Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150847/12/Lg/Hue/Ba

Linz, 09.06.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 13. April 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Be­rufung des X gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 20. Jänner 2011, Zl. BauR96-603-2009/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen.

II.              Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 15 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 20, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er am 14. Juni 2009, 15.17 Uhr, als Lenker des Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen X die A1 bei km 172.020, Gemeinde Ansfelden, in Fahrtrichtung Staatsgrenze Walserberg, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen betrage, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Am Kfz sei keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass zwei Zeugen bestätigen könnten, dass die Maut noch in Deutschland entrichtet worden sei. Der Bw habe die Beweisfotos einem Rechtsbeistand übergeben, um diese überprüfen zu lassen. Weitere Beweismittel würde der Bw seinem Rechtsbeistand und der Deutschen Polizei zur Verfügung stellen.

Als Beilage sind 3 Fotoaufnahmen angeschlossen.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 14. September 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 BStMG sei dem Zulassungsbesitzer am 21. Juli 2009 schriftlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (fristgerecht) entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 24. September 2009 brachte der Bw vor, dass er bereits mehrmals gebeten hätte, ihm Beweise für den Tatvorwurf vorzulegen. Laut BStMG sei vor Reiseantritt eine Vignette zu erwerben, was erfolgt sei. Die Vignette klebe gut sichtbar am Kfz. Der Kauf der Vignette könne per Kontoauszug nachgewiesen werden. Falls "Betreibungsmaßnahmen" gegen den Bw erhoben werden sollten, werde der Bw die Angelegenheit seinem Rechtsbeistand und den Medien übergeben, was ein großes Öffentlichkeitsinteresse in Deutschland wecken werde, da die wenigsten Urlauber über "solche Vorgehensweisen" informiert seien. Es habe den Anschein, als ob  Österreich auf Kosten deutscher Urlauber seine Strassen sanieren wolle. Dies sei der letzte Urlaub des Bw in Österreich gewesen.

 

Einer zusätzlichen ASFINAG-Stellungnahme vom 25. Februar 2010 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass die Vignette nicht aufgeklebt worden sondern auf dem Armaturenbrett gelegen sei, weshalb auch noch das aufgedruckte "X" der Trägerfolie zu sehen sei.

Als Beilage sind drei Beweisfotos angeschlossen.  

 

Dazu wurde vom Bw – trotz eingeräumter Möglichkeit – keine Stellungnahme abgegeben.  

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Auf Anforderung übermittelte die ASFINAG am 8. April 2011 dem Oö. Verwaltungssenat die Beweisbilder in digitaler Originalqualität.

 

5. Einen Tag vor der Berufungsverhandlung erreichte den Unabhängigen Verwaltungssenat eine Stellungnahme des Bw, in der er sein Fernbleiben von der Verhandlung aus beruflichen Gründen entschuldigt und nach Darlegung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse vorbringt, dass eine namentlich genannte Person bestätigen könne, dass die Maut in Form einer 10-Tages-Vignette vor der österreichischen Grenze bezahlt worden sei. Obwohl mehrere "Kontrollpunkte des Landes Österreich" passiert worden seien, sei er erst bei der Rückfahrt am Tatort "am letzten Kontrollpunkt" fotografiert worden. Seit dem 22. Juli 2009 habe der Bw mehrere Zahlungsaufforderungen, Vollstreckungs- und Haftandrohungen erhalten, welchen der Bw jedes Mal widersprochen hätte, da er sich keiner Schuld bewusst sei. Bereits in der Vergangenheit hätte der Bw zu seiner Entlastung Fotos versendet. Auf diesen sei eindeutig zu erkennen, dass der Bw eine gültige Vignette besitze. Fast ein Jahr später habe der Bw (ASFINAG-)Fotoaufnahmen zugesandt erhalten. Auf einigen dieser Fotos sei die Vignette eindeutig erkennbar. Ein Foto zeige "keine Erkennbarkeit welches Zeitgleich mit einem weitern Foto gemacht wurde, nämlich am 14.06.2009 um 13:17:18 wo wiederum die Vignette erkennbar ist. Da es sich hier (18) um Sekunden handelt würde mich interessieren wie es Technisch möglich ist mehrere Fotos in einer Sekunde zu machen". Nach der Aussage mehrerer Experten sei es unmöglich, zeitgleich mehrere Aufnahmen im Sekundentakt anzufertigen. Dies sei nur mit einer Fotobearbeitung möglich.

Mittlerweile hätte der Bw einen namentlich genannten Rechtsbeistand mit dieser Angelegenheit beauftragt. Dieser werde sich gegebenenfalls nochmals mit dem Oö. Verwaltungssenat in Verbindung setzen. Der Bw ersuchte, diesem Rechtsbeistand Akteneinsicht zu gewähren.

Beantragt wurde die Einstellung des Verfahrens oder "ein Urteil zu meinen Gunsten".

 

6. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Verhandlungsleiter zunächst fest, dass keiner der geladenen Parteien erschienen ist. Weiters wurde festgestellt, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine automatische Vignettenkontrolle gehandelt hat.

 

Auf die Frage, welche Schlüsse er aus den im Akt einliegenden Fotos ziehen kann und zu den Zweifeln des Bw, ob die ASFINAG-Fotos technisch richtig aufgenommen worden seien, antwortete der verkehrstechnische Amtssachverständige, dass das erste ASFINAG-Foto ein Überblicksfoto sei. Man sehe, dass in Fahrtrichtung gesehen, links unten eine Vignette auf dem Armaturenbrett liege. Auf einem Frontalfoto sehe man das Kfz-Kennzeichen und auf einem Detailfoto sei zudem auf der Vignette eindeutig das "X" sichtbar. Daraus sei eindeutig erschließbar, dass die Trägerfolie nicht abgelöst worden sei. Die mobile Vignettenkamera verfüge über zwei Objektive, wobei das eine das Überblicksfoto und das andere das Detailfoto liefere. Die mobilen Vignettenkameras würden von der Brücke ab- bzw. aufgehängt. Wenn keine Kamera montiert sei, würden eben auch keine Fotos angefertigt. Selbst bei handelsüblichen Fotoapparaten bzw. Videokameras seien mehr als 25 Fotos/Sekunde möglich. Manche Apparate könnten sogar 1000 Bilder/Sekunde erzeugen. Gegenständlich sei deshalb überhaupt kein Problem darin zu erblicken, dass mehrere Fotos in einer Sekunde angefertigt worden sind.

Wenn der Bw Fotos vorlegt, auf denen die Vignette aufgeklebt ersichtlich sei, müssen diese aus der Zeit nach der hier gegenständlichen Kontrolle stammen.

 

7. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

7.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.   

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6). 

 

7.2. Unbestritten ist die Lenkereigenschaft des Bw zur Tatzeit.

 

Der Bw behauptet, auf dem Kfz wäre zur Tatzeit eine gültige Vignette angebracht gewesen. Dazu wurde vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten in der Berufungsverhandlung näher dargelegt, dass die Vignette nicht von der Trägerfolie abgezogen und auf dem Armaturenbrett abgelegt wurde, weshalb auch das auf der Trägerfolie aufgedruckte "X" auf den Beweisfotos ersichtlich ist. Die Bedenken des Bw hinsichtlich der Aussagekraft der ASFINAG-Fotoaufnahmen teilt der Amtssachverständige aus den in der Verhandlung näher dargelegten Gründen nicht. Der Unabhängige Verwaltungssenat hegt an der Richtigkeit, Schlüssigkeit und Vollständigkeit dieses Gutachtens – dem der Bw auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist – keinerlei Zweifel. Es steht somit fest und ist erwiesen, dass die gegenständliche 10-Tages-Vignette entgegen Punkt 7.1 der Mautordnung nicht aufgeklebt sondern lediglich auf das Armaturenbrett gelegt wurde. Der Bw hat somit das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.  

 

Eine zeugenschaftliche Einvernahme der angebotenen Zeugin war entbehrlich, da der Oö. Verwaltungssenat nicht anzweifelt, dass der Bw die 10-Tages-Vignette vor Befahren einer mautpflichtigen Strecke ordnungsgemäß gekauft hat.

 

Die vom Bw vorgelegten Fotos zeigen eindeutig nicht das Erscheinungsbild der Vignette zum Kontrollzeitpunkt, weshalb sie zu seiner Entlastung untauglich waren.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigend würde eine eventuelle Rechtsunkenntnis bzw. eine Unkenntnis der Anbringungsvorschriften für Vignetten wirken. Auch ein ausländischer Lenker ist dazu verpflichtet, sich mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung mautpflichtiger Strecken auf geeignete Weise vertraut zu machen. Es sei von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass der Bw verabsäumt hat, sich über die Notwendigkeit des Abziehens der Vignette von der Trägerfolie in Kenntnis zu setzen.

 

Zur Strafbemessung ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis die gesetzliche Mindestgeldstrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, weshalb die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw ohne Relevanz sind. Mildernd ist die (bei ausländischen Lenkern häufig gegebene) Unbescholtenheit zu werten. Im Hinblick darauf, dass als weiterer Milderungsgrund der Besitz einer gültigen 10-Tages-Vignette zur Tatzeit kommt (und die Missbrauchsgefahr bei einer Tagesvignette – Mehrfachverwendung auf verschiedenen Kfz – aufgrund der kurzen Gültigkeitsdauer der Vignette wesentlich geringer als bei einer nicht angebrachten Jahresvignette ist), erscheint es vertretbar unter Ausschöpfung des außerordentlichen Milderungsrechts (§ 20 VStG) die Strafe auf die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Mindestmaßes herabzusetzen. Die Tat bleibt aber nicht  so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens) dafür nicht gegeben sind: Wegen der Tatsache, dass für eine Vignette der Kaufpreis dereinst bezahlt wurde, kann nicht auf unbedeutende Folgen der Übertretung geschlossen werden. Die Nichtentrichtung der zeitabhängigen Maut vor Benützung einer Mautstrecke iS einer nicht ordnungsgemäßen Anbringung ist eo ipso erheblichen Tatfolgen gleichzusetzen. Hinsichtlich des Verschuldens ist – im Zweifel – zugunsten des Bw davon auszugehen, dass er mit den einzelnen Rechtsvorschriften nicht vertraut war, was dazu führt, dass das Verhalten des Bw zumindest als nicht unerheblich fahrlässig einzustufen ist. Dieser Verschuldensgrad ist jedoch durchaus deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

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