Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720297/3/WEI/Ba

Linz, 28.06.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, slowakischer Staatsangehöriger, X, X, vertreten durch Mag. X X, Rechtsanwalt in X, X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. April 2011, Zl. 1002546/FRB, betreffend die Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und das im Spruchpunkt I gegen den Berufungswerber verhängte Aufenthaltsverbot ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm §§ 9 Abs 1 Z 1, 60 ff und 86 Abs 1 Fremden­polizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit Art 2 des BGBl I Nr. 135/2009)

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid vom 5. April 2011, Zl. 1067096/FRB, hat die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf der Grundlage der §§ 86 Abs 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) im Spruchpunkt I. ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet sowie im Spruchpunkt II. gemäß § 86 Abs 3 FPG von Amts wegen einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Rechtskraft erteilt.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde, der dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 7. April 2011 zugestellt wurde, richtet sich die am 21. April 2011 noch rechtzeitig zur Post gegebene Berufung vom 21. April 2011, die am 26. April 2011 bei der belangten Behörde einlangte und mit der die ersatzlose Aufhebung des Aufenthaltsverbotes angestrebt wird.

 

2. Die Berufung wendet sich gegen das Aufenthaltsverbot mit dem Argument der vollständigen Integration des Bw und unter Berufung auf die Bestimmung des 5. Satzes des § 86 Abs 1 FPG, weil der Bw seit August 1997 ununterbrochen in Österreich aufhältig gewesen sei. Die von der belangten Behörde herangezogenen formalen Meldedaten würden den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Tatsache sei, dass der Bw die gesamte Schulzeit in X absolviert habe, was nur bei einem ununterbrochenen Aufenthalt möglich gewesen sei. Er habe 1997 die Vorschule in der X, ab September 1998 4 Klassen Volksschule in der X (VS X) und ab September 2002 4 Klassen Hauptschule in der HS X besucht und abgeschlossen, was nur bei einem ununterbrochenen Aufenthalt möglich sei.

 

Im Übrigen nehme die belangte Behörde unzutreffend an, dass eine Gefahr vom Bw ausgeht. Es handle sich bei der herangezogenen Verurteilung um eine Jugendstrafe. Allein durch das Erwachsenwerden und die Haft könne angenommen werden, dass er keine Straftaten mehr begehen werde. Dazu komme, dass der Bw seit 18. April 2011 als Küchenhilfe bei der Hotel X GmbH beschäftigt sei und gleichzeitig einen Kurs im WIFI mit dem Ziel einer Ausbildung zum Koch absolvieren werde. Die Arbeit habe krankheitshalber erst am 18. April 2011 begonnen werden können.

 

Zur Bescheinigung werden Urkunden in Ablichtung, und zwar eine Bestätigung über die Anmeldung des Bw zur Sozialversicherung als Küchenhilfe ab 18. April 2011 für die Hotel X GesmbH in Linz, zwei Bescheinigungen über eine Behandlung im AKH Linz am 28. März 2011 (Urologische Abteilung und I. Med. Abteilung) sowie ein Schreiben der WIFI GmbH vom 11. April 2011 betreffend eine Gutschrift für den bis zum 31. Dezember 2011 dauernden Ausbildungskurs "LAP Koch" vorgelegt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die erstbehördlich vorgelegten Verwaltungsakten und die vom Bw vorgelegten Urkunden. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

3.1. Mit Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendgeschorenengericht vom 30. September 2010. Zl. 33 Hv 8/09m-244, wurde der Bw auf Seite 9 wie folgt schuldig erkannt:

 

         II.) X X ist schuldig, er hat am 28.9.2008 in X im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit X X, X X, X X und X X dem X X dadurch, dass sie ihm eine Vielzahl heftiger Faustschläge gegen den Kopf versetzten bzw. X X X X zu diesem Zweck von hinter umklammerte, wodurch dieser zu Boden ging und sie dem wehrlos am Boden Liegenden dann Fußtritte gegen den Oberkörper und wiederum vor allem gegen den Kopf und das Gesicht versetzten, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1), nämlich einen Trümmerbruch des Nasenbeines, Monokelhämatome, an beiden Augen, Hämatome, Abschürfungen und kleine Rissquetschwunden am Kopf, Muskelblutungen auf Höhe des 5. Brustwirbelkörpers und an der erchten seitlichen Thoraxpartie etwa in Höhe der 6. Rippe sowie ein Hirnödem, absichtlich zugefügt, wobei die Tat den Tod des X X zur Folge hatte.

 

Er wurde deshalb in erster Instanz wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 2. Fall StGB (mit Todesfolge) nach dem Strafsatz des § 87 Abs 2 StGB iVm § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde vor allem die massive Brutalität durch Treten gegen den Kopf des am Boden liegenden Opfers als erschwerend gewertet.

 

Der Mitangeklagte X wurde wegen der Tat sogar des Mordes nach § 75 StGB für schuldig befunden, wobei ihm besonders angelastet wurde, dass er eine gewalttätige Auseinandersetzung mit dem unbekannten Opfer suchte und seinen Gewalteinsatz noch erhöhte, als das Opfer wehrlos zu Boden ging, indem er ihm heftigst auf den Kopf trat.

 

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 25. Jänner 2011, Zl. 8 Bs 422/10f, wurde die Freiheitsstrafe des Bw auf drei Jahre und drei Monate herabgesetzt. Der tatschuldaggravierende Strafzumessungsfaktor der auffälligen Brutalität wurde aber bestätigt.

 

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 9. März 2011, Zl. 8 Bs 71/11i, wurde dem Bw der Rest seiner Freiheitsstrafe mit Wirkung vom 9. März 2011 bedingt nachgesehen und gemäß § 48 Abs 1 StGB eine Probezeit von drei Jahren bestimmt. Außerdem wurde gemäß §§ 50, 51 StGB Bewährungshilfe angeordnet und Weisungen erteilt (Antritt einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit und Meldung beim AMS als arbeitssuchend, Antigewalttraining, vierteljährlicher Nachweis zur Befolgung der Weisungen). Zwei Drittel der Strafe waren mit 30. November 2010 verbüßt. Das OLG erachtete die erstmalige Verbüßung einer knapp 2 1/2 jährigen Freiheitsstrafe in Verbindung mit den erteilten Weisungen für eine bedingte Entlassung bei einem jungen, nicht einschlägig vorbestraften Menschen als ausreichend.

 

Der Bw weist auch noch einen Vorstrafe wegen schweren Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 StGB (Einbruch in eine Trafik am 17.6.2006) auf, weswegen er vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 31. August 2006, Zl. 33 Hv 108/06p-13, zu einer Jugendstrafe von 2 Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt wurde.

 

3.2. Im erstbehördlichen Verfahren hat der Bw zu seinen persönlichen Verhältnissen vorgebracht, dass er im Jahr 1997 als Sechsjähriger mit seinen Eltern ins Bundesgebiet einreiste und sich seither durchgehend in Österreich aufhalte. Nach einem Jahr Vorschule, 4 Klassen Volksschule und 4 Klassen Hauptschule habe er eine Lehre als Chemielaborant begonnen und bis zu seiner Verhaftung ausgeübt. Er wohne mit seiner Mutter X und den beiden Brüdern X und X in der X in X. Sein Vater sei vor sechs Jahren gestorben. Nach seiner Haftentlassung werde er im Restaurant des Hotels "X" als Hilfskoch arbeiten. Im WIFI Oberösterreich absolviere er einen Kurs für theoretische Grundlagen für die Lehrabschlussprüfung Koch. Ausbildungsbetrieb sei die Hotel X GmbH.

 

Die engere Familie und der gesamte Freundeskreis befinden sich in Österreich. In der Slowakei habe er kein soziales Umfeld. Nur eine Großmutter befinde sich in einem Pflegeheim in Bratislava. Er verfüge über sehr gute Deutschkenntnisse. Nach dem Tod seines Vaters habe er bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres eine Waisenrente bezogen.

 

Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes würde sein Privat- und Familienleben verletzen. Er sei vom OLG Linz bedingt aus der Haft entlassen worden. Das Gericht habe daher angenommen, dass er keine Straftaten mehr begehen werde.

Seit drei Jahren sei er mit Frau X X, X, X so eng befreundet, dass dies einer Art Lebensgemeinschaft nahe komme.

 

3.3. Der wesentliche Sachverhalt ist bis auf die Frage der Aufenthaltsdauer des Bw in Österreich unstrittig. Die belangte Behörde ging auf Grund ihrer Verwaltungsakten davon aus, dass der Bw erstmals am 9. September 1999 mit Wohnsitz in Österreich gemeldet war. Der Rechtsanwalt seiner Mutter hätte am 21. September 2000 behauptet, dass die Mutter mit dem Bw und den Geschwistern nie langfristig in Österreich gewesen, sondern immer wieder in die Slowakei gefahren wäre. Dies werde durch aufliegende Meldedaten bestätigt, wonach der Bw erst seit 6. August 2002 durchgehend in Österreich gemeldet sei. Er halte sich daher erst seit seinem 11. Lebensjahr ununterbrochen in Österreich auf.

 

Mit dem rechtsfreundlich verfassten Schriftsatz vom 11. Mai 2011, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 20. Mai 2011, legte der Bw zum Beweis dafür, dass er schon ununterbrochen 10 Jahre in Österreich aufhältig war, folgende Urkunden in Kopie bzw Duplikate vor:

 

Volksschulstufen:

Schuljahr 1997/1998: Schulbesuchsbestätigung der VS X (X) vom 10. Juli 1998 für die Vorschulstufe

Schuljahr 1998/1999 fehlt mit Hinweis, dass es keine digitalen Notenaufzeichnungen gab

Schuljahr 1999/2000: Jahreszeugnis der VS X (X) für die 2. Schulstufe

Schuljahr 2000/2001: Jahreszeugnis der VS X für die 3. Schulstufe

Schuljahr 2001/2002: Jahreszeugnis der VS X für die 4. Schulstufe

 

Hauptschulstufen:

Schuljahr 2002/2003: Jahreszeugnis der HS X (X) für 1b Klasse (5. Schulstufe)

Schuljahr 2003/2004: Jahreszeugnis der HS X für 2b Klasse (6. Schulstufe)

Schuljahr 2004/2005: Jahreszeugnis der HS X für 3b Klasse (7. Schulstufe)

Schuljahr 2005/2006: Jahres- und Abschlusszeugnis der HS X für 4b Klasse (8. Schulstufe) mit Hinweis auf ausgezeichneten Erfolg in der 8. Schulstufe und Ende der Schulpflicht mit dem Schuljahr 2005/2006

 

Weiter vorgelegt wurde ein Lohnzettel der Hotel X GesmbH vom 21. April 2011 betreffend den Lohn des Bw für 50 Stunden.

 

Nach den Ermittlungen der belangten Behörde liegen beim Magistrat Linz erst seit September 1999 Meldedaten auf. Im zentralen Melderegister scheint erst seit 2002 eine durchgehende Meldung des Bw auf. Nach der vorliegenden Schulbesuchsbestätigung der Weberschule vom 10. Juli 1998 hatte der Bw aber bereits im Schuljahr 1997/1998 als außerordentlicher Schüler in der Vorschulstufe an verbindlichen Übungen in diversen Fächern ohne Benotung teilgenommen. Dies spricht dafür, dass er sich damals schon dauernd – wenn auch unangemeldet - in Linz aufhielt. Dass er danach die erste Schulstufe in der Slowakei absolviert hätte und erst in der 2. Schulstufe wieder nach Österreich gekommen wäre, erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat sehr unwahrscheinlich. Dafür gibt es abgesehen von den fehlenden Daten der polizeilichen Meldung keine aktenkundigen Anhaltspunkte. Die Gründe für fehlende Meldedaten betreffend Zeiträume, die so lange zurückliegen, können vielfältig sein. Daraus können keine zuverlässigen Aussagen über den tatsächlichen Aufenthalt des Bw getroffen werden.

 

Durch das Jahreszeugnis (2. Schulstufe) der Jahnschule im Schuljahr 1999/2000 wird der dauernde Aufenthalt des Bw in Linz ab September 1999 bescheinigt. Der Bw hatte in diesem Schuljahr als ordentlicher Schüler nur 1er. Auch im Pflichtgegenstand "Deutsch, Lesen, Schreiben" erhielt er die Note "1", was doch sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, wenn er die erste Schulstufe in der Slowakei und erst die zweite in Österreich absolviert hätte. Deshalb folgt das erkennende Mitglied dem schlüssigen Berufungsvorbringen, wonach der Bw seine gesamte Schulzeit in X, beginnend im Alter von sechs Jahren mit der Vorschulstufe 1997/1998, verbracht hat. Auch wenn keine durchgehende polizeiliche Meldung seit 1997 vorliegt, muss angenommen werden, dass sich der ordentliche Wohnsitz des Bw in Österreich befand, weil ein erfolgreicher Schulbesuch die regelmäßige Anwesenheit voraussetzt. Die gilt umso mehr für den Bw, der nach den vorliegenden Zeugnissen auf überdurchschnittlich gute Noten verweisen kann. Besuche oder allfällige - auch längere - Ferienaufenthalte des Bw in der Slowakei können daran nichts ändern.

 

Demgegenüber erscheint die von der belangten Behörde am 21. September 2000 festgehaltene Behauptung des damaligen Rechtsanwalts der Mutter, wonach diese sich nie langfristig in Österreich aufhalte, sondern mit den Kinder immer wieder in die Slowakei zurückfahre, als eine reine Zweckbehauptung aus fremdenpolizeilichen Gründen. Dazu muss man bedenken, dass die Slowakei erst mit der Osterweiterung 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde, weshalb die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit zuvor noch nicht bestand. Die arbeitsrechtliche Liberalisierung ist überhaupt erst nach der siebenjährigen Übergangsfrist im Mai 2011 eingetreten. Es vermag daher nicht zu verwundern, dass unter diesen Umständen keine durchgehende Meldung der Eltern des Bw und seiner Geschwister aufliegt und mitunter auch nur ein Nebenwohnsitz gemeldet war. Für den Oö. Verwaltungssenat erscheinen die Meldedaten als nicht zuverlässig und die Aussage des damaligen Rechtsvertreters als Schutzbehauptung ohne Beweiskraft.

 

Es ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Bw im Alter von sechs Jahren nach Österreich kam und hier aufgewachsen ist. Er hat keine Bindungen in der Slowakei und beherrscht seine Muttersprache schon mangels einer entsprechenden Schulbildung nur lückenhaft.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 60 Abs 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsver­bot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Nach § 60 Abs 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 zu gelten, wenn ein Fremder

 

1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Mona­ten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ...

 

Gemäß § 63 Abs 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unter Anderem im Fall des § 60 Abs 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jah­ren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer ist auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen (§ 63 Abs 2 FPG). Die Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung oder eines Durchsetzungsaufschubes aufgeschoben (§ 67 Abs 1 FPG).

 

4.2. Gemäß § 86 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Dritt­staatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffent­liche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei können strafrechtliche Ver­urteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzel­fall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Nach dem 5. Satz des § 86 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Aufenthalt ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Das Fremdenpolizeigesetz legt bezogen auf unterschiedliche Personenkreise oder nach bestimmter Aufenthaltsdauer, ein unterschiedliches Maß für die zu prognostizierende Gefährlichkeit des Fremden fest. So setzt § 60 Abs 1 FPG (Z 1: "die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet" oder Z 2: "anderen im Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft") in Relation zu § 56 Abs 1 FPG ("schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit") ein geringeres Maß der Gefährlichkeitsprognose voraus. Hingegen verlangt § 86 Abs 1 FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") im Verhältnis zu § 56 Abs 1 FPG ein höheres Maß der Gefährdungsprognose, die sich zudem im fünften Satz des § 86 Abs 1 FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit") noch weiter steigert (vgl dazu VwGH 20.11.2008, Zl. 2008/21/0603; VwGH 03.04.2009, Zl. 2008/22/0913; VwGH 27.05.2010, Zl. 2007/21/0297).

 

4.3.1. Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen rechtfertigt, kann auf die demonstrative Aufzählung des § 60 Abs 2 FPG nur als "Orientierungshilfe" zurückgegriffen werden. Mit dem entscheidungswesentlichen § 86 Abs 1 FPG idF BGBl I Nr. 122/2009 wurden zwar ergänzend Regelungen entsprechend den bestehenden europarechtliche Vorgaben getroffen, diese aber nur teilweise umgesetzt.

 

Die Freizügigkeit von Unionsbürgern regelt die Richtlinie 2004/38/EG. Nach Art 16 Abs 1 dieser Richtlinie (im Folgenden nur RL) hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten.

 

Die Kontinuität des Aufenthalts wird weder durch vorübergehende Abwesenheiten bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr, noch durch längere Abwesenheiten während der Erfüllung militärischer Pflichten, noch durch eine einzige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Niederkunft, schwere Krankheit oder Berufsausbildung oder berufliche Entsendung in einen anderen Mitgliedsstaat oder einen Drittstaat berührt (Art 16 Abs 3 der RL).

 

Wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, führt nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedsstaat, die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust (Art 16 Abs 4 der RL).

 

Nach Art 28 Abs 2 der RL darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedsstaat genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden.

 

Gemäß Art 28 Abs 3 der RL darf gegen Unionsbürger eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, wenn sie

 

a)    ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedsstaat gehabt haben oder

b)    minderjährig sind, es sei denn die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

4.3.2. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte mit Urteil vom 23. November 2010, Rechtssache C-145/09 (Fall Tsakouridis), durch eine große Kammer über ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Würtenberg betreffend die Auslegung der Art 16 Abs 4 und Art 28 Abs 3 lit a) der RL 2004/38/EG im Fall eines mehrfach wegen Körperverletzung und Nötigung Vorbestraften, der zuletzt wegen unerlaubten bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt wurde, zu entscheiden.

 

Der Gerichtshof betonte im Urteil (RN 49 ff), dass Ausweisungsmaßnahmen nur dann mit "zwingenden Gründen" der öffentlichen Sicherheit iSv Art 28 Abs 3 RL 2004/38/EG gerechtfertigt werden können, wenn eine solche Maßnahme angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der zu wahrenden Interessen erforderlich ist, vorausgesetzt dieses Ziel könne nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden. Dabei sei der außergewöhnliche Charakter der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit auf Grund des persönlichen Verhaltens der betroffenen Person, die gegebenenfalls zu der Zeit zu beurteilen sei, zu der die Ausweisungsverfügung ergeht, nach Maßgabe der verwirkten und verhängten Strafen, des Grades der Beteiligung an der kriminellen Aktivität, des Umfangs des Schadens und gegebenenfalls der Rückfallneigung gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung des voll integrierten Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedsstaat zu gefährden. Die verhängte Strafe sei nur ein Umstand dieser Gesamtheit von Faktoren.

 

Im Rahmen der Beurteilung sei auch den Grundrechten, insbesondere dem in Art 7 der Charta der Grundrechte der EU und Art 8 EMRK niedergelegten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Rechnung zu tragen (vgl RN 52 f). Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zum verfolgten legitimen Zweck sei insbesondere nach Art und Schwere der begangenen Zuwiderhandlung, der Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Aufnahmenmitgliedsstaat, der seit der Begehung der Zuwiderhandlung vergangenen Zeit und dem Verhalten in dieser Zeit sowie der Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat zu beurteilen. Im Fall eines Unionsbürgers, der die meiste oder die gesamte Zeit seiner Kindheit und Jugend rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat verbracht hat, müssten sehr stichhaltige Grüne vorgebracht werden, um die Ausweisungsmaßnahme zu rechtfertigen (Hinweis auf U des EGMR im Fall Maslov/Österreich vom 22.03.2007 = ÖJZ 2007, 878 ff).

 

Im Ergebnis hat der EuGH im oben zitierten Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung von Bestimmungen der RL 2004/38/EG vom 29. April 2004 über die Freizügigkeit der Unionsbürger

 

1. zur Auslegung des Art 28 Abs 3 lit a) der RL erkannt,

 

"dass für die Bestimmung, ob sich ein Unionsbürger in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, was das ausschlaggebende Kriterium für die Gewährung des verstärkten Schutzes nach dieser Vorschrift ist, alle im Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen sind, insbesondere die Dauer jeder einzelnen Abwesenheit des Betroffenen vom Aufnahmemitgliedstaat, die Gesamtdauer und die Häufigkeit der Abwesenheiten sowie die Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, diesen Mitgliedstaat zu verlassen, und anhand deren sich feststellen lässt, ob die entsprechenden Abwesenheiten bedeuten, dass sich der Mittelpunkt seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen in einen anderen Mitgliedstaat verlagert hat."

 

2. zum gewährten Schutz für Unionsbürger nach Art 28 Abs 3 der RL erkannt,

 

"dass die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundene Kriminalität unter den Ausdruck 'zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit' fallen kann, mit denen eine Ausweisungsmaßnahme in Bezug auf einen Unionsbürger, der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, gerechtfertigt werden kann. ..."

 

Diese Form der Kriminalität fällt selbstverständlich auch unter den weniger strengen Ausdruck "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" im Fall des Art 28 Abs 2 der RL eines Rechtes auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall liegt durch die Verurteilung des Landesgerichts Linz als Jugendgeschworenengericht vom 30. September 2010, Zl. 33 Hv 8/09m-244, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs 1 und Abs 2 2. Fall StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten (idFd Berufungsurteils des OLG Linz vom 25.01.2011, 8 Bs 422/10f) eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs 2 Z 1 Fall 1 FPG (Verurteilung zu mehr als drei Monaten Freiheitsstrafe) vor, die gemäß dem § 63 Abs 1 FPG grundsätzlich auch zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes ermächtigt.

 

Weiters liegt durch diese Verurteilung wegen eines Gewaltdeliktes, die den § 60 Abs 2 Z 1 FPG um ein Mehrfaches übererfüllt, grundsätzlich auch eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vor. Bei dem vom Bw verwirklichten qualifizierten Delikt handelt es sich nämlich um ein Verbrechen, welches für Erwachsene mit Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren bedroht ist. Gegenüber "minderen" Verbrechen, die gemäß § 17 StGB bei Delikten mit einer Strafdrohung von mehr als 3jähriger Freiheitsstrafe beginnen, bedeutet dies jedenfalls eine erhebliche Steigerung des Tatunwertes. Gemessen an der erfolgten Verurteilung liegt somit im Sinne der Bestimmungen des FPG eine erhebliche Gefahr iSd § 86 Abs 1 FPG vor. Diese strafrechtliche Verurteilung allein und auf Generalprävention verweisende Begründungen genügen aber bekanntlich noch nicht, sondern zu prüfen ist jedoch weiters, ob vom Bw konkret auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Nach den tatsächlichen Feststellung des erkennenden Verwaltungssenats (vgl unter Punkt 3.3) hatte der Bw seinen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Tatbegehung am 28. September 2008 und damit bei Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts schon mehr als 10 Jahre in Österreich. Aber selbst wenn man wie die belangte Behörde anderer Meinung ist, würde dies im Ergebnis keinen Unterschied machen, weil für den Bw als Unionsbürger die Rechtsposition nach der RL 2004/38/EG maßgeblich ist und entgegenstehende Vorschriften nach der ständigen Judikatur des EuGH verdrängt werden. Denn nach der Unionsbürgerrichtlinie und dem dargestellten Urteil des EuGH vom 23. November 2010, Zl. Rs C-145/09, ist die Dauer des Aufenthalts auf die Entscheidung über die Ausweisung (bzw des Aufenthaltsverbotes) und nicht auf die Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts wie im 5. Satz des § 86 Abs 1 FPG zu beziehen. Im Zeitpunkt der Entscheidung der Erstbehörde mit Bescheid vom 5. April 2011 (Zustellung 07.04.2011) hatte der Bw jedenfalls schon länger als 10 Jahre seinen Wohnsitz in Österreich. Im Schuljahr 2001/2002 absolvierte er die 4. Schulstufe in der VS X (X), worüber das Jahreszeugnis vorliegt. Auch sein weiterer dauernder Aufenthalt in Österreich erscheint durch die vorgelegten Urkunden hinreichend bescheinigt.

 

Zu dem gesetzlich verwendeten Begriff "ununterbrochen" ist auf die wesentlich großzügigeren Vorgaben in Art 16 Abs 3 und 4 der RL 2004/38/EG (vgl unter 4.3.1.) zur Frage der Kontinuität des Aufenthalts hinzuweisen. Entweder man hält diesen Begriff wegen Überlagerung durch die RL überhaupt für obsolet oder man muss ihn im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation reduzieren. Im Übrigen hat der EuGH im dargestellten Urteil (vgl unter 4.3.2.) verlangt, die Dauer jeder einzelnen Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat und die Gründe dafür zu erheben, um feststellen zu können, ob der Betroffene den Mittelpunkt der persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen in einen anderen Mitgliedstaat verlagert hat. Diese Anforderungen an die Begründung zur Feststellung eines minderlangen Aufenthalts beim Bw hat die belangte Behörde weit verfehlt.

 

4.5. Aus den dargelegten Gründen kommen im vorliegenden Fall die strengen Voraussetzungen des 5. Satzes des § 86 Abs 1 FPG zur Anwendung. Danach muss auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die Sicherheit der Republik durch dessen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet erscheinen.

 

Die belangte Behörde hat in ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl Erstbescheid, Seiten 6 ff) das Vorliegen einer vom Bw ausgehenden tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bejaht und dazu nicht nur auf die strafgerichtliche Verurteilung wegen § 87 Abs 1 und 2 2. Fall StGB an sich verwiesen, sondern auch die näheren Umstände der Tat, das Tatverhalten des Bw und die brutale Vorgangsweise erörtert. Diesen Ausführungen kann der unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich nicht entgegen treten. Dass der in Wut geratene Bw zu einer solchen Brutalität fähig war, mehrmals gegen den Kopf eines Wehrlosen zu treten, beweist ein gesteigertes persönliches Gewaltpotential und eine durchaus aktuelle und erhebliche Gefahr für das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung von Gewaltkriminalität. Auch könnte eine wesentliche Minderung dieser Gefahr durch die seit der Begehung verstrichene kurze Zeit des Wohlverhaltens nicht angenommen werden, zumal grundsätzlich die Zeiten einer Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen sind (vgl mwN VwGH 16.10.2007, Zl. 2006/18/0081).

 

Wie bereits ausgeführt, müssten aber im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen des § 86 Abs 1 Satz 5 FPG vorliegen, um eine Aufenthaltsverbot gegen den Bw erlassen zu können. Diese Voraussetzungen hat auch die belangte Behörde der Sache nach nicht angenommen, auch wenn sie die Anwendbarkeit des 5. Satzes überhaupt bestritt.

 

Von einer nachhaltigen und maßgebenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Bw in Österreich kann keine Rede sein. Dazu müsste eine außergewöhnliche Schwere der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch das persönliche Verhalten des Bw vorliegen, was nach der Aktenlage nicht einmal im Ansatz erkennbar ist. Außerdem hat der EuGH im Urteil (vgl RN 53) unter Hinweis auf Maslov gegen Österreich betont, dass im Fall eines Unionsbürgers, der die meiste Zeit seiner Kindheit und Jugend im Aufnahmemitgliedstaat verbracht hat, schon sehr stichhaltige Gründe vorgebracht werden müssten, um eine Ausweisungsmaßnahme zu rechtfertigen. Dies trifft nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats auch auf den im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommenen Bw zu, der seine gesamte Schulzeit in Österreich absolvierte und nunmehr eine Berufsausbildung zum Koch anstrebt.

 

5. Im Ergebnis geht der Oö. Verwaltungssenat bei der gegebenen Sachlage davon aus, dass trotz des strafrechtlichen Fehlverhaltens des Bw ein Aufenthaltsverbot gegen den ihn nicht erlassen werden kann, weil sein weiterer Aufenthalt in Österreich die öffentliche Sicherheit nicht nachhaltig und maßgeblich gefährdet.

 

Es war daher der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid im Spruchpunkt I, mit dem ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Bw verhängt wurde, ersatzlos aufzuheben.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Eingabengebühren für die Berufung vom 21.04.2011 (13,20) mit 4 Beilagen kurz (4 x 3,60) und die Urkundenvorlage vom 11.05.2011 (13,20) mit 9 Beilagen kurz (9 x 3,60), insgesamt daher von 60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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