Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281315/13/Kl/Pe

Linz, 17.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x Rechtsanwälte OG, x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 28.2.2011, BZ-Pol-09063-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11.5.2011 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift im Sinn des § 44a Z2 VStG zu lauten hat: „§§ 34 Abs.4 und 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010 iVm § 6 Abs.2 Elektroschutzverordnung 2003 – ESV 2003, BGBl. II Nr. 424/2003“.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 28.2.2011, BZ-Pol-09063-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) eine Geldstrafe von 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 93 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG iVm § 6 Abs.2 ESV 2003 verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma xgesellschaft m.b.H., x-Straße x, x (Arbeitgeberin), zu verantworten hat, dass am 21.7.2010, im Bereich der Außenwand – ostseitiger Grünstreifen – der x KG, x, xstraße x, der Arbeitnehmer x, geb. x, eine Anhängerarbeitsbühne mit Arbeitskorb im Bereich der nicht für Betriebszwecke errichteten, nicht isolierten 30 kV-Freileitung verwendet hat, obwohl dieses Arbeitsmittel durch dessen Höhe und Reichweite ein gefahrbringendes Annähern aufgrund der Aufstellung ermöglichte und durch andere Maßnahmen ein Annähern auch nicht verhindert wurde und obwohl im Bereich von nicht für Betriebszwecke errichteten, nicht isolierten Freileitungen nur Arbeitsmittel verwendet werden dürfen, durch deren Höhe und Reichweite ein gefahrbringendes Annähern an diese Leitungen nicht möglich ist, soweit ein solches Annähern nicht durch andere Maßnahmen verhindert ist, und haben dadurch die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt. Der Arbeitnehmer wurde eine Stunde nach dem Unfall verletzt aufgefunden.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zum Tatzeitpunkt, dem 21.7.2010, die Elektroschutzverordnung 2003 nicht mehr in Kraft gewesen sei. Korrekterweise hätte die Behörde die Elektroschutzverordnung 2009 auf den gegenständlichen Tatbestand anwenden müssen. Die Bestrafung sei zu Unrecht erfolgt. In der ESV 2009 seien zwar Arbeiten an oder in der Nähe von elektrischen Anlagen, insbesondere in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen normiert, jedoch sei der Normtext umgestaltet worden und eigne sich der seitens der Behörde festgestellte Sachverhalt nicht zur Subsummierung unter die Vorschrift der ESV 2009. Darüber hinaus sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Schließlich werde auch ergänzend vorgebracht, dass ein Verschulden nicht vorgeworfen werden kann. Der Arbeitnehmer sei umfassend und ordnungsgemäß betreffend die Sicherheits- und Schutzvorschriften unterwiesen worden und habe der Arbeitnehmer am 20.3.2006 den Unterweisungsnachweis unterfertigt. Es sei ihm der Inhalt des Unterweisungshandbuches bekannt gewesen, dass Arbeiten in gefährlicher Nähe von elektronischen Anlagen nur nach Anweisung einer verantwortlichen Elektrofachkraft durchgeführt werden dürften. Er kenne auch das Warnschild „Gefährliche elektrische Spannung“. Es handle sich um einen erfahrenen Arbeitnehmer, welcher ständig mit Arbeitsbühnen hantiere und sehr vertraut und erfahren im Umgang mit Arbeitshebebühnen sei, zumal er hauptsächlich im Bereich der Außenfassadenreinigung eingesetzt worden sei. Betreffend die konkrete Arbeitsstätte sei sowohl von Frau x als auch der Firma x der Arbeitnehmer im Ungang mit der gegenständlichen Arbeitshebebühne eingewiesen worden, dass ein Ausfahren der Arbeitshebebühne nicht erforderlich sei. Er sei angewiesen, um die Position entlang der Gebäudefassade zu verändern, vom Arbeitsmittel abzusteigen und die Bühne seitwärts zu bewegen, bis die gewünschte Position erreicht wäre, und danach auf der Arbeitsbühne (im nicht ausgefahrenen Zustand) die Arbeiten fortzuführen. Der Arbeitnehmer habe die Einweisung verstanden und sei mehrmals täglich kontrolliert worden. Ein Verstoß sei dabei nicht festgestellt worden. Am linken Eck des Gebäudes sei er darüber hinaus angewiesen worden, kein Wasser zu verspritzen. Es habe ein Telefonat um etwa 14.40 Uhr mit Frau x stattgefunden und seien die Arbeiten fertig gestellt gewesen. Der Arbeitnehmer hätte lediglich von der Arbeitshebebühne herabzusteigen gehabt und sei daher kein Grund und keine Veranlassung gegeben gewesen, die Arbeitsbühne nach Verrichtung der Arbeiten auszufahren.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.5.2011, zu welcher der Vertreter des Bw sowie des zuständigen Arbeitsinspektorates erschienen sind. Der geladene Bw und die belangte Behörde sind zur Verhandlung nicht erschienen. Weiters wurden die Zeugen x, x, x, Mag. Ing. x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der xgesellschaft mbH mit Sitz in x.

Der Arbeitnehmer x, welcher bereits seit 16.3.2006 für das Unternehmen arbeitet, begann seine Arbeit an der Baustelle x KG in x, xstraße x, bereits am 19.7.2010. An diesem Tag fand auch ein Rundgang mit Frau x von der Firma x um das Gebäude statt und wurde durchbesprochen, welche Arbeiten zu verrichten sind. Konkret wurde für den 21.7.2010 angeordnet, an der Ostseite die Jalousien und Fenster des mittleren Geschosses, nämlich des ersten Obergeschosses, zu reinigen. Der Arbeitnehmer wurde auch darauf hingewiesen, dass eine Hebearbeitsbühne zu verwenden ist und bei Verwendung dieser Arbeitsbühne nur entlang der Hausfassade eine Bewegung stattfinden sollte. Auch sollte der Arbeitnehmer auf den Stromleitungsmasten in der Nähe des Gebäudes achten und nicht mit dem Fahrzeug anfahren. Weiters wurde der Arbeitnehmer ausdrücklich von Frau x auf eine Tür mit Warnschild an der linken Gebäudekante der Ostseite des zu reinigenden Gebäudes hingewiesen, welche zu einem elektrischen Betriebsraum führte, und es wurde angewiesen, nicht mit Wasser zu spritzen. Einen Hinweis bzw. eine Anordnung betreffend der in der Nähe befindlichen 30 kv-Freileitung hat es seitens der Frau x nicht gegeben. Diese Freileitung wurde weder von Frau x noch vom Arbeitnehmer gesehen und beachtet. Es wurde daher auch nicht die Einhaltung von Schutzabständen besprochen.

Für die Arbeiten am 21.7.2010 wurden von Frau x bei der Firma x eine Anhängerarbeitsbühne mit Arbeitskorb bestellt. Diese Arbeitsbühne wurde am Morgen des 21.7.2010 von der Firma x geliefert. Diese Arbeitsbühne wurde vom Arbeitnehmer x am 21.7.2010 am Morgen von einem Herrn der Firma x übernommen und die Übernahme in einem Protokoll unterschriftlich bestätigt. Eine Unterweisung hinsichtlich dieser Arbeitsbühne konkret an der Baustelle erfolgte nicht. Im unterzeichneten Übergabeprotokoll ist auch vermerkt: „Die durchgeführte Unterweisung ersetzt nicht die betriebliche Unterweisung durch den Mieter gemäß Kapitel 2.10, BGR 500 Betreiben von Hebebühnen und der BGI ‚Sicherer Umgang mit fahrbaren Hubarbeitsbühnen’“. Der Arbeitnehmer erkundete durch Ausprobieren die Funktionsweise der gelieferten Anhängerarbeitsbühne. Er hat zwar schon oft mit Arbeitsbühnen, teilweise der Firma x, teilweise von anderen Firmen, gearbeitet und er ist mit Arbeitsbühnen vertraut, allerdings hat er noch niemals eine Arbeitsbühne wie die gegenständliche angelieferte betätigt. Er arbeitete dann am 21.7.2010 alleine auf der Baustelle, indem er die Fenster und Jalousien des ersten Oberschosses von links nach rechts reinigte. Konkret fuhr er mit der Arbeitsbühne zur linken Gebäudekante. Er reinigte zunächst die Jalousien. Dann musste er den Hebearm herunterfahren, um ins Gebäude zu gelangen und um die Jalousien hochzukurbeln. Anschließend musste er wieder mit dem Hebearm hinauffahren, um die Fenster zu reinigen. Da der Hebearm sowohl in die Höhe als auch seitlich zu bewegen war, konnte er drei bis vier Fenster pro eingenommener Position reinigen. Um die Arbeitsbühne in ihrer Position weiterzubewegen, musste er aber den Hebearm herunterfahren, die Standbeine hochklappen und dann die Bühne weiterbewegen. Er betätigte die Arbeitsbühne von seinem Arbeitskorb aus. Bis zu dem Anruf der Frau x an den Arbeitnehmer um ca. 14.45 Uhr, hat der Arbeitnehmer etwa die Hälfte der Jalousien und Fenster gereinigt und er sagte Frau x telefonisch  zu, dass er sich bemühen werde, bis zum Abend mit diesem Geschoss fertig zu werden. Die Arbeitsbühne war nämlich nur für den Mittwoch, 21.7.2010 gemietet.

Der Arbeitnehmer achtete auf die Tür zum Betriebsraum, wie ihm aufgetragen wurde, allerdings war ihm die 30 kV-Leitung nicht aufgefallen und nicht bewusst. Auch wurde er auf keine Gefahr hingewiesen.

Um etwa 14.45 Uhr wurde beim Elektrizitätsversorgungsunternehmen ein Überschlag registriert. Der Arbeitnehmer wurde aus dem ausgefahrenen Arbeitskorb geschleudert bzw. ist er aus dem Korb gefallen und er wurde an der Wirbelsäule verletzt. Er wurde vom Betriebsleiter der Firma x KG in der Wiese liegend aufgefunden.

 

Die Zuweisung der Arbeit bzw. die Besprechung der Baustelle fand am 19.7.2010 auf der Baustelle durch die Frau x statt. Am 21.7.2010 wurde am Morgen in der Firma von Frau x dem Arbeitnehmer bekannt gegeben, dass sein Kollege auf einer anderen Baustelle gebraucht werde und er daher alleine bei der x KG Reinigungsarbeiten im ersten Obergeschoss durchführen sollte. Auf der Baustelle selbst hat Frau x Herrn x am 21.7.2010 nicht gesprochen und nicht unterwiesen. Der Arbeitnehmer hat Frau x nicht auf der Baustelle gesehen. Auch wurde der Bw nicht gesehen. Der Arbeitnehmer arbeitete an diesem Tag allein auf der Baustelle.

 

Nach den Angaben der Frau x hat diese am Vormittag des 21.7.2010 auf der Baustelle vorbeigesehen und den Arbeitnehmer x beobachtet. Da keine Auffälligkeiten waren, hat sie sich wieder von der Baustelle entfernt. Am Nachmittag war sie nicht auf der Baustelle.

 

Bei Eintritt in das Unternehmen bekam der Arbeitnehmer eine allgemeine Unterweisung, unterzeichnet am 20.3.2006. Konkret eine Unterweisung für Hebearbeitsbühnen bekam er von der Firma x nicht. Eine Unterweisung an der Arbeitsbühne sollte durch den Lieferanten der Arbeitsbühne erfolgen. Eine konkrete Unterweisung oder Anweisungen über das Verhalten bei Stromleitungen hat der Arbeitnehmer nicht bekommen. Er hat auch nie eine Aufklärung von einem Techniker oder Elektrotechniker bekommen. Es wurde mit dem Arbeitnehmer auch nie über Schutzabstände gesprochen.

Die jeweilige Baustelle ist auf mögliche Gefahrenstellen zu evaluieren. Diese Evaluierung hat Frau x zu machen, da sie die Baustelle verkauft hat. Sollte sie Probleme haben, so besteht die Möglichkeit, dass sie sich an die Sicherheitsfachkraft, Herrn x, wendet. Dieser hat auch eine Checkliste verfasst, die dem jeweiligen Akt angeschlossen wird und durchzugehen ist. In dieser Checkliste ist kein Hinweis in Bezug auf Freileitungen. Dieser Punkt wurde nach dem Unfall in der Checkliste ergänzt, nämlich dass eine Fachkraft beizuziehen ist. Die Sicherheitsfachkraft macht allgemeine Schulungen, Evaluierungen, Unterweisungen und bereitet die Unterlagen bzw. Checklisten vor. Persönliche Unterweisungen mit den Arbeitnehmern führt die Sicherheitsfachkraft nicht durch. Eine Evaluierung der Baustelle durch die Sicherheitsfachkraft fand nicht statt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist durch die dem Akt beigeschlossenen Fotos von der Unfallstelle erwiesen sowie durch die Einvernahme der Zeugen. Die Zeugen haben einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Es besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen. Auch sind die Aussagen in wesentlichen Bereichen übereinstimmend. Es konnten daher diese Aussagen der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

Hingegen waren die weiteren beantragten Beweise nicht aufzunehmen, weil eine Unterweisung hinsichtlich der Gefahren der Freileitung durch den Arbeitgeber sowie die Beiziehung einer Elektrofachkraft durch den Arbeitgeber nicht vorgebracht und behauptet wurde. Weiters ist keine mechanische Begrenzung an der Arbeitsbühne hinsichtlich der seitlichen Bewegung und in die Höhe aufgrund der Schilderungen der Arbeitsvorgänge durch den Arbeitnehmer sowie der vorgefundenen Position der Arbeitsbühne anlässlich der Unfallsaufnahme dokumentiert und eine Begrenzung sowohl in seitlicher Schwenkung als auch in der Höhe der Freileitung nicht verwendet worden. Auch wurde seitens der Zeugin x hinsichtlich der Bestellung der Hebearbeitsbühne keine spezielle Begrenzung oder dergleichen bei der Arbeitsbühne verlangt, zumal die Freileitung gar nicht Thema war und von ihr auch nicht beachtet und gesehen wurde.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 34 Abs.4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – AschG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010, sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um jegliches gefahrbringendes Annähern der Arbeitnehmer und der Arbeitsmittel an diese Leitungen sowie Stromschlag durch diese Leitungen zu verhindern, wenn Arbeitsmittel unter oder in der Nähe von elektrischen Freileitungen aufgestellt oder benutzt werden.

 

Aufgrund unter anderem des § 34 Abs.3 und 4 ASchG wurde die Elektroschutzverordnung 2003 – ESV 2003, BGBl. II Nr. 424/2003, erlassen.

 

Gemäß § 6 Abs.2 ESV 2003 dürfen im Bereich von nicht für Betriebzwecke errichteten, nicht isolierten Freileitungen nur Arbeitsmittel verwendet werden, durch deren Höhe und Reichweite ein gefahrbringendes Annähern an diese Leitungen nicht möglich ist, soweit ein solches Annähern nicht durch andere Maßnahmen verhindert ist.

 

Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass am 21.7.2010 auf der Baustelle x KG in x der Arbeitnehmer x der Firma xgesellschaft mbH mit Sitz in x, zum Zweck der Reinigung der Jalousien und Fenster im ersten Obergeschoss der ostseitigen Gebäudefassade, ein Arbeitsmittel, nämlich eine Anhängerarbeitsbühne mit Arbeitskorb, in Betrieb nahm und verwendete, wobei sich diese Anhängerarbeitsbühne mit Arbeitskorb im Bereich der nicht für Betriebszwecke errichteten, nicht isolierten 30 kV-Freileitung befand, und keine Maßnahmen getroffen waren, um ein gefahrbringendes Annähern des Arbeitnehmers und des Arbeitsmittels an diese Leitungen zu verhindern. Insbesondere wurde nicht ein Arbeitsmittel verwendet, durch dessen Höhe und Reichweite ein gefahrbringendes Annähern an diese Leitungen nicht möglich ist. Wie das Beweisverfahren, insbesondere auch die Fotos gezeigt haben, war eine Fortbewegung des Arbeitsmittels in jede Richtung sowie auch ein Ausfahren des Arbeitsarmes mit dem Arbeitskorb sowohl in die Höhe als auch seitlich in jede Richtung möglich. Spezielle Anweisungen betreffend die 30 kV-Freileitung sowie auch entsprechende Maßnahmen im Hinblick auf die Freileitung wurden nicht getroffen. Es ist daher der Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens ist allerdings die erwiesene Tatsache entgegenzuhalten, dass der Arbeitnehmer zwar hinsichtlich der Türe zum elektrischen Betriebsraum unterwiesen wurde, dass aber von der für die Baustelle zuständigen Frau x die Freileitung nicht berücksichtigt wurde und daher auch diesbezüglich keine Anweisungen getroffen wurden. Auch wurde bei der Besprechung und Auswahl des Arbeitsmittels auf die Freileitung nicht Bezug genommen. Es wurden daher keinerlei Maßnahmen gesetzt, die ein gefahrbringendes Annähern an diese Leitung verhindern können. Es ist ja dann auch tatsächlich zu einer gefahrbringenden Annäherung gekommen, was auch beim Elektrizitätsversorgungsunternehmen registriert wurde.

 

5.2. Der Bw macht mangelndes Verschulden geltend, weil der Arbeitnehmer bei Arbeitseintritt allgemeine Sicherheitsunterweisungen erhalten habe und dies auch unterschriftlich bestätigt habe, und auch von der Lieferfirma der Arbeitsbühne hinsichtlich der Arbeitsbühne unterwiesen hätte werden müssen. Auch habe die für die Baustelle verantwortliche Frau x eine Baustellenbegehung mit dem Arbeitnehmer vorgenommen und ihn unterwiesen.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Grunde dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus. Insbesondere reicht es nicht aus, dass Arbeitnehmer jährlich allgemeine Schulungen haben. Vielmehr ist auch jede konkrete Baustelle hinsichtlich der Gefahren zu erheben und mit den Arbeitnehmern zu besprechen und es sind entsprechende Maßnahmen zu setzen, die die Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen hintanhalten. Wie aber das Beweisverfahren einwandfrei gezeigt hat, wurde die Freileitung nicht registriert und daher auch nicht als Gefahrenquelle erkannt und nicht in die Baustellenbesprechung mit dem Arbeitnehmer einbezogen. Auch wurde hinsichtlich der Auswahl des Arbeitsmittels und hinsichtlich der Bestellung des Arbeitsmittels auf die Freileitung nicht Bedacht genommen und wurden daher auch keine entsprechenden Maßnahmen beim Arbeitsmittel getroffen. Insbesondere wurde keine elektrotechnische Fachkraft hinsichtlich der Gefahrenerkennung beigezogen und zu Maßnahmen befragt. Vielmehr hat das Beweisverfahren ergeben, dass der Arbeitnehmer zwar zu einer im Erdgeschoss befindlichen Tür zu einem elektrischen Betriebsraum hingewiesen und belehrt und auf die Gefahr hingewiesen wurde. Auf die Gefahr der Freileitung wurde er nicht hingewiesen und hatte er keine Unterweisungen hinsichtlich elektrischer Leitungen. Im Beweisverfahren kam aber auch hervor, dass der Bw am 21.7.2010 nicht auf der Baustelle war und jedenfalls keine Anweisungen auf der Baustelle getroffen hat. Es ist daher dem Bw im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5, nicht gelungen, ein wirksamen Kontrollsystems darzustellen und diesbezüglich aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Insbesondere wurde nicht nachgewiesen und vielmehr auch gar nicht behauptet, welche Maßnahmen und Anordnungen der Bw hinsichtlich der für die Baustelle zuständigen Frau x getroffen hat und wie der Bw die zuständige verantwortliche Frau x auch tatsächlich hinsichtlich der Einhaltung kontrollierte. Vielmehr hat sich gezeigt, dass Frau x selbständig tätig war und eine Anordnung des Bw an Frau x nicht vorlag. Auch zeigte sich, dass hinsichtlich der Arbeitssicherheit zwar im Unternehmen eine Sicherheitsfachkraft im gesetzlichen Ausmaß beschäftigt wurde, dass diese eine Checkliste für die Besprechungen der Baustellen erstattet hatte, dass aber in dieser Checkliste entsprechende Anordnungen und Maßnahmen hinsichtlich elektrischer Leitungen bzw. das Annähern an Freileitungen nicht vorgesehen waren. Es kann daher vom erkennenden Verwaltungssenat nicht gefunden werden, dass der Bw als Arbeitgeber seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Arbeitnehmerschutzbestimmungen in ausrechendem Maß nachgekommen ist und daher eine Sorgfaltsverletzung vorgelegen ist. Es liegt daher Verschulden des Bw, nämlich zumindest sorgfaltswidriges fahrlässiges Verhalten vor.

 

Eine Unterweisung hinsichtlich des Gerätes ist unabhängig von der speziellen Situation der Freileitung jedenfalls erforderlich. Diese ersetzt aber nicht eine Unterweisung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber im Hinblick auf die spezielle Situation hinsichtlich der Freileitung. Es ist daher jedenfalls von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die geschätzten persönlichen Verhältnisse dem Bw vorgeworfen, nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 3.500 Euro und keine Sorgepflichten. Sie hat keine Strafmilderungsgründe berücksichtigt. Diesen Umständen wurde auch in der Berufung und in der mündlichen Verhandlung nichts entgegengesetzt. Sie können daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Auch kamen während des Berufungsverfahrens keine anderen oder neueren Strafbemessungsgründe hervor. Vielmehr ist auf den besonderen Unrechtsgehalt der Tat hinzuweisen, nämlich dass auf die Freileitung bei der Baustelle überhaupt nicht Bedacht genommen wurde und daher in massivem Ausmaß gegen die schützenswerten Interessen verstoßen wurde. Auch sind nachteilige Folgen, nämlich die Verletzung des Arbeitnehmers, eingetreten. Dies hat auch in der Strafbemessung Niederschlag zu finden. Schließlich war auch darauf Bedacht zu nehmen, dass im Rahmen des Verschuldens auf elektrische Leitungen bzw. Freileitungen in der Betriebsorganisation nicht Beacht genommen wurde.

Die verhängte Geldstrafe befindet sich im unteren Bereich des gesetzlichen Höchstrahmens und kann daher nicht als überhöht gewertet werden. Vielmehr ist sie im Hinblick auf die schweren nachteiligen Folgen tat- und schuldangemessen und auch den überdurchschnittlichen persönlichen Verhältnissen des Bw angepasst. Es konnte daher die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt werden.

 

Da Milderungsgründe nicht vorliegen, war auch nicht von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG auszugehen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher auch von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht Gebrauch zu machen. Überdies ist auch die Voraussetzung der unbedeutenden Folgen der Tat nicht gegeben.

 

5.4. Die Spruchkorrektur ist in den gesetzlichen Bestimmungen begründet. Zur Rechtsgrundlage ist weiters auszuführen, dass die vom Bw eingewendete ESV 2009 tatsächlich nie kundgemacht wurde und daher auch nie in Kraft getreten ist. Diese ist daher nicht anzuwenden.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Elektroschutzverordnung 2003; keine Kundmachung der Elektroschutzverordnung 2009 – ESV 2009; kein Annäherungsschutz

 

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