden und ein technisches SV-Gutachten erstellt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Ml und GI Z, Beamte der Autobahnpolizei Wels, führten am 14. September 2009 gegen 21.45 Uhr Lasermessungen vom Standort bei km 3.420 der A25, Fahrtrichtung Wels, durch, wobei GI Z vom Lenkersitz des im rechten Winkel zur Richtungsfahrbahn in einer Betriebsausfahrt abgestellten Polizeifahr­zeuges aus das Lasermess­gerät bediente. Laut Messprotokoll begann die Messung nach den ordnungs­gemäß vom dafür geschulten und aufgrund seiner Tätigkeit geübten GI Z durchgeführten Einstiegstests mit der zuletzt vorher am 10. Februar 2009 vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen mit Nach­eich­frist bis 31. Dezember 2012 geeichten Lasermessgerät LTI 20.20 TS/KM-E Nr.7331 von diesem Stand­ort aus um 21.37 Uhr. Der Messort liegt in einer langgestreckten Linkskurve, wobei von dort die Sicht auf den ankommenden Verkehr entlang der Mittel­leitschiene etwas mehr als 500 m, nämlich ca 600 bis 700 m, beträgt.

Nach Aussage von GI Z befand sich auf der rechten Fahrspur ein Sattelkraft­fahrzeug und auf der Überholspur hinter ihm ein Pkw, der auf den ca 85 km/h fahrenden Lkw mit relativ hoher Geschwindigkeit aufholte und diesen überholte. Dabei löste GI Z die Messung aus, die eine Geschwindigkeit von 169 km/h auf eine Entfernung von 370 m ergab. Für GI Z war die Messung des überholenden Pkw eindeutig, ein drittes Fahrzeug fiel ihm nicht auf. Ein noch schneller über­holendes Fahrzeug sei nach seiner Erinnerung nie da gewesen. Als der Pkw am Standort der Polizei vorbeifuhr, befand er sich etwas versetzt rechts hinter dem Sattel­zug, wobei die seitliche Aufschrift "Weekend" lesbar war. Der Pkw sei damit eindeutig erkennbar gewesen und GI Z begann die Nachfahrt. Der vom Bw gelenkte Pkw wurde kurz darauf eingeholt und beim Parkplatz km 6 angehalten. Der Bw machte sofort bei der Anhaltung geltend, dass da noch ein schwarzer Pkw gewesen sei; das schlossen die Beamten aber aus.

GI Z bestätigte in der Verhandlung, dass für ihn die Messung des vom Bw gelenkten Pkw eindeutig zuordenbar gewesen sei. Bei Zutreffen der Schilderung des Bw hätte er im Herannahen vom Standort aus die Lichter zweier Pkw sehen müssen, was von der Sicht her möglich gewesen wäre. Bei nicht eindeutigen Verkehrssituationen oder nicht eindeutig einem bestimmten Fahrzeug zuorden­baren Messergebnissen werde keine Anhaltung durchgeführt.  

 

Der Ml bestätigte in der Verhandlung, er habe vom Beifahrersitz aus bei Ertönen des Piepstones, der eine überhöhte Lasermessgeschwindigkeit anzeige, aufge­schaut, habe aber nicht vorher den Verkehr beobachtet. Ihm sei der etwas hinter dem Sattelzug versetzt fahrende Pkw mit der seitlichen Aufschrift "Weekend" aufgefallen und GI Z sei diesem Fahrzeug nachgefahren. Ob ihm bei der Nach­fahrt vor dem Pkw des Bw weitere Rücklichter aufgefallen seien, konnte der Zeuge nicht sagen, darauf habe er nicht geachtet. Der Bw habe bei der An­haltung sofort auf einen angeblichen schwarzen Pick Up vor ihm verwiesen, einen solchen habe er aber nicht gesehen.

 

Der Bw gab an, er habe den Tempomat des von ihm gelenkten schwarzen Ford Galaxy auf etwa 135 – 140 km/h eingestellt gehabt und habe auf einen größeren Lkw aufge­schlossen, den er im Zuge des Auf­holens überholen wollte. Als er gerade ausscheren wollte, habe er im Rück­spiegel einen sehr schnell näher­kommenden schwarzen Pick Up bemerkt; später habe er herausgefunden, dass es sich um einen der seltenen "Chevrolet Aver­lanche" gehandelt habe. Dieser habe den Lkw zu überholen begonnen und er sei ihm nachgefahren. Er habe sich gewundert, dass der Pick Up plötzlich stark abgebremst habe und er sei in geringem Abstand hinter diesem geblieben. Nach Passieren des Lkw habe der Pick Up wieder beschleunigt und sei davon gefahren, er sei seine Tempo­mat­geschwindigkeit weitergefahren. Etwa 30 bis 40 Sekunde später habe er hinter sich Blaulicht gesehen, aber dieses nicht auf sich bezogen, und sei überrascht gewesen, als die Beamten ihn angehalten hätten. Seiner Schilderung hätten die Beamten keinen Glauben geschenkt und ihn angezeigt. Er habe daraufhin zu Hause den Zeugen EB angerufen, seinen besten Freund, und noch andere. Er habe später in seiner Werkstätte erfahren, dass es nicht möglich sei, anhand des Tempomaten zu beweisen, dass er nie 163 km/h gefahren sei.

Der Zeuge EB hat den Telefonanruf des Bw in der Nacht und dessen Schilderung der ihm widerfahrenen Ungerechtigkeit bestätigt.

 

Der SV hat in der Berufungsverhandlung die Lasermessung samt der im Schuldvorwurf genannten Geschwindigkeit als technisch richtig und plausibel nachvollzogen und anhand der errechneten Messkegelbreite die Zuordnung zu mehr als einem Fahrzeug ausgeschlossen. Die Messentfernung liegt innerhalb der Zulassung, der Toleranzabzug mit 3% aufgerundet bei einem Messwert über 100 km/h erfolgte richtig, somit sei der Vorwurf einer Geschwindigkeitsüber­schreitung von 33 km/h technisch nachvollziehbar.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens die vom Bw sofort bei der Anhaltung geltend gemachte Verwechslung dennoch nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Die Aussage des Ml gibt dazu nichts her, weil dieser nach eigenen Angaben erst beim Piepston überhaupt aufgeschaut und sich bei der Nachfahrt ausschließlich auf den Pkw mit der seitlichen Aufschrift konzentriert und auf nichts anderes geachtet hat. Die Aussage von GI Z ist insofern glaubwürdig, als dieser den Pkw des Bw bereits im Herannahen anhand der Lichter beobachtet und naturgemäß als wesentlich schneller als das Sattelkraftfahrzeug eingeordnet hat. Im Digitalen Oberöster­reichischen RaumInformationsSystem (DORIS) lässt sich ersehen, dass die Sicht vom Standort der Beamten aus auf den von links ankommenden Verkehr aufgrund der in Fahrtrichtung Wels gesehen langge­zogenen Linkskurve entlang der Mittelleitschiene bezogen auf die Überholspur abgestuft bis etwa km 2.700 reicht. Legt man die Länge eines Sattelkraft­fahr­zeuges mit 16,5 m und den mit 85 km/h zurückgelegten Weg pro Sekunde von ca 23 m zugrunde, wobei laut GI Z aus seinem Blickwinkel die Lasermessung des Pkw nicht auf gleicher Höhe mit dem Lkw sondern leicht versetzt seitlich hinter dem Lkw erfolgte. Wenn in der Zeit, in der das Sattelkraftfahrzeug für den Messbeamten die Sicht auf die Überholspur verdeckt, tatsächlich noch ein schneller Pkw von hinten kommend den noch nicht zum Überholen ausscherenden Pkw des Bw und den Lkw über­holte, ist aufgrund der Sichtverhältnisse in der Kurvenkrümmung letztlich nicht gänzlich auszuschließen, dass sich der Vorfall tatsächlich so zuge­tragen hat, wie von Bw beschrieben. Dass dabei in der Zeitspanne zwischen der Messung des überholenden Pick Up von vorne leicht versetzt seitlich hinter dem Sattel­kraftfahrzeug und dem Ansichtigwerden der seitlichen Aufschrift des Pkw des Bw etwas versetzt hinter dem Sattelkraftfahrzeug dieses die Sicht auf den Pick Up bei der Weiterfahrt verdeckte und diesem ein Beschleunigen ermöglichte, während die Beamten auf den Pkw mit der Seitenaufschrift konzentriert waren, ist durchaus vorstellbar. Auch wenn GI Z in der Verhandlung ausführte, vor dem Lkw habe sich kein weiteres Fahrzeug befunden, widerspricht dies nicht der Darstellung des Bw. Wenn nicht einmal der als Beifahrer im Polizeifahrzeug befindliche Ml auf eventuelle Rücklichter eines vor dem Pkw des Bw fahrenden Fahrzeuges geachtet hat, ist eine derartige Feststellung nach zwei Jahren auch dem als Lenker des Polizeifahrzeuges mit Aufholen und Nachfahrt beschäftigten GI Z nicht zuzumuten.

In rechtlicher Hinsicht gelangt der Unabhängige Verwal­tungs­­senat aufgrund der aus den obigen Überlegungen nicht gänzlich unglaub­würdigen Darstellung des Bw zumindest im Zweifel zur Auffassung, dass letztlich nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit von seiner Tätereigenschaft auszugehen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrens­kosten­beiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

gemessener PKW nicht eindeutig der vom Bw gelenkte -> in dubio pro reo Einstellung

 

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