Linz, 30.06.2011
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die zum Punkt 1.) gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung der Frau X, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, vom 31.05.2011, Zl. VerkR96-1113-2011, zu Recht:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 800 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf acht Tage ermäßigt wird.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 80 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem o.a. Straferkenntnis über über die Berufungswerberin wegen der Übertretungen nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960, § 14 Abs.1 Z1 iVm § 37 Abs.1 FSG und § 102 Abs.1 iVm § 36 lit.e u. § 57a Abs.5 KFG Geldstrafen in Höhe von 1) 1.200 Euro, 2) 36 Euro u. 3) 50 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von 252 Stunden Tagen verhängt;
3) sie sich als Lenkerin vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt zu haben, dass das von Ihr verwendete Fahrzeug eine den Vorschriften entsprechende
Begutachtungsplakette angebracht war, weil das auf der Plakette eingestanzte Kennzeichen X nicht mit dem zugewiesenen Kennzeichen übereinstimmte.
Zu den Punkten 2) u. 3) wurde letztlich keine Berufung erhoben.
1.1. Die Behörde erster Instanz hob in der Begründung des Straferkenntnis die Alkofahrt als eine der schwerwiegensten Übertretungen im Straßenverkehrs hervor. Auf Grund der reduzierten Reaktions- u. Konzentrationsfähigkeit bei alkoholsierten Lenker erhöhe sich die Unfallgefahr und damit das Risiko der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Aus verminderterer Selbstkritik die eigene Fahrleistungsfähigkeit richtig einzuschätzen, so die Behörde erster Instanz weiter. Daraus resultiere eine Bereitschaft zu gewagtem und sorglosem Fahrverhalten ohne gehörige Beachtung von Gefahren und erhöhe u.a. die Neigung zu Fahrfehlern, wie Übersehen von Hindernissen.
Ohne konkrete Bezugnahme auf die konkrete Einkommenssituation wurde eine einschlägige Vormerkung aus dem Jahr 2007 als straferschwerend gewertet.
Zu den übrigen Übertretungspunkten wurden in der Begründung keine Erwägungen getroffen.
2. Die Berufungswerberin tritt dem Straferkenntnis mit nachfolgenden Ausführungen entgegen:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte angesichts der in einem Punkt bloß gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).
3.1. Beweis erhoben wurde durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme vom Meldungsleger zu den näheren Umständen dieser Alkofahrt eingeholt (Beilage ON 4).
Eingeholt wurden Übersichtsbilder über die zurückgelegte Wegstrecke.
Der Berufungswerberin wurde die Klarstellung der Berufung über deren Umfang im Rahmen des Parteiengehörs aufgetragen (Beilagen ON 2, ON 5 ON 6).
Demnach war die Berufung bloß gegen das Strafausmaß zum Punkt 1.) gerichtet zu sehen (ON 8).
4. Erwiesener Sachverhalt:
Die Berufungswerberin lenkte ihren Pkw mit geringer Fahrgeschwindigkeit vom Parkplatz des Jazzateliers in U, B-gasse, über die D-straße Nr. x. Wegen des fehlenden Kennzeichens wurde der Pkw schließlich bei der Lagerhaustankstelle, Dreisesselbergastraße 18 von einer Funkstreifenbesatzung angehalten. Die gefahrene Wegstrecke entspricht laut Darstellung des Meldungslegers und der beigeschafften Luftbilder einer Wegstrecke von ca. 650 m. Unerfindlich erweist sich, wenn die Berufungswerberin im Rechtsmittel angab "doch nur 10 m gerollt zu sein."
Zum Zeitpunkt dieser Fahrt um kurz nach 01:00 Uhr früh herrschte kein Verkehrsaufkommen.
Dieses Tatverhalten bleibt hier im objektiven Tatunwert in dessen abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilehmer deutlich hinter dem einer typischen Alkofahrt zurück. Auch die subjektive Tatschuld ist als gering einzustufen, weil die Fahrt glaubhaft nur auf der Suche nach einem geeigneten Parkplatz diente.
Die diesbezüglich von der Behörde erster Instanz explizit ausgeführte und in der Gefahreneinschätzung geradezu gegenteiligen Beurteilung vermag sachlich nicht nachvollzogen werden.
Die Berufungswerberin begründete in der Folge gegenüber dem Meldungsleger den Grund der Fahrt mit dem bloßen "Umstellen" des Fahrzeuges, weil ihr am vorherigen Abstellplatz parallel zur Straße jemand gegen das Fahrzeug gefahren gewesen wäre, wodurch die Kennzeichentafel vom Fahrzeug heruntergefallen sei.
Für das bloße Umstellen des Fahrzeuges lässt sich diese Fahrstrecke jedoch nicht zur Gänze plausibel erklären. Dies könnte allenfalls in einer zu vermutenden Ortsunkundigkeit der Berufungswerberin begründet gewesen sein.
Im Ergebnis erweist sich ihre Verantwortung in der Berufung als auch in der ergänzenden Stellungnahmen vom 29.6.2011 und 30.6.2011 dennoch mit ihren dem Meldungslegers gegenüber im Zuge der Anhaltung gemachten Angaben im Einklang.
Die Berufungswerberin ist daher mit ihrer Darstellung glaubwürdig, wonach diese Fahrt nicht etwa in der Absicht der Heimreise nach Wien motiviert war, sondern sie sich wohl im Wissen ihres Alkoholkosums in U einquatiert hatte und eben nur das Fahrzeug nach der Veranstaltung an einen geeigneteren Stellplatz verbringen wollte. Dabei wurde sie als Lenkerin den Organen der Straßenaufsicht auffällig und ihre Alkoholisierung evident.
Sie zeigt sich ferner Schuldeinsichtigkeit und belegt im Rahmen des Berufungsverfahrens ihr Arbeitsloseneinkommen von täglich nur 23,27 Euro.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
Nach § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3.700 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt. ….
6. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
6.2. Betreffend die Alkofahrt erblickt die Berufungsbehörde ein deutliches Überwiegen der Milderungsgründe, wenngleich die einschlägige Vormerkung als straferschwerend zu werten ist. Als wohl gewichtige Milderungsgründe erweisen sich hier dennoch die Tatsachen, dass diese Fahrt nur für eine kurze Wegstrecke zum "Umparken" des Fahrzeuges zu einer völlig verkehrsarmen Tages(Nach-)zeit angelegt gewesen ist und andererseits volle Schuldeinsicht besteht.
Die Bestimmung des § 20 VStG könnte nach Aufhebung der nach Vorgabe eines Verfassungsgerichtshoferkenntnisses erfolgenden Änderung des § 100 Abs.5 StVO 1960 (VfGH 9. Oktober 1997, G 216/96, kundgemacht mit BGBl. Nr. 129/1997 am 20. November 1997) auch für Alkodelikte grundsätzlich zur Anwendung gelangen.
Letztlich steht hier der Anwendung des § 20 VStG jedoch die bereits einschlägige Vormerkung sachlich entgegen.
Dennoch ist mit Blick auf das nicht zuletzt am „Maßstab der Gerechtigkeit“ zu messenden Sachlichkeitsgebotes von einer atypischen Alkofahrt auszugehen, sodass trotz der bereits einschlägigen Vormerkung und mit Blick auf die sehr ungünstige Einkommenssituation der Berufungswerberin, mit der Mindesgeldstrafe vorgegangen werden kann.
Betreffend dem Bewegen eines Pkw´s bloß in einer Parklücke ist etwa auch auf VfGH 15.3.2000, G211/98 zu verweisen, worin der verfassungsgrechtlich gebotene Maßstab der Sachlichkeit aufgezeigt wurde.
Die Ersatzfreiheitsstrafe ist jedoch mit Blick auf § 19 Abs.2 VStG, letzter Satz, nicht in diesem Umfang zu ermäßigen gewesen.
Abschließend wird die Berufungswerberin darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieses Verfahrens nicht über den Entzug Lenkberechtigung zu befinden ist. Dafür ist gegebenenfalls die Wohnsitzbehörde im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zuständig.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r