Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231198/2/Gf/Mu

Linz, 28.06.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der x, vertreten durch RA x, gegen das aus Anlass einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes ergangene Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. November 2010, Zl. Sich40-28457-2010, zu Recht:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 8 Stunden neu festgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es in dessen Spruch anstelle der Wendung "seit dem 11.09.2010 jedenfalls bis zum 22.09.2010" nunmehr "jedenfalls am 16. September 2010" zu heißen hat.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 7 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat die Berufungswerberin keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; 65 Abs. 1VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. November 2010, Zl. Sich40-28457-2010, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geld­strafe in Höhe von 1.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Wochen; Verfahrenskostenbeitrag 150 Euro) verhängt, weil sie sich vom 11. September 2010 bis zum 22. September 2010 als Fremde unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 31 i.V.m. § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG) begangen, weshalb sie nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen zweifelsfrei ergeben habe, dass sich die Beschwerdeführerin im Tatzeitraum im Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne über einen gültigen Aufenthaltstitel zu verfügen.

1.2. Gegen dieses ihr am 1. Dezember 2010 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 13. Dezember 2010 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – eingewendet, dass sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides insofern ein zu dessen Rechtswidrigkeit führender Widerspruch ergebe, als der Beschwerdeführerin mit diesem zunächst angelastet wird, dass sie sich „seit dem 11.09.2010 jedenfalls bis zum 22. September 2010“ unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, während in dessen letzten Satz festgestellt wird, dass sie sich „trotz schriftlicher Aufforderung vom 01.06.10, das Bundesgebiet ... freiwillig bis zum 6. Juni 2010 zu verlassen, ... immer noch seit dem 7. Juni 2010 illegal" in Österreich aufhalte. Davon abgesehen würden auch die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht zutreffen. Denn tatsächlich habe die Rechtsmittelwerberin bereits am 10. September 2010 mit ihrem minderjährigen Kind das Bundesgebiet verlassen, indem sie mit ihrem Vater nach Kroatien zurückgekehrt sei. Da sie allerdings ihre Dokumente in Österreich vergessen und ihr Ehegatte in einem Lokal habe arbeiten müssen, sodass er ihr die Dokumente deshalb nicht habe nachbringen können, sei sie für einen kurzen Zeitraum nach Österreich zurückgekehrt. Außerdem sei ihr am 22. September 2010 kein Schriftstück übergeben worden; vielmehr habe dieses ihr Ehegatte übernehmen müssen, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr im Bundesgebiet aufgehalten habe. Darüber hinaus liege auch insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, als die Erstbehörde sämtliche Beweisanträge missachtet und hierfür keinerlei Begründung angegeben habe. Weiters sei im vorliegenden Fall weder im Interesse der öffentlichen Ordnung noch aus spezialpräventiven Gründen eine Bestrafung der Beschwerdeführerin geboten. Bezüglich der Strafbemessung wird schließlich vorgebracht, dass insoweit eine Abwägung seitens der belangten Behörde tatsächlich unterblieben sei. Denn sie sei unbescholten sowie vermögens- und einkommenslos und für ein minderjähriges Kind sorgepflichtig, sodass sich die verhängte Geldstrafe, insbesondere aber auch die drohende Ersatzfreiheitsstrafe, jedenfalls als zu hoch erweise.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafhöhe bzw. ein Absehen von der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich40-28457-2010; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

 

3.2. Soweit die Beschwerdeführerin zunächst einen Spruchmangel vorbringt, ist ihr entgegenzuhalten, dass der von ihr relevierte inhaltliche Widerspruch tatsächlich deshalb nicht vorliegt, weil mit dem letzten Satz des Spruches nur zum Ausdruck gebracht wird, dass sie dazu verpflichtet gewesen wäre, das Bundesgebiet bereits bis zum 6. Juni 2010 zu verlassen, sodass ihr weiterer Aufenthalt grundsätzlich schon ab dem 7. Juni 2010 illegal war. Dadurch, dass die belangte Behörde aber von einem späteren Tatzeitraum – nämlich: ab dem 11. September 2010 – ausgegangen ist, wobei dieser Umstand in der Einleitung des Spruches ohnehin entsprechend (nämlich mit dem aufgrund einer polizeilichen Meldung ab dem 10. Juni 2010 für 90 Tage währenden sichtvermerksfreien Aufenthaltsrecht) erläutert wird, konnte sie aber weder in ihren Verteidigungsrechten noch in sonstigen Rechten verletzt worden sein.

 

3.3. In der Sache wendet sich die Rechtsmittelwerberin im vorliegenden Fall dagegen, dass sie sich vom 11. bis zum 22. September 2010 widerrechtlich in Österreich aufgehalten habe, wobei sie als Rechtsfertigungsgrund hierzu vorbringt, dass sie bereits am 10. September 2010 das Bundesgebiet verlassen habe und nur am 16. September 2010 deshalb nach Österreich zurückgereist sei, weil sie hier ihre Dokumente vergessen habe.

 

In diesem Zusammenhang geht aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt hervorgeht, dass sie bei einer am 16. September 2010 von Polizeibeamten durchgeführten Nachschau tatsächlich noch an der Meldeadresse angetroffen wurde. Damit steht aber allseits unstrittig fest, dass sie sich jedenfalls an diesem Tag ohne gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet befunden und insoweit tatbestandsmäßig gehandelt hat.

 

In diesem Zusammenhang vermag ihre Rechtfertigung dahin, dass an diesem Tag nur ihre Dokumente holen wollte, auch keinen Entschuldigungsgrund bilden, zumal sie selbst kein Argument vorgebracht hat, das i.S. einer dringenden Notlage dagegen gesprochen hätte, dass ihr Ehemann diese Dokumente per Post nachsendet oder persönlich nachbringt.

 

Da auch im Übrigen kein Anhaltspunkt erkennbar ist, der geeignet wäre, den Aufenthalt der Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt (16. September 2010) zu legalisieren, hat sie sohin tatbestandsmäßig i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. FPG und insoweit, als sie es in Kauf genommen hat, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet durch das Vorliegen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes tatsächlich nicht gedeckt ist, auch fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

 

Ihre Strafbarkeit ist daher gegeben.

3.4.1. Im Zuge der Strafbemessung ist allerdings zu beachten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt hat, dass u.a. die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hat, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B‑VG) nach Art. 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu.  Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH inhaltlich wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese gegenständlich insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs. 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs. 1 FPG zu Grunde zu legen.

3.4.2. Davon ausgehend findet es der Oö. Verwaltungssenat unter Berücksichtigung des nunmehr eingeschränkten Tatzeitraumes (1 Tag), der ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin sowie ihrer Sorgepflicht für ein minderjähriges Kind und der mittlerweile langen Verfahrensdauer daher als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe auf 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 8 Stunden herabzusetzen.

3.5. Insoweit war sohin der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es in dessen Spruch anstelle der Wendung "seit dem 11.09.2010 jedenfalls bis zum 22.09.2010" nunmehr "jedenfalls am 16. September 2010" zu heißen hat.

3.4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 7 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war der Berufungswerberin hingegen gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

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