Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240788/2/Gf/Mu

Linz, 28.06.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde der x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. Jänner 2011, Zl. SanRB96-50-1-2010, wegen einer Über­tretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 19. Jänner 2011, Zl. SanRB96-50-1-2010, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 30 Euro) verhängt, weil sie es als verantwortliche Beauftragte einer KG zu vertreten habe, dass von dieser am 11. November 2010 in einer Filiale in Schärding gebratene Fleischstücke, die lediglich eine Kerntemperatur von 45ºC bis 50ºC – anstelle der geforderten Heißhaltetemperatur von mindestens 70ºC – aufgewiesen hätten, in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe sie eine Übertretung des Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Z. 5 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, ABl L 139/2004 i.d.F. ABl L 87/2009 (im Folgenden: VO 852/2004) begangen, weshalb sie nach § 90 Abs. 3 Z. 1 des
Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 52/2009 (im Folgenden: LMSVG), zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die ihr angelastete Tat im Zuge einer Kontrolle durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan des Amtes der Oö. Landesregierung festgestellt und sohin als erwiesen anzusehen sei. Außerdem seien bereits zuvor, nämlich am 26. März 2009 und am 30. September 2010, zwei vergleichbare Verstöße wahrgenommen und das Unternehmen
damals jeweils schriftlich dazu aufgefordert worden, den Mangel der zu geringen Heißhaltetemperatur zu beheben. Schließlich könne auch nach den Angaben der Gerätehersteller die geforderte Temperatur von 70
ºC nur dann erreicht werden, wenn über 1000 W starke Heizungen eingebaut und/oder der innere Reflektor ausgetauscht wird.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin als mildernd zu berücksichtigen gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien. Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihr am 21. Jänner 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 27. Jänner 2011 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

 

Darin wendet die Beschwerdeführerin ein, dass sie – wenn und weil sie den Temperaturregler des Gerätes auf 90ºC eingestellt gehabt hatte – auch darauf habe vertrauen dürfen, dass dessen Wärmebrücke unschwer eine Heißhaltetemperatur von 70ºC erreichen würde. Außerdem sei in keiner Weise ermittelt worden, ob die festgestellte Temperaturunterschreitung nicht bloß kurzzeitig eingetreten und Konsumenten dadurch gefährdet waren. Schließlich finde sich der in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Schriftverkehr zwischen der belangten Behörde und dem Gerätehersteller weder im behördlichen Akt noch sei dieser der Rechtsmittelwerberin in sonstiger Weise bekannt gegeben worden.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu ein Absehen von der Strafe und stattdessen bloß die Erteilung einer Ermahnung beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zl. SanRB96-50-1-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. Teil 2 Z. 1 der Anlage zum LMSVG und i.V.m. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel IX Z. 5 der VO 852/2004 begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro bzw. im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, der Enderzeugnisse, die die Vermehrung pathogener Mikroorganismen fördern können, nicht bei einer Temperatur aufbewahrt, die einer Gesundheitsgefährdung keinen Vorschub leisten kann.

In dem mit Erlass des Bundesministers für Gesundheit, Familie und Jugend vom 19. Februar 2007, Zl. BMGF-75220/0003-IV/7/2007, veröffentlichten und als "Leitlinie für eine gute Hygienepraxis und die Anwendung der Grundsätze des HACCP in Einzelhandelsunternehmen" titulierten Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses beim BMGF (im Folgenden kurz: Gutachten) geht aus Beilage 16a (S. 57) unter dem Punkt "Gefahrenanalyse und ‑beherrschung 'warme Küche /heiße Theke'" hervor, dass Speisen nach dem Erhitzen oder Kochen "so heiß wie möglich, jedenfalls aber bei Temperaturen über 70ºC gehalten" werden sollen; "eine kurzfristige Temperaturunterschreitung kann toleriert werden, sofern die Lebensmittelsicherheit gewahrt bleibt."

3.2. Schon aus der Formulierung der letztgenannten Regelung, insbesondere aber auch aus deren Titel ("Leitlinie") und dem Umstand, dass diese bloß im Erlassweg bekannt gegeben wurde[1], ergibt sich, dass es sich insoweit nicht um eine im Außenverhältnis verbindliche Norm handelt und dieser somit schon von vornherein nicht die Rechtsqualität einer strafrechtlich sanktionierbaren Verhaltensanordnung zukommt.

Das einschreitende Aufsichtsorgan (und mit ihm auch die belangte Behörde) ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass der in Beilage 16a (S. 57) dieses Gutachtens empfohlenen Temperatur von 70ºC für das Heißhalten von Speisen die Qualität eines verbindlichen Grenzwertes zukommt.

Offensichtlich deshalb, weil von dieser unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen wurde, liegen daher im gegenständlichen Fall sonstige Ermittlungsergebnisse dafür, dass die von der Rechtsmittelwerberin bei einer Temperatur zwischen 40ºC und 50 ºC zum Verkauf bereit gehaltenen Speisen derart aufbewahrt gewesen wären, dass dadurch einer Gesundheitsgefährdung Vorschub geleistet wurde, nicht vor.

3.3. Daher war der gegenständlichen Berufung schon deshalb, weil der
Beschwerdeführerin mit dem bekämpften Straferkenntnis eine Tat vorgeworfen wurde, die in dieser Form keine Verwaltungsübertretung bildet, gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Erstbehörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

VwSen-240788/2/Gf/Mu vom 28. Juni 2011

Erkenntnis

 

VO (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene Art4 Abs2;

VO (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene AnhangII KapitelIX Z5;

LMSVG §90 Abs3 Z1;

LMSVG Teil2 Z1 der Anlage

 

 

Das mit Erlass des Bundesministers für Gesundheit, Familie und Jugend vom 19. Februar 2007, Zl BMGF-75220/0003-IV/7/2007, veröffentlichte, als "Leitlinie für eine gute Hygienepraxis und die Anwendung der Grundsätze des HACCP in Einzelhandelsunternehmen" titulierte Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses beim BMGF stellt keine im Außenverhältnis verbindliche Norm dar, der die Rechtsqualität einer strafrechtlich sanktionierbaren Verhaltensanordnung zukäme. Der in Beilage 16a (S 57) zu diesem Gutachten enthaltenen Empfehlung einer Temperatur von 70ºC für das Heißhalten von Speisen kommt daher nicht die Rechtsqualität eines verbindlichen Grenzwertes zu.

 



[1] Vgl. den entsprechenden Hinweis auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend (http://  bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/VerbraucherInnengesundheit/Lebensmittel/Lebensmittel_Unternehmer/Lebensmittelhygiene/

Leitinie_fuer_Einzelhandelsunternehmen)

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