Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522877/4/Zo/Jo

Linz, 28.06.2011

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn X vom 01.06.2011 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 01.06.2011, Zl. 2-FE-796/2010, wegen Abweisung eines Antrages auf amtswegige Abänderung eines Bescheides, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und dem Antrag auf amtswegige Abänderung des Bescheides der BPD Wels vom 16.12.2010, Zl. 2-FE-796/2010, Folge gegeben.

 

Dieser Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass das Verbot von Lenken von Motorfahrrädern und Invalidenkraftfahrzeugen ab Zustellung des Berufungsbescheides aufgehoben wird.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 67a Z1 und 68 Abs.2 AVG iVm §§ 7 Abs.3 Z1, Abs.4, 24 Abs. 1, 26 Abs.2 Z1 und 32 Abs.1 FSG.

 

 

 

Hinweis:

 

Der Berufungswerber ist derzeit nicht im Besitz einer Lenkberechtigung, weshalb er zum Lenken eines Motorfahrrades oder Invalidenkraftfahrzeuges einen Mopedausweis benötigt (§ 1 Abs.6 FSG). Falls er keinen solchen besitzt, wird ihm empfohlen, sich an eine Fahrschule oder einen Verein für Kraftfahrzeugbesitzer zu wenden.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die BPD Wels hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Berufungswerbers auf amtswegige Abänderung des Bescheides vom 16.12.2010, ZlX, zurückgewiesen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung verwies der Berufungswerber auf die Begründung seines Antrages vom 15.04.2011.

 

3. Der Polizeidirektor von Wels hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Einholung einer Stellungnahme des Berufungswerbers. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber verursachte am 04.12.2010 in Vorchdorf als Lenker eines PKW zwei Verkehrsunfälle, wobei er nach dem ersten Verkehrsunfall Fahrerflucht beging. Der zweite Verkehrsunfall wurde von Polizeibeamten wahrgenommen und der Berufungswerber im Zuge der Unfallaufnahme zum Alkotest aufgefordert. Diesen verweigerte er. Anzuführen ist, dass in beiden Fällen (lediglich) Sachschaden entstanden ist.

 

Die BPD Wels hat dem Berufungswerber mit Bescheid vom 16.12.2010, Zl. 2-FE-796/2010, die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für 12 Monate entzogen, es wurde die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme und eines amtsärztlichen Gutachtens und die Absolvierung einer Nachschulung angeordnet. Weiters wurde dem Berufungswerber das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenfahrzeugen für die Zeit vom 16.12.2010 bis 04.12.2011 (bzw. bis zur Befolgung der begleitenden Maßnahmen) verboten und er wurde verpflichtet (falls er im Besitz eines Mopedausweises ist) diesen abzugeben. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

 

Am 15.04.2011 stellte der nunmehrige Berufungswerber den Antrag an die BPD Wels, den Bescheid gemäß § 68 Abs.2 AVG dahingehend abzuändern, dass das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern und Invalidenkraftfahrzeugen aufgehoben wird. Dies begründete er mit einer wesentlich geänderten Gesinnung und auch geänderten Lebensumständen. Er habe seit dem 4. Dezember 2010 keine weiteren Übertretungen der StVO begangen. Sein Wohnsitz in X erfordere es, dass er täglich einen 4 km langen Fußweg zum Bahnhof X über ungesicherte Landstraßen zurücklege. Sein Arbeitsplatz befinde sich in Linz. Das Lenken eines Motorfahrrades würde für ihn eine zusätzliche Sicherheit (Sichtbarkeit in der Nacht) bedeuten. Er habe keine Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmitteln für das Pendeln zum Bahnhof zu verwenden, da es von seinem Wohnsitz zum Bahnhof keine solchen gebe.

 

Aufgrund seines Arbeitsplatzes in Linz müsse er bereits um 05.45 Uhr morgens aus dem Haus und komme am Montag (wegen Abendunterricht) erst kurz vor 23.00 Uhr am Bahnhof Lambach an. Von dort habe er kein öffentliches Verkehrsmittel, weshalb er nach dem Abendunterricht nicht mehr an seinen Wohnort gelangen könne. Auch der Transport von Lebensmitteln sei unzumutbar, da das nächste Geschäft gleichfalls ca. 4 km entfernt sei. Er sei alleinstehend und habe auch keine Möglichkeit einer Mitfahrgelegenheit.

 

Die BPD Wels hat diesen Antrag mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf § 68 Abs.1 AVG zurückgewiesen.

 

Auf Aufforderung durch den UVS konkretisierte der Berufungswerber diesen Antrag noch dahingehend, dass er seinen Hauptwohnsitz in X, habe und er die Strecke X fast täglich pendle. Lediglich am Montag halte er sich bei seiner Mutter in X auf, weil er an diesem Tag nach dem Abendunterricht keine Möglichkeit mehr habe, seinen Wohnsitz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 68 Abs.1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs.2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Von Amtswegen können Bescheide, aus denen niemanden ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom Unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.       die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.       sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 gilt gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG insbesondere, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 StGB zu beurteilen ist.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

 

 

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird.

 

Gemäß § 32 Abs.1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht iSd § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der §§ 24 Abs.3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1.   ausdrücklich zu verbieten,

2.   nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden oder

3. nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.

 

5.2. Die Ausführungen der Erstinstanz, wonach die Verkehrszuverlässigkeit grundsätzlich nicht "teilbar" ist, sind grundsätzlich zutreffend. Dennoch gibt es auch in der bisherigen Praxis Konstellationen, in denen zwar die Lenkberechtigung entzogen, jedoch kein "Mopedfahrverbot" erlassen wird (zB bei der kurzfristigen Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung).

 

Der Gesetzgeber hat mit der 12. FSG-Novelle eine (bisher nicht bestehende) Differenzierung zwischen vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorfahrrädern vorgenommen. Seit dieser Novelle ist mit der Entziehung der Lenkberechtigung das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen ex lege verboten, während ein "Mopedfahrverbot" von der Behörde gemäß § 32 Abs.1 FSG ausdrücklich angeordnet werden muss. Auch diese Novelle rechtfertigt daher eine differenzierte Betrachtung.

 

Grundsätzlich ist die bisherige Rechtsprechung weiter anzuwenden, wonach insbesondere nach Alkoholdelikten die Verkehrszuverlässigkeit uneingeschränkt für alle Kraftfahrzeuge fehlt. Es ist auch richtig, dass berufliche Nachteile bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit im Interesse der Verkehrssicherheit (also zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer) nicht zu berücksichtigen sind. In diesem Zusammenhang darf jedoch – insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit – nicht übersehen werden, dass von einem Lenker eines Motorfahrrades im Allgemeinen doch deutlich geringere Gefahren ausgehen als vom Lenker eines PKW.

 

Bei Abwägung all dieser Aspekte können im Einzelfall die Nachteile, welche mit einem Mopedfahrverbot verbunden sind, eine andere Beurteilung rechtfertigen: Wenn der Betroffene seinen Arbeitsplatz ohne Lenken eines Motorfahrrades zumutbarerweise nicht mehr erreichen kann und das Mopedfahrverbot damit zur Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes und damit zu existentiellen Problemen führen kann, erscheint eine weniger strenge Anwendung des § 32 Abs.1 FSG gerechtfertigt. Dies insbesondere in jenen Fällen, in denen der Betroffene erstmalig ein Alkoholdelikt begangen hat und die in § 26 Abs.2 FSG vorgesehene Mindestentzugsdauer bereits abgelaufen ist. Es konnte daher im konkreten Fall dem Antrag des Berufungswerbers stattgegeben und das Mopedfahrverbot aufgehoben werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

VwSen-522877/4/Zo/Jo vom 28. Juni 2011

Erkenntnis

 

FSG §32 Abs1

 

Bei Begehung eines Alkoholdeliktes mit einem PKW ist die Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben. Diese fehlende Verkehrszuverlässigkeit betrifft grundsätzlich alle Arten von Kraftfahrzeugen im gleichen Ausmaß. Es wird daher idR die Lenkberechtigung entzogen und ein "Mopedfahrverbot" iSd § 32 Abs1 FSG verhängt.

Der Gesetzgeber hat mit der 12. FSG-Novelle eine (bisher nicht bestehende) Differenzierung zwischen vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorfahrrädern vorgenommen. Seither ist mit jeder Entziehung der Lenkberechtigung auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen ex lege verboten, während ein "Mopedfahrverbot" gemäß § 32 Abs1 FSG ausdrücklich von der Behörde angeordnet werden muss. Aufgrund dieser geänderten Rechtslage ist daher eine differenzierte Betrachtung möglich. Vom Lenker eines Motorfahrrades geht idR eine niedrigere Gefahr aus als vom Lenker eines PKW (wesentlich niedrigere Geschwindigkeit) weshalb auch der Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer nicht in allen Fällen zwingend ein Mopedfahrverbot erforderlich macht.

In jenen Ausnahmefällen, in denen das Mopedfahrverbot zur konkreten Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes führt, scheint es daher möglich, von einem Mopedfahrverbot abzusehen. Dies insbesondere dann, wenn es sich um das erste Alkoholdelikt handelt und die in § 26 Abs2 FSG vorgesehene Mindestentzugsdauer bereits abgelaufen ist.

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum