Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165690/14/Bi/Eg

Linz, 20.06.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 11. Jänner 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Wels-Land vom 23. Dezember 2010, VerkR96-5574-2010, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 16. Juni 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 110 Euro (96 Stunden EFS) verhängt, weil er am 19. April 2010, 21.18 Uhr, auf der A1 bei km 192.150, RFB Wien, Gemeindegebiet Sipbachzell, mit dem Pkw X, die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 34 km/h überschritten habe, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 11 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 16. Juni 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und der Zeugen Herrn X (H) und Meldungsleger X (Ml), API X, sowie des kfztechnischen Amtssachverständigen X (SV) durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt, eben­so der Zeuge X (RI G). Auf die mündliche Verkündung der Berufungs­­entscheidung wurde verzichtet.

 

3. Der Bw macht unter Hinweis auf den von ihm geschilderten Sachverhalt im Wesentlichen geltend, der von ihm beantragte Zeuge H sei nicht einvernommen worden. Er verwehre sich gegen die unterschwellige Anschuldigung, er erhebe Berufung wegen finanzieller Vorteile. Es könne auch der Beamte einem – natür­lich ungewollten – Irrtum unterlegen sein; ein Irrtum sei nicht zweifelsfrei auszuschließen. Er verwehre sich auch gegen die Feststellung in der Begründung des Straferkenntnisses, den Aussagen des Beamten sei ein höherer Wahrheits­gehalt zu unterstellen als seinen Angaben.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtene Straferkenntnisses berück­sichtigt, die oben genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheits­pflicht des § 289 StGB einvernommen, Messprotokoll und Eichschein erörtert und unter Miteinbeziehung des Digitalen Oberösterreichischen RaumInformationsSystems (DORIS) ein kfztechnisches Gutachten durch den AmtsSV erstellt wurde.    

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am 19. April 2010 gegen 21.18 Uhr den Pkw X auf der A1 aus Richtung Salzburg kommend in Richtung Wien. Etwa zu dieser Zeit waren der Ml und RI G bei der Betriebsausfahrt bei km 191.870 im Begriff, mit Laser­messungen zu beginnen. RI G war der Lenker des Polizeifahrzeuges, eines VW Sharan mit etwa 200 PS, der im rechten Winkel zur RFB Wien mit laufendem Motor und Standlicht abgestellt wurde. Der Ml war Beifahrer und Messbeamter und begann laut Messprotokoll um 21.10 Uhr nach Durchführung der von ihm in der Verhandlung genau beschriebenen Einstiegstests mit den Messungen der in Richtung Wien fahrenden Fahrzeuge mittels Lasermessgerät LTI 20.20 TS/KM-E Nr.7398, zuletzt geeicht vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen am 13. Juni 2007 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2010. Der dortige Abschnitt der RFB Wien ist dreispurig und der Fahrbahnverlauf annähernd eben und gerade. Der Ml ist im Umgang mit derartigen Lasermessgeräten geschult und aufgrund seiner Tätigkeit bei der API X seit 2008 auch geübt. Er führte nach seinen Angaben die Lasermessungen vorne am Lenker vorbei so aus, dass er die von links ankommenden Fahrzeuge im Bereich zwischen den beleuchteten Schein­werfern anvisierte, wobei er bei einem Pkw um 21.18 Uhr einen Messwert von 170 km/h erreichte, was auch am Piepston des Geräts für den Lenker zu hören war, der sofort die Nachfahrt begann. Im Vorbeifahren erkannte der Ml im Scheinwerferlicht des Polizeifahrzeuges als gemessenes Fahrzeug aufgrund der charakteristischen Rücklichter einen hellen Skoda mit einem Wiener Kenn­zeichen, dessen Lenker die Fahrt augenscheinlich mit gleichbleibender Geschwin­dig­keit fortsetzte.

 

Das damalige Verkehrs­aufkommen hat der Bw als stark beschrieben, wobei auf der rechten Spur Lkw unterwegs waren. Der Bw führte aus, aufgrund des kurz zuvor in Island aus­ge­brochenen Vulkans und der damit verbundenen Streichung von Flügen hätten er und der Zeuge H mit dem Pkw die Rückfahrt nach Wien angetreten. Dabei sei er mit etwa 130 bis 140 km/h meist auf der mittleren Spur gefahren, allerdings auch links, wenn einer der Lkw überholt habe. Der Zeuge H bestätigte das in der Berufungsverhandlung, wobei er auch angab, er habe sich mit seinem Handy beschäftigt und nicht auf das Verkehrsgeschehen geachtet. Ein Polizeifahrzeug sei ihm nicht aufgefallen.

Das Polizeifahrzeug beschleunigte noch auf dem Pannenstreifen, reihte sich in den Verkehr ein und beschleunigte auf der mittleren Spur weiter, wobei nach den Berechnungen des SV von 0 auf 200 km/h etwa 30 Sekunden ver­gingen.

 

Nach den Ausführungen des Ml war diesem klar, dass es sich beim gemessenen Fahrzeug um einen Skoda mit von ihm als auffallend beschriebenen Rücklichtern handelte. Nach seinen Schilderungen behielt er den gemessenen Pkw im Blick, schloss einen Fahrstreifenwechsel dieses Pkw auf der Beschleunigungsstrecke aus und beobachtete schließlich, als sich das Polizeifahrzeug schon direkt hinter dem Pkw befand, dessen Fahrstreifenwechsel nach rechts. Die Anhaltung erfolgte durch Zeichen mittels rot beleuchteter Anhaltekelle durch das Beifahrerfenster auf der Fahrerseite des anzuhaltenden Pkw, das war der vom Bw gelenkte. Dem Bw war ein Polizeifahrzeug nach eigenen Angaben bereits bei der Annäherung an den Standort bei km 191.870 aufgefallen – beleuchtete quer abgestellte Fahr­zeuge an der Autobahn verbindet der Bw nach eigenen Aussagen sofort mit Polizei – jedoch war er überrascht, dass er angehalten wurde, weil er nach eigenen Angaben seine Geschwindigkeit von etwa 130 bis 140 km/h gefahren war. Auch der Zeuge H bestätigte gefühlsmäßig, dass der Bw nicht mit 170 km/h gefahren sei.

Der Ort der folgenden Amtshandlung geht weder aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt hervor, noch konnten der Ml oder der Bw oder der Zeuge H diesen konkret bezeichnen. Der Ml gab lediglich an, die nächste Pannenbucht sei sich nicht mehr ausgegangen. Der Ml zeigte dem Bw und dem Zeugen H die Display­anzeige, die unbestritten "170" gelautet hatte. 

Der Bw bestritt sofort die ihm vorgehaltene Geschwindigkeit dieser Größen­ordnung und hielt dem Ml vor, es gebe keinen Beweis, dass dieser Messwert von seinem Fahrzeug stamme. Der Ml bestätigte, bei der Nachfahrt habe er den gemessenen Pkw ständig im Auge gehabt und es sei auch der gemessene Pkw, ein Skoda Octavia mit Wiener Kennzeichen angehalten worden. Der Ml gab außerdem an, dass er nicht ausschließen könne, dass sich zwischen dem verfolgten Pkw und dem Polizei­fahrzeug mehrere Fahrzeuge befunden haben, die aber nicht vom gemessenen Pkw überholt worden seien, sondern die sich dort eingeordnet hätten.

 

Im DORIS ist ersichtlich, dass sich sowohl ca 3.5 km als auch ca 7 km nach dem Standort des Polizeifahrzeuges Pannenbuchten befinden; in welcher Pannenbucht der Bw angehalten wurde, ließ sich nicht eruieren. Nach den Berech­nungen des SV hätte sich, wäre der vom Bw gelenkte Pkw das gemessene Fahrzeug gewesen, bis zur Beschleunigung des Polizeifahrzeuges auf 200 km/h unter Beibehaltung der ca 170 km/h des Pkw ein Abstand von rechnerisch 835 m ergeben; das ergäbe eine Anhaltemöglichkeit in der Pannenbucht nach 7 km aufgrund der rechnerischen Aufholstrecke von ca 4.900 m. Im Fall einer Geschwindigkeit von ca 140 km/h hätte sich der Abstand bei Erreichen von 200 km/h des Polizeifahrzeuges auf rechnerisch 334 m verringert; das ergäbe eine Anhaltemöglichkeit nach ca 3 km bei einer Aufholstrecke von ca 2.500 m. In beiden Fällen ist aber aufgrund der Dunkelheit davon auszugehen, dass für den Ml lediglich in der Entfernung Rücklichter im Sinne beleuchteter Licht­quellen zu sehen waren, die aber keine Zuordnung zu Fahrzeugtypen aufgrund von Besonderheiten ermöglicht haben.

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens besteht kein Zweifel an der Richtig­keit der vom Ml mit einem ordnungsgemäß geeichten Messgerät auf eine zulässige Entfernung von 280 m durchge­führten Lasermessung. Erhebliche Zweifel bestehen aber dahingehend, dass tatsächlich das gemessene Fahrzeug angehalten wurde. Dabei ist richtig, dass ein Skoda besonders – nämlich C-förmig mit einem mittig befindlichen Blinker – gestaltete Rück­lichter aufweist, die sich in der Form von Rücklichtern anderer Fabrikate unter­scheiden. Tatsächlich hatte der Ml bei der Beobachtung des am Polizeifahrzeug vorbei­fahrenden Fahrzeuges aufgrund der Dunkelheit nur die Unterscheidung eines Kennzeichens, beginnend mit W-..., und eines hellen Skoda aufgrund der Rücklichtform.

 

Ein Im-Blick-Behalten eines konkreten Pkw auf eine Entfernung von günstigsten­falls über 300 m auf einer stark befahrenen dreispurigen Richtungsfahr­bahn bei Dunkelheit ist aber nicht plausibel, schon gar nicht auf einen Abstand von über 800 m, wenn man die Beibehaltung etwa der Messgeschwindigkeit von nach Toleranzabzug 164 km/h zugrundelegt. Selbst wenn der Ml das Polizeifahrzeug nicht selbst gelenkt hat und er sich als Beifahrer deshalb auf das verfolgte Fahrzeug konzentrieren konnte, wobei ihm penibelste Genauig­keit und beste Absichten zuzuerkennen sind, ist ihm, wenn, wie er selbst glaub­haft ausgeführt hat, andere Pkw sich zwischen dem verfolgten Pkw und dem Polizeifahrzeug befunden haben, die ihrerseits den Fahrstreifen gewechselt haben, während das verfolgte Fahrzeug auf dem mittleren Fahrstreifen blieb, in rechtlicher Hinsicht letztlich die genaue Zuordnung des letztlich angehaltenen vom Bw gelenkten hellblauen Skoda Oktavia mit Wiener Kennzeichen als das gemessene Fahrzeug nach Zurück­­­legung einer Strecke von zumindest 2.500 m, dh bis zur unmittel­baren Nachfahrt, nicht mit der für ein Verwaltungs­straf­verfahren erforderlichen Sicherheit zuzumuten. Eine Verwechslung mit einem zufällig dort fahrenden hellen Wiener Skoda Octavia ist auf dieser Grundlage nicht völlig auszuschließen, weshalb im Zweifel zugunsten des Bw spruchgemäß zu entscheiden war, wobei Verfahrens­kostenbeiträge naturgemäß nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

 

Lasermessung 130 km/h Bereich Autobahn, 3spurige RFB, Dunkelheit, Messung nach Abzug 164 km/h -> Nachfahrt – Unterscheidung der Rücklichter aus Entfernung von mindestens über 300 m und Zuordnung Skoda mit Wiener Kennzeichen ("W……", Rest unlesbar) nicht glaubwürdig, daher Verwechslung von gemessenen PKW nicht auszuschließen -> Einstellung im Zweifel

 

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