Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-165478/12/Fra/Gr

Linz, 27.06.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 14. Mai 2010, AZ: S-56234/09-4, betreffend Übertretung des § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2 e StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. Juni 2011 iVm einem Lokalaugenschein, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z.1 VStG; § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 e leg.cit eine Geldstrafe von 218 Euro (EFS 5 Tage) verhängt, weil er am 30. November 2009 um 21:08 Uhr in Kefermarkt, Mühlviertler Straße, B 310, Fahrtrichtung Linz, Straßenkilometer 32.761, das KFZ mit dem Kennzeichen: X gelenkt und dabei die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten hat, da die Fahrgeschwindigkeit 151 km/h betrug, wie mit einem Messgerät festgestellt wurde. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits in Abzug gebracht.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Prozent der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebracht Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz - als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

Dieser hatte, weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51 c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10. Juni 2011 iVm einen Lokalaugenschein erwogen:

 

Unstrittig ist, dass der Bw den in Rede stehenden PKW gelenkt hat. Weiters ist aufgrund der Beweisaufnahme durch den Unabhängigen Verwaltungssenat davon auszugehen, dass die Geschwindigkeitsmessung mittels Lasergerät LT-20.20TS-KM-E, Nr. Messgerät: 7353, korrekt durchgeführt wurde. Das Messgerät war zum Tatzeitpunkt auch geeicht. Ein Messprotokoll wurde durch das Messorgan vorgelegt. Die Verwendungsbestimmungen wurden vom Messorgan eingehalten.

 

Der Bw bringt vor, dass er an der Messstelle vorbeigefahren ist, ohne von den Beamten angehalten worden zu sein. Er sei daher unbehelligt Richtung Linz weitergefahren. Ein gutes Stück vor dem Tunnel Neumarkt sei er von X überholt worden, welcher sehr schnell unterwegs gewesen sei.

 

Im Ergebnis behauptet der Bw, dass er die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begangen habe und er mit einem anderen Fahrzeug verwechselt worden sei.

 

Bezugnehmend auf dieses Vorbringen schildert der Meldungslegers GI X (API X) und GI X (API X) bei der Berufungsverhandlung den Nachfahrvorgang im Wesentlichen dahingehend, dass dem im abfließenden Verkehr gemessenen Fahrzeug nach der Messung nachgefahren wurde. Der Fahrzeugmotor sei bei der Messung in Betrieb gewesen. GI X, der Lenker des Dienstkraftwagens, der auch die Messung durchgeführt hat, gab das Gerät seinem Beifahrer GI X. Das gemessene Fahrzeug sei noch vor dem Tunnel Neumarkt eingeholt worden. Das Blaulicht sei sofort nach dem Wegfahren eingeschaltet worden. Die Anhaltung erfolgte nach dem Tunnel Neumarkt. Beim Dienstkraftfahrzeug handelt es sich um einen VW Sharan V6 ca. 200 PS. Beim Nachfahren sei kein Verkehr vorhanden gewesen. Das verfolgte Fahrzeug konnte auf der "Geraden nach dem Gasthaus X"  wieder gesehen werden. Die Nachfahrt erfolgte bei einer Geschwindigkeit von ca. 160-165 km/h. Im Zuge dieser Verfolgungsfahrt mussten keine anderen Fahrzeuge überholt werden. Das verfolgte Fahrzeug sei einmal kurz aus den Augen verloren worden. Bei der langen Gerade konnte an das verfolgte Fahrzeug aufgeschlossen werden.

 

Der Bw brachte vor, dass vor dem Tunnel Neumarkt in der lang gezogenen Linkskurve vor ihm ein silberner X gefahren sei. Hinter diesem sei er in den Tunnel eingefahren. Dort, wo sich die Ausbuchtungen im Tunnel befinden, habe er erstmals hinter ihm das Polizeifahrzeug mit eingeschaltem Blaulicht wahrgenommen. Er sei in der langgezogenen Linkskurve vor dem Neumarkter Tunnel und zwar in der Senke von einem dunklen 5er BMW überholt worden. Er könne es sich nur so erklären, dass er an dem Polizeifahrzeug vorbeigefahren sei, ein anderer BMW nach ihm gekommen sei und dieser betreffende PKW ihn dann vor Senke überholt habe. Die Polizei habe angenommen, dass er der Lenker dieses gemessenen PKWs gewesen sei.

 

Der Bw stellte bei der Berufungsverhandlung unter Zugrundelegung der Aussagen der Meldungsleger folgenden Beweisantrag:

 

"Ich beantrage zum Beweis dafür, dass die Polizisten bei der Anhaltung nicht das gemessene, sondern jenes des Berufungswerbers angehalten haben, das von der gleichen Type war und es sohin zu einer Verwechselung kam, dass der bestellte Sachverständige ein Gutachten dazu erstatten möge, ob die Angaben der Polizisten betreffen die Nachfahrt plausibel sind unter der Annahme, dass die angegebenen und aktenkundigen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge richtig sind und ob es plausibel und möglich ist, dass die Polizisten bereits auf der nächsten Gerade das schnelle Fahrzeug eingeholt haben können und ob es möglich ist, dass die Polizisten das schnelle gemessene Fahrzeug bei der Nachfahrt immer im Blickkontakt hatten."

 

Der Amtssachverständige für Verkehrsmesstechnik Dipl.-HTL. Ing. X erstattete hiezu folgendes Gutachten:

"Zu der Frage, ob es während der gegenständliche Nachfahrt, die sich über die Länge von ca. 5,5 Kilometer erstreckt hat und bei der durch die gegenständliche Straßenführung sowohl bergauf als auch bergab Strecken zu durchfahren sind, möglich ist, dass die Polizei im Zuge der Nachfahrt aufgrund des großen ursprünglich eingehaltenen Nachfahrabstandes das Fahrzeug zumindest zeitweise aus den Augen verloren hat, ist festzustellen, dass es vom Messpunkt bis zum Anhaltepunkt zahlreiche Möglichkeiten gibt, dass der Blickkontakt zum vorausfahrenden Fahrzeug auch bei Dunkelheit verloren geht. Zu der Frage, ob die Polizei die Möglichkeit gehabt hat, das Fahrzeug auf einer Wegstrecke von 1,5 bis zwei Kilometer einzuholen: Wenn man davon ausgeht, dass das Polizeiauto aus dem Stillstand beschleunigt wurde und das verfolgte Fahrzeug mit rund 156 km/h unterwegs ist, ist aus technischer Sicht festzustellen, dass, wenn man ein Zeitwegdiagramm ermittelt und man von einer Wegstrecke von zwei km beispielshaft ausgeht, dass die Polizei sich nach zwei Kilometer ungefähr 250 bis 300 m ungefähr hinter dem Fahrzeug befindet. Auch wenn man davon ausgeht, dass das Fahrzeug mit etwas über 200 PS ausgestattet ist, frei fahren konnte, d.h. praktisch die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeuges ausnützen konnte, ist ein Einholen des Fahrzeuges auf dieser Wegstrecke nicht denkbar, wenn man davon ausgeht, dass das verfolgte Fahrzeug seine Geschwindigkeit beibehielt. Zu der Frage, ob es möglich ist, dass in Bezug auf den Messort das Polizeifahrzeug das gemessene Fahrzeug, von dem man annimmt, dass es mit ungefähr 156 km/h gefahren ist nach rund 2 Kilometer eingeholt wurde, ist aus technischer Sicht festzustellen, dass das nicht möglich ist, weil davon auszugehen ist, dass das Polizeifahrzeug vom Stand aus nachfahren hat müssen. Auszugehen ist davon, dass der Nachfahrabstand nach den zwei Kilometern in der Größenordnung von rund 250 Meter gelegen ist. Es hat es auf keinen Fall eingeholt zu diesem Zeitpunkt. Ergänzend wurde beim heutigen Lokalaugenschein folgendes festgestellt:

 

Wenn man davon ausgeht, dass das Polizeiauto die Nachfahrt nach ca. 5 bis 6 Sekunden aufnimmt, so hat das gemessen Fahrzeug, wenn man die 156 km/h unterstellt, in dieser Zeit eine Wegstrecke von rund 220 m zurückgelegt. Im Hinblick auf den Standort des Polizisten ergibt sich dort ein einsehbares Straßenstück, bei dem ein Asphaltwechsel heute augenscheinlich erkennbar ist. Bei diesem Asphaltwechsel, also in einer Entfernung von rund 220 m, müsste sich das Fahrzeug befunden haben, als die Polizei wegfuhr. Wenn man dann eine Beschleunigung des Sharan, der etwas über 200 PS hat, und wenn man zwei Meter pro Sekundenquadrat in Rechnung stellt, so hatte bei diesem Asphaltwechsel das Polizeiauto eine Geschwindigkeit von etwas mehr als 100 km/h. Wenn sich das Polizeiauto bei diesem Asphaltwechsel befindet und dafür eine Zeit von 15 bis 16 Sekunden anzusetzen ist, hat das gemessene Fahrzeug, wenn man davon ausgeht, dass es mit 156 km/h weitergefahren ist, bereits eine Zusatzwegstrecke von rund 640 bis 650 m zurückgelegt. D.h. im Hinblick auf die Sichtverhältnisse, wenn sich das Polizeiauto beim beschriebenen Asphaltwechsel befunden hat, sich das zu beobachtende Fahrzeug rund 640 bis 650 weiter vorne befindet, ist es daher aufgrund er Topographie und des Straßenverlaufes von dort nicht mehr einsehbar. Zu der Frage des Berufungswerbers, ob es möglich ist, dass das gemessene Fahrzeug eingeholt werden konnte, wenn man davon ausgeht, dass es mit der Geschwindigkeit von etwa 156 km/h weitergefahren ist und die Verfolgungsgeschwindigkeit des Polizeiautos um 10 km/h höher als bei rund 165 km/h lag, ist aus technischer Sicht festzustellen, dass da ein Einholvorgang nicht denkbar ist."

 

Im Hinblick auf diese Ermittlungsergebnisse kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass die Meldungsleger tatsächlich das vom Bw gelenkte Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 156 km/h gemessen haben. Der Vollständigkeit halber ist festzustellen, dass die tatsächliche Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges nach dem Messvorgang nicht bekannt ist. Ist der Lenker des gemessenen Fahrzeuges nach der Messung entsprechend langsam weitergefahren, müsste von anderen – nicht bekannten Prämissen" ausgegangen werden. Da es aufgrund der Beweisergebnisse zumindest möglich ist, dass die Meldungsleger ein anderes als das Fahrzeug des Berufungswerbers gemessen haben (das Kennzeichen des Fahrzeuges konnten sie ja nicht ablesen) und die vorliegenden Ergebnisse nicht ausreichend beweiskräftig sind im Hinblick auf die Schlussfolgerung, dass das vom Bw gelenkte Fahrzeug gemessen wurde, war in Anwendung der Zweifelsregel "in dubio pro reo" spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.


 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum